Vorhang auf für das Gericht

Der Fall Zumwinkel.

Fällt nur mir was auf?

Im Vorfeld war davon die Rede, die Staatsanwaltschaft habe der Verteidigung zugesagt, im Falle eines Geständnisses auf eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren zu plädieren. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Bochum wurde in diversen Medien mit dem Satz zitiert, es sei unüblich, dass Gerichte über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinausgehen.

Das Landgericht Bochum beraumt für die Hauptverhandlung zwei Tage an. Offensichtlich ist dem Gericht zumindest bekannt, dass Zumwinkel gestehen wird. Denn ansonsten käme man mit zwei Verhandlungstagen nicht hin. Sicher nicht.

Der ehemalige Postchef kommt zum Gericht. Nach der Mittagspause legt er die Karten auf den Tisch. Er vergibt damit insbesondere die Möglichkeit, ein Verwertungsverbot der Beweismittel geltend zu machen, die ja durch anrüchiges staatliches Handeln erlangt wurden. Er lässt gleichzeitig jede Chance fahren, dass man ihm vielleicht doch nicht alles nachweisen kann. Und jede Gelegenheit, die Schuld anderen in die Schuhe zu schieben.

Vorhang auf für das Gericht:

Der Vorsitzende Richter der 12. Großen Strafkammer, Wolfgang Mittrup, widersprach jedoch Spekulationen, es habe Absprachen über eine Bewährungsstrafe für den Angeklagten gegeben. „Eine irgendwie geartete Absprache zur konkreten Strafhöhe gibt es nicht.“ Und er fügte hinzu: „Dieses Verfahren wird genauso geführt wie jedes andere.“

Es mag vielleicht kein Papier geben, auf dem eine Absprache festgehalten ist. Aber das ist auch nicht üblich. Ich kann mir nach dem bisherigen Ablauf allerdings nicht vorstellen, dass es keine wechselseitigen Signale gegeben hat, welche die Weichen in eine ganz bestimmte Richtung stellten. Es ist dann mitunter Sache und Risiko des Angeklagten, auf diese Signale zu vertrauen und die Vorleistung in Form des Geständnisses zu erbringen.

Neu ist mir nur, dass dieses stillschweigende Verstehen keine Absprache wäre. Aber man lernt halt immer dazu.

Sogar vom Schmierentheater.

Zum Thema: Ausgang des Verfahrens scheint programmiert

Überfälliges Ping Pong

Ich weiß nicht, wer beim Großinkasso infoscore die Texte schreibt. Aber das ist schon fast Poesie, im Zweiwochentakt:

1. Schreiben: … nachfolgend erhalten Sie eine Forderungsaufstellung, da uns die Gläubigerin mit dem Einzug ihrer überfälligen Forderung beauftragt hat.

2. Schreiben: … bestimmt ist Ihnen nicht entgangen, dass der Ihrer Gläubigerin zustehende Betrag nicht gezahlt ist. … Anderenfalls sind wir gezwungen, ohne erneute Anmahnung, die Angelegenheit an Rechtsanwälte zu übergeben, welche dann gerichtlich gegen Sie vorgehen werden.

Bemerkenswert: Die „Gläubigerin“ hatte zunächst Rechtsanwälte eingeschaltet, nämlich eine auf Massenabmahnungen spezialisierte Kanzlei. Diese Anwälte stießen beim Mandanten auf Granit. Sie gaben dann die Angelegenheit an infoscore. Sollte infoscore keinen Erfolg haben, was garantiert der Fall sein wird, kommen nun also wieder Anwälte ins Spiel.

Was für ein Szenario. Stellen die Beteiligten dieses absurde Ping Pong dem Auftraggeber eigentlich in Rechnung? Und merkt der nichts?

Ich mache einen Vorschlag

Meine Freunde bei HealthCity (Vorgeschichte) gehen auf Tauchstation. Nachdem ich einige Irrtümer über die angebliche „Kündigung“ ausgeräumt habe, ist Sendepause.

Ich hake deshalb nach:

Sehr geehrte Frau S.,

in meiner letzten Mail hatte ich Ihnen erklärt, dass die auch von Ihnen einzuhaltende Kündigungsfrist der 31. Juli 2009 ist. Die Sach- und Rechtslage ist klar.

Bis auf die Art und Weise der Preiserhöhung bin ich mit dem Studio zufrieden. Ich mache daher folgenden Vorschlag:

1. Ich zahle ab dem 1. August 2009 einen Monatsbeitrag von xx,xx €.
2. Ansonsten bleibt der Vertrag unverändert.

Bitte teilen Sie mir mit, ob Sie hiermit einverstanden sind.

Ansonsten informieren Sie mich bitte darüber, ob Sie an Ihrer Auffassung festhalten, den Vertrag zum 28. Februar 2009 wirksam gekündigt zu haben. In diesem Fall gehe ich davon aus, ab dem 1. März 2009 keinen Zutritt mehr zu erhalten.

Für diesen Fall würde ich sofort eine Feststellungsklage beim Amtsgericht einreichen, um Ihre „Kündigung“ für unwirksam erklären zu lassen.

Ich erbitte Ihre Antwort bis zum 27. Januar 2009. Sollte bis dahin keine Stellungnahme vorliegen, werde ich die gerichtliche Klärung herbeiführen.

Man beachte den Vergleichsvorschlag. Signalisiert dem Richter, wem er die Belästigung mit so einer Lappalie letztlich zu verdanken hat.

Hoher Schaden

Ein Mandant hatte einen Verkehrsunfall. Er war schuld. Der Schaden seeeehr hoch. Die Haftpflichtversicherung stufte ihn etliche Klassen zurück. Weit mehr, als er erwartet hatte. Telefonische Auskunft: „Das liegt an der Höhe des Schadens.“

Richtet sich der Rabattverlust wirklich nach dem Betrag, den die Autoversicherung zahlen musste? Ich dachte bisher, es kommt nur auf die Zahl der Unfälle an, wobei die Versicherer ihre Rückstufungstabelle selbst gestalten können.

Da wir das Thema nur beiläufig streiften, will der Mandant zunächst mal selbst googeln und mir Bescheid sagen. Rechtsberatung mal andersrum.

Erstes Blog auf dem Index

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien fühlt sich auch für Weblogs zuständig. Sie hat ein Blog indiziert, das Magersucht verherrlichen soll. Dies ist im Beck-Blog nachzulesen.

Die Indizierung bewirkt, dass die Inhalte Minderjährigen nicht mehr zugänglich sein dürfen (Wikipedia). Der Blogbetreiber müsste also eine wirksame Altersverifikation (Passswortschutz und PostIdent) einbauen, wenn er weitermachen will.

Nachtrag: Spreeblick veröffentlicht die Entscheidung der Bundesprüfstelle.

Bericht auf heise online

Klagen in Hamburg machen weniger Spaß

Das Oberlandesgericht Hamburg scheint die Haftung für Forenbetreiber gerade zu rücken. Heute haben die Richter in einer mündlichen Verhandlung signalsiert, dass sie entgegen dem Landgericht Hamburg Forenbetreiber nicht grundsätzlich für die Inhalte verantwortlich machen, die Dritte ins Forum schreiben.

Es ging, mal wieder, um Marions Kochbuch.

Damit dürfte es für vermeintlich Forengeschädigte wesentlich uninteressanter werden, in Hamburg zu klagen.

Näheres in Rechtsanwalt Sascha Kremers Prozessbericht.

Es bleibt – ein freundlicher Brief

Viele Verfahren werden gern nach § 153 Strafprozessordnung eingestellt. Wegen „geringer Schuld“, sagt man gemeinhin.

Es handelt sich um eine hypothetische Schuldfeststellung. Der Staatsanwalt fragt: Wenn sich der Verdacht bestätigt, wäre die Schuld dann so gering, dass unter den Voraussetzungen des Paragrafen keine Strafverfolgung notwendigt ist? Wenn ja, stellt er das Verfahren ein, so er denn will. Der Staatsanwalt stellt aber nicht fest, ob an dem Tatverdacht was dran ist.

Manchen Betroffenen ist das aber nicht recht. Sie fühlen sich nicht „gering schuldig“, ob nun hypothetisch oder real. Sie fühlen sich unschuldig, sind es womöglich auch. Deshalb legen sie Wert darauf, eine Einstellung erster Klasse zu bekommen. Wegen fehlenden Tatverdachts, § 170 Strafprozessordnung.

Das muss nicht unbedingt Prinzipenreiterei sein. Wer zum Beispiel einen Flugschein hat, wird regelmäßig auf seine Zuverlässigkeit überprüft. Die zuständigen Ämter erfahren auch von Strafverfahren, die nicht zu einer Verurteilung führen. Da nicht abgezählt werden kann, wann jemand unzuverlässig ist, kann eine Einstellung – nur – nach § 153 Strafprozessordnung auch eine Rolle spielen. Schön sieht sie jedenfalls nicht aus.

Was kann der Betroffene also tun? Nichts. Gegen eine Einstellung wegen „geringer Schuld“ gibt es keine Rechtsmittel. Es bleibt nur ein freundlicher Brief an den Staatsanwalt. Mit der Bitte, die Sache noch einmal zu überdenken.

So einen Brief habe ich gerade diktiert.

Sie mich im übrigen auch

Sehr geehrte Frau Kollegin Günther,

ich sage es ganz offen:

Ihre Mandantin, die Firma Online Content Ltd., kann mich mal.

Sie mich im übrigen auch.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

U. Vetter

090121a1

Das mit dem Anwalt

Der Mandant beteuert, die Polizisten hätten ihn nicht darüber aufgeklärt, dass er als Beschuldigter schweigen darf. Doch, sagte die Beamtin vor Gericht, selbstverständlich habe sie den Betroffenen darüber informiert, dass er nichts sagen muss.

Sonst noch was? „Nein, das habe ich ihm so gesagt.“ Das war die Belehrung? „Das war die Belehrung.“ Sind Sie sicher? „Da bin ich mir sicher.“

Zur Belehrung gehört auch die Information, dass der Beschuldigte jederzeit, auch vor vor seiner ersten Vernehmung, einen Verteidiger befragen darf.

So was in der Richtung hatte auch die Polizistin schon mal gehört. Aber immerhin blieb sie ehrlich. „Das mit dem Anwalt habe ich, glaube ich, eher nicht gesagt.“

Ich hatte keine weiteren Fragen. Die Staatsanwältin guckte griesgrämig. Sie hatte vorher noch meine Kapriolen mit der Belehrung als Zeitverschwendung abgetan. Erfahrene Polizeibeamte belehrten doch immer und überdies richtig, meinte sie.

Die Aussagen meines Mandanten, von der Polizistin wiedergegeben, dürften damit unverwertbar sein. Das trifft sich gut, denn ohne seine eigenen Angaben fällt die Anklage in sich zusammen. Es gibt nämlich keine Beweise.

Alles in 140 Zeichen: 21 Gründe

* Landgericht: „Es gibt keine Gründe, an den Aussagen der Polizeibeamten zu zweifeln.“ Ich habe 21 Gründe aufgeführt, sogar nummeriert.

* Nachgefragt, welches Strafgesetz verletzt sein soll. 43 Seiten Akte, aber kein Delikt. Besser Einstellung sofort! Danke. Der Steuerzahler.

* Ausländeramt übergibt Bescheid. Betroffener kann kaum Deutsch, ist allein, unterschreibt Rechtsmittelverzicht. Behörde: Wo ist das Problem?

* Verklage Purzel Video auf Schmerzensgeld. Muss in Abmahnungen ständig deren Pornotitel lesen. Gerade: Wiesnmuschis Sperma Nr. 1.

* Kaufe für 23,90 € Geo Epoche, MAD und Simpsons. Spiegel bleibt liegen. Müsste mich ja doch nur zwingen.

* Meine erste Leseerinnerung: eine Niveadose mit der Aufschrift „Enthält Formaldehyd“. Keine Panik. Bin schon alt.

(Recycled from Twitter)

Spitzen-Einlassung

Das Frankfurter Landgericht hat einen Priester freigesprochen, der einen Strichjungen in den Penis gebissen hatte. Der ursprüngliche Vorwurf der Körperverletzung konnte nicht aufrecht erhalten werden, denn der Geistliche soll in Notwehr gehandelt haben, berichtet Spiegel online.

Der Leser, der mich auf den Link aufmerksam machte, fasst die Geschehnisse so zusammen:

Aus Notwehr hat der Priester dem Stricher in den Pippimann gebissen, weil der böse Stricher dem Priester das Handy in einer Kneipe gemopst hat und das Telefon nur gegen einen Blowjob wieder herausrücken wollte. Spitzen-Einlassung.

Dem schließe ich mich an.

MP3 auf DVD

Anfrage des Gerichts in einer Strafsache:

Werden die Telefonmitschnitte (MP3 auf DVD) benötigt?

Bin gespannt, ob ich auch mein Notebook ins Gefängnis mitnehmen darf, um die Aufnahmen mit meinem Mandanten abzuhören. Oder ob zumindest die Anstalt über ein Abspielgerät verfügt.

Die Möglichkeiten der Schriftverstellung

Der Sachverständige in diesem Fall hat es jedenfalls nicht übel genommen, dass wir uns bei der Herausgabe von Originaldokumenten zierten.

Mit Hilfe der freundlichen Richterin fanden wir einen Kompromiss. Der Kompromiss trägt dem Aufklärungsinteresse und dem Datenschutz Rechnung.

Das Gutachten liegt nun vor:

Die Befundkonfiguration der strittigen Unterschrift ist völlig gegensätzlich zu jener des Vergleichsmaterials. Unter Einbeziehung der Möglichkeiten der Schriftverstellung ist die Beklagte alllenfalls mit mäßiger Wahrscheinlichkeit Urheberin der streitigen Schreibleistungen. Vielmehr ist zumindest mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von der Urheberschaft einer anderen Person auszugehen.

Also eine Fälschung. Haben wir von Anfang an gesagt.

Zehn Jahre…

Och, das hätte ich jetzt aber nicht gedacht. Was vor fast zehn Jahren als große Wirtschaftsstrafsache begann, mit Hausdurchsuchungen, kleiner SoKo und sonstiger Garnierung, soll jetzt glimpflich enden.

Mit einer Einstellung wegen geringer Schuld und 1.000 Euro an die Staatskasse.

Sollten meine insgesamt rund 50 Seiten Verteidigungsschriften, in denen ich die Tatvorwürfe im Detail entkräftete, doch noch Wirkung gezeigt haben? Auch wenn das Papier, jedenfalls in meiner Akte, schon ein wenigt gilbt?

Ich glaube eher, das hat was mit den zehn Jahren zu tun. Absolute Verjährung. Wahrscheinlich ist es jemand aufgefallen…