ELEGANT

Wenn die Zeugenvernehmung schlecht für die Anklage läuft, sucht das Gericht gerne eine Exitstrategie. Den Freispruch meiden heißt die Staatskasse schonen. Die müsste sonst die Anwaltskosten tragen.

Heute erlebte ich mal wieder eine elegante Lösung. Staatsanwalt und Gericht war gegenwärtig, dass gegen meinen Mandanten noch eine andere Sache läuft. Als sich die aktuelle Anklage – den wackeligen Belastungszeugen sei Dank – als kaum haltbar erwies, stand sofort eine Einstellung nach § 154 Strafprozessordnung im Raum. Kurz gesagt, wird das aktuelle Verfahren ad acta gelegt, weil es gegenüber der anderen Angelegenheit nicht ins Gewicht fällt.

Die Einstellung auf diesem Wege funktionert sogar, wenn der Angeklagte ausdrücklich widerspricht. Den Protest haben wir uns dann auch gespart. Meinem Mandanten fiel es schwerer als mir.

NUR GEÜBT

In einer Verkehrsstrafsache habe ich zunächst die Halterin des Fahrzeuges vertreten. Das Verfahren wurde mangels Tatverdacht eingestellt. Jetzt ist ihr Ehemann im Visier. Ihm wird Beihilfe zum Fahren ohne Fahrerlaubnis vorgeworfen.

Der Ehemann hatte in der Familienkutsche mit einer Bekannten, die den Führerschein macht, Einparken geübt. Auf einem großen, verlassenen Parkplatz. Wie nicht anders zu erwarten, fiel das einem unserer omnipräsenten Motorradpolizisten auf.

Ich musste erst einmal checken, ob ich den Ehemann überhaupt verteidigen darf, wenn ich bereits seiner Gattin aus der Patsche geholfen habe. (War nicht schwierig. Sie war nicht dabei. Und wusste von nichts.) Es gibt nämlich das Verbot der Doppelverteidigung, § 146 Strafprozessordnung. Aber selbst der Katechismus für Strafverteidiger hält die sukzessive Verteidigung für zulässig.

Dann traue ich mich mal.

VOR DEM AUSLAUFEN

Aus einem Fristverlängerungsantrag Münchner Rechtsanwälte:

Der bei den Prozessbevollmächtigten der Klägerin allein mit dieser Angelegenheit befasste Rechtsanwalt sieht sich infolge anderweitiger starker Arbeitsüberlastung außer Stande, den Stellungnahmeschriftsatz noch fristgerecht fertig zu stellen, zumal dieser entsprechend guter anwaltlicher Gepflogenheit der Klägerin vor dem Auslaufen nochmals mit der Bitte um Durchsicht und Freigabe zugeleitet werden soll.

GELDSEGEN

Ein Mandant kam zu mir, weil er sich über die Mahnung seines Vermieters ärgerte. Der Vermieter informiert über die „aktuellen Mietrückstände“. Und fordert 2.874,44 €. Der Mandant war irritiert, als dieses Schreiben bei mir ein zufriedenes Lächeln auslöste.

Die Miete mindert mein Mandant schon seit etlichen Jahren. Aus guten Gründen. Der Vermieter hat sich auch nie so richtig dagegen gewehrt. Einen Mahnbescheid, den er beantragte, nahm er sogar wieder wieder zurück und trug anstandslos die Anwaltskosten.

So kamen im Laufe der Zeit schöne Beträge zusammen. Eine Computermahnung aus dem Jahr 2004 weist zum Beispiel einen Betrag von 13.969,66 € aus. Und der ist realistisch. Also ein guter Grund, sich über die neue Mahnung zu freuen. Denn dadurch hat sich der Mietrückstand jetzt auch offiziell um 11.000 € reduziert; rechtlich wird sich der Vermieter auf seine Saldomitteilung festnageln lassen müssen.

Sieht also ganz so aus, als könnte der Mandant mal das Festgeldkonto plündern, auf das er die Minderungsbeträge vorsorglich eingezahlt hat. Als er das verstanden hatte, lächelten wir beide.

NACHRICHT

Der Panda ist schon im Kindergarten.

Die wichtigste Nachricht des Tages, die ich auf keinen Fall vergessen durfte, ist überbracht.

AUCH MAL GEBEN

Nehmen ist seliger als Geben. Jedenfalls scheint das für das Landesarbeitsgericht Hamburg zu gelten. Dort hatte mein Mandant, der gaaaaaanz weit weg wohnt, eine Prozesskostensicherheit nach § 110 Zivilprozessordnung leisten müssen. Und zwar durch Überweisung auf das Konto der Justizkasse.

Die Sache ist durch einen Vergleich erledigt. Schon seit über vier Wochen. Bereits im Sitzungsprotokoll hat die Gegenseite ausdrücklich die Sicherheit freigegeben. Ich habe auch um Rücküberweisung gebeten. Aber bislang ist kein Geld angekommen.

Na ja, vielleicht hilft eine Mahnung. Mit dem Antrag, den Betrag zu verzinsen. Mein Mandant hat jedenfalls keine große Lust mehr, ohne Gegenleistung den Hamburger Haushalt mit 14.600 € zu entlasten.

ÄLTERE ARBEITNEHMER

Ab heute können ältere Arbeitnehmer einfacher gekündigt werden. Bisher gab es bei Beschäftigten ab 57 Jahren immer das Problem, dass der Arbeitgeber nach einer Kündigung das Arbeitslosengeld erstatten musste.

Diese Regelung ist im Rahmen diverser Neuregelungen (etwa Kürzung der Anspruchszeiten) entfallen.

STREIT IN KARLSRUHE ?

Focus online hat einen Krach zwischen Deutschlands höchsten Richtern ausgemacht. Der Bundesgerichtshof soll verärgert sein, weil das Bundesverfassungsgericht eine Verfahrensverzögerung kritisiert hat. Unter anderem deswegen war ein mutmaßlicher Mörder, dessen Prozess noch immer nicht abgeschlossen ist, aus der Untersuchungshaft entlassen worden.

Die BGH-Richter stellen sich laut dem Bericht auf den Standpunkt, dass sie Revisionsakten erst lesen müssen, wenn der Verteidiger die Stellungnahme des Generalbundesanwalts erhalten hat. Denn häufig komme es vor, dass Angeklagte schon nach deren Lektüre die Revision „mangels Erfolgsaussicht“ zurückzögen.

Ist das wirklich so ein übliches Verhalten? Ich habe so etwas jedenfalls noch nicht gemacht. Und, ehrlich gesagt, auch noch nichts davon gehört.

TRONS ELTERN / WIKIPEDIA

heise online berichtet über die mündliche Verhandlung im Rechtsstreit zwischen den Eltern des Hackers Tron und dem deutschen Wikipedia-Verein. Die Eltern des Verstorbenen wollen durch einstweilige Verfügungen verhindern, dass sein Familienname in dem Onlinelexikon genannt wird.

Die Kollegen vom BERLIN BLAWG haben den Eindruck, dass die einstweilige Verfügung keinen Bestand haben wird.

GEPFÄNDET

Ein Mandant regte sich tierisch auf. Ein Gläubiger hat sein Gehalt gepfändet. Dabei hat der Mandant erst seit drei Wochen einen neuen Job.

„Woher weiß der andere denn, wo Sie arbeiten?“

„Das habe ich ihm selbst erzählt.“

Er hat sich dann weiter ereifert. Aber nur noch über sich selbst.

HIN UND WIEDER

Den Anwälten meines zahlungsunwilligen Prozessgegners hatte ich mitgeteilt, dass mein Auftraggeber trotz der salbungsvollen Worte mit einer Stundung der Kosten nicht einverstanden ist. Ich kann das gut nachvollziehen. Immerhin wurde mein Mandant – noch dazu ohne große Substanz – verklagt. Und nach alle dem Ärger soll er dann auch noch Bank spielen?

Der Gegner reagiert in gewohnter Weise auf die Zahlungsaufforderung:

Sehr verehrter Herr Vetter,

es tut mir Leid, ich konnte ja nicht ahnen, dass Sie so klamm sind. Deshalb habe ich heute unverzüglich Ihr Honorar angewiesen.

In der Retrospektive wäre ich bestimmt gut damit gefahren, wenn ich Sie im besagten Streitfall gleich auf meiner Seite gehabt hätte. Denn Gutmütigkeit (oder hier sogar Gutgläubigkeit), so wie ich sie Ihrem Mandanten entgegengebracht hatte, wird leider kaum belohnt (wozu es mittlerweile eine große US-amerikanische Studie gibt).

Doch hin und wieder soll ja die Gerechtigkeit siegen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. …

Fehlt nur noch der Zahlungseingang.

NIEDERSACHSEN UND DIE WELT

Die Blogpolizei vom niedersäschsichen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit nimmt nicht nur meinen Mandanten „Panthol“ ins Visier. Nein, jetzt möchte das Amt auch noch, dass der Webloganbieter twoday/Knallgrau ein ordnungsgemäßes Impresssum auf die twoday-Startseite stellt. Das Landesamt beanstandet in einem Schreiben an twoday, dass kein Vertretungsberechtigter benannt wird. Auf das mögliche Bußgeld von 50.000 € wird natürlich auch gleich hingewiesen.

Könnte es womöglich sein, dass man zu solchen Angaben in Österreich nicht verpflichtet ist, die deutsche Behörde überhaupt nicht zuständig und bundesdeutsche Vorschriften gar nicht anwendbar sind? Nur so ein Gedanke. Knallgrau-Macher Michael Platzer stellt in seinem Blog noch einige andere interessante Überlegungen an.

Wie es scheint, kommt da eine schöne Maschinerie ins Rollen.

Vorher im law blog: BLOG-IMPRESSUM.