Eine Mandantin hat ein neues Knie. Mit dem ist sie sehr zufrieden. Dass ich ihr heute, rein zufällig am ersten Tag nach dem Krankenhaus, über ihren gewonnenen Arbeitsgerichtsprozess berichten konnte, war das Tüpfelchen auf dem I. Sagt sie. Ich glaube es gern.
Archiv des Autors: Udo Vetter
RITUALE
Ich würde sagen, spätestens ab heute nerven Neujahrswünsche.
ENTSAGUNG VON VERNUNFT
Die Zunft der Kartenleger kann aufatmen. Auch sie erbringen eine anerkannte Leistung. Und wer seinen Kartenleger nicht bezahlt, kann sich wegen Betruges strafbar machen. So hat es das Landgericht Ingolstadt entschieden.
Das Amtsgericht hatte sich vorher geweigert, eine Anklage gegen einen Kunden zuzulassen, der seiner Kartenlegerin nicht das vereinbarte Honorar zahlen wollte. Das Amtsgericht sah in dem Service eine Entsagung von Vernunft. Kartenlegen habe keinen Wert, deshalb sei ein Vermögensschaden nicht eingetreten.
Das Landgericht ließ die Anklage dagegen zu. Auszüge aus dem Beschluss:
Hier ist als erstes zu beachten, dass die Vertragsparteien im Rahmen der Vertragsfreiheit einen großen Spielraum haben, welchen Leistungen sie welchen Gegenwert zubilligen. Dies wird nur nach den rechtlichen Grenzen der Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit eingeschränkt. Die Vereinbarung von Diensten des telefonischen Kartenlegens gegen ein Entgelt in Höhe von 40 EUR verstößt jedoch weder gegen das Gesetz, noch gegen die guten Sitten.
Zudem liegt auch keine objektiv unmögliche Leistung vor, denn die Erbringung der Leistung des Kartenlegens ist sehr wohl möglich. Hierbei geht es anders, als in den Fällen, bei denen es um Phänomene wie Partnerzusammenführung auf Grund Hexerei oder Geisterbeschwörung geht, lediglich darum, auf Grund der Deutung einer bestimmten Reihenfolge u.ä. von Karten dem Leistungsempfänger irgendwelche Deutungen meistens über die Zukunft mitzuteilen. Dies ist vergleichbar mit dem Erstellen von Horoskopen etc., wobei auch bei diesem Fall ebenso wie beim Kartenlegen jedem selbst überlassen ist, inwieweit er den Angaben und Deutungen Glauben schenkt. Dennoch ist wohl unstreitig, dass die Erstellung von Horoskopen gegen Entgelt einen Vertrag darstellt, an dessen Wirksamkeit keine Zweifel bestehen.
Vielmehr ist anzunehmen, dass bei Diensten wie Kartenlegen und Handlesen gerade bei den insoweit üblichen geringen Honoraren die Kunden selbst davon ausgehen, dass sie keine echten Leistungen i.S. einer Verifizierung des vorher Gesagten erwarten, sondern vielmehr eine jahrmarktähnliche Unterhaltung kaufen wollen oder sich im Rahmen einer allgemeinen Lebensberatung Tipps oder Anregungen holen wollen. Diesen Ansprüchen wird ein solches Kartenlegen nach Ansicht der Kammer gerecht.
Ein wichtiges Anerkennungs-Urteil, auch für verwandte Berufsfelder. Wäre ja noch schöner, wenn die Polizei mit dem Einsatz ihrer neuen Ermittlungshelfer unter der Hand der Wirtschaftskriminalität Vorschub leistet.
AMTSGEHEIMNIS
Das Informationsfreiheitsgesetz bringt einen Paradigmenwandel, schreibt Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung:
Nun aber, seit dem 1. Januar 2006, ist nicht mehr die Geheimhaltung der Informationen die Regel, sondern ihre allgemeine Zugänglichkeit. Jeder hat einen Rechtsanspruch auf Zugang zu den amtlichen Informationen, es sei denn, es liegen im Einzelfall spezielle Ausschluss- oder Beschränkungsrechte vor.
Nicht mehr der Zugang zu den Informationen der Behörden ist an Bedingungen geknüpft, sondern deren Geheimhaltung. Der Staat muss begründen, warum er Unterlagen nicht herausrückt, nicht der Bürger, warum er sie haben will. Das Wort „Amtsgeheimnis“, das zu den Hauptwörtern deutscher Bürokratie gehört, verliert an Bedeutung.
Der Artikel erzählt die – bis ins Jahr 1830 zurückreichende – Geschichte der Idee von der Informationsfreiheit. Er liefert außerdem Beispiele aus den Bundesländern, in denen es so ein Gesetz bereits gibt.
(Danke an Hartmut Nissen für den Link)
BILDERKLAU UND ABMAHNWELLE
Wer auf ebay Bilder für seine Auktionen klaut, lebt gefährlich. Denn die Betroffenen wehren sich. Manche jagen so rigide Abmahnungen raus, dass es schon wieder dubios erscheint. Volker König schaut für Telepolis hinter die Kulissen.
Zu einem ähnlichen Thema auch der MCNeubert, öhm, lawblog.
HEIDI, DÖNER UND ICH
Heidi Klum, Sozialgericht Bremen, Vakona: Es ist leicht, bei dieser Diskussion zu lächeln und sich darüber zu wundern, wie biestig manche Leute mit ihren Wörtern umgehen.
Vorhin habe ich mich auf der Seite der Kratzbürsten wieder gefunden. Es geht um das Weblog des Kollegen Michael C. Neubert aus Erfurt, welches mir heute Morgen auf JuraBlogs ins Auge fiel. Vor allem wegen des Titels:
McNeubert lawblog
Tja, da sitze ich also und fühle mich wie – Papa Klum. Oder Renate Holst. Das law blog ist fast drei Jahre alt. Es hat auch einige Leser, denen der Titel was sagt. Wie der Name Heidi Klum ist „law blog“ als Marke eingetragen.
Abmahnen, einnorden, verbieten. Schön, wenn man so einen Impuls mal in eigener Sache erlebt. Immerhin, tröste ich mich, liegt die Sache hier gaaaaaaanz anders als bei Heidi Klum und dem Sozialgericht. Hier geht es, das musst du verstehen, liebe Blogosphäre, nicht nur um ein Zitat des Namens. Sondern um den Namen selbst…
Glücklicherweise lässt der Testosteronschauer schnell nach. Ich schicke keine E-Mail. Erst recht keine Abmahnung. Ich rufe den Kollegen an. Er sagt mir, dass er den Zusatz im Titel – entgegen meiner Annahme – schon anderthalb Jahre benutzt. Also lange vor der Markenanmeldung für „law blog“.
Damit hat sich die Sache für mich erledigt. Was zeitlich vor der Anmeldung liegt, wird „lizenziert“. So habe ich es auch mit den Münchner Kollegen vom Law-Blog vereinbart.
Der Ernstfall ist also verschoben. Ich bedauere das nicht.
ZEUGEN UNTER HYPNOSE
Bei der Fahndung nach einem Mörder greift die Polizei in Straelen zu ungewöhnlichen Methoden. So werden Zeugen, die sich so nicht richtig erinnern können, unter Hypnose vernommen. Das ergibt sich aus dem offiziellen Polizeibericht.
Man kann den Beamten fast dankbar sein, dass sie so etwas veranstalten. Es handelt sich nämlich um eine unzulässige Vernehmungsmethode. Wie soll der Zeuge denn während seiner Aussage im Zustand eingeschränkter Steuerungsfähigkeit noch überprüfen, ob er jetzt von einem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machen will, weil er sich selbst belasten könnte? Oder es kommt die Sprache auf einen Angehörigen. Im Zustand der Hypnose wird der Zeuge kaum entscheiden können, dass er nun von seinem Zeugnisverweigerungsrecht wegen der Verwandtschaft Gebrauch machen will.
Der Bundesgerichtshof hält ja sogar vehement daran fest, dass die wissenschaftlich einigermaßen abgesicherte Lügendetektoruntersuchung ein völlig untaugliches Mittel im Strafprozess ist. Was soll dann erst für Hypnose gelten?
Interessant wird es spätestens dann, wenn sich aus der Befragung unter Hypnose irgendwelche Ansatzpunkte ergeben, die (wenn auch vielleicht zufällig) zu neuen Beweisen führen. Dann würde sich mit aller Deutlichkeit – und in neuer Konstellation – die Frage stellen, ob es nicht längst an der Zeit ist, die „Früchte vom verbotenen Baum“ für ungenießbar zu erklären.
Bis heute ist es immer noch so, dass illegal gewonnene Beweismittel dann meist doch verwertet werden dürfen, weil eine Abwägung zwischen dem staatlichen Strafanspruch und dem Schutzbedürfnis des Beschuldigten, welche Überraschung, zugunsten des Staates ausgeht. Wer allerdings zu so offensichtlich dubiosen Methoden greift und womöglich sogar die Gesundheit von Zeugen gefährdet, treibt es einen Tick zu weit und könnte den Zorn unserer höchsten Richter wecken.
Ich gebe die Hoffnung jedenfalls nicht auf.
Quelle: wulkan (www.wulkan-comic.de)
ROSA
Wer die Farbe der TÜV-Plakette an seinem Auto ändert, begeht eine Urkundenfälschung. Mit dieser Begründung verurteilte das Amtsgericht Waldbröl eine Frau zu einer Geldstrafe, weil sie die TÜV-Plakette mit Nagellack rosa übermalt hatte. Sie wollte damit den Eindruck erwecken, die TÜV-Plakette sei im Jahr 2005 noch gültig.
Hier die Farben für die nächsten Jahre:
– 2006: grün
– 2007: orange
– 2008: blau
(NJW 2005, 2871)
ZWEI WOHNSITZE
Was es nicht alles gibt. Beamte zum Beispiel haben oft zwei Wohnsitze. Vielleicht, ohne es zu wissen.
Neben dem normalen Wohnsitz haben sie auch einen „dienstlichen Wohnsitz“. Der dienstliche Wohnsitz befindet sich laut § 15 Bundesbesoldungsgesetz grundsätzlich dort, wo die Behörde oder ständige Dienststelle sitzt.
Natürlich hat es einen Grund, dass Beamte an einem Ort einen Wohnsitz ohne Wohnung haben können. Dann fallen nämlich keine Reisekosten, Abwesenheitsgelder etc. an.
Ansonsten ist es ein schönes Beispiel dafür, wie gerne sich der deutsche Gesetzgeber über Begriffe und Definitionen seine eigene Realität zimmert.
IHR ANWALT HAT STUDIERT
Eine Verständigung im eigentlichen Sinne war es nicht. Der Staatsanwalt widersetzte sich nämlich meiner Rechtsauffassung, dass wir es nur mit einfacher Körperverletzung zu tun haben. Der Strafverfolger beharrte auf der gefährlichen Körperverletzung, die er auch angeklagt hatte.
Mein Mandant hatte allerdings nur einige Fausthiebe verteilt. Der Schlag mit einer Flasche, der das Opfer zu Boden streckte, kam von einem Dritten. Und zwar auf eine Art und Weise, die es für mich zweifelhaft machte, ob man meinem Mandanten diese, zugegeben, brutale Attacke juristisch zurechnen und ihn so zum Mittäter machen konnte.
Von der Straferwartung war das kein Pappenstiel. Der Mann mit der Flasche hat für seine Tat schon ein Jahr und drei Monate Gefängnis erhalten. Ohne Bewährung. Mein Mandant konnte sich also ausmalen, wo die Reise für ihn hingeht, wenn er für den Schlag mit der Flasche ebenfalls in die Haftung genommen wird.
Aber ausnahmsweise waren mal Verteidiger und Strafrichter einer Meinung.
VERSPÄTET
Endlos lange Gerichtstermine sind nicht nur schädlich fürs Weblog. Nein, auch die Pressearbeit wird enorm dadurch behindert. So komme ich gerade zurück ins Büro und finde zwei Rückrufbitten von Journalisten vor. Beide waren zwar noch erreichbar, hatten aber zu ihren aktuellen Themen notgedrungen schon andere Juristen befragt.
Mit einer SMS hätte ich in einer der zahlreichen Verhandlungspausen problemlos zurückrufen können. Ich werde mal mit meiner Sekretärin darüber sprechen.
SKI FAHREN
Ich hatte den Manager einer deutschen Werbeikone verklagt. Oder besser die Promibetreuungsfirma, deren Geschäftsführer und Gesellschafter dieser Manager ist. An sich sollte man meinen, dass 3.697,50 € bei den Leuten mit Ferraris und X 5 vor der Tür unter Peanuts fallen.
Wobei es sicherlich auch in Promikreisen nicht unüblich ist, Mahnungen zu ignorieren und Prozesse, wenn auch eher dilettantisch, nach Kräften zu verzögern.
Dass aber selbst jetzt nicht gezahlt wird, wo das Anerkenntnisurteil vorliegt, macht mich ein wenig stutzig. Immerhin habe ich der gegnerischen Anwältin in den letzten Tagen zweimal gesagt, dass ich mit einer Vollstreckung nicht länger als eine Woche warten werde. So hektisch kann das Geschäft derzeit ja nicht sein, wo die Promis doch alle Ski fahren sind.
Keine Reaktion.
Jetzt geht sie also raus, die Vorpfändung. Und zwar nicht nur auf die Bankkonten der Management-Firma. Nein, auch die Firma der Werbeikone wird mit einem Zahlungsverbot belegt. Ich hoffe mal, dass in letzter Zeit viel gemanaged wurde und ausreichend Honorare offen stehen.
HEIDIS WELT
Unter dem Titel „Heidi, deine Welt ist nicht das Internet“ berichtet heute auch das Handelsblatt über das Lieblingsthema der letzten Tage. Autor ist Thomas Knüwer, der auch noch einige Zusatzinformationen in seinem Weblog liefert. Unter anderem, dass die Mail, mit der alles begann, wirklich von Heidi Klums Vater stammt.
KLAPPE
Jeder Kriminalist weiß, dass ein Großteil aller Anklagen und Verurteilungen nicht möglich wäre, wenn die Beschuldigten bei der Polizei einfach „die Klappe halten“ oder dort gar nicht erst erscheinen würden.
Dem ist nichts hinzuzufügen.
IGNORIERT
Was machen wir denn jetzt? Fragt Herr S. Er hat vor zweieinhalb Wochen eine Anklageschrift erhalten. Verbunden mit der Aufforderung des Gerichts, sich innerhalb von drei Wochen dazu zu äußern. Wenn er möchte.
Mich als seinen Verteidiger hat man ignoriert. Obwohl ich sicher bin, dass meine Vollmacht auch schriftlich in der Akte ist. Und sich auch aus mehreren Schreiben im Ermittlungsverfahren ergibt, dass ich Herrn S. verteidige.
Sicher ein Büroversehen des Gerichts. Aber mal wieder eins, das es erst mal in den Augen des Mandanten so aussehen lässt, als würde ich mich nicht zügig um ihn kümmern.