ERLAUBT

Gratiszeitungen, die sich ausschließlich aus Anzeigen finanzieren, dürfen verteilt werden. Der Bundesgerichtshof entschied sich jetzt im „Zeitungskrieg“ für die Newcomer. Die Urteilszusammenfassung auf beck-aktuell ist lesenswert. Sie zeigt nämlich, mit welch bizarren Argumenten etablierte Marktteilnehmer gerne innovative Konkurrenten aus dem Markt drängen. Alles unter dem Deckmantel des piefigen Wettbewerbsrechts.

HO HO HO

Gerade ruft mich ein Bußgeldrichter an. Da hätte ich ja schöne Einwände vorgebracht. Radarmessung nicht in Ordnung. Anhörungsbogen nicht erhalten. Rechtswidrige Beschaffung von Vergleichsfotos auf dem Passamt. Ich denke schon, jetzt bügelt er mich rabiat ab. Nach dem Motto: Sie können ja gern zum Termin anreisen, aber am Fahrverbot führt kein Weg vorbei.

In Wirklichkeit hört sich alles viel freundlicher an:

Ihr Mandant ist ja beruflich viel unterwegs. Frau und Kinder hat er auch. Und keine Voreintragung. Was halten Sie denn davon, wenn wir das Bußgeld um 100 Euro erhöhen und aufs Fahrverbot verzichten?

Kein Zweifel, Weihnachten steht vor der Tür.

HALTEVERBOT

Eine Frau hatte ihren Wagen in einem Halteverbot abgestellt, das wegen einer Baustelle eingerichtet war. Dadurch konnte erst verspätet mit dem Einsatz eines Krans begonnen werden. Das Unternehmen verlangte deswegen 2500 Euro Schadensersatz.

Erfolglos. Der Bundesgerichtshof hat jetzt laut beck-aktuell entschieden, dass ein Haltverbot nur die Leichtigkeit und Sicherheit des Straßenverkehrs fördern soll. Die Vermögensinteressen einer Baufirma schützt das Schild dagegen nicht.

Ich warne davor, die Entscheidung auf Feuerwehrbewegungszonen zu übertragen.

VERTRAUENSSACHE

Ein Autofahrer hatte ein Fahrverbot kassiert. Das Urteil war rechtskräftig. Der Anwalt des Mannes hatte allerdings noch einen „Gnadenantrag“ beim Justiziministerium eingereicht. Seinem Mandanten erklärte er, das Fahrverbot werde erst wirksam, wenn über den Gnadenantrag entschieden ist.

Die Auskunft war grottenfalsch. Der Mann wurde prompt am Steuer erwischt, aber – nicht verurteilt. Denn, so das Oberlandesgericht Frankfurt, der Autofahrer habe sich auf die Auskunft seines Anwaltes verlassen dürfen:

Der bereits seit Jahren für ihn tätige Verteidiger war mit allen Umständen des Einzelfalles vertraut und aufgrund seiner anwaltlichen Tätigkeit zu derartigen Auskünften berufen. Anhaltspunkte, um an seiner Neutralität zu zweifeln, bestanden nach den Feststellungen des Landgerichts nicht. Aufgrund dessen handelte es sich bei dem Verteidiger aus Sicht des Angeklagten um eine kompetente und unvoreingenommene Auskunftsperson, auf deren Rat er grundsätzlich vertrauen durfte.

Sehen wir da schon die neuen Werbetafeln:

– „Unsere Auskunft – Ihr Ruhekissen für das Gewissen“

– „Schlechter Rat ist Vertrauenssache“

– „Nobody is perfect – fordern Sie uns“.

Das Urteil als PDF.

ERWISCHT

Für 29,90 Euro werden künftig die Ausreden knapp. Das gilt für übermäßig coole Kinder wie für aufgedrehte Lebenspartner. Zu diesem Preis gibt es nämlich den „Gecko“-Drogentest für zu Hause. Aus der Gebrauchsanweisung:

Manchmal passiert es, dass beim Waschen der Kleidung eine Tablette oder Kapsel aus der Hosentasche des Kindes fällt. Es kann auch sein, dass im Aschenbecher zwischen dem Tabak kleine “Brocken” zu erkennen sind oder dass auf dem Tisch eine Spur von weissem Pulver zu erahnen ist. Es muss sich hier nicht zwangsläufig um Drogen handeln, jedoch ist es nicht auszuschließen.

Mit dem GECKO Drogennachweis können Sie diese Substanzen auf ihren Drogengehalt überprüfen. Der Nachweis ist hoch empfindlich, d.h., dass bereits wenige Körnchen der suspekten Substanz ausreichen, um ein zuverlässiges Ergebnis zu liefern.

Erfahrungsberichte oder Boykottaufrufe bitte in die Kommentare.

LÖSCHMITTEL

LÖSCHMITTEL

Der PISA-Test außerhalb der Schulen läuft auch nicht besser:

Ein elfjähriger Junge hat am Montagnachmittag ein Auto auf der Schiessstraße in Heerdt in Brand gesetzt , als er und sein gleichaltriger Freund mit Wunderkerzen spielten. Das Kind warf eine der Kerzen auf den Wagen, die zwischen Windschutzscheibe und Motorhaube landete. Plötzlich fing auch der Motor Feuer. Der erschrockene Junge versuchte noch, den Brand mit Apfelsaft zu löschen, sah aber schnell ein, dass er damit keinen Erfolg hatte. (NRZ)

FAXEN

Schon mal über ein unverlangtes Werbefax geärgert? Dann hopplahopp den Staatsanwalt in Marsch gesetzt. Mit einer Strafanzeige wegen Sachbeschädigung. In der Neuen Zeitschrift für Strafrecht (2003, 515) vertritt Stöber ernsthaft die Auffassung, dass der – unerwünschte – Toner- und Papierverbrauch nicht nur ärgerlich, sondern strafbar ist.

Die Thesen sind reichlich gewagt und strapazieren den Tatbestand aufs Äußerste. Aber vor allem sind sie ein weiterer Beitrag dazu, die Ermittlungsbehörden mit noch ein paar tausend popeligen Minimalverfahren zu blockieren.

Es sollte mal erwähnt werden, dass das Strafrecht nicht das erste, sondern das letzte Mittel ist, um Rechtsverstössen zu begegnen. Und eindeutig ist zumindest, dass jeder Empfänger von unverlangten Werbefaxen ausreichend zivilrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche hat. Nur die muss man halt selbst und auf eigene Kosten durchsetzen…

UNFALLFREI

Ein wichtiges Urteil bei beck-aktuell:

Wer ein Gebrauchtfahrzeug von einem Privatmann kauft, muss sich die Unfallfreiheit ausdrücklich garantieren lassen. Nur dann kann er, wenn sich später herausstellt, dass das gekaufte Kfz einen Unfallschaden hatte, vom Kaufvertrag zurücktreten. Die vorformulierte Erklärung «das Kfz ist unfallfrei» genügt hierfür nicht. Sie erfasse keine dem Verkäufer nicht bekannten Unfallschäden aus der Zeit des Vorbesitzers und keine Bagatellschäden, befand das Landgericht München I (Urteil vom 02.10.2003, Az.: 32 O 11282/03).

UDO RETTER

Der M-E-X-Blog zeigt mir ganz neue Märkte auf:

Kunde zur Fleischtheken Bedienung: „100 Gramm Gelbwurst bitte“ Bedienung: „Noch etwas?“ Kunde: „Nein, danke“ da ertönt eine Stimme hinter dem Kunden „HALT lieber Kunde, das wäre nun fast ins Auge gegangen! Haben sie bemerkt, daß man ihnen 110 Gramm berechnet hat? Sie wollten doch nur 100 Gramm. *Kunde schaut perplex* Wenn man schon bei kleinen Dingen nicht aufpasst, was ist dann erst bei den großen Dingen des Lebens? Darf ich mich vorstellen? RA Udo Retter, Ihr Anwalt des Vertrauens. *schaut zur kleinen Tochter des Kunden* „Darf es etwas Fleischwurst für die Kleine sein?“

Hat jemand eine Idee für das passende Cape?

PEEP-SHOW

Der Tagesspiegel berichtet über Discount-Anwälte:

Karstadt am Hermannplatz, erster Stock, hintere Ecke. Kaffee-Bar, Reinigung, Rechtsanwälte, Geschenkverpackung. Rechtsanwälte? Das ist neu. Seit dem Sommer firmiert die Kanzlei „Resch & Gut“ im Kaufhaus – und verspricht, alles sei ganz einfach. Das Recht soll zum Kunden kommen, das ist der tragende Gedanke. Laut Eigenwerbung ist die Kanzlei Deutschlands erster Anbieter „qualifizierter, preisgünstiger und schnell zugänglicher Rechtsberatung in Supermärkten, Kaufhäusern, Einkaufszentren, Poststellen und Fußgängerpassagen“. Mit einer Peep-Show hat das zweierlei gemein: die Abrechnung im Minutentakt (pro Minute ein Euro) und die freie Einsehbarkeit. Denn der Kunde sitzt ziemlich auf dem Präsentierteller.

Die Zielgruppe sollen „Leute mit wenig Geld“ sein. Und wieso gibt es dann so viele Kritiker? Ich jedenfalIs wünsche den Kollegen viel Erfolg bei ihrer segensreichen Tätigkeit.

(link über Vertretbar.de und Der Schockwellenreiter)

SCRATCHEN

Nach dem Sprühen kommt jetzt das Scratchen. Die NRZ berichtet über den Trend, sich dauerhaft in den Scheiben von Bussen und Bahnen zu verewigen. Am besten dafür geeignet soll pikanterweise die alte Version der bordeigenen Nothammer sein.

Die im Artikel genannten Höchststrafe von zwei Jahren sollten „Trendsetter“ mit Vorsicht genießen. Schon das Reichsgericht hat entschieden, dass Straßenbahnen und Busse von „öffentlichem Nutzen“ sind. Somit kommt auch „gemeinschädliche Sachbeschädigung“ in Betracht. Höchststrafe: drei Jahre Gefängnis.

ARBEITSVERTRAG

Windrider beklagt sich darüber, dass sie 14 Tage nach Beginn ihres Jobs als Buchhändlerin keinen schriftlichen Arbeitsvertrag hat:

So kann das nicht weitergehen, der Arbeitgeber mag zwar im Superstress sein, aber ohne Arbeitsvertrag bin ich doch regelrecht „aufgeschmissen“ – da braucht ja bloß eine Kontrolle zu kommen (heut‘ stand vor meinem Schaufenster ein Polizist und hat freundlich reingeguckt!) und sowohl mein Arbeitgeber als auch ich sind dann „dran“. Ich bin wirklich genervt wegen dieses blöden Vertrages! Ich kann nur ja jedem raten niemals ohne Vertrag irgendwo anzufangen – man hat ja irgendwie offensichtlich nur Ärger deswegen. Wirklich schade!

Grundsätzlich ist auch ein mündlicher Arbeitsvertrag wirksam. Die Behörden interessiert es nur, ob schwarz gearbeitet wird. Dass dies nicht der Fall ist, kann man locker mit der Anmeldung zur Sozialversicherung belegen. (Wenn sich auch die verzögert, ist der Arbeitgeber nicht seriös.)

Aber auch den Wunsch nach einem schriftlichen Vertrag kann man durchsetzen. Jeder Arbeitnehmer hat einen Anspruch darauf, dass ihm der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag ausstellt und unterschreibt (§ 2 Nachweisgesetz). Pflichtangaben sind alle wesentlichen Daten, also Vertragsparteien, Beginn des Arbeitsverhältnisses, eventuelle Befristungen, Beschreibung der Tätigkeit, Höhe des Lohnes, Dauer der Arbeitszeit etc.

Dieser Vertrag muss spätestens einen Monat nach Arbeitsbeginn vorliegen. Ist das nicht der Fall, kann der Arbeitnehmer auf Aushändigung des Papieres vor dem Arbeitsgericht klagen. Wenn der Arbeitgeber trotz Mahnung den Vertrag nicht rausrückt, kann der Arbeitnehmer sogar die Arbeit einstellen.

Ob man einen schriftlichen Vertrag wirklich einfordert, ist allerdings Geschmackssache. Viele Gerichte gehen mittlerweile soweit, dass sie im Streitfall die Angaben des Arbeitnehmers (zum Beispiel zum Gehalt, zu Überstundenzuschlägen oder zur Dauer des Urlaubs) als richtig unterstellen und dem Arbeitgeber die volle Beweislast für das Gegenteil aufbürden. Begründung: Der Arbeitgeber darf nicht davon profitieren, dass er seine gesetzlichen Pflichten schludert.

RISIKO

Den Rechtsschutzversicherungen geht anscheinend das Geld aus. Jedenfalls zicken sie in letzter Zeit noch schlimmer herum, als man das vorher schon gewohnt war. Jetzt wollte eine Versicherung partout keine Kostendeckung für einen bestimmten Antrag in einer Klage vor dem Arbeitsgericht übernehmen. Begründung: „Wir können nicht nachvollziehen, welchen Sinn dieser Antrag hat.“

Ich habe dann zurückgeschrieben: „Wenn Sie meinen, dass der Antrag keinen Sinn hat, werden wir ihn selbstverständlich auch nicht stellen. Allerdings ist es dann erforderlich, dass Sie uns schriftlich zusichern, für sämtliche Nachteile aufzukommen, die dem Versicherungsnehmer möglicherweise daraus entstehen, dass der Antrag nicht gestellt wurde. Da Sie sich ja sicher sind, dass der Antrag zu nichts nutze ist, wird Ihnen diese Zusage nicht schwer fallen.“

Ein paar Tage später die Antwort: „Wir übernehmen Rechtsschutz für sämtliche Anträge.“