Dr. Kawashima, übernehmen Sie

Aus dem Schreiben eines Amtsgerichts:

Für die Einstellung des Verfahrens ist Ihre Zustimmung erforderlich. Falls Sie nicht innerhalb von zwei Wochen nach Zugang dieses Schreibens widersprechen, wird davon ausgegangen, dass Sie zustimmen.

Ich schicke den Satz an Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging. Die können sicher was draus machen.

Fremder Leute Geld

Als ihr Nachbar verhaftet wurde, wollte Familie S. nicht tatenlos zusehen. Dieser Familie habe ich schon in unzähligen Angelegenheiten geholfen. Sie beauftragten mich, dem Verhafteten zu helfen. Das habe ich auch getan.

Nach einiger Zeit haben sich dann auch seine Angehörigen um den Mann gekümmert. Und, wie das halt so ist, noch zwei weitere Anwälte beauftragt. Damit habe ich kein Problem. Auch nicht mit der Mandatskündigung, die jetzt nach einigen Wochen eintrudelte.

Was allerdings nun nachtröpfelt, ist schon bemerkenswert. Einer der neuen Anwälte fordert mich mit Fristsetzung auf, über den erhaltenen Kostenvorschuss abzurechnen. Einen eventuellen Überschuss soll ich auf sein Konto überweisen.

Möglicherweise hat es ihm sein Mandant nicht gesagt: Der Kostenvorschuss kam von den Nachbarn. Wie sollte der Verhaftete auch selbst gezahlt haben; er bezieht seit Jahren Hartz IV.

Ich habe vorsichtshalber bei dem Mitglied der Familie S. nachgefragt, welches das Geld bezahlt hat. Meine Erwartung bestätigte sich. Die selbstlosen Helfer wissen von gar nichts. Sie sind strikt dagegen, dass auch nur ein Cent ihres Geldes an ihnen unbekannte Anwälte fließt.

Ich fürchte, ich muss die offenkundige Erwartung des forschen Kollegen enttäuschen. Für ihn wird wohl doch nicht mehr herausspringen als das, womit der Staat einen Pflichtverteidiger entlohnt.

Fast schon Philosophie

Wurde gerade für die Physikhausaufgaben, 6. Klasse, konsultiert. Hier die Antwort auf die Frage „Was ist Wirklichkeit?“:

Wenn ein Mensch sich im Kopf Gedanken über die Wirklichkeit macht, ist das lediglich ein Bild der Wirklichkeit. Wirklichkeit ist aber auch da, wenn sich der Mensch keine Gedanken darüber macht. Wenn etwas da ist, obwohl der Mensch sich keine Gedanken darüber macht, ist das Wirklichkeit.

Ab morgen geht es dann um Konkreteres, Maßzahlen und Kräfte. Da kann ich ohnehin nicht mehr mitreden.

Herr Vorsitzender, Herr Verteidiger

Vorhin fuhr mich ein Strafrichter an. Was mir den einfalle, ihn in der Hauptverhandlung mit seinem Namen anzureden? „Das heißt Herr Vorsitzender, Herr Verteidiger.“

Ich habe ihm gesagt, dass ich mich nach seinen Wünschen richte und ihn so anrede, wie er es für ziemlich hält.

Damit war die Diskussion auch schon beendet.

Wenn ich mich nicht täusche, hat die Frau Staatsanwältin die Augen verdreht.

Der Universal-Betreff

In letzter Zeit kriege ich öfter Post von einer ländlichen Polizeidienststelle. Dort laufen Ermittlungen gegen etliche Beschuldigte. Der Betreff ist in allen Schreiben gleich:

Verfahren gegen Bekannt

Den Namen des Beschuldigten kann man sich dann aus dem Text suchen. Oder erraten, falls er nicht ausdrücklich erwähnt wird.

Aber Hauptsache, der Absender hat keine Arbeit…

Sie sagen nein

Das Landgericht folgt in einer Berufungssache meinem Vorschlag, das Verfahren wegen geringer Schuld einzustellen. Ist nicht nur so eine Idee aus dem Bauch heraus gewesen, sondern ich habe sie begründet.

Die Staatsanwaltschaft sagt nein. Ich werde mich noch bemühen, den zuständigen Staatsanwalt umzustimmen. Oder seinen Vorgesetzten.

Falls das nicht gelingt, gehe ich ganz entspannt in die Verhandlung. Der „Druck“ des Gerichts, nicht erneut zig Zeugen zu hören und Steuergelder für Sachverständige zu verpulvern, lastet dann halt mal auf der anderen Seite.

Fahrräder dürfen auf dem Gehweg stehen

Fahrräder dürfen auch auf dem Gehweg abgestellt werden – es sei denn, sie behindern konkret Passanten mit Kinderwagen oder Gepäck, Rollstullfahrer oder stark Gehbehinderte. Mit dieser Entscheidung hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster übereifrige Mitarbeiter des dortigen Ordnungsamtes zurückgepfiffen (AZ: 5 A 2239/08).

Die Beamten hatten ein in der Nähe des Hauptbahnhofs geparktes Rad zu einer Sammelstelle gebracht, wo es der Eigentümer abholen musste. Der klagte mit Erfolg vor dem Verwaltungsgericht gegen die Stadt. Deren Antrag auf Zulassung der Berufung wies das OVG jetzt unanfechtbar ab. (pbd)

Magic

Ich habe gerade die vollstreckbare Ausfertigung eines Urteils ruiniert. Gerichte sind ja nicht sparsam mit Heftklammern, und ich bin wohl zu stürmisch vorgegangen. Normalerweise halb so schlimm, aber diesmal hat es ausgerechnet den Tenor („Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger … zu zahlen“) zerrupft.

PS. Endlich weiß ich, wieso wir immer dieses teure Scotch Magic-Klebeband bestellen.

Öffentliche Antwort

E-Mail (ungekürzt):

Sehr geehrter Herr,

Ich möchte sie um die Genehmigung bitten, ihren Weblog in meiner Diplomarbeit textlinguistisch zu analysieren.

Danke für ihre Antwort

T. C.

Einverstahnden.

Durchaus intelligent

Aus einer Anklageschrift:

Der Angeschuldigte kann als durchaus intelligent eingestuft werden.

Das ist doch mal ein schönes Lob, sozusagen von Akademiker zu Akademiker. Wobei der lobende Akademiker keinen Doktortitel hat.

Revisionsgrund, ade

Mit einem Staatsanwalt gesprochen. Der muss überlegen, was er mit „neuen“ Vorwürfen gegen meinen Mandanten macht. Es handelt sich um kleinere mutmaßliche Delikte aus älterer Zeit, die im Rahmen eines Großverfahrens hochgekocht sind.

Mein Mandant sitzt derzeit eine Freiheitsstrafe ab. Sollten die neuen, alten Sachen nicht eingestellt werden, müsste im Falle einer Verurteilung eine Gesamtstrafe gebildet werden. Meinte ich jedenfalls. Der Staatsanwalt belehrte mich aber, das sei nicht möglich. Die Freiheitsstrafe sei ja schon rechtskräftig und werde vollstreckt.

Ich nahm diese Auffassung eher beiläufig zur Kenntnis. Wir wandten uns anderen Themen zu und fanden auch eine Lösung, wenn auch eine vorläufige.

Heute kriege ich das Urteil für einen neuen Mandanten, für den ich die Revision begründen soll. Schwierige Sache, zumal der Auftraggeber vor Gericht alles gestanden hat. Aber einen Lichtblick gibt es. Das Gericht hat eine Gesamtstrafe mit einer älteren Freiheitsstrafe gebildet, wegen der mein Mandant derzeit im Gefängnis sitzt.

Laut Staatsanwalt wäre das unzulässig. Voller Vorfreude auf einen Revisionsgrund schaue ich ins Strafgesetzbuch:

§ 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe

Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat.

„Vollstreckt“ bedeutet vollständig vollstreckt. Die Gesamtstrafenbildung ist also erst ausgeschlossen, wenn der Betroffene die Freiheitsstrafe abgesessen hat.

Jetzt überlege ich, ob mich der Staatsanwalt aufs Glatteis führen wollte. Muss wohl so sein, denn jede andere Erklärung scheidet ja wohl aus.

Nichts zu befürchten

„Als Rechtfertigung darf es einem Rechtsstaat nicht genügen, darauf zu verweisen,
dass doch derjenige, der nichts zu verbergen habe, auch nichts zu befürchten habe.“

Der Deutsche Anwaltverein zieht mit diesem Satz ein eher resigniertes Fazit zu den aktuellen Plänen, das Steuerstrafrecht weiter zu verschärfen. Wir sind schon weit (herunter) gekommen, wenn die Fachdiskussion auf dieser Ebene läuft.

Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins (PDF)