Wenn das Verfahren zerfasert

Arbeitsteilung gibt es auch bei der Polizei und den Ordnungsbehörden. Das eine Kommissariat ist für Verkehrsdelikte zuständig, ein anderes für Betäubungsmittelkriminalität, das nächste für Wirtschaftsstrafsachen. Und weil das so ist, neigen Polizeibehörden dazu, Fälle nach den ersten Ermittlungen je nach Sachgebiet aufzuspalten und die Verfahren getrennt zu bearbeiten.

Ähnlich geht es bei den Staatsanwaltschaften und den Gerichten weiter. Dieses Prozedere muss für einen Beschuldigten nicht unbedingt nachteilig sein – wenn er die Augen aufhält und sich geschickt verhält.

Die heute übliche Aufspaltung einzelner Fälle in eigenständige Sachkomplexe mag für die Behörden zwar praktisch sein. Dummerweise verstößt sie aber gegen einen Grundgedanken der Strafprozessordnung. Die sieht nämlich vor, dass über eine „Tat“ einmal und abschließend geurteilt wird und die Sache dann gut ist. Die Tat ist dabei nach der juristischen Definition alles, was bei natürlicher Betrachtungsweise als „einheitliches Tun“ erscheint.

Was damit gemeint ist, zeigt ein alltäglicher Fall aus Sachsen-Anhalt. Dort ermittelten Polizei und Ordnugnsamt sozusagen nebeinander her. Ein Mann war betrunken mit dem Fahrrad unterwegs. Bei einer Kontrolle weigerte er sich, seine Personalien anzugeben. Außerdem leistete er Widerstand, als er zur Wache gebracht werden sollte. Wegen der verweigerten Personalien kriegte er recht zügig einen Bußgeldbescheid vom Ordnungsamt. Der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sowie die Trunkenheitsfahrt sollten in einem Strafverfahren geklärt werden.

Doch der Betroffene passte auf. Er wehrte sich gegen seine Verurteilung wegen Widerstands. Denn dieser bilde letztlich eine einheitliche Tat mit der Weigerung, die Personalien anzugeben. Deswegen habe er aber schon einen Bußgeldbescheid kassiert.

Das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt sah das ebenso und hob die Verurteilung wegen des Widerstands auf. Hier hat der rechtskräftige Bußgeldbescheid nämlich eine Sperrwirkung in dem Sinne, dass niemand zwei Mal wegen der gleichen Tat verurteilt werden darf. Die Vorinstanzen hatten das noch anders gesehen.

Es kann sich also lohnen, bei Ermittlungen genau hinzuschauen. Jedenfalls schadet es einem Beschuldigten nie, wenn er es nicht nur mit einem Achselzucken hinnimmt, dass aus einem Ermittlungsverfahren plötzlich mehrere werden (Aktenzeichen 2 Rv 10/16).

Super Joke

Pressemitteilung des Polizeipräsidiums Mainz:

In einem Fast-Food-Restaurant in der Rheinallee wurde am Freitagmorgen vom dortigen Reinigungspersonal eine Plastiktüte mit Betäubungsmitteln aufgefunden. Das Tütchen mit der weißen pulvrigen Substanz befand sich auf der Terrasse. Offenbar war es seinem Besitzer bei einem Restaurantbesuch aus der Tasche gefallen. Der Verlierer wird gebeten, gegen Vorlage seines Personalausweises, sich bei der Kriminalpolizei Mainz, Kriminaldauerdienst, Valenciaplatz 2, 55116 Mainz, zu melden.

Die drei Möglichkeiten

An einem kleinen Amtsgericht im Bergischen ging es vor einigen Tagen um eine alltägliche Sache. Meiner Mandantin wurde vorgeworfen, sie habe am Steuer ihres Wagens ihr Handy benutzt.

Als einziger Zeuge sagte Polizeikommissar K. aus. Eine schwerpunktmäßige Kontrolle sei es gewesen, erzählte er. Er stand am Fahrbahnrand, schaute in die Autos und gab seinen Kollegen per Funk die mutmaßlichen Verkehrssünder durch. Die Kollegen standen rund 120 Meter weiter an einer Bushaltestelle.

An meine Mandantin konnte sich der Beamte nicht erinnern. Aber ganz sicher war er sich, dass er als gewissenhafter Beamter nur Leute aufschreibt, „die eindeutig gegen das Handyverbot verstoßen“. Entweder, und jetzt zählte er auf, weil sie das Handy ans Ohr halten. Weil sie drauf tippen. Oder weil sie das Mobiltelefon deutlich erkennbar in der Hand halten. Nur dann wird ein Fall draus, sagte der Beamte. „Zweifelsfälle führen bei mir nicht zu einer Anzeige.“

Ich fragte höflich, ob es denn denkbar sei, dass meine Mandantin ihr Handy nur in der Hand gehalten habe. „Gut möglich“, erwiderte der Beamte, „das ist ja eine der drei Möglichkeiten“. Tja, da war die Verhandlung auch schon zu Ende, denn die Richterin bot die von uns angestrebte Einstellung des Verfahrens an.

Das tat sie aus guten Gründen. Auch wenn die Rechtsprechung zu Handyfällen ziemlich bunt durcheinandergeht, ist eines doch klar: Wenn das Handy nur in der Hand gehalten wird, reicht das für ein Bußgeld gerade nicht aus. Das ergibt sich ja schon daraus, dass § 23 StVO ausdrücklich nur die Benutzung eines Mobiltelefons am Steuer untersagt. Ein gewisser Bezug zur Funktion des Geräts muss also mit dem Halten verbunden sein. Ohne diesen Bezug in Form einer „Benutzung“ gibt es eben (noch) kein Bußgeld.

Aber anscheinend kommt der Beamte mit seiner persönlichen Sicht, dass auch das Halten des Handys schon verboten ist, ganz gut klar. Immerhin hatte er betont, diese Handykontrollen mache er so schon anderthalb Jahre. Möchte nicht wissen, wie vielen Betroffenen er mit seiner amtlichen Autorität dazu gebracht hat, das Bußgeld anzunehmen, weil sie ja sowieso nichts dagegen tun können.

Störerhaftung: Zu früh gefreut

Die Störerhaftung für WLAN-Betreiber wird abgeschafft. Das klang wunderbar, doch die allgemeine Euphorie konnte mich nicht so recht anstecken. Dass die Große Koalition ein wasserdichtes Gesetz zustande bringt und den Abmahn-Irrsinn in Deutschland tatsächlich beendet, habe ich schon in diesem Beitrag bezweifelt.

Wie sich nun herausstellt, läutet der aktuelle Gesetzentwurf trotz aller Vorschusslorbeeren auf jeden Fall nicht das Ende der Störerhaftung für WLAN ein. Rechtsanwalt Thomas Stadler begründet dies sehr nachvollziehbar in einem aktuellen Beitrag, auf den ich gern verlinke. Stadlers Fazit:

Nachdem die große Koalition also nicht mehr als eine Mogelpackung anbietet, gilt es abzuwarten, ob der EuGH die Weichen deutlich anders stellt. Der Eindruck, der Gesetzgeber würde seine originären Aufgaben nicht mehr wahrnehmen, wird hier einmal mehr bestätigt.

Student will im Polizeibus einen Joint rauchen

Wenn mehrere Männer in vermeintlich lockerer Runde in einem Kleinbus vor einer Veranstaltungshalle sitzen, könnte Zurückhaltung angebracht sein. Jedenfalls ist das einem 19-jährigen Studenten aus dem Schwäbischen klargeworden, der am Wochenende zu Besuch in München war.

Weil ihm draußen fröstelte, fragte der Student die Männer in dem Auto, ob er sich zu ihnen ins Auto setzen könne. Dabei zeigte er auch gutgelaunt zwei Joints, die er dann wahrscheinlich auch rumgehen lassen wollte. Bei der Wagenbesatzung handelte es sich jedoch um Herren, die jedenfalls zu dieser Uhrzeit nur beruflich mit Betäubungsmitteln zu tun hatten: Polizisten in Zivil, die gerade eine Anzeige gegen einen anderen Konsumenten schrieben.

Das gleiche Schicksal widerfuhr dann auch dem Studenten, berichtet die Süddeutsche Zeitung.

Kein FSK-18 in der Zelle

FSK-18-Filme haben im Knast nichts verloren. Dies erkärt das Kammergericht Berlin einem Gefangenen. Dieser hatte beantragt, ihm drei DVDs aus der Reihe „Deutschland Swing Party“ mit in die Zelle zu geben.

Das geht so nicht, so das Gericht, denn FSK-18-Filme gefährden generell die Vollzugsziele und die Sicherheit der Anstalt. Einer näheren Prüfung des Einzelfalles bedürfe es dabei nicht. Was wohl nichts anderes bedeutet, als dass die Richter sich nicht vergewissert haben, wie detailliert die Swing Partys in dem Streifen tatsächlich dokumentiert sind.

Den Beschluss kann man hier nachlesen.

Hip-Hop gehört zu Deutschland

Das Bundesverfassungsgericht rettet den Hip-Hop. Klingt theatralisch, passt aber dennoch auf eine aktuelle Entscheidung aus Karlsruhe. Die Richter rügen nämlich den Bundesgerichtshof, der das „Sampling“ als Urheberrechtsverletzung eingestuft hatte. Hintergrund ist der seit vielen Jahren dauernde Rechtsstreit zwischen dem Komponisten Moses Pelham und der Band Kraftwerk. Pelham hatte für einen Song von Sabrina Setlur kurze Tonschnipsel von Kraftwerk ungefragt verwendet.

Der Bundesgerichtshof war der Meinung, selbst kürzeste Musiksequenzen dürften nicht einfach übernommen werden, ohne dass dafür ein Lizenzvertrag geschlossen und gezahlt wird. Oder der Künstler muss die Tonfolge selbst nachspielen. Beides wird aber der (neuen) Kunstform des Hip-Hop nicht gerecht, sagen die Verfassungsrichter. Sie machen deutlich: Neue Kunstformen haben ihre Existenzberechtigung, die Kunstfreiheit schützt sie ebenso wie etablierte Ausdrucksformen. Deshalb müsse hinreichend berücksichtigt werden, dass Sampling, also die Verwertung fremder Musik in einem neuen Werk, ein stilprägendes Element des Hip-Hop ist.

Der Bundesgerichtshof muss den Rechtsstreit nun noch einmal entscheiden (Aktenzeichen 1 BvR 1585/13).

Unzüchtig im Chat

Videochats in sozialen Netzwerken bergen ja auch immer die Gefahr, dass Nutzer mehr zeigen, als andere sehen wollen. Wie aber ist jemand gegebenenfalls zu bestrafen, der zum Beispiel in einem nicht einschlägigen Chat für andere sichtbar masturbiert? Juristisch gar keine einfache Frage, wie aktuell ein Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe zeigt.

Während in einem Videochat andere nur plaudern wollten, befriedigte sich der Angeklagte selbst. Damit handelte er sich eine Anzeige ein. Das Landgericht sah darin eine „Zugänglichmachung pornografischer Darstellungen durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste“ (§ 184d StGB) und verurteilte den Mann zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen.

Das klingt zunächst plausibel, ist aber wohl mit dem Gesetz nicht zu vereinbaren, so das Oberlandesgericht Karlsruhe. Die Vorschrift gelte nur für Programmverantwortliche von Sendern und sonstigen Medien. Der Angeklagte selbst habe aber keine Einflussmöglichkeiten auf Dauer und Modalitäten seiner „Internet-Ausstrahlung“ gehabt, also einen Zugriff auf die technische Infrastruktur. Vielmehr hätten die Betreiber des Chats und die Moderatoren die „Sendehoheit“.

Eher in Frage kommt für das Oberlandesgericht eine Strafbarkeit wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses (§ 183a StGB) durch öffentliche sexuelle Handlungen. Die nach dem Gesetz nötige „Öffentlichkeit“ lag wohl vor, weil die Teilnehmer des Chats keine geschlossene Gruppe bildeten. Beim Vorsatz ist dann die Hauptfrage, ob der Angeklagte tatsächlich ein „Ärgernis“ verursachen wollte. Ob dies der Fall war, soll das Landgericht neu prüfen (Aktenzeichen 1 (3) Ss 163/15 – AK 51/15).

Stöckelschuhe – nur auf eigenes Risiko

Stöckelschuhe und Schmutzfangmatten sind zweifellos eine gefährliche Kombination. Wer hierbei zu Fall kommt, darf die Schuld aber nicht bei anderen suchen. So sieht es zumindest das Oberlandesgericht Hamm. Die Richter lehnen Schadensersatz und Schmerzensgeld für eine Theaterbesucherin ab, der so eine Schmutzfangmatte am Eingang des Marler Stadttheaters zum Verhängnis wurde.

2.000 Euro Schmerzensgeld und weitere 3.750 Euro Schadensersatz wollte die Frau einklagen. Sie sei nach ihrem Sturz über zwei Monate arbeits- und sportunfähig gewesen. Selbst schuld, meint dagegen das Oberlandesgericht Hamm wie schon das Landgericht Essen als Vorinstanz.

Schmutzfangmatten hätten an Eingangstüren eine Existenzberechtigung, da sie die Besucher vor Stürzen durch Nässe und Verschmutzungen schützen. Außerdem sei die Matte selbst farblich gut erkennbar gewesen, auch die Löcher in der Matte waren für jeden Passanten zu sehen. Mit ihren kleinflächigen, mindestens 4,5 Zentimeter hohen Absätzen habe die Klägerin einfach vorsichtiger sein müssen. Der Stadt Marl habe dagegen keine Pflicht verletzt (Aktenzeichen 11 U 127/15).

Darf Sky seinen Kunden höhere Preise diktieren?

Der Bezahlsender Sky dreht kräftig an der Gebührenschraube. Derzeit werden viele Kunden darüber informiert, dass ab Sommer ihre Abos deutlich teurer werden – um bis zu drei Euro pro Monat. Allerdings beträgt die individuelle Kostensteigerung maximal 5,0 Prozent. Was wenig überraschend ist, denn ab einer Preissteigerung von 5,1 % müsste Sky dem betroffenen Kunden ein Sonderkündigungsgrecht gewähren. So bestimmt es ausdrücklich das Kleingedruckte von Sky.

Dementsprechend lakonisch weist Sky in einer Infomail an seine Kunden auch darauf hin, dass diese wegen der Preiserhöhung leider, leider nicht vorzeitig aus ihrem Vertrag aussteigen dürfen. Allerdings ist dies möglicherweise nicht die ganze Wahrheit. Denn vorrangig stellt sich natürlich die Frage, ob die Preiserhöhungsklausel selbst überhaupt wirksam ist.

Die aktuelle Fassung des Textes, mit dem Sky nun die Preise erhöhen möchte, kann man auf der Webseite des Senders nachlesen. Danach darf Sky die Abogebühren erhöhen, wenn sich die Gesamtkosten des Senders erhöhen, und zwar in den Bereichen „Entgelte für Programmlizenzen, Entgelte für Technikleistungen, Kundenservice- und sonstige Umsatzkosten, allgemeine Verwaltungskosten“.

Die Punkte sind nicht ohne Grund so ausführlich aufgezählt. Denn der Bundesgerichtshof hat im Jahr 2007 eine ähnlich formulierte Preiserhöhungsklausel von Sky (Name damals: PREMIERE) für unwirksam erklärt (Aktenzeichen III ZR 247/06). Darin führen die Richter an, der Kunde müsse erkennen können, bei welchen Kostengruppen eine Steigerung auf ihn umgelegt werden kann. Dem trägt die neugefasste Klausel Rechnung, denn sie zählt die einzelnen Sendersparten auf.

Dabei hat es der Bundesgerichtshof aber nicht belassen. Vielmehr hat er auch gefordert, dass die Gewichtung der einzelnen Kostenelemente offengelegt wird, so dass der Kunde bei Vertragsschluss die auf ihn zukommenden Preissteigerungen einschätzen kann. Eine dementsprechende „Gewichtung“ enthält die aktuelle Klausel jedenfalls nicht, die einzelnen Positionen werden als gleichwertig aufgezählt. Was natürlich nur dann korrekt wäre, wenn die Kosten für Lizenzen, Technik und Kundendienst absolut jeweils gleich hoch sind.

In seiner Kundeninformation sagt Sky nicht, welche Kosten sich konkret in welcher Höhe geändert haben. Mangels absoluter und relativer Zahlen dürften Kunden auf jeden Fall das Recht haben, von Sky aussagekräftige Informationen zu verlangen, damit sie die Preiserhöhung entsprechend der Vorgabe des Bundesgerichtshofs inhaltlich nachvollziehen können.

Im Zweifel könnte sich auch die Nachfrage lohnen, ob Sky im fraglichen Zeitraum nicht auch Kosten eingespart hat. Denn diese Kostenersparnisse müssten zumindest gegengerechnet werden (Ziff. 4.4 der Sky-AGB). Nach den eigenen Bedingungen muss Sky auch nachweisen, dass Kostensteigerungen „nicht vorhersehbar“ waren und „nicht im Belieben von Sky stehen“. Gerade Kostensteigerungen sind doch für ein Unternehmen mit funktionierendem Controlling sehr oft vorhersehbar, jedenfalls jene im normalen Rahmen.

Ich verstehe auch nicht, was Kosten sein könnten, die im „Belieben“ von Sky stehen. Das alles klingt jedenfalls reichlich vage. Da stellt sich schnell die Frage, ob solche Formulierungen noch dem Transparenzgebot entsprechen. Das Risiko trägt bei AGB immer der Verwender, hier also Sky. Bei einem Verstoß wäre im Zweifel die gesamte Preiserhöhungsklausel unwirksam.

Selbst wenn die Klausel wirksam wäre, müsste Sky den eigenen AGB Rechnung tragen und dem Kunden nachvollziehbar mit Zahlen belegen, dass die Voraussetzungen vorliegen. Mit der bloßen Behauptung, die Preiserhöhung sei schon in Ordnung, muss sich ein Sky-Abonnement jedenfalls nicht abspeisen lassen.

Selbst wenn die aktuelle Sky-Klausel den Vorgaben des Bundesgerichtshofs genügen sollte, wäre es also interessant, wie Sky auf gezielte Nachfrage zu den einzelnen Kostensteigerungen und möglichen Einsparungen antwortet. Bleibt das Unternehmen konkrete Angaben schuldig, könnte nämlich auch dies dem Kunden das Recht geben, jedenfalls die Preiserhöhung zu verweigern und einer Kündigung oder Leistungsverweigerung durch Sky gelassen zu begegnen.

Anwalt fälscht Urteil, wird aber nicht bestraft

Kurios auf jeden Fall, aber auch lehrreich. So lässt sich eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm zusammenfassen. Es ging um einen Anwalt, der seinem Mandanten vorspiegelte, er habe für diesen einen Prozess vor dem Arbeitsgericht gewonnen. Tatsächlich hatte der Anwalt sich wohl nicht um die Sache gekümmert. Eine Klage hatte er jedenfalls nicht erhoben. Dafür bastelte er ein passendes Urteil selbst und schickte dem Mandanten eine „Abschrift“. Der Schwindel flog auf, und der Anwalt landete wegen Urkundenfälschung vor Gericht.

Zwei Instanzen hatten keine großen Probleme damit, das nicht existierende Urteil als strafbare Urkundenfälschung (§ 267 StGB) zu bewerten. Doch die Richter am Oberlandesgericht schauten in letzter Instanz etwas genauer hin und sprachen den Anwalt frei. Genau an diesem Punkt wird das Urteil lehrreich. Denn es zeigt sehr schön, dass vor allem (ausgedruckte) E-Mails, Fotokopien und Faxe, auf die wir uns zum Beispiel bei Vertragsschlüssen im Alltag sehr oft verlassen, normalerweise gar keine strafrechtlich „geschützten“ Dokumente sind.

Das betreffende Papier selbst muss nämlich die Erklärung des Ausstellers „verkörpern“. Das tun aber gerade Fotokopien keineswegs, denn sie sind halt nicht das Original. Den Anwalt rettete deshalb, dass er dem Mandanten eben nur eine Abschrift des vermeintlichen Urteils schickte und nicht ein vermeintliches Original, also eine von der Geschäftsstelle des Gerichts mit Stempel und Unterschrift bestätigte „Ausfertigung“. (Das von den Richtern unterschriebene Original bleibt ja sowieso stets in der Akte.)

Allerdings sollte man nicht übersehen, dass der Anwalt vor seinem Freispruch zwei Mal verurteilt wurde. Das bestätigt auch meine Erfahrung, dass die strenge Unterscheidung zwischen Original und Kopie bei Gerichten heute kaum noch salonfähig ist. Selbstverständlich wird auch dort je nach Bedarf schon mal einer einer Urkunde ein Beweiswert zugesprochen, obwohl sie gar keine Urkunde ist. Vor allem natürlich dann, wenn nicht ernsthaft zur Debatte steht, dass irgendwo das passende Original existiert.

Als Freibrief für Trickser und Täuscher sollte man das Urteil deshalb nicht ansehen (Aktenzeichen 1 RVs 18/16).

Ich werde nur 3 Fragen stellen…

Mir wird die todsichere Verteidigungsstrategie skizziert:

Der Richter kann gar kein Verfahren eröffnen.

Zunächst einmal werde ich dem Richter zur Klärung der Rechtsunsicherheit 3 Fragen stellen, verlange seinen Amtsausweis, frage ob er ein staatlicher Richter ist und ob es sich um ein staatliches Gericht handelt. Diese Fragen kann er mir nicht mit „ja“ beantworten, da es keine staatlichen Gerichte und auch keine staatlichen Richter mehr gibt, es sei denn, sie sind ausdrücklich von den Alliierten dazu legitimiert.

Ich habe mir eine eidesstattliche Versicherung vorbereitet, die er mir dann bitte unterschreiben möchte. Wenn er das alles nicht macht, kann er kein Verfahren eröffnen. Dann macht er eine Aussageverweigerung wegen Eigenbelastung gem. § 55 Strafproz.O.

Ich poste das nur ungern und ausschließlich in Erfüllung meiner Chronistenpflicht. Immerhin mache ich mich als Strafverteidiger ja völlig überflüssig und darf mich damit quasi nach einem neuen Job umsehen.

Frau verschwindet mit Briefkastenschlüssel

Wer eine gerichtliche Frist versäumt, kann sich nicht darauf berufen, die eigene Ehefrau habe mit dem Briefkastenschlüssel das Weite gesucht. Mit genau dieser Entschuldigung kam jedenfalls ein 24-Jähriger vor dem Oberlandesgericht Hamm nun nicht weiter.

Der Mann konnte nach eigenen Angaben knapp elf Tage nicht an seine Post, weil ihn seine Frau mitsamt des Briefkastenschlüssels vorübergehend verlassen hatte. Deshalb versäumte er die Frist, um sich gegen einen Bewährungswiderruf zu wehren.

Das Oberlandesgericht Hamm verweigerte dem Betroffenen eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Jeder sei verpflichtet, regelmäßig der Post zu schauen. Der 24-Jährige hätte den Briefkasten von jemandem öffnen lassen können, der sich damit auskennt. Oder er habe zumindest bei seiner Frau auf Rückgabe des Schlüssels drängen müssen. Da er beides versäumt habe, habe er die Frist nicht unverschuldet versäumt.

Der Betroffene muss nun seine Freiheitsstrafe absitzen. Im Knast werden seine Gedanken voraussichtlich viel häufiger um Schlüssel kreisen (Aktenzeichen 4 Ws 103/16).

Alle erinnern sich genau, nur leider falsch

„Können vier Polizisten irren und mit ihrem Irrtum einen Angeklagten hinter Gitter bringen?“ Diese Frage stellt die Märkische Allgemeine in einem Prozessbericht. Die Antwort gibt es auch: Das geht – hier aber nur fast. Denn ein Gutachter deckte zumindest in zweiter Instanz auf, dass die Beamten die Unwahrheit gesagt hatten.

Es ging um die Festnahme eine Mannes wegen Drogenhandels. Die Beamten hatten behauptet, der Verdächtige sei mit seinem Auto auf der Flucht absichtlich auf sie zugefahren, obwohl ihr Auto bereits gestanden habe. Der Angeklagte beteuerte dagegen, er habe gar nicht gewusst, dass es sich um Polizisten handelte. Außerdem sei ihr Fahrzeug auch noch gefahren, so dass er einfach nicht ausweichen konnte.

Erst ein eigenes Gutachten, das der Angeklagte in zweiter Instanz vorlegte, entlarvte die Angaben der Polizisten als falsch. So könne sich der Unfall nicht zugetragen haben, lautete das Fazit des Sachverständigen. Das Polizeiauto habe keinesfalls gestanden. Am Ende kriegte der Angeklagte vom Landgericht Potsdam noch anderthalb Jahre wegen Drogenhandels – auf Bewährung. Das Amtsgericht Brandenburg an der Havel hatte zunächst auf zweieinhalb Jahre Haft befunden, die nicht mehr zur Bewährung hätten ausgesetzt werden können.

Missglückter Schülerspaß oder sexueller Angriff?

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat entschieden, dass sexuelle Übergriffe eines Schülers gegenüber einer Mitschülerin auch dann einen Schulausschluss rechtfertigen, wenn diese von ihm als „Spaß“ verstanden wurden.

Ein Sechstklässler, 12 Jahre alt, solle eine Mitschülerin auf dem Nachhauseweg aufgefordert haben, „ihm einen zu blasen“. Er soll dabei auf die Elfjährige zugegangen sein, Hose und Unterhose heruntergezogen haben. Die Schule quittierte dieses Verhalten mit einem sofortigen Schulausschluss, nachdem die Eltern der Schülerin Strafanzeige erstattet hatten.

Der Schüler klagte gegen den Rauswurf aus der Schule, bekam aber vor dem Verwaltungsgericht im Eilverfahren kein Recht. Das Gericht glaubte ihm nicht, dass er tatsächlich auf der gegenüberliegenden Straßenseite gestanden habe und das ganze nur lustig gemeint gewesen sei. Das Gericht schließt aus den Angaben des Mädchens und eines anderen Schülers, dass der Schüler tatsächlich viel näher an dem Mädchen gestanden habe.

Obwohl der Schüler in seinem jungen Alter möglicherweise nicht die gesamte Tragweite seines Verhaltens überblickt habe, könne dies nicht als alterstypisches (vor-)pubertäres Verhalten angesehen werden. Denn es müsse auch dem Antragsteller klar gewesen sein, dass ein solches Verhalten die Grenze zum „Spaß“ bei weitem überschreite, zumal sich der Antragsteller und die Geschädigte nur vom Sehen gekannt hätten. Zu Lasten des Jungen wertete das Gericht auch, dass er schon früher Mitschüler beleidigt, provoziert oder auch körperlich angegangen habe.

Ein Verbleib des Antragstellers an der Schule lasse auch „eine Gefahr für die Erziehung und Unterrichtung, die sittliche Entwicklung und Sicherheit der Mitschüler befürchten“. Zudem dürfte es dem Mädchen auch nicht zumutbar sein, weiter dieselbe Schule wie der Antragsteller zu besuchen, da es im Schulhaus und Schulgelände stets zu einem Zusammentreffen kommen und die Geschädigte damit jederzeit mit der Tat konfrontiert werden könne.

Der 12-Jährige ist mittlerweile an einer anderen Schule (Aktenzeichen 12 K 2336/16).