Gegenwehr unmöglich

Den Führerschein verliert man nur wegen Taten, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehen. Könnte man meinen. Aber viele Straßenverkehrsämter sehen das mittlerweile nicht mehr so eng. Und das gilt nicht nur für Alkoholdelikte, wie ein Beschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt zeigt.

Ein 26-Jähriger muss seine Fahrerlaubnis abgeben, weil er aus seinem Wohnzimmerfenster mit einem erlaubnispflichtigen Druckgasgewehr auf eine Schülergruppe geschossen hat. Dabei traf er einen Schüler an der Schulter. Die Folge war ein Bluterguss. Klar, dass der Mann wegen Körperverletzung und Verstoßes gegen das Waffengesetz bestraft wurde, und zwar zu neun Monaten Gefängnis auf Bewährung.

Obwohl die Tat in keinem Zusammenhang zum Straßenverkehr stand, verlangte das Straßenverkehrsamt eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU). Die bestand der Betroffene nicht, weil ihm der Sachverständige ein hohes Aggressionspotenzial bestätigt. Dieses Potenzial werde künftig zu Ausfällen im Straßenverkehr führen. Und das, obwohl der 26-Jährige schon drei Jahr den Führerschein hatte und in der ganzen Zeit nichts vorgefallen ist.

Das Verwaltungsgericht Neustadt folgt dem Sachverständigen ausdrücklich in der Annahme, dass Forschungsergebnisse einen engen Zusammenhang zwischen allgemein-strafrechtlichen Delikten, Aggressivität und Verkehrsauffälligkeiten belegen. Personen, die außerhalb des Straßenverkehrs wenig Rücksicht auf Regeln und Gesetze nehmen, würden das auch im Straßenverkehr tun.

Für mich klingt das mehr nach Binsenweisheit, weniger nach Wissenschaft. Jedenfalls öffnen solche doch gewagten Schlussfolgerungen Tür und Tor für die Straßenverkehrsämter, künftig bei so gut wie jeder strafrechtlichen Verurteilung irgendwelche Rückschlüsse auf die Fahreignung zu ziehen. Auch wenn die Tat selbst gar keinen Zusammenhang mit dem Straßenverkehr hat.

Geradezu perfide wird es nach meiner Meinung, wenn das Verwaltungsgericht Neustadt sich nicht dafür interessiert, ob die MPU überhaupt hätte angeordnet werden dürfen. Die Richter meinen nämlich, darauf komme es nicht an. Denn selbst wenn die Anordnung zu Unrecht erfolgte, dürfe das Gutachten trotzdem verwendet werden, weil es eine „neue Tatsache“ sei, der selbständige Bedeutung zukomme.

Wie praktisch, dass ein Betroffener auch nicht klagen kann, wenn er zu einem Gutachten aufgefordert wird. Die MPU-Anordnung selbst gilt nämlich nicht als selbständig anfechtbarer Verwaltungsakt. Mit anderen Worten: Vorher kann man sich nicht wehren. Und hinterher auch nicht.

Link zum Beschluss des Verwaltungsgerichts

„Barauszahlungsentgelt“

Die Bankbranche ist in einem Punkt sicher führend. Bei der Erfindung neuer Gebühren. Heute nötigt mir in dieser Beziehung die Postbank besonderen Respekt ab. Dort habe ich mir vor kurzem die Prepaid Visa Karte besorgt, weil der Anbieter Kalixa, bei dem bisher immer alles glatt lief, sein Angebot leider einstellt. Normale Kreditkarten nutze ich nur, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Da ist mir das Schicksal etlicher Mandanten eine Lehre, deren Karten von irgendwelchen freundlichen Zeitgenossen bis an die Grenze des Verfügungsrahmens geplündert wurden.

Die Postbank Prepaid Visa war noch keine Woche alt, als mir „5,00 € Barauszahlungsentgelt“ in Rechnung gestellt wurden. Ich hatte mit der Karte zwar schon einiges veranstaltet, aber sicher kein Bargeld gezogen. Meine Mail an den Kundenservice brachte dann folgende Erkenntnis: Ich muss 5 Euro „Barauszahlungsentgelt“ bezahlen, gleichwohl ich mir überhaupt nichts bar habe auszahlen lassen.

Denn, so wurde mir erklärt, die Postbank nimmt gemäß Ziff. 2.16 ihres Preis- und Leistungsverzeichnisses eine Gebühr von 2,5 %, mindestens aber 5,00 €, „bei Einsatz der Postbank Kreditkarten zum Bezahlen bei Wettbüros, Casinobetrieben und Lotteriegesellschaften im Rahmen deren Geschäftsbetriebs“.

Schuld war also ein online bezahlter Tipp-Schein für eine – von gewissen Staatsvertrags-Problematiken abgesehen – ganz seriösliche Lotterie, der mich selbst ganze 8,40 Euro gekostet hatte. Wieso die happige Gebühr auf der Abrechnung als „Barauszahlung“ auftaucht, erklärte mir der Postbank-Service auf meine Nachfrage hin in der gleichen Mail:

Der Erwerb von Lotto- oder Wettscheinen oder Chips im Spielcasino sowie bei entsprechenden Online-Anbietern entspricht dem Wesen nach dem Erwerb von Bargeld. Ähnlich wie ein Geldschein repräsentieren solche Scheine oder Chips einen Wert, der für weitere Zwecke – hier das Glücksspiel – eingesetzt wird. Mit dem neuen Entgelt stellt die Postbank deshalb diese Kreditkartenumsätze den Bargeldverfügungen mit Kreditkarte gleich.

Na ja, ich würde da schon gerne wissen, wieso dann nicht auch der Erwerb eines Amazon-Gutscheins oder das Aufladen einer Music-Flatrate nicht auch 5 Euro kostet. Und wieso man Barauszahlung in die Abrechnung reinschreibt, wenn es doch ersichtlich nicht um eine Barauszahlung geht.

Ich persönlich fühle mich durch das Postbank-Wortgeklingel einstweilen ein bisschen veräppelt. Deswegen gucke ich bei Gelegenheit doch mal, was die Konkurrenz so an Prepaid-Karten bietet. Obwohl ich mir natürlich nicht sonderlich viel Hoffnung mache, dass es woanders wesentlich besser läuft.

Rechtspfleger bilden Abwehrfront

Im öffentlich zugänglichen Rechtspflegerforum kann man gerade einen ziemlich kuriosen Fall verfolgen. Und das sozusagen „live“.

Eine anscheinend nicht existierende Anwaltskanzlei hat bundesweit für einen Asylbewerber Beratungshilfe beantragt und diverse Dokumente vorgelegt. Angeblich will sich der Mann gegen einen Bescheid der Berliner Sozialbehörde wehren, ist aber laut dem Antrag vor kurzem umgezogen. Deshalb wird jetzt Beratungshilfe am örtlich zuständigen Gericht beantragt.

Wie es aussieht, ist der gleichlautende Antrag aber so gut wie bei jedem deutschen Amtsgericht gestellt worden, und zwar jeweils für die gleiche Person. Würden die Anträge bewilligt, bekämen die Antragsteller eine Erstberatung aus der Staatskasse bezahlt. Da kämen dann schon etliche tausend Euro zusammen.

Jetzt sieht es eher danach aus, als müsse sich der Initiator der Aktion auf Strafanzeigen und Maßnahmen der Anwaltskammer einstellen. Ein Entschuldigungsschreiben soll er mittlerweile versandt haben. Danach hat eine Mitarbeiterin eigenmächtig die Anträge formuliert und an alle deutschen Amtsgerichte gefaxt.

Hier kann man die aktuelle Entwicklung mitverfolgen.

Messerattacke: Kein Maulkorb für Minister

Eine 15-Jährige hat in Hannover einen Polizeibeamten mit einem Messer attackiert und schwer verletzt. Die Polizei vermutet einen terroristischen Hintergrund, da die Betroffene Kontakte zu radikalen Islamisten gehabt haben soll. Die junge Frau will der niedersächsischen Justiz verbieten, anderen Stellen über das Verfahren Auskunft zu geben.

Das Verwaltungsgericht Hannover wies allerdings einen Eilantrag der 15-Jährigen auf eine einstweilige Verfügung zurück. Mit dieser sollte es dem Justizminister unter anderem untersagt werden, die Landtagsabgeordneten in einer vertraulichen Sitzung des Rechts- und Innenausschusses am 11. März über den Stand des Verfahren zu unterrichten.

Das Verwaltungsgericht meint allerdings, der Justizminister sei zur Information verpflichtet. Die Niedersächsische Verfassung gebe den Abgeordneten Auskunftsansprüche gegenüber der Landesregierung. Überwiegende schutzwürdige Belange der Betroffenen seien nicht erkennbar, auch wegen der Schwere des Tatvorwurfs. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass einzelne Abgeordnete die Vertraulichkeit brechen.

Einen allgemeinen Maulkorb wollte das Gericht auch nicht gegen das Justizministerium verhängen. Es gebe schon gar keine Anhaltspunkte dafür, dass die Justiz „beliebigen Dritten“ Informationen zukommen lasse (Aktenzeichen 6 B 1658/16).

Individuelles Trinkbedürfnis

Ein Querschnittsgelähmter, der auf Katheter angewiesen ist, muss sich von seiner gesetzlichen Krankenkasse nicht vorschreiben lassen, wie viel er täglich zu trinken hat. Wenn er ca. 3,5 Liter pro Tag trinkt, muss die Krankenkasse dem Mann auch medizinische Hilfsmittel in diesem Umfang bewilligen. Dies hat das Sozialgericht Dresden entschieden.

Die Krankenkasse meinte bei dem Mann, es sei lediglich eine Trinkmenge von 2,5 Liter pro Tag erforderlich. Demgemäß bezahlte sie ihm nur die Katheter und Bettbeutel für diese Menge. Der Betroffene gab dagegen an, er habe ein höhere Trinkbedürfnis.

Das Sozialgericht Dresden hält es für unvereinbar mit der Menschenwürde, wenn bei einem invididuellen Trinkbedürfnis nur Durchschnittswerte angesetzt werden. Der Betroffene habe auch ein persönliches „Sicherheitsbedürfnis“, dem Rechnung zu tragen sei.

Die Krankenkasse muss laut dem Urteil die Hilfsmittel nach dem tatsächlichen Bedarf bezahlen. Allerdings hat sie gegen das Urteil Berufung eingelegt (Aktenzeichen S 47 KR 105/13).

Eine „unsichtbare“ Zeugin

Ein heikles Thema wird in den nächsten Tagen das Landgericht München beschäftigen. In einem Strafprozess geht es mittelbar auch um die Frage, ob eine Zeugin vor Gericht ihr Gesicht zeigen muss. Die Frau muslimischen Glaubens trug bei ihrer ersten Zeugenaussage vor dem Amtsgericht München ein Gewand namens Naqib, das nur einen dünnen Sehschlitz für die Augen freilässt. Außerdem hüllte sie sich in einen langen Mantel und trug Lederhandschuhe, heißt es etwa in diesem Bericht.

Die Strafprozessordnung selbst enthält keine detaillierten Regeln, wie sich Zeugen vor Gericht präsentieren dürfen. Die Grenze ist die sogenannte Ungebühr, die in § 178 GVG eher allgemein geregelt ist. Es gibt Dutzende Entscheidungen über korrekte und falsche Bekleidung im Zeugenstand. Klar ist jedenfalls, dass sich die Zeiten ändern. So darf die Justiz nicht mehr übertriebene Anforderungen an Zeugen stellen. Freizeitkleidung, Berufskleidung, kurze Hosen und bauchfreie Shirts verletzen heute nicht mehr die Würde des Gerichts, so lässt sich die aktuelle Rechtsprechung zusammenfassen.

Nach wie vor kann ein Richter aber verlangen, dass Schiebermützen, Sportkäppis oder Hoodies während der Aussage nicht den Kopf des Zeugen zieren. Schwieriger wird es aber, wenn die Kopfbekleidung religiös motiviert ist. Im Fall einer Muslima hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass diese nicht wegen ihres Kopftuches aus dem Saal gewiesen werden durfte. Allerdings war die Frau nur Zuschauerin.

Dieser Entscheidung des Verfassungsgerichts lässt sich aber auch entnehmen, dass Betroffene trotz ihrer Kleidung zumindest „identifizierbar“ sein müssen. Gerade bei Zeugen dürfte das noch eine größere Rolle spielen als bei Zuschauern. Immerhin gibt es ja für das Gericht über die Frage der „Würde“ auch noch einen sachlichen Grund, das Gesicht der Zeugin sehen zu wollen. Nämlich, um ihre Glaubwürdigkeit prüfen zu können. Dieses Interesse haben natürlich auch regelmäßig der Angeklagte und sein Verteidiger.

Es wird deshalb interessant, wie das Landgericht München mit dem Fall umgeht. Verhandelt werden soll die Sache am 17. März.

Vitamin B im Loveparade-Prozess

In zwei Schadensersatzprozessen wegen des Unglücks bei der Loveparade im Jahr 2010 kommt es zu eimem Richterwechsel. Die Vorsitzende Richterin am Landgericht Duisburg ist befangen und muss ausgewechselt werden, so das Oberlandesgericht Düsseldorf.

In den Verfahren verklagen Loveparade-Opfer unter anderem die Stadt Duisburg auf Schadensersatz. Die Stadt Duisburg hatte in dem Prozess Rechtsgutachten einer Düsseldorfer Anwaltskanzlei vorgelegt, um die Ansprüche abzuwehren. Einer der Chefs dieser Anwaltskanzlei ist mit der Vorsitzenden Richterin verheiratet.

Die Richterin selbst betrachtete sich deswegen nicht für befangen, das OLG Düsseldorf sieht dies anders. Auch wenn der Ehemann der Richterin selbst nicht direkt an den Gutachten mitgeschrieben habe, gebe es eine „berufliche Nähe“ (und damit ist sicher auch eine wirtschäftliche Nähe gemeint) zu den Verfassern. Schon das könne eine Konflitksituation für die Richterin begründen und ein unparteiisches Urteil erschweren.

Mit einem Tick mehr Sensibilität hätte die Richterin diese Schlussfolgerung wohl auch selbst ziehen können (Aktenzeichen I – 11 W 53/15 und I – 11 W 54/15).

Die „Herren des Bangs“

Die sächsische Polizei hat unter anderem mit Heidenau grandios vorgelegt, was das allgemeine Kopfschütteln angeht. Da möchte die Justiz natürlich nicht hintanstehen. So prescht jetzt die Chemnitzer Staatsanwaltschaft mit freundlicher Unterstützung des örtlichen Amtsgerichts couragiert vor, um sich nach Kräften lächerlich zu machen.

Es geht um handelsübliches Vogelfutter, das die Chemnitzer Piratenpartei an einem Infostand zum Thema Drogenpolitik verteilt hat. Nach einer Hausdurchsuchung kamen jetzt die Strafbefehle. Wegen „unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln“ sollen der damalige Ortsvorsitzende und andere Parteimitglieder Geldstrafen zahlen. Und künftig vorbestraft durchs Leben gehen.

Dass es sich bei dem Vogelfutter um Hanfsamen gehandelt hat, streiten die Organisatoren nicht ab. Warum auch, die Samen dürfen grundsätzlich legal verkauft werden. Im Chemnitzer Fall waren sie recht eindeutig als „Angelhanf Taubenfutter Hanfsamen Hanfsaat“ deklariert. Die Piraten wiesen auch noch ausdrücklich darauf hin, dass der Samen in Muttererde nichts verloren hat, weil das Heranzüchten von Cannabispflanzen strafbar wäre.

Das bedeutet aber nicht, dass juristische Probleme ausgeschlossen sind. Derzeit ist der Handel bzw. das Weitergeben von Cannabissamen verboten, „wenn der Samen nach den Umständen zum unerlaubten Anbau bestimmt ist“. So fasst der Standardkommentar Körner/Patzak/Volkmer zum Betäubungsmittelgesetz die juristische Lage zusammen. Es kommt also darauf an, ob das tatsächliche Ziel der Beteiligten am Ende eine berauschende Ernte ist. In der Tat gibt es immer wieder – oft auch im Ausland ansässige – Growshops, die in ihrer Werbung zwar oben Vogelfutter schreiben, unten dann aber in ganz andere Richtungen abschweifen („gemacht für Raucher, die ihre Grenzen testen wollen“, „Herr des Bangs“). Das sind dann tatsächlich liebe Einladungen an die Polizei.

So ein Anliegen dürfte den Piraten aber mit ihrer politischen (!) Aktion erkennbar nicht nachzuweisen sein. Zumal sie zumindest nach eigenen Angaben überhaupt nicht wussten, ob mit dem selbst nur gekauften Samen überhaupt Pflanzen sprießen würden, die überhaupt Wirkstoff in relevanter Menge liefern. Es gibt ja auch etliche Sorten von Industriehanf.

Das alles hat die Staatsanwaltschaft Chemnitz wohl auch gesehen. Sie bot den Beschuldigten zunächst an, das Verfahren gegen eine Geldauflage einzustellen. Nachdem die Betroffenen nachvollziehbar ablehnten, hätte es auch die Möglichkeit der Verfahrenseinstellung gegeben. Stattdessen zieht man es vor, die Beschuldigten vor Gericht zu zerren.

Es wird interessant, wie weit es die Sachsen diesmal treiben wollen.

Erdrückende Beweislast

Aus einer Strafanzeige:

Herr S. wurde in der Fußgängerzone angehalten und durchsucht. Es wurde nichts Verdächtiges aufgefunden außer Bargeld in einer schwarzen Geldbörse: 3 x 50 Euro, 11 x 20 Euro, 1 x 10 Euro, 1 x 5 Euro. Es handelt sich um eine dealgeldtypische Geldstückelung.

Sozusagen eine erdrückende Beweislast. Kaum nachvollziehbar, wieso der Staatsanwalt das Verfahren dennoch kurzerhand eingestellt hat.

Freundlicher Hinweis

Aus einer Vorladung der Polizei:

Sie sind Halter des Fahrzeugs BMW KA-XY 0000. Die Ermittlungen bezüglich der Unfallflucht richten sich … gegen Ihren Sohn. Sollte Ihr Sohn Fahrer zur Unfallzeit gewesen sein, haben Sie als Vater das sogenannte Zeugnisverweigerungsrecht, d.h. Sie müssen keine Angaben zum Fahrer machen.

Sollte zur Unfallzeit jemand gefahren sein, gegenüber dem Sie kein ZVR haben, sind Sie als Zeuge zur Aussage verpflichtet, notfalls vor einem Richter.

Bitte teilen Sie mir möglichst zeitnah mit, ob Sie den Termin am Freitag wahrnehmen.

Positiv an dieser Vorladung ist, dass der Polizeibeamte sich eine Belehrung über die Rechte des Fahrzeughalters nicht für die Vernehmung aufspart. Vielmehr macht er dem Empfänger des Schreibens schon ziemlich deutlich, dass dieser jedenfalls in Bezug auf seinen Sohn, den Beschuldigten, schon wegen des Verwandtschaftsverhältnisses rein gar nichts sagen muss.

Ganz vollständig ist der freundliche Hinweis allerdings trotzdem nicht:

– Niemand muss mit der Polizei sprechen. Auch ein Zeuge nicht. Deshalb sollte man eine Vorladung auch besser als Einladung bezeichnen. Mehr ist sie nämlich nicht. Denn wer nicht mit der Polizei sprechen muss, braucht selbstverständlich auch nicht auf die Wache zu kommen.

– Eine Vorladung durch den Staatsanwalt oder einen Richter ist kein Automatismus. Tatsächlich bleibt die Vorladung meist aus. Wenn sie aber erfolgt, darf ein Zeuge nur dann nichts sagen, wenn ihm ein Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht zusteht.

– Neben dem Zeugnisverweigerungsrecht wegen Verwandtschaft kann man als Zeuge auch die Auskunft verweigern, wenn man sich selbst in den Verdacht einer Straftat bringen könnte. Der Zeuge muss also rein gar nichts sagen, was ihm selbst schaden könnte.

Trotz der gewissen Unschärfen bleibt es toll, dass der Beamte sich wenigstens bemüht, den Zeugen schon bei der Einladung zu einer Vernehmung über seine wesentlichen Rechte zu informieren.

Daran könnten sich 99 % der deutschen Kripobeamten ein Vorbild nehmen, denen so was nie in den Sinn kommen würde.

„Ich wollte das Handy nur laden“

Wer sein Handy im Auto dabei hat, der wird sich für diese Gerichtsentscheidung interessieren. Laut Oberlandesgericht Oldenburg ist es einem Autofahrer untersagt, sein Handy in die Hand zu nehmen, auch wenn er es nur an ein Ladekabel anschließen will.

Ein Lkw-Fahrer hatte sich damit verteidigt, er habe sein Handy gar nicht nutzen, sondern es nur aufladen wollen. Doch auch dies fällt nach Meinung des Gerichts bereits unter den Tatbestand des § 23 Abs. 1a StVO, der da lautet:

Wer ein Fahrzeug führt, darf ein Mobil- oder Autotelefon nicht benutzen, wenn hierfür das Mobiltelefon oder der Hörer des Autotelefons aufgenommen oder gehalten werden muss. Dies gilt nicht, wenn das Fahrzeug steht und bei Kraftfahrzeugen der Motor ausgeschaltet ist.

Von einem „Benutzen“ des Mobiltelefons kann man laut der Entscheidung schon sprechen, wenn die eigentliche Nutzung nur vorbereitet wird. Das Laden sei so eine mit erfasste Vorbereitungshandlung, weil man ohne geladenen Akku nicht telefonieren könne.

Das Aufladen ist also schon eine „Benutzung“. Damit schrabbt die Entscheidung zumindest deutlich hörbar an den sprachlichen Grenzen der Vorschrift. Da ist es sicher denkbar, dass der eine oder andere Bußgeldrichter am Amtsgericht die Sache anders sieht. Wenn er denn glaubt, dass das Handy nur geladen werden sollte (Aktenzeichen 2 Ss OWi 290/15).

Facebook geht auch weiter nicht anonym

Facebook kann gegenüber Nutzern weiter darauf bestehen, dass diese sich mit ihrem echten Namen anmelden. Das Verwaltungsgericht Hamburg stoppte eine Anordnung des Hamburger Datenschutzbeauftragten. Dieser hatte durchsetzen wollen, dass sich eine Nutzerin mit einem Pseudonym anmelden darf.

Der Hamburger Datenschutzbeauftragte begründet seine Initiative damit, dass Dienstanbieter nach deutschem Recht auch eine anonyme Nutzung ihres Angebotes ermöglichen müssen, soweit dies möglich ist (§ 13 Abs. 6 TMG). Das Verwaltungsgericht Hamburg bezweifelt allerdings, dass für Facebook deutsches Recht gilt.

Es sei vielmehr das Recht des EU-Landes anzuwenden, mit dem die streitige Datenverarbeitung am engsten verbunden ist. Da Facebooks Europazentrale in Irland sitzt, spreche viel für die Anwendbarkeit irischen Rechts. Zwar habe Facebook auch eine Filiale in Deutschland, diese sei aber vorwiegend für Werbung zuständig.

Mit dem Beschluss setzt das Gericht die Vollziehbarkeit der Anordnung des Datenschutzbeauftragten zunächst aus. Das gilt so lange, bis das noch laufende Hauptsacheverfahren abgeschlossen ist (Aktenzeichen 15 E 4482/15).

„Am Lusthaus“ ist keine schlechte Adresse

Eine Kölnerin kann sich nicht mit ihrer Adresse anfreunden. Ihr Grundstück liegt an einer Straße mit dem Namen „Am Lusthaus“. Die Kölner Bezirksverwaltung hatte im Jahr 2013 die Straße in einem Neubaugebiet so benannt.

Gegen den Straßennamen zog die Kölnerin vor das Verwaltungsgericht, weil sie sich in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt fühlt. Die Anschrift bringe sie in einen anstößigen Zusammenhang.

Das Verwaltungsgericht sieht die Sache anders. Die Richter haben bereits Zweifel, ob eine Straßenbenennung die Rechte der dort lebenden Menschen beeinträchtigen kann. Es gehe beim Straßennamen alleine darum, eine öffentliche Sache mit einem Namen zu versehen.

In jedem Fall, so die Richter, stehe der Stadtverwaltung ein weiter Gestaltungsspielraum bei der Suche nach Straßennamen zu. Dieser Spielraum sei nicht überschritten. Denn im Gegensatz zur Interpretation der Klägerin hat der Straßenname „Am Lusthaus“ gar nichts mit einem Bordell oder ähnlichem zu tun. Der Name greife eine frühere Gewannbezeichnung auf, das ist eine historisch gewachsene Bezeichnung für eine Gemarkung oder ein Grundstück.

„Am Lusthaus“, so das Gericht, beziehe sich darauf, dass früher in unmittelbarer Nähe ein Adeliger seinen Herrensitz hatte (Aktenzeichen 20 K 3900/14).

Darf man einem Drogenkranken Drogen verbieten?

Wenn ein Straftäter seine Strafe abgesessen hat, kann er auch danach noch staatlich kontrolliert werden. Die sogenannte „Führungsaufsicht“ soll künftige Straftaten verhindern. Dazu kann das Gericht dem Verurteilten eine Vielzahl von Auflagen machen, darunter auch „keine alkoholischen Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich zu nehmen … und sich Alkohol- und Suchtmittelkontrollen zu unterziehen“ (§ 68b Abs. 1 Nr. 10 StGB).

Diese Regelung wird auch Abstinenzweisung genannt. Sie klingt auch erst mal vernünftig. Aber was bedeutet so eine Abstinenzweisung für einen Alkoholiker oder Drogenkranken, der bislang nicht erfolgreich behandelt worden ist. Wie soll ein Suchtkranker sich daran „in freier Wildbahn“ denn bitteschön halten können? Diese Frage stellt das Oberlandesgericht Saarbrücken in einem interessanten Beschluss.

Die Antwort liefert das Gericht natürlich auch. So eine Abstinenzweisung gegenüber einem Suchtkranken ist unwirksam:

Von ihm würde ein Verhalten verlangt, zu dem er bedingt durch seine Suchterkrankung von vornherein nicht in der Lage ist. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird er, da lediglich eine erfolgreich absolvierte stationäre Drogentherapie eine realistische Chance auf eine Heilung von der langjährigen Drogensucht böte, auch nunmehr in Freiheit abermals Betäubungsmittel … konsumieren.

Die Weisung gegenüber einem akut Drogenkranken hätte also zur Folge, dass der auch für ihn an sich straflose Konsum von Drogen eine Straftat würde, denn der Verstoß gegen Weisungen der Führungsaufsicht ist selbst eine Straftat (§ 145a StGB). Jemanden quasi in eine Strafbarkeit zu drängen sei das Gegensatz zu wirksamer Hilfe dabei, künftig straffrei zu bleiben. So eine Weisung komme also nur gegenüber Abhängigen in Betracht, die eine erfolgreiche Therapie durchlaufen haben. Bei diesen kann die Weisung ein taugliches Druckmittel sein, damit diese nicht rückfällig werden und dann möglicherweise im Drogenrausch Straftaten begehen.

Es gibt aber auch Gerichte, die das anders sehen. Deren Auffassungen kann man in dem Beschluss des Oberlandsgerichts Saarbrücken ebenfalls nachlesen..

Ihre DNA, bitte

Heute habe ich einen Mandanten beraten, dem nach einem Kontakt mit der Polizei ein ungutes Bauchgefühl verblieb. Eigentlich wollte er auf der Wache den Diebstahl seines Navis aus dem Auto anzeigen. Doch am Ende hatte er nicht nur die Anzeige gemacht, sondern auch eine Speichelprobe für eine DNA-Analyse abgegeben.

Der Beamte war wohl sehr beredt. Er stellte es als absolut notwendig dar, dass mein Mandant eine Speichelprobe da lässt. Weil das die Ermittlungen angeblich erleichtert. Und überhaupt. Mein Mandant unterschrieb brav einige Formulare, ohne sie näher zu lesen, ließ sich die Zungenspitze abtupfen, das war’s dann auch schon. Reine Routine anscheinend. Eine Routine, die dem Mandanten dann erst später zu denken gab, als er sich überlegte, was denn jetzt wohl nach der DNA-Untersuchung so alles mit seinen Daten passieren kann.

Auf dem Papier ist das erst mal nicht sonderlich viel. Das Ergebnis der DNA-Untersuchung darf nur für Vergleichszwecke mit anderen Spuren benutzt werden. Und auch nur im Rahmen des konkreten Falles, um den es geht. Werden die Daten nicht mehr gebraucht, müssen sie gelöscht werden.

Klingt erst mal harmlos. Aber was ist gerade in Fällen, in denen kein Täter ermittelt wird? Theoretisch sind solche Akten mitunter jahrelang offen. Und gibt es in der Praxis der Polizeipräsidien und Landeskriminalämter überhaupt vernünftige Löschroutinen? Oder besteht nicht doch das Risiko, dass die einmal gespeicherten Daten wieder auffindbar sind, wenn man nach ihnen sucht? Etwa auf einem Backup, um nur ein Beispiel zu nennen.

Der Mandant hätte seine berechtigten Sorgen vermeiden können. Indem er einfach nicht unterschreibt. Ohne schriftliches Einverständnis muss der Richter eine DNA-Probe anordnen. Eine Formsache ist das gerichtliche Vefahren keinesfalls – auch wenn Polizeibeamte gerne das Gegenteil behaupten. Wie derjenige, mit dem mein Mandant das Vergnügen hatte.

Wer also nach einer freiwilligen Speichelprobe gefragt wird, sollte sich gut überlegen, ob er nicht einfach mal von seinen Rechten Gebrauch macht. Dafür sind sie doch da. Jedenfalls so lange, wie man nicht restlos überzeugt ist, dass die Polizei nun wirklich hier und heute für ihre Ermittlungen zwingend auf das DNA-Profil angewiesen ist. Gerade bei Wohnungseinbrüchen wird nach meiner Erfahrung auch immer öfter nach einer freiwilligen Speichelprobe der Bewohner gefragt. Eine plausible Erklärung dafür habe ich bislang noch nicht gehört.

Das einmal erklärte Einverständnis kann man übrigens nicht so einfach widerrufen. So jedenfalls die überwiegende Meinung der Gerichte. Dem Mandanten bleibt demnach momentan nur die Möglichkeit, nach angemessener Zeit nachzufragen, ob seine Daten tatsächlich wieder gelöscht wurden. Und darauf zu vertrauen, dass die Antwort korrekt ist.