„Unverlangte Werbung“

Für Verwirrung sorgt derzeit ein Urteil des Amtsgerichts Pankow-Weißensee. In der Entscheidung geht es um die Frage, ob schon die Bestätigungsmail über die Eröffnung eines Online-Kundenkontos unzulässige Werbung ist. Das Gericht bejaht dies im Kern und könnte Online-Händler damit vor eine fast unlösbare Aufgabe stellen.

Der Vorgang war banal: Ein Händler bestätigte einem Gewerbetreibenden per Mail die Eröffnung eines Kundenkontos. So was kommt Tag für Tag tausendfach vor. Allerdings beteuerte der Gewerbetreibende, dass er sich gar nicht angemeldet hatte. Er empfand die Bestätigung deshalb als unverlangte Werbung und wehrte sich gerichtlich.

Das Amtsgericht Pankow-Weißensee stuft zunächst jede unverlangte Kontaktaufnahme per Mail durch ein Unternehmen als unzulässige Werbung ein. Eine Ausnahme gelte nur, wenn der Kunde die Mail selbst veranlasst habe – etwa durch Anlage eines Kundenkontos.

Das führt aber zwangsläufig zu der Frage, wie es um „Werbe“-Mails steht, die Unternehmen genau mit der Absicht versenden, Empfängern keine unerlaubte Werbung zukommen zu lassen. Auch das ist längst gängige Praxis: Hinterlegt jemand in einem Webshop Kundendaten oder macht eine Bestellung, schickt der Shop eine Bestätigungsmail mit dem Hinweis an die angegebene E-Mail-Adresse, dass der Kunde einen mitgeschickten Link anklicken muss. Hierdurch wird verifiziert, dass der Inhaber des E-Mail-Accounts auch tatsächlich was bestellen oder ein Kundenkonto eröffnen möchte.

Dieser an sich sinnvolle Missbrauchsschutz wird allerdings für Online-Anbieter riskant, wenn schon die Bestätigungsmail mit der Bitte um Verifizierung als unzulässig eingestuft wird. Jede missbräuchliche Verwendung des betreffenden E-Mail-Accounts ginge dann zu Lasten der Firma, die mit der einmaligen Mail diesen Missbrauch gerade verhindern will.

In letzter Konsequenz könnte das bedeuten, dass Online-Händler den Kundenaccount per Postbrief verifizieren müssen. Wobei man aber auch darüber streiten kann, ob unverlangte Werbung per Post überhaupt noch zulässig ist. Jedenfalls würde das Prozedere aber dauern mit der Folge, dass Kunden länger auf ihre Bestellung oder die Dienstleistung warten müssen.

Die IT-Recht Kanzlei aus München empfiehlt als Erste Hilfe, die erste Bestätigungsmail möglichst sachlich und nüchtern zu halten, damit es jedenfalls schwer ist, von „Werbung“ zu sprechen. Ob das gegen die Trittbrettfahrer hilft, die wohl unweigerlich auf den anrollenden Abmahnzug aufspringen, wird sich zeigen.

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Mit allem einverstanden

Wer bei einem Online-Gewinnspiel mitmacht, muss beziehungsweise soll sich oft mit Werbung einverstanden erklären. Das Landgericht Frankfurt hat jetzt entschieden, dass hierbei transparent dargestellt werden muss, für welche Firmen die Einwilligung gilt.

Eine Frankfurter Marketingfirma hatte die Teilnahme an einem Gewinnspiel davon abhängig gemacht, dass der Nutzer damit einverstanden ist, dass ihn „einige“ Sponsoren und Kooperationspartner am Telefon, per Post, E-Mail oder SMS über ihre Angebote informieren. Tatsächlich handelte es sich um 30 Firmen. Das war aber erst ersichtlich, wenn der Nutzer einen gesonderten Informationslink klickte.

Eine wirksame Einwilligung für Werbung setzt nach Auffassung des Gerichts aber voraus, dass dem Kunden der Umfang klar wird, ohne dass er sich durch Extraseiten klicken muss. Aus diesem Grund wurde auch eine Klausel für unwirksam erklärt, in der die Nutzer pauschal einer Analyse ihres Surfverhaltens zustimmten. Geklagt hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband (Link zum Urteil).

Charlie waren wir gestern

Bis vor kurzem waren wir alle Charlie. Aber da ging es ja auch um Künstler, die ihren Spott über böse Islamisten ergossen. Und nicht über uns. Selbst angepinkelt zu werden, geht dagegen natürlich entschieden zu weit, Meinungsfreiheit hin, Kunstfreiheit her.

Ein Beispiel dafür liefert jetzt der Berliner Senat. Von diesem lassen sich unschwer Mitglieder googeln, die wortreich für die Freiheit der Satire (in französischer Sprache) auf die verbalen Barrikaden gegangen sind. In eigener Sache greift der Berliner Senat aber ganz anders zur Tat. Natürlich nicht mit Maschinengewehren, sondern mit juristischem Geschütz.

Der Senat und ein Sportpropagandist haben das Blog Metronaut mit unverschämt kurzer Frist wegen einer Satire zur Berliner Olympia-Bewerbung abgemahnt.

Metronaut stellt mit dem beanstandeten Beitrag einen historischen Kontext her und prangert, nun ja, eine gewisse Hybris an. Der Bezug gelingt durch die Wahl eindeutiger Bildmotive zu den letzten Olympischen Spielen, die in der Stadt zu einer Zeit stattfanden, in der man wegen so eines Artikels wahrscheinlich weit mehr hätte fürchten müssen als ein Anwaltsschreiben.

Das, also sowohl die Verhältnisse zur Nazizeit als auch die Chuzpe, heute mit so was zu kommen, kann man vor allem als Angesprochener selbstverständlich deplatziert und geschmacklos finden. Aber aushalten sollte man es vielleicht schon. Zumal man als Volksvertreter im Namen von uns, den kleinen Charlies handelt, zumindest von jenen mit Wohnsitz in Berlin.

Es wir spannend sein zu beobachten, wie der Berliner Senat die Sache juristisch eskaliert. Ausgemacht ist sein Sieg jedenfalls nicht, wie der Medienanwalt Markus Kompa fachkundig und unter olympiareifer Ausreizung aller bekannten Sportmetaphern bei Telepolis erlärt.

Freisprüche zweiter Klasse

Ein Freispruch ist ein Freispruch. An sich. Leider hat sich bei uns mittlerweile der Freispruch zweiter Klasse etabliert. Darin bringen Gerichte gern zum Ausdruck, dass sie den Angeklagten für schuldig halten – es aber letztlich nicht beweisen können. Dieser Rechtsprechung tritt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nun entgegen.

Ein Mann aus Münster war angeklagt, seine Tochter sexuell missbraucht zu haben. Nach umfangreicher Beweisaufnahme kam das Landgericht Münster zu einem Freispruch. Gleichzeitig hieß es aber im Urteil:

So geht die Kammer im Ergebnis davon aus, dass das von der Zeugin geschilderte Kerngeschehen einen realen Hintergrund hat, nämlich dass es tatsächlich zu sexuellen Übergriffen des Angeklagten zu Lasten seiner Tochter in seinem Auto gekommen ist. Die Taten ließen sich aber dennoch weder ihrer Intensität noch ihrer zeitlichen Einordnung nach in einer für eine Verurteilung hinreichenden Art und Weise konkretisieren. Die Inkonstanzen in den Aussagen der Zeugin waren so gravierend, dass konkrete Feststellungen nicht getroffen werden konnten.

Diese Verurteilung im Rahmen eines Freispruchs wollte der Betroffene nicht auf sich sitzen lassen. Er prozessierte bis vor das Bundesverfassungsgericht, aber dort nahm man seine Sache nicht mal zur Entscheidung an. In Straßburg fand er nun Gehör.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte weist darauf hin, dass Richter im Urteil zwar darlegen dürfen, welche Umstände für und welche Umstände gegen den Angeklagten sprechen. Aber die Unschuldsvermutung gelte auch für die Richter selbst. Wenn ein Tatnachweis nicht möglich sei, dürfe eine Tat nicht trotzdem als geschehen dargestellt werden.

Der Kläger bekommt eine Entschädigung von insgesamt 10.000 Euro netto.

Link zur Entscheidung

Rückzieher im Notarzt-Fall

Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt macht einen Rückzieher. Die Behörde nahm den Strafbefehl gegen einen Notarzt zurück, der bei einem Einsatz verkehrsgefährdend gefahren sein soll, berichtet Spiegel online.

In den vergangenen Tagen gab es massiven öffentlichen Druck auf die Ankläger und das Gericht, welches den Strafbefehl abgesegnet hat. So unterschrieben 200.000 Menschen eine Online-Petition zu Gunsten des Arztes.

Ich glaube aber nicht, dass hier dem „Druck der Straße“ nachgegeben wurde. Vielmehr dürfte sich bei erneuter Prüfung der Sache durch die Vorgesetzten des verantwortlichen Staatsanwalts schlicht und einfach herausgestellt haben, dass dieser tatsächlich über das Ziel hinausgeschossen ist. Da Staatsanwälte weisungsgebunden sind, kann auch die Behördenleitung die Entscheidung revidieren.

Kein gutes Licht fiele in diesem Fall aber auf den Amtsrichter, der den Strafbefehl auf Antrag der Staatsanwaltschaft erlassen hat. Womöglich bestätigt sich auch hier die leidvolle Erfahrung jedes Strafverteidigers und einer Unzal Betroffener, dass viele Richter Strafbefehle einfach durchwinken. Etwas, das man ja auch bei Durchsuchungsbeschlüssen kennt.

Update: Die Generalstaatsanwaltschaft München hat bestätigt, dass der Strafbefehl nicht korrekt war.

Früherer Bericht im law blog

Bloß nicht nichts machen

Wem eine Verurteilung wegen einer Straftat droht, der muss sich eher früher als später mit der Frage beschäftigen: Wie komme ich an einen Anwalt? Ohne einen Verteidiger geht es bei uns nämlich nicht, zumindest wenn schwere Vorwürfe im Raum stehen – was normalerweise ab einer zu erwartenden Freiheitsstrafe von einem Jahr der Fall ist.

Oft entscheiden sich Beschuldigte – auch weil sie einen Anwalt momentan nicht selbst bezahlen können – zum Nichtstun. Sie verlassen sich darauf, dass sie vom Gericht schon einen Pflichtverteidiger zur Seite gestellt bekommen. Was auch tatsächlich der Fall ist. Schlau ist so viel Passivität aber nicht.

Der Münchner Anwalt Adam Ahmned weist im neuesten Heft der Zeitschrift Strafverteidiger auf Missstände hin, die mit der Bestellung eines Pflichtverteidigers verbunden sind. Dieser wird nämlich vom Gericht beauftragt (§ 142 Strafprozessordnung). Und zwar meist ausgerechnet von genau dem Richter, der später auch das Urteil fällt.

Die Folgen sind klar. Ahmed beschreibt das so:

Diese praktische Freiheit bei der Auswahl lädt gerade dazu ein, im Zweifel solche Verteidiger zu benennen, welche in der Vergangenheit beim jeweiligen Gericht einen „guten“, weil kontrollierbaren Eindruck hinterlassen haben, mit anderen Worten einen möglichst geschmeidigen, reibungslosen und konfliktfreien Verfahrensablauf und jegliche sachbezogene Konfrontation mit dem Gericht (ggf. sogar bewusst) gescheut haben.

„Richters Liebling“ kommt allerdings nur zum Zuge, wenn der Beschuldigte gar nichts macht. Denn im Gesetz steht ausdrücklich, dass der Beschuldigte auch bei der Auswahl des Pflichtverteidigers ein Mitspracherecht hat. Das heißt, der Richter muss ihn vorher schriftlich auffordern, einen Anwalt seiner Wahl als Pflichtverteidiger zu benennen. Meist wird hierfür eine Frist von einer Woche gesetzt. Wenn der Beschuldigte rechtzeitig antwortet und einen Anwalt benennt, kann sich der Richter über diese Wahl normalerweise nicht hinwegsetzen.

So kommt der Beschuldigte also zu einem Pflichtverteidiger, den er sich zumindest selbst ausgesucht hat. Das dürfte die Chance erhöhen, an einen richtigen Strafverteidiger zu geraten. Und nicht nur an einen „Urteilsbegleiter“. Natürlich ist es sinnvoll, vorher mit dem ins Auge gefassten Anwalt zu klären, ob er die Pflichtverteidigung übernehmen möchte. Aber streng genommen kann sich der Verteidiger gar nicht wehren, wenn er auf Wunsch des Beschuldigten vom Gericht beauftragt wird. Wie der Name „Pflichtverteidigung“ schon sagt.

Smart Repair: gut, aber keine Pflicht

Ausbeulen statt austauschen: Smart-Repair-Techniken sind weniger aufwendig als herkömmliche Autoreparaturen und damit billiger. Geschädigte bei einem Unfall sollten sich aber nicht vorschnell mit einer Ausbesserung zufrieden geben. Sonst drohen böse Überraschungen, warnt die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).

„Als Geschädigter bei einem Unfall hat man Anspruch darauf, dass der Schaden vollständig behoben und nicht nur ausgebessert wird. Das heißt, dass das Fahrzeug durch eine sach- und fachgerechte Reparatur wieder in den Zustand versetzt wird, in dem es vor dem Unfall war“, sagt Rechtsanwalt Jens Dötsch von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). War beispielsweise der Kotflügel vor dem Unfall unbeschädigt und hat nun einen Kratzer, besteht ein Anspruch auf einen neuen Kotflügel ohne Kratzer und nicht auf einen solchen mit einem ausgebesserten Kratzer.

Ob eine Smart-Repair-Methode den Zustand vor dem Unfall tatsächlich wiederherstellt, lässt sich für den Laien nur schwer prüfen. Denn das optische Ergebnis ist erst mal ähnlich. Trotzdem kann, so die Verkehrsrechtsanwälte, das vermeintlich reparierte Fahrzeug später Probleme bereiten. „Will man sein Auto verkaufen, muss eine nicht fachgerechte Reparatur offenbart werden. Das wirkt sich natürlich negativ auf den Verkaufspreis aus“, sagt Rechtsanwalt Dötsch.

Im Zweifel sollte man also nach einem Schadensfall auf das Smart-Repair-Angebot einer Versicherung nicht vorschnell einigehen.

Gerechte Bestrafung

Papst Franziskus soll in einer Audienz die Prügelstrafe für Kinder gerechtfertigt haben. Er scheint damit kein Problem zu haben, so lange es die Kinder nicht demütigt, berichtet die Süddeutsche Zeitung.

Wie man Kinder schlägt, ohne sie zu demütigen, wird der Papst vielleicht bei Gelegenheit noch erklären. Seinen Worten lässt sich allenfalls entnehmen, dass er Schläge ins Gesicht für nicht angemessen hält. Wobei allerdings dann ja noch reichlich Angriffsfläche verbleibt für das, was der Papst offenbar für eine gerechte Bestrafung hält.

Für Deutschland kann der Papst allerdings viel erzählen, wenn der Tag lang ist. Bei uns haben Kinder einen gesetzlichen Anspruch auf gewaltfreie Erziehung (Paragraf 1631 Bürgerliches Gesetzbuch). Das bedeutet: Eltern, die ihre Kinder schlagen, kommen dank Franziskus vielleicht nicht in die Hölle. Aber sie machen sich strafbar und riskieren ihr Sorgerecht.

Notarzt soll Führerschein abgeben

Für Schlagzeilen sorgt der Fall eines bayerischen Notarztes, der nach einer Blaulichtfahrt seinen Führerschein verlieren und 4.500 Euro Geldstrafe zahlen soll – obwohl niemand zu Schaden gekommen ist. Der Arzt war in seinem Einsatzwagen auf dem Weg zu einem Kind, das eine lebensbedrohliche Atemwegsverlegung hatte.

Der Notarzt mit 20 Dienstjahren soll beim Überholen eines Autos einen entgegenkommenden Wagen ins Bankett gedrängt haben. Er selbst, berichtet die Süddeutsche Zeitung, kann sich an eine solche Situation nicht erinnern. Er betont, schon rund 5.000 Einsätze unfallfrei gefahren zu sein.

Nach § 35 Straßenverkehrsordnung dürfen Fahrzeuge des Rettungsdienstes zum Beispiel schneller fahren als erlaubt, verbotswidrig überholen, die Gegenfahrbahn nutzen sowie rote Ampeln und Stoppschilder ignorieren, „wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden“. Rambomethoden sind dabei allerdings verboten. Denn die Vorschrift besagt auch, dass Sonderrechte nur „unter gebührender gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden“ dürfen.

Ohne Einzelheiten zu kennen, lässt sich der Fall nur schwer juristisch beurteilen. Allerdings mutet die Rechtsfolge schon ziemlich martialisch an. Der Notarzt hat nach eigenen Angaben nicht mal einen Punkt in Flensburg, und es soll bei dem Vorfall keine Personen- oder Sachschäden gegeben haben. Überdies stellt sich natürlich die Frage, ob der betreffende Autofahrer sich selbst korrekt verhalten hat. Auch ihn treffen nämlich Pflichten, wenn er einem Einsatzfahrzeug begegnet: Er muss dem Einsatzfahrzeug sofort freie Bahn verschaffen.

Dass es ein „echter“ Notfall war, daran besteht wohl kein Zweifel. Die Mutter des geretteten Kindes ist dem Mediziner nach Presseberichten sehr dankbar.

Kein „unbegrenztes Parken“

Autofahrer dürfen sich nicht darauf verlassen, dass sie ihr Auto unbegrenzt auf öffentlichen Parkplätzen abstellen dürfen. Auch wenn der Parkplatz an sich dauerhaft freigegeben ist, dürfen sie drei Tage nach Anordnung eines Halteverbots abgeschleppt werden. Dies hat das Verwaltungsgericht Neustadt entschieden.

Ein Autofahrer hatte seinen Wagen in Haßloch auf dem Pfalzplatz abgestellt. Dort ist das Parken laut Schild „unbegrenzt“ erlaubt. Aber nicht, wenn auf dem Pfalzplatz der jährliche Sommertagsumzug stattfindet. Die deswegen aufgestellten Halteverbotsschilder sah der Betroffene nicht, weil er in den Urlaub gefahren war.

Die Stadt hatte nach eigenen Angaben noch versucht, den Mann zu erreichen. Das gelang aber nicht, weil seine Telefonnummer nicht im Telefonbuch eingetragen ist. Aber auch ohne die versuchte Kontaktaufnahme hält es das Verwaltungsgericht für zulässig, ein Auto spätestens nach drei Tagen abzuschleppen. Es sei einem Autofahrer zumutbar, dass er sich alle paar Tage vergewissert, ob er noch parken darf (Aktenzeichen 5 K 444/14.NW).

Eckige Klammern

Die Ermittlungsrichterin am Amtsgericht hat einen Durchsuchungsbeschluss erlassen und unterschrieben. Die Begründung des Beschlusses lautet wie folgt:

Dem Beschuldigten wird Folgendes zur Last gelegt:

<> Bl. 38

Zeitpunkt des Datenzugriffs war 22:53 Uhr.

Zu diesem Zeitpunkt <> Bl. 7

< < >> Bl. 7

und zwar <> Bl. 8

Diese IP-Adresse konnte dem Beschuldigten zugeordnet werden.

Der Beschuldigte <> Bl. 11

Wie man unschwer erkennen kann, scheint es bei diesem Gericht Aufgabe der Geschäftsstellenmitarbeiterin zu sein, die von der Richterin (mit Bleistift) umklammerten Textpassagen aus der Ermittlungsakte zusammenzuschreiben. In den späteren Ausfertigungen des Beschlusses, welche die Richterin aber nicht unterschreibt, stehen diese Zitate dann drin.

Man kann sich fragen, wer bei dem betreffenden Gericht die Beschlüsse wirklich formuliert. Aber Scherz beiseite, es handelt sich hier um eine richterliche Entscheidung, die Grundrechte außer Kraft setzt. Sie steht natürlich auch nicht im luftleeren Raum, sondern sie muss auch vom Beschwerdegericht und später vom Strafrichter überprüfbar sein. Da sollte dann schon wenigstens Gewissheit darüber bestehen, was die Richterin tatsächlich angeordnet hat.

Ich habe Beschwerde eingelegt.

Bloße Behauptungen

Gerade die Abmahner von Pornofilmen machen es sich oft leicht, wenn sie in Filesharing-Prozessen belegen wollen, dass sie tatsächlich die Filmrechte haben. Das Amtsgericht Bremen hat vor kurzem in einem Urteil klargestellt, dass die bloße Behauptung, es habe schon alles seine Richtigkeit, jedenfalls nicht reicht. Ebenso wenig der Verweis auf das sogenannte GüFa-Siegel. Einzelheiten habe ich bereits hier berichtet.

Das Landgericht Bremen teilt nun ebenfalls diesen Standpunkt. Es will deshalb die Berufung zurückweisen, welche der Filmproduzent gegen das Urteil eingelegt hat. Einzelheiten berichtet die IT-Kanzlei Lutz, die auch aus dem Beschluss zitiert.

Stets bescheiden bleiben

Bei uns gilt ja der Grundsatz, dass man als Beschuldigter im Strafverfahren schweigen darf. Uns sogar lügen. Schon das Schweigerecht hilft nicht nur beim eigentlichen Vorwurf, sondern führt mitunter dazu, dass eine Geldstrafe erfreulich niedrig ausfällt.

Staatsanwalt und Richter schätzen in der Praxis nämlich das Einkommen des Betroffenen. Theoretisch können sie natürlich auch selbst ermitteln, zum Beispiel beim Finanzamt, der Hausbank oder dem Arbeitgeber nachfragen. Das passiert aber schon aus Zeitgründen und dem damit verbundenen Aufwand nur ganz, ganz selten.

Das hat vor allem positive Auswirkungen für Gutverdiener, wenn diese sich bei Angaben zu ihrem Einkommen vornehm zurückhalten. Das zeigte neulich mal wieder einer meiner Fälle. Der Mandant soll ein Verkehrsdelikt begangen haben. Das Gericht erließ einen Strafbefehl über 50 Tagessätze á 70 Euro = 3.500 Euro Geldstrafe. Die Höhe des Tagessatzes ergibt sich aus dem täglichen Nettoeinkommen. Wer also beispielsweise 1.500 Euro im Monat auf dem Gehaltszettel stehen hat, kommt als beispielsweise auf einen Tagessatz von 50 Euro.

Der Tagessatz von 70 Euro entsprach bei meinem Mandanten also einem geschätzten Einkommen von 2.100 Euro netto. Nun ja, aus anderen Zusammenhängen weiß ich sehr genau, was auf seiner Gehaltsabrechnung steht. Vor zwei Jahren waren es schon 18.000 Euro netto, und heute sitzt er im Bürotower seines Arbeitgebers schon wieder zwei Etagen höher.

Schon die erwähnten 18.000 Euro hätten den individuellen Tagessatz schmerzhaft nach oben geschraubt. Nämlich auf 600 Euro. 70 Tagessätze á 600 Euro summieren sich aber auf eine Gesamtgeldstrafe von 42.000 Euro.

Ich brauchte nur ein paar Minuten, um dem Mandanten die Chancen und Risiken einer Hauptverhandlung zu vermitteln. An der Tat selbst gab es nur wenig zu rütteln. Selbst wenn wir 10, vielleicht 15 Tagessätze runtergehandelt hätten, bestand das naheliegende Risiko, dass Staatsanwalt oder Richter mitbekommen, wie weit sie mit ihrer Einkommensschätzung daneben liegen. Den Achtungserfolg bei der Anzahl der Tagessätze hätte der Mandant dann trotzdem mit zwei bis vier wunderbaren Urlaubsreisen bezahlt.

Der Strafbefehl ist mittlerweile rechtskräftig. Ich warte schon gespannt darauf, von wo der Mandant eine Ansichtskarte schickt.

Geld hat man zu haben

„Geld hat man zu haben.“ So lautet ein wichtiger Grundsatz im Zivilrecht, den jeder Student gleich am Anfang lernt. Diesen Grundsatz wandte der Bundesgerichtshof nun sehr konsequent auf das Mietrecht an.

Die Richter erklärten die Kündigung eines Wohnungsmieters für zulässig, obwohl dieser rechtzeitig Sozialhilfe beantragt hatte. Nach etlichen Monaten und einigen Gerichtsverfahren zahlten die Sozialhilfeträger auch. Aber in der Zwischenzeit hatte der Vermieter mehrfach gekündigt. Das ist bei einem Mietrückstand ab zwei Monatsmieten zulässig.

Von einem Verzug könnte allerdings dann nicht die Rede sein, wenn der Mieter unverschuldet nicht gezahlt hat. Daran könnte man hier denken, da er ja an sich einen Anspruch gegenüber den Sozialamt hatte. Hier meinen die Richter, dass für Geldforderungen „jedermann ohne Rücksicht auf ein Verschulden für seine finanzielle Leistungsfähigkeit“ einzustehen hat. Das gelte uneingeschränkt auch im Mietrecht (Aktenzeichen VIII ZR 175/13).

Willkommen im Gesinnungsstrafrecht

Die Bundesregierung verabschiedet heute den Entwurf für ein neues Anti-Terror-Gesetz. Besonders fragwürdig sind die Paragrafen, mit denen bereits der Versuch bestraft werden soll, eine Reise in ein Land zu unternehmen, in dem es Ausbildungscamps für Terroristen gibt.

Das ist im Ergebnis nicht nur reine Sympbolpolitik, wie etwa der nun ebenfalls auf den Weg gebrachte Kondomzwang für Freier. Es ist auch die (Wieder-)Einführung eines Gesinnungsstrafrechts, wie etwa Jörg Diehl auf Spiegel Online kommentiert. Strafbar sind nämlich nach der extrem weit gefassten Vorschrift künftig sogar bloße Pläne oder gar Gedanken, ohne dass der Verdächtige bis dahin auch nur irgendwas konkret gemacht hat.

Heribert Prantl nennt das Gesetz in der Süddeutschen Zeitung rechtsstaatswidrig. Auf andere Lebenssachverhalte übertragen, könnte laut Prantl zum Beispiel schon jemand strafbar sein, wenn er sich im Baumarkt einen Hammer kauft – weil ihm irgendwer irgendwelche vagen Absichten unterstellt, vielleicht mal einen Menschen damit töten zu wollen.

Das ist in der Tat abstoßend, weil es der Willkür Tür und Tor öffnet. Menschen werden dann tatsächlich nicht mehr an ihren (geplanten) Taten gemessen, sondern an ihren – möglicherweise nur unterstellten – ferneren Absichten. Wie so oft steht auch zu befürchten, dass die angeblichen Anti-Terror-Maßnahmen nur der Türöffner sind, um so was auch in anderen Bereichen umzusetzen. Am Ende wird wohl wieder das Bundesverfassungsgericht dem Druck widerstehen müssen, rechtsstaatliche Prinzipien in den Wind zu schießen.