Es stand irgendwo in der Akte…

Manchmal braucht man als Verteidiger auch etwas Glück. Zum Beispiel am Amtsgericht, als eine Richterin den Vater meines Mandanten in den Zeugenstand rief. Sie belehrte ihn, dass er als Vater des Angeklagten nichts sagen muss, da ihm das Gesetz ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht zubilligt.

Der Vater meines Mandanten machte von dieser Möglichkeit dankend Gebrauch. Er durfte nach einer Minute wieder gehen. Auch mir war das recht. Und meinem Mandanten erst. Denn sein Vater war möglicherweise Augenzeuge einer der Taten, die meinem Mandanten zur Last gelegt wurden. Er hätte mutmaßlich nichts Erfreuliches berichten können.

Tja, das ist gut gelaufen. Denn Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht hatten etwas übersehen. Dass der Vater meines Mandanten zwar als Vater fühlt und wie ein Vater handelt, er im rechtlichen Sinn aber kein Vater ist. Vielmehr war mein Mandant mit anderthalb Jahren in der Familie aufgenommen worden. Er ist dort durch Vermittlung des Jugendamtes als Pflegekind aufgewachsen.

Interessanterweise haben Pflegeeltern bei uns keinerlei Zeugnisverweigerungsrechte, selbst wenn sie das Kind wie ihr eigenes Kind erzogen haben. Es gab zwar mal Diskussionen über diese durchaus wichtige Frage, aber zu einer Gesetzesänderung hat es offensichtlich nicht gereicht.

Ich persönlich sah im Gerichtssaal keinen Grund, aktiv Aufklärung zu betreiben. Zum ersten war die Pflegschaft an einer Stelle der – zugegeben dicken – Ermittlungsakte sogar erwähnt. Lesen hätte also geholfen. Zum zweiten bin ich als Verteidiger der einzige im Gerichtssaal, der wirklich alles unterlassen muss, was dem Angeklagten schaden könnte. Deshalb erzähle ich die Geschichte übrigens auch erst jetzt. Das Urteil ist seit geraumer Zeit rechtskräftig.

Zeter und Mordio

In einem Filesharing-Verfahren pfeifen die Anwälte eines Pornoproduzenten den Richter an:

Die Klägerin verwahrt sich gegen die Entscheidung des Gerichts, die Klageerwiderungsfrist um vier Wochen zu verlängern. Auch in Zivilverfahren gilt der Beschleunigungsgrundsatz. Es gehört zu den Grundsätzen einer geordneten Rechtspflege, dass Rechtsschutz in angemessener Zeit zu gewähren ist. Die gewährte Verlängerung, verbunden mit den gerichtsüblichen Bearbeitungszeiten, ist geeignet, diesen Anspruch zu gefährden.

Erstaunliche Worte, gerade weil es die Klägerin selbst bislang überhaupt nicht eilig hatte. Der Abgemahnte soll angeblich im Februar 2010 den Film über eine Tauschbörse bezogen haben. Einen Mahnbescheid beantragt hat die Klägerin Ende 2013, also erst nach knapp vier Jahren. Und dann brauchte sie noch mal rund fünf Monate, um nach dem Widerspruch gegen den Mahnbescheid ihren Anspruch bei Gericht zu begründen.

Na ja, sollen sie motzen. Das erhöht die Erfolgsaussichten der Klage jedenfalls nicht. Wenn es überhaupt noch zu einer Entscheidung kommt. Für mich klingt das alles nämlich so, als drohe da jemandem die Pleite und es soll noch schnell Kasse gemacht werden.

Strafe für falschen Zahnarzt

Ziemliches Glück hatte ein falscher Zahnarzt, dass er im Amtsgericht Mönchengladbach an den richtigen Richter geriet. Einen netten nämlich. Der verurteilte den Hochstapler lediglich zu einer Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. Der falsche Zahnarzt hatte über einen längeren Zeitraum in immerhin drei Zahnarztpraxen gearbeitet. Ihm wurde Körperverletzung bei 137 Patienten zur Last gelegt.

Erst beim dritten Zahnarzt fielen Unregelmäßigkeiten auf. Das stimmte den Richter offenbar milde. Immerhin, so sagte er in der Urteilsbegründung, hätten sich Zweifel an der Echtheit der Zeugnisse aufgedrängt. So sei das Abschlusszeugnis von einem „Prüfunksausschuss“ ausgestellt gewesen. Außerdem spielte eine Rolle, dass der Zahnarzt nach eigenen Angaben wegen des Todes seines Vaters an dem Abschluss in Zahnmedizin gescheitert ist. Er habe seine Familie nicht mit seinem Misserfolg belasten wollen, sagte der Angeklagte.

Auch die Ehefrau des Zahnmediziners will nichts gewusst haben, obwohl sie selbst Zahnarzthelferin ist. Nun hat der Mann notgedrungen beruflich abgespeckt. Er arbeitet jetzt im Lager.

Bericht im Dental Magazin

In der Endlosschleife

Nachrichten aus dem Sekretariat:

14.12 Uhr: „Frau N. bittet um Anruf. Sie sucht einen Strafverteidiger.“

14.17 Uhr: „Frau N. teilt mit, die Sache hat sich erledigt. Sie brauchen nicht zurückzurufen.“

14.34 Uhr: „Frau N. beklagt sich, dass Sie noch nicht zurückgerufen haben.“

15.12 Uhr: „Ich wollte Sie mit Frau N. verbinden, aber sie sagt, das wäre nicht gewünscht, sie hat jetzt wohl einen anderen Anwalt.“

15.23 Uhr: „Frau N. bittet um Rückruf. Sie hat ein strafrechtliches Problem und würde gern mit Ihnen darüber sprechen.“

Fortsetzung folgt. Garantiert.

Gar nicht aufs Display geschaut

Neulich haben wir gelernt, das Handy am Steuer ist auch im Straßenverkehr erlaubt – so lange die Start-Stopp-Automatik den Motor ausgeschaltet hat. Jetzt erweitert das Oberlandesgericht Köln die Palette um einen Fall, in dem eine Autofahrerin das Handy zwar in die Hand genommen, aber gar nicht auf das Display geschaut hatte.

Eine Autofahrerin sollte ein Bußgeld wegen angeblicher Handynutzung zahlen. Sie wehrte sich dagegen mit der Begründung, sie habe das klingelnde Handy lediglich aus der Handtasche geholt und es ihrem Beifahrer weitergereicht. Das genügt nach Auffassung der Richter nicht, um den nötigen juristischen Bezug zur „Funktionalität“ des Geräts herzustellen. Erst wenn das Handy als Handy gebraucht werde, liege ein „Aufnehmen“ im Sinne des Gesetzes vor. Das bloße Rüberreichen genüge nicht, so lange der angebliche Verkehrssünder nicht auf das Display geschaut hat.

Das ist allerdings kein Freibrief für andere Konstellationen. Die Richter weisen ausdrücklich darauf hin, dass folgende Aktionen mit dem Handy am Steuer eindeutig verboten sind: Das Ablesen der Nummer und anschließendes Ausschalten des Geräts; das „Wegdrücken“ eines eingehenden Anrufs; das Aufnehmen des Mobiltelefons, um ein eingehendes Gespräch entgegenzunehmen, auch wenn die Verbindung letztlich nicht zustande kommt; das Abhören eines Signaltons, um dadurch zu kontrollieren, ob das Handy ausgeschaltet ist (Aktenzeichen III-1 RBs 284/14).

Asylbewerber dürfen sexuelle Ausrichtung nicht „beweisen“

Wenn Ausländer in der EU Asyl beantragen, weil sie sich als Homosexuelle in ihren Heimatländern verfolgt sehen, dürfen die Behörden den Sachverhalt aufklären. Das bedeutet insbesondere, dass die Antragsteller zu ihrer sexuellen Orientierung befragt werden dürfen. Allerdings, so der Europäische Gerichtshof in einem heute bekanntgegebenen Urteil, bestehen hierfür enge Grenzen.

Die Fragen dürfen nach Auffassung des Gerichts nicht allein auf „stereotypen Vorstellungen in Verbindung mit Homosexualität“ beruhen. Vielmehr müssten Einzelheiten rücksichtsvoll und einzelfallbezogen aufgeklärt werden. Die Menschenwürde sei stets zu achten. So sei es in Befragungen unzulässig, Einzelheiten sexueller Praktiken zu erfragen. Was nun genau bei Befragungen erlaubt ist, wird allerdings nicht näher beschrieben. Das Gericht stellt aber klar, dass zögerliche Antworten auf intime Fragen nicht automatisch Unglaubwürdigkeit bedeuten.

Strikt verboten sind laut dem Urteil allerdings „Tests“, bei denen die Antragsteller ihre sexuelle Ausrichtung unter Beweis stellen. Gleiches gelte für das Ansinnen, dass die Betroffenen Videoaufnahmen intimer Handlungen vorlegen. Daran ändere sich auch nichts, wenn die Asylbewerber sich mit solchen Tests einverstanden erklären. In dem Ausgangsverfahren hatten Asylbewerber teilweise selbst vorgeschlagen, sexuelle Handlungen vor den Augen von Behördenmitarbeitern vorzunehmen oder „Beweisvideos“ zu präsentieren (Aktenzeichen C 148/13 bis C-150/13).

Gewisse Hybris

Schon mal im Parkhaus als Fußgänger die Autozufahrt hinaufgeflitzt? Wenn ja, dann sind Sie wahrscheinlich besser weggekommen als ich. Bei der Begehung dieses ungeheuerlichen Delikts kam mir neulich ein Polizeibeamter in die Quere, mit dem ich kurz vorher Bekanntschaft im Gerichtssaal geschlossen hatte. Vielleicht war er deswegen auch ein bisschen angesäuert und agierte besonders streng. Jetzt geht es an die juristische Aufarbeitung der Sache. Demnächst vor dem Amtsgericht Koblenz.

Die Bußgeldstelle in Rheinland-Pfalz möchte von mir 20 Euro haben. Interessanterweise aber nicht, weil ich – möglicherweise – verbotswidrig in dem privaten Parkhaus das Schild „Keine Fußgänger“ missachtet habe. Sondern weil ich mich nicht an die „Weisungen“ eines Polizeibeamten gehalten haben soll. Allerdings meine ich nicht, dass mir ausgerechnet das zur Last gelegt werden kann.

Warum, das erklärt meine Anwältin in einem ausführlichen Schriftsatz ans Gericht. Ich zitiere ihn mal wegen des nicht zu leugnenden Unterhaltungswerts:

I. Sachverhalt

Herr Vetter ging am fraglichen Tag die Rampe des Parkhauses am Görresplatz in Koblenz hinauf, obwohl sich dort ein (privates) Verbotsschild für Fußgänger befindet. Es handelt sich um eine recht großzügige, zweispurige Rampe, die problemlos von einem Fußgänger begehbar ist, auch wenn Autos entgegenkommen. …

Mein Mandant, der aus Düsseldorf kommt, hat dieses (private) Verbotsschild nicht wahrgenommen. Er ging die Rampe hinauf, weil sich im engen Eingangsbereich zum Aufzug und Treppenhaus, wo auch der Kassenautomat steht, einige Personen – darunter welche mit Koffern – drängelten, die offensichtlich ihre Parkscheine bezahlen wollten. Diesen Auflauf wollte mein Mandant umgehen.

Mein Mandant hatte die Rampe bereits zu 2/3 und ohne die Nähe eines Autos nach oben erklommen, als er von hinten aus einiger Entfernung Rufe hörte. Diese bezog er allerdings nicht auf sich, da sie für ihn unverständlich waren. Erst auf ein lautes „Anhalten“ schaute Herr Vetter zurück und sah den Polizeibeamten. Dieser stand mit seinem Dienstfahrzeug an der Ausfahrtsschranke. Er hatte die Seitenscheibe heruntergekurbelt. Seine Worte lauteten: „Sofort zurückkommen“ und „zu dem Mitarbeiter da drüben gehen“.

Herr Vetter sagte, dass er keinen Grund sehe, zu einem Mann, in dessen Richtung der Polizeibeamte zeigte – es handelte sich wohl um den Parkwächter – zurückzugehen. Er wies darauf hin, dass er im Übrigen schon fast oben sei. Daraufhin sagte der Polizeibeamte: „Dann treffen wir uns halt oben.“

Mein Mandant wartete oben pflichtschuldig auf den Polizeibeamten. Dieser belehrte ihn nicht über einen konkreten Vorwurf, sondern erklärte lediglich, er habe meinen Mandanten zurückgeschickt, „damit das Parkhaus mögliche rechtliche Schritte einleiten kann“. Was er damit meinte, ließ er offen. Vorstellbar ist ein Hausverbot. Der Parkhausmitarbeiter sah sich im weiteren Verlauf übrigens nicht gehalten, zu meinem Mandanten zu kommen, so dass davon ausgegangen werden darf, dass sich die Sache für diesen erledigt hatte.

Im Gesprächsverlauf wies mein Mandant darauf hin, dass der Polizeibeamte wohl nicht für die Durchsetzung einer privaten Zugangsbeschränkung zuständig ist. Der Beamte erklärte darauf hin, er wolle die Personalien meines Mandanten dennoch feststellen, damit „das Parkhaus Ersatzansprüche geltend machen kann“.

Ausdrücklich betonte der Beamte, er wolle meinem Mandanten kein Knöllchen geben. Der Tatvorwurf, die Weisung eines Polizeibeamten missachtet zu haben, erfolgte nicht. Dieser Gedanke kam ausweislich der Akte offenbar erst dem Sachbearbeiter der Bußgeldstelle, der den gegen meinen Mandanten ergangenen Bußgeldbescheid hierauf stützte.

II. Rechtliche Würdigung

Meinem Mandanten fällt ein Verstoß gegen §§ 36 Abs. 1 , 49 StVO, Nr. 128 BKatV nicht zur Last.

1. Es ist bereits fraglich, ob überhaupt eine missachtbare Weisung vorlag. Wie dargelegt, hat mein Mandant auf die „Weisung“ hin das Gespräch mit dem Polizeibeamten gesucht und ihm erklärt, warum er nicht wieder nach unten gehen wird.

Daraufhin forderte ihn der Beamte auf, sich oben zu treffen.

Somit hatte der Beamte die eigene „Weisung“ schon modifiziert, bevor mein Mandant überhaupt der Weisung zuwiderhandeln konnte.

2. Es liegt auch gar keine Weisung im Sinne des § 36 StVO vor. Die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung greifen nur, wenn es sich um ein unmittelbares Straßenverkehrsdelikt handelt, so etwa Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, § 36 Rdnr. 4:

Weisungen, die anderen Zwecken, insb. der Verfolgung nach beendetem oder nicht mehr den Verkehr beeinträchtigenden Verstoß dienen, sind hier nicht erfasst (BGHSt 32, 248; Janiszewski NStZ 83, 513 f; OLG Zweibrücken Rn 3; OLG Köln VM 81, 43; VRS 59, 462 = StVE 6; OLG Koblenz VRS 71, 70), ebenso wenig Weisungen, die nicht unmittelbar verkehrsbezogen sind, wie Anhalten, um Überladung festzustellen (OLG Köln VM 85, 61; s aber V u § 34 V StVZO!), sich zur Überprüfung zum Streifenwagen zu begeben (OLG Koblenz VRS 61,392; OLG Köln VRS 64, 59), die Auflage einer Erlaubnis (OLG Köln VM 84, 84 = StVE 13) oder sonstige allg. Regeln einzuhalten (OLG Düsseldorf VRS 60, 149 = StVE 18; 72, 296; DAR 94, 330; OLG Hamm DAR 78, 27) oder das abgestellte Kfz abzuschließen (OLG Celle VM 66, 166).

Die angebliche Weisung des Polizeibeamten beinhaltete keine Verkehrsregelung oder gar die Ahndung eines Verkehrsverstoßes. Vielmehr gab der Polizeibeamte die „Weisung“ zur Sicherung zivilrechtlicher Ansprüche eines Dritten.

Damit fehlt es neben den Gründen zu Ziff. 1 schon an der erforderlichen Verkehrsbezogenheit, so dass § 36 StVO nicht anwendbar ist.

3. Aber selbst wenn man all dies anders sehen wollte, musste mein Mandant die „Weisung“ nicht befolgen. Nach § 36 Abs. 1 StVO entbindet die Anweisung des Polizeibeamten nicht von der eigenen Sorgfaltspflicht.

Wenn es tatsächlich um die Entschärfung einer Gefährdungssituation gegangen wäre, war die Weisung des Beamten widersinnig. Mein Mandant hatte nämlich schon rund 2/3 der Rampe erklommen. Der Rückweg wäre also länger gewesen als der restliche Weg, die potenzielle Selbst- und Fremdgefährdung wäre also größer gewesen.

Die Sorgfaltspflicht gegenüber sich selbst und auch gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern gebot es also zur Vermeidung einer unnötigen weiteren Gefährdung, den Weg hinauf zu nehmen.

Dies gilt umso mehr, als der Polizeibeamte selbst ja ohnehin nur nach oben kommen konnte und auch nichts anderes wollte. Hinter seinem Auto stauten sich nach dem kurzen Gespräch bereits drei Fahrzeuge, die nicht aus dem Parkhaus kamen, so lange der Beamte an der Ausfahrtschranke stand.

Colorandi causa darf an dieser Stelle erwähnt werden, dass der Polizeibeamte am fraglichen Tag stundenlang zeugenschaftlich vernommen worden war im Rahmen eines Verfahrens, das seit 2012 bei der Staatsschutzkammer des Landgerichts rechtshängig ist und in dem auch die Unterzeichnerin verteidigt. Möglicherweise war er infolge der dort erfolgten Befragung, im Rahmen derer er sich als äußerst dienstbeflissen darzustellen suchte, emotional noch ein wenig aufgewühlt, so dass er dieserhalb außer Stande war, die sich ihm darstellende Situation rechtlich wie auch tatsächlich zutreffend einzuordnen, was auch erklären würde, weshalb er mit einer gewissen Hybris agierte.

Letztlich bleibt zu sagen, dass sich der Betreiber des Parkhauses bislang nicht bei meinem Mandanten zwecks Durchsetzung der vom Polizeibeamten erwähnten zivilrechtlichen Ansprüche gemeldet hat. Ein Hausverbot wurde ebenfalls nicht ausgesprochen.

III.

Dies vorausgeschickt erweist sich der Vorwurf als unbegründet, so dass angeregt wird, das Verfahren nach § 47 Abs. 2 OWiG einzustellen.

Sollte das Gericht im Beschlusswege nach § 72 Abs. 1 OWiG entscheiden wollen, ist mein Mandant auch hiermit einverstanden. Auf die Belehrung über die Möglichkeit des Widerspruchs verzichtet Herr Vetter, da ihm diese Möglichkeit bekannt ist.

IV.

Für den Fall, dass das Gericht den Sachverhalt rechtlich anders einordnen sollte als oben dargestellt und hinsichtlich der unterschiedlichen Darstellungen weiteren Aufklärungsbedarf sehen sollte, wird höflich um Mitteilung ersucht. Das Gespräch zwischen meinem Mandanten und dem Polizeibeamten wurde von mehreren Prozessbeteiligten des vorerwähnten Verfahrens verfolgt, die im Rahmen einer umfassenden Beweisaufnahme zeugenschaftlich einvernommen werden könnten.

Ist übrigens mein einziges privates Verfahren derzeit. Zum Glück.

Wer Weihnachten sagt, muss auch Anwaltskalender sagen

Pünktlich zur Vorweihnachtszeit gibt es im law blog mal wieder was zu gewinnen. Wie es schon Tradition ist, verlosen wir zehn Anwaltskalender des Düsseldorfer Karikaturisten wulkan. Es handelt sich praktischerweise um die gerade erschienene Ausgabe 2015.

RAK15.Titel klein

Wer mitmachen und einen Anwaltskalender 2015 gewinnen möchte, braucht nur bis zum 7. Dezember 2014 einen Kommentar zu diesem Eintrag zu hinterlassen. Die Kalender werden unter allen Teilnehmern ausgelost.

RAK15.Tresor klein

Dabei darf jede angegebene E-Mail-Adresse mehrfach auftauchen, zum Beispiel wenn jemand noch was zu anderen Kommentaren sagen möchte. Jede Mailadresse nimmt aber nur einmal an der Verlosung teil. Bitte eine gültige E-Mail-Adresse angeben, da die Gewinner nur über diese Mailadresse informiert werden. Die Mail-Adresse wird ausschließlich für die Verlosung genutzt.

RAK15.Viel Glueck

Wer nicht auf sein Glück vertrauen möchte oder gar mehr als einen Kalender benötigt, kann den Anwaltskalender 2015 auch direkt bei wulkan ordern unter:

Mail: wulkan@arcor.de
Telefon: 0172 200 35 70

Die Kalender kosten 20,95 Euro zuzüglich einer Versandpauschale von 5,80 Euro. Alle bestellten oder gewonnenen Kalender werden noch rechtzeitig vor Weihnachten an die gewünschte Adresse geschickt. Der Anwaltskalender ist auf hochwertigem Papier in DIN-A-3 gedruckt und fachmännisch gebunden. Er eignet sich deshalb auch hervorragend als Geschenk.

Ihr Preis steigt um 5 %

Mein Sportstudio ist so freundlich, die im Jahr 2014 drastisch gestiegenen Kosten an mich weiterzugeben.

Mal abgesehen von der Frage, welche Kosten im Jahr 2014 drastisch gestiegen sind, finde ich das Preiserhöhungsschreiben selbst interessant. Offenkundig ist man zumindest im Verwaltungsbereich des Sportstudios um größtmögliche Effizienz bemüht.

Der Brief enthält nach dem üblichen Blabla zur Kernfrage, um wie viel es denn nun teurer wird, nur folgende Mitteilung:

… erhöht sich Ihr Monatsbeitrag zum 01.01.2015 um 5 %.

Tja, erscheint wirklich raffiniert. Nicht nur, weil 5 % bei einem ohnehin stattlichen Beitrag deutlich harmloser klingt als die tatsächlich Endsumme. Überdies braucht es trotz differenzierter Preisstruktur auch nur eines einheitlichen Musterbriefs an alle Mitglieder.

Das spart zwar vordergründig Geld, kann aber letztlich doch teuer werden.

Zunächst mal wegen der – vermutlich wenigen – Mitglieder, die nicht einfach alles über sich ergehen lassen. Gegenüber Verbrauchern müssen stets Endpreise angegeben werden. Das gilt auch bei Preiserhöhungen. Wird der Endpreis nicht angegeben, liegt halt letztlich trotz schöner Worte keine wirksame Preiserhöhung vor. Wer also ab dem Jahreswechsel nur den bisherigen Beitrag zahlt, macht nichts falsch.

Die liebe Konkurrenz kann sich ebenfalls freuen. Der Verstoß gegen die sogenannte „Preisklarheit“ und „Preiswahrheit“ in dem Erhöhungsschreiben ist so was von wettbewerbswidrig, dass die Schwarte kracht. Aber möglicherweise spielt es ja doch keine allzu große Rolle für das Studio, wenn man sich teure Rechtsstreite aufhalst.

Die Kunden zahlen es ja. Spätestens mit der Preiserhöhung 2016.

Meine Webseite ist scheiße

Wenn ich mir die Webseite der Oleggo GmbH aus Dortmund so ansehe, handelt es sich bei dem Unternehmen um eine bekannte Erscheinung im Internet. Ich fasse die Dienstleistungen der Firma mal unter folgendem, zugegeben leicht wertenden Sammelbegriff zusammen: Die Oleggo GmbH ist eine stinknormale SEO-Klitsche.

Dabei unterstelle ich gar nicht, dass die Oleggo GmbH in ihrem Fachgebiet unseriös arbeitet. So wie es die zahllosen Spammer tun, die uns alle Tag für Tag mit irgendwelchen großmäuligen Mails versprechen, sie könnten die Suchergebnisse unserer Internetseiten bei Google auf wundersame Art und Weise in ungeahnte Höhen puschen. Und die am Ende nur abkassieren.

Nein, ich sage nur, dass die Oleggo GmbH nichts anderes verkauft, was auch viele tausend durchaus seriöse kleine und große Agenturen – vom Einzelkämpfer-Webmaster bis zum Werberiesen – ihren Kunden bieten. Die suchmaschinenoptimierte Aufbereitung von Webinhalten ist im Web ungefähr so ein spannendes Angebot wie Brötchen im wirklichen Leben.

Aber irgendwie muss die Oleggo GmbH was ganz Besonderes sein. Sie nimmt für sich nämlich das Recht in Anspruch, Inhaber von Webseiten ungefragt anzurufen und ihnen SEO-Optimierung anzudrehen. Ich weiß das, weil die Oleggo GmbH auch bei uns angerufen hat und uns erklären wollte, wie viele neue Mandanten wir verschenken, bloß weil unsere Webseite bei Google nur einen Platz 29 für die Suchbegriffe „Strafverteidiger“ + „Düsseldorf“ erringt.

Natürlich kam die Mitarbeiterin nicht zu mir durch. Genau wie andere Vertreter, die uns am Telefon was verkaufen wollen. Allerdings lasse ich immer die Kontaktdaten erfragen. Um mich gegen diese Form der unzumutbaren Belästigung zu wehren.

Ich habe für diese Fälle eine Muster-Mail entworfen. Man könnte sie auch Abmahnung nennen. Allerdings geht die erst mal ohne Kostenberechnung raus. Mir geht es ja nicht um Anwaltsgebühren, sondern um den effektiven Einsatz unserer Mitarbeiter und die Schonung unser aller Nerven. In aller Regel kommt auch eine Antwort. Mal ist es eine formal ordnungsgemäße Unterlassungserklärung. Oder auch eine Mitteilung, dass man die Sache bedauert und unsere Kontaktdaten gesperrt hat. Damit ist es dann von unserer Seite auch gut.

Die Oleggo GmbH geht allerdings einen anderen Weg. Über ihren Anwalt lässt sie uns zunächst erklären, wie wichtig es für Rechtsanwälte ist, im Internet aufgefunden zu werden. Und wie scheiße unsere Homepage ist (da will ich gar nicht widersprechen). Hieraus, so heißt es weiter, schließe die Oleggo GmbH auf „evidenten Verbesserungsbedarf“. „Deshalb spricht unsere Mandantin diese Kanzleien und Unternehmen gezielt an.“

Juristisch hat die Oleggo GmbH damit keinerlei Problem. Ihr Anwalt hat ihr offensichtlich erzählt, sie könne sich in so einem klaren Fall des „Verbesserungsbedarfs“ auf eine „mutmaßliche Einwilligung der angerufenen Kanzlei“ berufen und „davon ausgehen, dass hier eine auch telefonische Kontaktaufnahme zu werblichen Zwecken mutmaßlich erwünscht ist“.

Ich bin mir nicht sicher, welche juristischen Quellen der von der Oleggo GmbH beauftragte Anwalt so zu Rate zieht. Mit meinen bescheidenen Möglichkeiten habe ich jedoch keinerlei Urteile oder Aufsätze zur geltenden Rechtslage gefunden, welch diese abenteuerliche Sicht belegen. Selbst die kompliziertesten gerichtlichen Entscheidungen zu Cold Calls wegen alltäglicher Produkte lauten zu dieser Frage im Ergebnis: Eine Belästigung ist eine Belästigung.

Ich überlege, ob ich es bei diesem seelisch befreienden Blogeintrag belasse, der ja zum Glück für die Oleggo GmbH auch nur wieder irgendwo in den Tiefen des Internets ungelesen verschimmeln wird. Und das nur, welche Ironie, weil ich bis heute nicht auf die Idee kam, mir die professionelle, unverzichtbare und herausragende Hilfe der Oleggo GmbH zu sichern. Aber vielleicht gebe ich die Sache ausnahmsweise auch mal meinem Anwalt. Dann könnte ich ja sogar eine kleine Artikel-Serie draus machen.

Außer Rand und Band

Ein Staatsanwalt außer Rand und Band. Anders kann ich es nicht kommentieren, was ich heute aus einem politisch geprägten Großverfahren höre. Dort verteidige ich gemeinsam mit einem Kollegen einen der vielen Angeklagten. Heute war der Kollege vor Ort und nach dem, was er mir kurz am Telefon berichtet hat, habe ich was verpasst. Einschließlich der Beinahe-Verhaftung unseres Mandanten. Jedenfalls, wenn es nach den Wünschen des Staatsanwalts gegangen wäre.

Es war, so schildert es mein Kollege, eine dieser Zeugenvernehmungen, bei der sich Fragen an der Unvoreingenommenheit des Gerichts stellten. Ob nun letztlich begründet oder nicht, jedenfalls regte sich gegen die Art der Befragung lautstarker Protest bei den Anwälten und Angeklagten. Unser Mandant soll hier eine Formulierung genutzt haben, in der das Wort „Schauprozess“ oder was in diese Richtung vorkam. Für den Staatsanwalt Anlass, den Justiz-Rambo raushängen zu lassen.

Er forderte für die Äußerung tatsächlich Ordnungshaft wegen „Ungebühr“. Und zwar gleich mal volle fünf Tage (die gesetzliche Höchstgrenze liegt bei sieben Tagen, und Ordnungsgelder gibt es als milderes Mittel ja auch). Selbst wenn man die Äußerung als Ungebühr einsortieren will, ist unser Mandant unvorbelastet. Er hat in rund 180 Verhandlungstagen noch kein einziges Ordnungsmittel kassiert, ebenso wenig wie nach meiner Kenntnis ein anderer Angeklagter.

Abgesehen davon setzen Ordnungsmittel regelmäßig auch voraus, dass sie erst mal angedroht werden. Von daher war die Forderung des Staatsanwalts so offensichtlich maßlos, dass sie die Wortwahl unseres Mandanten zwar nicht belegt, aber leider ebenso wenig entkräftet.

So schnell kann es also gehen, wenn man als Angeklagter mal ungeschönt seine Meinung sagt. Aber immerhin bewies das Gericht, dass es im Gegensatz zum Anklagevertreter durchaus mit einem offenen Wort leben kann. Die Ordnungshaft wurde abgelehnt. Alles andere hätte mich aber auch letztlich an dem zweifeln lassen, was da im Gerichtsaal stattfindet. Wie immer man es im Detail benennt.

Immer Netz für Netzer

Die Reimform ist bei Werbern durchaus beliebt. Wenn ihnen sonst nichts mehr einfällt. So hielt es offenkundig auch die Firma Otelo, die mit einem Gedicht um neue Kunden warb:

Immer Fisch hat … der Fischer.
Immer Glas hat … der Glaser.
Immer Musik hat … der Musiker …
und immer Netz hat … der Netzer.
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Die Aussage „immer Netz“ stieß einem Konkurrenten sauer auf. Das sei irreführend, lautete die Klage vor Gericht. Schließlich sei es unstreitig, dass es auch bei Otelo keine 100-prozentige Netzabdeckung gibt, nicht mal für Günter Netzer.

Die Richter sahen die Sache weniger eng. Zwar mache der Werbespruch neben seinem humoristischen Gehalt eine Aussage zur Netzqualität. Diese Aussage sei aber nicht wörtlich zu nehmen. Aus dem Urteil:

Der durchschnittlich aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher sieht die Werbung vor dem Hintergrund seines Erfahrungswissens. Jeder Verbraucher weiß aus eigener Erfahrung, dass in bestimmten Situationen (Bahnfahrten, Tunnels, Täler, Keller, etc.) Verbindungslücken, sog. „Funklöcher” auftreten können.

Wenn Otelo tatsächlich 100 Prozent Netz immer und überall versprechen könnte, so die Richter, wäre das ein technischer Durchbruch, und diesen Vorsprung würde man dann sicher viel drastischer bewerben. Dass Otelo (eine Vodafone-Tochter) weniger als D-Netzqualität bietet, hatte noch nicht einmal die Klägerin behauptet (Link zum Urteil).

Betriebsrat darf drastisch sein

Auch extrem drastische Äußerungen disqualifizieren einen Betriebsrat nicht unbedingt. Das Landesarbeitsgericht Berlin Brandenburg lehnte es ab, einen Betriebsrat vorläufig seines Amtes zu entheben. Der Betriebsrat hatte in einer Sitzung mit dem Arbeitgeber gesagt, in der Firma herrschten Arbeitsbedingungen wie in einem KZ.

Die Arbeitgeberseite hielt es für unzumutbar, mit dem Betriebsrat weiter zusammenzuarbeiten. Insgesamt hielt das Gericht die Äußerungen zwar für geschmacklos und überzogen. Dies rechtfertige es aber noch nicht, von einer persönlichen Schmähung der Arbeitgeberseite zu sprechen.

Außerdem dürften die Grenzen der Meinungsfreiheit nicht zu niedrig angesetzt werden. Eine Rolle spielte auch, dass der Betriebsrat sich schon vor seiner Äußerung über eine Schichtdienstregelung in Rage geredet hatte (Link zum Gerichtsbeschluss).

An der Warnwesten-Front

Seit Kurzem gilt die Warnwestenpflicht für Autos. Jetzt erreicht das Thema auch die Bußgeldstellen.

Mindestens eine dieser bunten Westen muss „mitgeführt“ werden. In der Straßenverkehrsordnung heißt es, dies müsse „in“ dem Auto geschehen.

Wie nicht anders zu erwarten, schreiben Polizisten auch Knöllchen, wenn die Warnweste sich nur im Kofferraum befindet. Rechtsanwalt J. Melchior aus Wismar hat so ein Verfahren bereits durchexerziert, wie er in seinem Blog berichtet.

Dabei sah schon die Bußgeldstelle ein, dass sich aus dem fraglichen Paragrafen gerade nicht ergibt, wo sich die Warnweste im Auto befinden muss. In der Tat ist auffällig, dass die Vorschrift genau so formuliert ist wie die Warndreieckpflicht. Da ist bislang auch noch nicht niemand auf die Idee gekommen, das Warndreieck müsse im Innenraum des Wagens liegen.