Ich nehme mir ein Recht

Als Googles Street View freigeschaltet wurde, habe ich mich spontan geärgert. Die Straße, in der ich wohne, sieht auf Street View so aus:


Größere Kartenansicht

Nur ein Haus ist vermummt. Die Golzheimer Straße 128 in Düsseldorf.

Da wohne ich.

Eine oder mehrere Parteien aus dem Haus haben also bei Street View widersprochen. Das war ihr Recht, welches ihnen Google unter erheblichem Druck zugestanden hat, obwohl es juristisch nicht notwendig war.

Ich will jetzt nicht das Pro und Contra Street View auswalzen, sondern auf einen anderen Aspekt hinweisen: den Verlust des demokratischen Prinzips in der Hausgemeinschaft. Wer auch immer für das Haus widersprochen hat, hielt es nicht für erforderlich, seine Mitbewohner zu fragen, was diese denn davon halten. Kein Tagesordnungspunkt auf der Eigentümerversammlung, kein Aushang am Schwarzen Brett im Treppenhaus, kein persönliches Wort. Irgendjemand knipst die Golzheimer Straße 128 in Düsseldorf aus dem Internet – und seine Nachbarn, obwohl hiervon nun selbst betroffen, wissen noch nicht mal warum.

Vielleicht hätte ja ein Gespräch gereicht, um die Bedenken des Bedenkenträgers zu zerstreuen. Mutmaßte er vielleicht, Street View sei so eine Art Webcam und jeder kann nun in sein Zimmer gucken, wenn er die Vorhänge aufzieht? Oder verschreckten ihn die diffusen, teilweise grotesken Ängste vor dem Datenmonster Google, die Ilse Aigner, Thilo Weichert und viele andere mehr zur besten Sendezeit im Fernsehen artikulieren durften?

Man hätte das ja mal besprechen können. So wie die Eigentümer ja auch darüber sprechen, ob das Treppenhaus saniert oder das Dach erneuert wird. Alles Aktionen der letzten Jahre. Bei denen saßen wir auch mit der Verwaltung an einem Tisch. Es gab durchaus Meinungsverschiedenheiten (und Abstimmungen). Aber nichts hat dazu geführt, dass man sich bei einer Begegnung im Treppenhaus nicht mehr grüßt…

Wie das heute so ist, kenne ich meine Nachbarn nicht näher. Jedoch würde ich von keinem annehmen, dass er so bräsig ist, vor dem Absenden des Widerspruchs nicht mal einen Gedanken daran zu verschwenden, was wohl seine Nachbarn von der Aktion halten. Statt aber kurz Bescheid zu sagen und sich vielleicht sogar einer Diskussion zu stellen, werden vollendete Tatsachen geschaffen. Aus dem Hinterhalt. Und anonym. Das ist zwar formal nicht zu beanstanden. Aber trotzdem feige.

Das verstimmt mich nicht nur diffus, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen. Mir gehört nicht nur eine Wohnung in dem Haus. Es ist jetzt schon absehbar, dass die Vermietungschancen durch die Verpixelung des Objekts sinken. Weil Mietinteressenten natürlich Street View nutzen, wenn sie nach Düsseldorf ziehen wollen. Aber auch weil die vermummte Fassade jedenfalls für mich als Wohnungssuchenden ein Warnsignal wäre: Vorsicht, da leben empfindliche Gestalten; Ärger programmiert?

Vor diesem Hintergrund nehme ich mir heute auch mal ein Recht. Das auf Panoramafreiheit. Ein Recht, für das in der deutschen Geschichte gekämpft wurde. Ich zeige nun also heute, einfach mal so, weil es mir Spaß macht, mein Wohnhaus in aller Öffentlichkeit:


(Golzheimer Straße 128, 40476 Düsseldorf. Foto für private und kommerzielle Nutzung frei)

Auf Panaramio habe ich das Bild auch mal hochgeladen. Falls Bedenkenträger aus dem Haus nun hierüber aus den Löchern kriechen und mit mir diskutieren möchten, sage ich schon jetzt ganz gepflegt: F… o.. .

Gericht will keinen fliegenden Gerichtsstand

Wenn es Streit um Onlineveröffentlichungen gibt, klagen Anwälte gern am Sitz ihrer Kanzlei. Noch lieber aber bei einem Gericht, das für genehme Urteile bekannt ist. Wo auch immer der Rechtsstreit landet – der Ort des Gerichts hat mit den Parteien des Rechtsstreits oft gar nichts zu tun. Insbesondere wohnen dort weder Kläger noch Beklagter. Aber da das Internet auch dort empfangbar ist, besteht halt eine Zuständigkeit.

Das ist der fliegende Gerichtsstand. Ein Segen für Medienanwälte auf der Klägerseite, ein Fluch für die restlichen Betroffenen. Die hätten es natürlich lieber, wenn das Gericht am Wohnsitz des Beklagten zuständig wäre. Das ist an sich kein überzogener Wunsch. Auch für fast alle anderen Konstellationen gilt: Der Prozess findet am Wohnsitz des Beklagten statt.

Auch Richter fühlen sich mit dem Schindluder, welchen der fliegende Gerichtsstand bei Streitigkeiten mit Internetbezug ermöglicht, nicht wohl; manchmal wagen sie Protest. Wie jetzt das Amtsgericht Berlin Charlottenburg. Es wies die Klage eines in NRW wohnenden Künstlers gegen den Provider 1 & 1 (Sitz: Montabaur) ab, weil es nur einen Bezugspunkt zu Berlin erkennen konnte: Der Klägeranwalt hat dort seine Kanzlei.

Die interessant begründete Entscheidung ist hier als PDF abrufbar und wird im 1 & 1 – Blog näher vorgestellt.

Die weitaus meisten höheren Gerichte stehen allerdings nach wie vor zum fliegenden Gerichtsstand. Es wäre deshalb eine Überraschung, wenn die Entscheidung das Berufungsverfahren überlebt.

Warum man Koffer nicht „vergessen“ sollte

Vor einigen Tagen war der Düsseldorfer Hauptbahnhof über Stunden blockiert. Grund war ein herrenloser Koffer, in dem Sicherheitskräfte einen Sprengsatz befürchteten. Ein Fehlalarm, der für den Besitzer des Koffers aber dennoch gravierende Folgen haben soll, wie die Bundespolizei verkündet:

Nun drohen dem Mann auf Grund der Zugverspätungen und dem notwendigen Polizeieinsatz zivilrechtliche Folgen. Die Kosten werden sich nach jetziger Einschätzung im fünfstelligen Bereich bewegen.

Der Vorfall zeigt, wie riskant momentan bloße Schusseligkeit im öffentlichen Raum sein kann. Wer kann schon für sich ausschließen, dass er, gestresst und das Mobiltelefon am Ohr, viellleicht tatsächlich mal ein Gepäckstück am Bahnsteig, Gate, im Zug oder Flugzeug liegen lässt?

Überdies weiß ich, dass Leute über Flashmobs nachdenken, mit denen gegen die Terrorhysterie protestiert werden soll. Ein Szenario ist, dass etliche Personen gleichzeitig Taschen und Koffer im öffentlichen Raum hinterlassen. Ich persönlich teile die Auffassung nicht, dass man bei so offensichtlichen Protestformen damit rechnen kann, die Sicherheitskräfte würden das begreifen und entsprechend unhysterisch reagieren. Ich glaube eher, mit dem Gegenteil ist zu rechnen.

Sowohl der Schussel wie du und ich als auch die Flashmob-Verfechter sollten sich aber darüber im Klaren sein, dass eine exorbitant hohe Rechnung für den Polizeieinsatz ins Haus flattern kann, die sie auch bezahlen müssen. Das ist simples Polizei- und Ordnungsrecht, wie es in jedem Bundelsand gilt. Wer als „Störer“ eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit hervorruft, kann für die Kosten der Beseitigung zur Kasse gebeten werden. Das Vertrackte: Der „Störer“ ist nicht nur dran, wenn er vorsätzlich handelt. Es genügt auf jeden Fall auch Fahrlässigkeit.

Natürlich ist ein Gepäckstück ohne Bombe nicht gefährlich. Dem Juristen ist das aber egal, denn er kennt nicht nur die Gefahr, sondern auch die „Anscheinsgefahr“. Wenn es aussieht, als wäre die Situation gefährlich, darf die Polizei volles Programm fahren. Falls sich später rausstellt, in dem Koffer war nur Wäsche, macht das den Einsatz nicht rechtswidrig. Jedenfalls so lange nicht, wie die Lagebewertung und das Vorgehen nicht offensichtlich unvertretbar oder heillos überzogen waren. Ausgerechnet ein Verwaltungsgericht, das letztlich über die Rechnung der Polizei befinden muss, von der völligen Maßlosigkeit eines Einsatzes zu überzeugen, halte ich für ausgeschlossen.

Wer sich also nicht finanziell ruinieren will, hat derzeit guten Grund, auf sein Gepäck aufzupassen. Und, wie ich meine, auch ein bislang wenig beachtetes Argument mehr, die Finger von dieser im Netz kursierenden Flashmob-Idee zu lassen.

Erst das Pferd, dann der Mensch

Das Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern
(Sicherheits- und Ordnungsgesetz – SOG M-V) enthält eine interessante Formulierung:

Gegenüber einer Menschenmenge ist vor Anwendung unmittelbaren Zwangs möglichst so rechtzeitig zu warnen, dass sich Unbeteiligte noch entfernen können. Vor Gebrauch von Schusswaffen gegen Personen in einer Menschenmenge ist stets zu warnen; die Warnung ist vor dem Gebrauch zu wiederholen. Bei Gebrauch von technischen Sperren und Einsatz von Dienstpferden kann von der Warnung abgesehen werden.

Nachtrag und Korrektur: Bei Schusswaffengebrauch muss immer mindestens zwei Mal gewarnt werden. Der letzte Satz hat mit dem Schusswaffengebrauch gar nichts zu tun. Er regelt nur, dass die Polizei nicht warnen muss, wenn sie Sperren errichtet oder Dienstpferde einsetzt.

Trotzdem eine reichlich missverständliche Formulierung. Hoffentlich sind Einsatzleiter nicht so dumm wie ich…

(Quelle)

Loveparade: Von unbekannt zu bekannt

Zum ersten Mal nach der Loveparade-Katastrophe mit 21 Toten und mehr als 500 Verletzten vor knapp vier Monaten in Duisburg prüft die Staatsanwaltschaft einen konkreten Anfangsverdacht wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körpverletzung „gegen bestimmte Personen“. Das berichtete gestern Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) dem Rechtsausschuss des Landtages.

Die Staatsanwaltschaft Duisburg hat bislang 1.336 Zeugen vernommen. Darunter sind 672 Besucher, 479 Polizeibeamte und Feuerwehrleute, 146 Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes des Veranstalters und 39 städtische Bedienstete. Bei der Staatsanwaltschaft liegen bislang 406 Strafanzeigen vor.

Konkrete Namen von Beschuldigten oder Zeugen nannte der Minister dem Rechtsausschuss aber nicht und berief sich dabei auf das staatliche Geheimhaltungsinteresse, das dem Informationsanspruch des Parlaments entgegenstehe. CDU-Rechtsexperte Peter Biesenbach vermutet hinter der Weigerung ein Interesse der Landesregierung, „Informationen unter Verschluss zu halten“.

Dem schloss sich Horst Engel von der FDP an. Die Abgeordnete Monika Düker (Grüne) hielt dagegen, das Parlament sei „keine parallele Ermittlungsbehörde“ zu Kripo und Staatsanwaltschaft. (pbd)

Kalender, Kalender, Kalender

Vorweihnachtszeit ist traditionell Verlosungszeit im law blog. Wie jedes Jahr gibt es für die Leser fünf Exemplare des druckfrischen Anwaltskalenders 2011 des Karikaturisten wulkan zu gewinnen. Der Kalender enthält 12 Juristenmotive im DIN-A-3-Format, alles in klassischem schwarz-weiß.

Wie immer machen wir es einfach. Wer einen der Juristenkalender 2011 gewinnen will, schreibt bitte bis zum 28. November 2010 einen Kommentar zu diesem Beitrag. Bitte eine gültige E-Mail-Adresse hinterlassen. Die Gewinner werden ausschließlich über diese E-Mail-Adresse kontaktiert. Die E-Mail-Adressen geben wir nicht weiter und verwenden sie auch nicht für andere Zwecke. Unter allen Teilnehmern entscheidet das Los.

Der Kalender wird noch vor Weihnachten frei Haus an die vom Gewinner gewünschte Adresse verschickt. Er eignet sich deshalb auch als Weihnachtsgeschenk. Wer sich nicht auf sein Glück verlassen will, kann natürlich auch bei wulkan einen Kalender ordern. Der Frühbestellerpreis liegt bis zum 1. Dezember bei 19,95 Euro zzgl. 5,80 Euro Versandkostenpauschale.

Bestellungen sind möglich unter wulkan@arcor.de oder telefonisch unter 0172-200 35 70.

Das übereilte Geständnis

Der Anwalt des wegen des Doppelmordes von Bodenfelde verhafteten 26-Jährigen hat der Nachrichtenagentur dpa gesagt, der Verdächtige werde die Tat wohl am Freitag gestehen – um sein Gewissen zu erleichtern. Das ist natürlich ein sehr menschliches und damit verständliches Motiv. Ich hoffe allerdings, der Verteidiger hat dem Beschuldigten trotzdem von einem schnellen Geständnis abgeraten und richtet sich jetzt nur nach dem unabänderlichen Willen seines Mandanten. Denn aus Sicht eines Beschuldigten ist ein sofortiges Geständnis nur selten sinnvoll. Dieser Fall gehört mit Sicherheit nicht dazu.

Was bringt es meinem Mandanten? Diese Frage stelle ich, wenn Polizeibeamte auf ein schnelles Geständnis drängen. Meist sorgt das für verblüffte Gesichter. „Auch noch Ansprüche stellen?“ erwiderte mal ein Kommissar. Ich sagte ihm, dass wir keine Ansprüche stellen, sondern Rechte wahrnehmen. Ein Recht ist dazu da, Vorteile zu wahren oder zu verschaffen. Die Frage nach dem Nutzen des schnellen Geständnisses ist sicher unbequem und wird mitunter sogar als anmaßend empfunden, aber sie ist aus Sicht des Beschuldigten legitim. Ein Verhör, womöglich noch verbunden mit einer Festnahme und der Aussicht auf Untersuchungshaft, ist nämlich nun wirklich eine der letzten Situationen, in denen man übertrieben selbstlos sein sollte.

Leider hält sich die Zahl der reizvollen Antworten auf die Frage sehr in Grenzen. „Arbeitsersparnis für die Polizei“, wurde mir mal gesagt. Hat mich nicht überzeugt. „Das Gericht wird das später positiv würdigen.“ Klingt schon besser, hat aber einen Haken. Die Strafmilderung, weil ein Angeklagter die Karten sofort auf den Tisch gelegt hat, fällt meist karg aus. Manchmal findet sie auch nur in Form eines Lippenbekenntnisses statt. Denn bei der Gerichtsverhandlung liegt das Geständnis meist schon lange zurück. Seine Wirkung ist verpufft, es ist nicht mehr als ein vielleicht schon angegilbtes Protokoll. Eine Verfahrenstatsache, neben so vielen anderen.

Richtig wirksam ist ein Geständnis in der Regel nur dann, wenn es auch jemand anderem nützt. Nämlich dem Gericht. Hier und nirgends anders zieht das Argument der Arbeitsersparnis. Durch ein Geständnis des Angeklagten kann das Gericht schneller urteilen, denn die Beweisaufnahme entfällt ganz oder zumindest teilweise. So eine Beweisaufnahme kann lang sein. Und quälend. Zermürbende Verfahren zu verhindern, ist ja auch der Hintergedanke des Deals, der nun sogar ins Gesetz geschrieben wurde. Die „Verständigung“ erlaubt Strafrabatte aus dem schnöden Gesichtspunkt der Prozessökonomie. Sie ist aus den Gerichtssälen nicht mehr wegzudenken und wahrscheinlich eine der Gründe, warum die Strafjustiz noch nicht vollends kollabiert ist.

Den vom Beschuldigten erstrebten Rabatt können weder die Polizei noch ein Staatsanwalt gewähren. Dazu fehlt ihnen schlicht die Kompetenz. Wenn sie in einer Vernehmung dem Beschuldigten etwas anderes erzählen und konkrete Rechtsfolgen, etwa Bewährung, verbindlich zusagen, dann sagen sie nicht die Wahrheit. Um so böser dann das Erwachen des Betroffenen, wenn das Gericht später von einem zugesagten Bonus nichts weiß, nichts wissen will und sich auch niemand daran erinnern kann, dass so was überhaupt Thema war. „Wenn es nicht im Protokoll steht, haben wir das auch nicht gesagt…“

Es gibt eigentlich nur eine Situation, die für ein schnelles Geständnis sprechen kann. Das ist drohende Untersuchungshaft. Hier reden wir dann aber schon über schwerere Delikte. Die Aussicht, erst mal in den Knast zu gehen, ist für viele Beschuldigte so erschreckend, dass sie lieber dem Haftrichter, dem sie spätestens am Tag nach ihrer Festnahme vorgeführt werden müssen, den Tatvorwurf beichten. Im Gegenzug ergeht halt kein Haftbefehl. Oder er wird zumindest außer Vollzug gesetzt, so dass der Beschuldigte wieder nach Hause kann.

Das Ganze ist also eine Art zeitlich vorgezogener Deal. Auf dem Geständnis vor dem Haftrichter hängt man später fest, deshalb muss man sich auch das gut überlegen. Vielleicht wäre die Tat ohne das Geständnis später doch nicht oder nur in milderer Gestalt zu beweisen. Das hätte vielleicht Bewährung ermöglicht – wenn da nicht die eigene Aussage wäre. So wie sie damals die schnelle Freiheit brachte, bringt sie später den knallharten Vollzug. Nicht umsonst heißt es „Untersuchungshaft schafft Rechtskraft“.

Bei der Polizei lohnt sich ein Geständnis also praktisch nie. Zumal zu diesem frühen Zeitpunkt meist keine Akteneinsicht gewährt worden ist. Weder der Beschuldigte noch der (hoffentlich vorhandene) Verteidiger wissen also, welche Beweise die Ermittler tatsächlich haben. Ich habe schon genug Akten auf den Tisch bekommen, die außer dem sofortigen Geständnis kein anderes brauchbares Beweismittel enthielten. Dem damals noch auf sich allein gestellten Mandanten wurde dagegen erzählt, die Sache sei doch klar, es gebe genug Zeugen und Spuren. Sätze wie „Leugnen ist zwecklos“, „Machen Sie es nicht schlimmer, als es ist“ und „Sie wollen uns wohl für dumm verkaufen?“ sind durchaus etwas mehr als Versatzstücke aus deutschen Fernsehkrimis.

Ist eine Einstellung des Verfahrens möglich oder möchte man vielleicht mit einem Strafbefehl die öffentliche Verhandlung vermeiden, kann später der Staatsanwalt die richtige Adresse für ein Geständnis sein. Da befindet man sich aber schon in ruhigerem Fahrwasser. Insbesondere hat der Verteidiger dann regelmäßig schon Akteneinsicht erhalten, so dass beide Seiten über die gleichen Informationen verfügen. Ab diesem Punkt kann der Beschuldigte, abgesehen vom Sonderfall der drohenden U-Haft, einen Nutzen für sich erwarten. Ebenso natürlich der Staatsanwalt. Der erspart sich durch den „kleinen Deal“ weitere Ermittlungen und das Brüten über einer Anklageschrift.

Betrachtet man das Geständnis also nicht als Bürgerpflicht gegenüber der Polizei, gibt es dafür gute und schlechte Zeitpunkte. Es ist ganz alleine Sache des Beschuldigten, für welchen Zeitpunkt er sich entscheidet.

Wenn man nun den eingangs erwähnten Doppelmord betrachtet, dürfte das publikumswirksam (wieso eigentlich?) angekündigte Geständnis dem Beschuldigten außer dem Gefühl, sich die Last von der Seele geredet zu haben, extrem wenig bringen. Dass er wegen rührender Ehrlichkeit von der Untersuchungshaft verschont wird, darf der Verdächtige angesichts des Mordvorwurfs und der ihm schon mal per polizeilicher Blitzdiagnose angedichteten Neigung zum Serienkiller ja wohl kaum erwarten.

Aber man kann aus seinem Verhalten lernen. Für den Fall, dass man selbst mal Beschuldigter ist und sich dennoch zu fragen traut: Was bringt es mir?

Schwarze Schafe

„Der Fußgänger hatte keine Ahnung, in welche Richtung er gehen sollte, also überfuhr ich ihn.“

„Außerdem bin ich vor meinem ersten Unfall und nach meinem letzten unfallfrei gefahren.“

Die Bußgeldstelle des Regierungspräsidiums Kassel hat kuriosen Schriftverkehr mit Verkehrssündern, aber auch mit Rechtsanwälten veröffentlicht. Ganz besonders gefällt mir dieses kreative Schuldeingeständnis:

Hier geht es zu den gesammelten Stilblüten.

Karate für Staatsanwälte

Eine Kampfsportgruppe in der Staatsanwaltschaft Wuppertal soll Kollegen vor Gewalttaten schützen. „Wir sind öfters mit dem Tode bedroht worden“, rechtfertigt Oberstaatsanwalt Wolf-Tilmann Baumert die derzeit laufende Schulung.

18 Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft lernen in einem Wuppertaler Instititut, das auf seiner Homepage „moderne und praxisorientierte Fortbildung“ verspricht – allerdings vorrangig für die Bereiche Software, Betriebswirtschaft, Recht und Medien. Nun steht also auch Karate auf dem Lehrplan für Staatsanwälte, Rechtspfleger und Justizwachtmeister. Sie sollen am Ende „eskalierende Begegnungen“ bewältigen können.

Etwa jene, bei der kürzlich ein Mann, der eine Geldstrafe nicht zahlen wollte oder konnte, im Gebäude der Staatsanwaltschaft randaliert hatte. „Wenn sich unser Konzept bewährt“, sagt der Behördensprecher, „geht eine neue Gruppe ins Training.“

Allerdings könnte die Politik noch bremsen. Die Liberalen haben die Kampfsportgruppe auf die Tagesordnung des Rechtsausschusses im Landtag gesetzt, der morgen tagt. Es gibt Befürchtungen, dass eher für die Schreibtischarbeit ausgebildete Beamte ihre Zusatzqualifikation überschätzen und so sich und andere unnötig in Gefahr bringen können. Eine funktionierende Security oder gar Polizeischutz seien womöglich die bessere Lösung. (pbd)

Wenn man denn will

Meine Mandantin sitzt in Abschiebehaft. Die Haftdauer hatte das Amtsgericht Neuss zunächst auf drei Monate beschränkt. Das ist gesetzlich auch so vorgesehen. Wie zu erwarten, beantragte die Ausländerbehörde, die Haft um weitere drei Monate zu verlängern. Auch das ist möglich.

Vor der Entscheidung muss das Gericht die Betroffene persönlich anhören. Und dazu auch ihren Anwalt laden. So sandte mir das Amtsgericht Neuss gestern, am 22. November, die Ladung zum Anhörungstermin. Das Fax kam um 15.27 Uhr an.

Termin der Anhörung: Heute, 23. November, um 10.30 Uhr.

Ich war gestern nachmittag unterwegs, so dass ich von der Ladung nur telefonisch erfuhr. Wenig überraschend dürfte sein, dass ich für den heutigen Vormittag auch schon andere Gerichtstermine hatte. Die ließen sich auch nicht mehr verschieben. Schon deswegen, weil so „spät“ am Nachmittag normalerweise kein Richter mehr erreichbar ist.

Wie übrigens auch der für die Abschiebungssache zuständige Richter am Amtsgericht in Neuss, dem ich gesten nachmittag gern gesagt hätte, was ich – und auch das Gesetz – von solchen Zeitfenstern halten. Nicht mal heute morgen ging dort jemand ans Telefon.

Aber immerhin fand die Anhörung statt, ungerührt von meiner Abwesenheit. Die Haft wurde um drei Monate verlängert. Woher ich das weiß? Den Verlängerungsbeschluss hat mir das Gericht schon knapp zwei Stunden nach der Anhörung gefaxt. Was ja zeigt, dass es auch schneller geht – wenn man denn will.

Aus dem Posteingang

Hallo Herr Vetter,

ich lese schon lange Ihr Blog und wollte mich einfach mal mit einer Frage an Sie wenden, die vielleicht sogar ggfs. in ihrem Blog zur Diskussion gestellt werden könnte.

In meiner unmittelbaren Nachbarschaft ist der Sexualverbrecher Hans Peter H. aus M. eingezogen, genauer gesagt direkt in der Straße. Neben mehreren Demos die hier jetzt wohl jeden Abend starten werden, suchen wir als Eltern einen Weg ihn hier wieder loszuwerden.

Ich bin Vater von zwei Töchtern und habe ehrlich gesagt keine Lust meinen Kindern und mir das Leben von ihm hier weiter vermiesen zu lassen.

Die Frage ist nun was wir auf rechtlicher Ebene alles machen können.

Meine Idee war es schon das ich die Ladengeschäfte hier in der Gegend anspreche ob sie von ihrem Hausrecht gebrauch machen und diesem Menschen einfach Hausverbot erteilen. Aber ist so was rechtens? Oder fällt das schon in den Bereich der Verleumdung?

Ich würde mich freuen von Ihnen zu hören

Mit freundlichen Grüßen N.K.

Britische Filesharing-Anwälte unter Druck

Das Geschäft mit den Filesharing-Abmahnungen ist keine rein deutsche Masche. Doch in England ist das Geschäftsmodell nicht nur ein Quell der Freude für die beteiligten Anwälte. Eine britische Kanzlei muss sich jetzt sogar vor der Aufsichtsbehörde verantworten. Der Vorwurf: Die Anwälte hätten Schadensersatz-Zahlungen verlangt, obwohl ihnen der fragliche Wert des „Beweismaterials“ bekannt gewesen sei.

Konkret geht es um die von Providern gelieferten IP-Adressen von Internetanschlüssen, die wegen Filesharings aufgefallen sein sollen. Die bei der Feststellung verwendeten Methoden scheint die Solicitors Regulation Authority (SRA) nicht für sonderlich zuverlässig zu halten, berichtet The Register.

So komme es vor, dass IP-Adressen wegen automatischer Verbindungstrennungen falsch zugeordnet würden. Den britischen Anwälten wird weiter zur Last gelegt, sie hätten darüber hinweggesehen, dass nicht notwendigerweise der Anschlussinhaber selbst die Urheberrechtsverletzung begeht. Dies sei auch über lückenhaft gesicherte WLANs oder durch eigenmächtig handelnde Mitnutzer möglich.

Solche Probleme sollen die britischen Anwälte ignoriert haben. Damit hätten sie wissentlich auch potenziell „Unschuldige“ angeschrieben und Forderungen geltend gemacht, was nach britischem Recht ein Berufsvergehen sein kann.

Sicher werden sich viele solche Schritte auch gegen deutsche Abmahnanwälte wünschen. Das ist aber nicht sehr wahrscheinlich, denn die rechtlichen Voraussetzungen sind anders als in England. Bei uns ist der Anschlussinhaber schneller mit im Boot, selbst wenn er selbst keine Urheberrechte verletzt hat. Die „Störerhaftung“ macht’s möglich. Auch sind in Deutschland die Grenzen höher, bis zu denen ein Anwalt auf die Angaben seines Auftraggebers „vertrauen“ darf.

Was letztlich interessant sein wird, sind die technischen Fehlerquellen. Auch hier scheinen die Briten sensibler zu sein. Die Problematik falsch zugeordneter IP-Adressen oder unsorgfältig abgeglichener Hashwerte wird bei uns gerne verniedlicht. Vielleicht bedarf es da wirklich mal eines wirklich tiefergehenden Gutachtens, um die Behauptungen der Rechteinhaber zu entkräften. Die behaupten nämlich immer gern, ihre Überwachungsfirmen machten keine Fehler. Das dürfte zu einem guten Teil hochgestapelt sein. Dass es zu Ungereimtheiten kommt, ist nämlich mittlerweile sogar schon Gerichten aufgefallen.

Wir haben keine Angst!

Gefährlicher als es ein Terroranschlag für unseren Staat jemals sein könnte, sind überaktive Politiker. Sie wollen im Windschatten einer vermeintlichen oder realen Terrorbedrohung unsere Freiheitsrechte beschneiden, Überwachungsstrukturen schaffen und ganze Bevölkerungsgruppen unter Pauschalverdacht stellen.

Geben wir der Angst nach, haben die Terroristen gesiegt. Das gönnen wir ihnen nicht!

Daher rufen wir allen politischen Entscheidungsträgern zu: Wir haben keine Angst!

Und wir sagen das auch laut – bitte hier.

Bomberman, die 4.

Mit einem Freispruch endete heute die vierte Runde eines Strafverfahrens, in dem es um diese Abbildung ging:

Mit dem Männchen namens Bomberman hatte das Portal bo-alternativ.de einen Artikel illustriert, in dem gegen eine NPD-Demonstration aufgerufen wurde. Die Staatsanwaltschaft sah in dem Bild eine öffentliche Aufforderung zu Straftaten und klagte den Seitenbetreiber an. Der 60-Jährige wurde zunächst freigesprochen, dann nach Rechtsmitteln verurteilt. Nun hatte das Landgericht Bochum zu entscheiden.

Die Richter sahen es nicht als erwiesen an, dass der Seitenbetreiber vorsätzlich gehandelt habe. Ihm sei nicht nachzuweisen, dass er tatsächlich zu Gewalt aufrufen wollte. Auf die Frage, ob man die auf dem Bild gezeigte Torte in eine Bombe uminterpretieren kann und darf, kam es deshalb gar nicht an.

Das muss nicht das letzte Wort in der Sache gewesen sein. Die Staatsanwaltschaft kann noch Revision einlegen.

Der Westen berichtet