Die Vorleserin

Ein Mandant möchte partout, dass meine Kollegin ihm ein frisch reingekommenes Gutachten am Telefon vorliest, weil er im Moment keine Mails lesen kann und nicht auf die Post morgen oder übermorgen warten will.

Sein Konto beim Zeithonorar ist noch nicht deutlich im Plus. Warum also nicht.

Männliche Küken dürfen vorerst weiter nach dem Schlüpfen getötet werden

Die Tötung männlicher Küken direkt nach dem Schlüpfen bleibt erlaubt – vorerst. Das Bundesverwaltungsgericht sieht in der seit Jahrzehnten üblichen Praxis in Mastbetrieben zwar einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz. Kükenshreddern sei ethisch nicht vertretbar, auch die Gesetzeslage sei seit 2002 eindeutig, als Tierschutz in das Grundgesetz als Staatsziel aufgenommen wurde. Auf der anderen Seite sei den Betrieben ein sofortiger Tötungsstopp nicht zumutbar, weil die Praxis „jahrzehntelang hingenommen“ wurde.

Das Gericht gewährt deshalb eine Übergangsfrist, bis neue technische Methoden es ermöglichen, das künftige Geschlecht des Kükens schon im Ei zu bestimmen. Das Verfahren soll in Kürze zur Verfügung stehen, wobei allein die Bundesregierung fünf Millionen Euro in die Forschung investiert hat. Allerdings wird sich die Diskussion dann wohl zeitlich nach hinten verlagern. Die Geschlechtsbestimmung kann auch erst ab einen bestimmten Zeitpunkt erfolgen. Tierschützer gehen davon aus, dass Embryonen aber schon früher Schmerz empfinden, wie man zum Beispiel in der FAZ nachlesen kann.

Die Geflügelindustrie warnt ohnehin davor, dass Betriebe in Deutschland nicht mehr wirtschaftlich arbeiten können. Eine Abwanderung ins Ausland liegt dann nahe, wobei der Weg gar nicht lang sein muss. Sogar die meisten EU-Länder hätten keinen Tierschutz auf deutschem Niveau, auch darauf weist das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil hin (Aktenzeichen 3 C 28.16).

Anderweitige Termine

Ich hatte mich heute für den Besuch bei einem Mandanten angekündigt, der in Untersuchungshaft sitzt. Da die Justizvollzugsanstalt von 8.30 bis 17.15 Uhr Anwälte reinlässt, hatte ich dem Mandanten geschrieben, ich käme im Laufe des Tages. So bin ich flexibler, falls was dazwischenkommt.

Viele anderweitige Termine haben Untersuchungsgefangene ja meist ohnehin nicht. Das größte Risiko dürfte sein, dass ich beim Essen störe.

Als ich er dann mittags gegen 13 Uhr in den Besprechungsraum trat, war der Mandant sichtlich erleichtert, dass ich „endlich“ da war. Ich hatte zwar nicht vergessen, dass der Mandant Niederländer ist. Was ich aber nicht auf dem Schirm hatte, war das Auftaktspiel der Niederländerinnen bei der Fußball-WM der Frauen heute nachmittag. Dem Match fieberte der Mandant schon ziemlich stark entgegen.

Was soll ich sagen? Wir haben mit unserer Besprechung eine zeitliche Punktlandung gemacht. Zehn Minuten vor Anpfiff ging der Mandant zurück in seinen Haftraum. Ich hoffe, er hatte Spaß.

Kleine Aufmerksamkeit des Hauses – in Apotheken künftig verboten

Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft. Gerade in Apotheken kriegten Kunden oft eine Kleinigkeit mit auf den Weg. Zum Beispiel Taschentücher, ein paar Bonbons, kleine Wärmekissen oder ein Fieberthermometer. Damit ist künftig wohl Schluss: Auf eine Klage von Wettbewerbshütern stellt der Bundesgerichtshof klar, dass auch kleine Zugaben unzulässig sind, wenn die Kunden ein ärztliches Rezept einlösen.

Laut dem Gericht ist die aktuelle, im Jahr 2013 verschärfte Rechtslage darauf ausgelegt, einen Preiswettbewerb zwischen Apotheken zu unterbinden. Dieses Ziel werde schon unterlaufen, wenn der Kunde eine kleine Aufmerksamkeit erhalte. In dem Prozess ging es um eine Apotheke, die Ein-Euro-Gutscheine für den nächsten Kauf spendierte. Eine andere Apotheke hatte Gutscheine ausgegeben, mit dem Kunden beim benachbarten Bäcker zwei Brötchen oder ein „Ofenkrusti“ gratis bekamen.

Auf der Strecke bei der Einlösung von Rezepnten bleiben künftig dann wohl auch Bonusprogramme und die Erstattung von Parkgebühren. Versandapotheken im Ausland sind übrigens nicht betroffen. Sie dürfen weiter Zugaben in die Medikamentensendungen packen. Laut dem Bundesgerichtshof ist diese durch EU-Recht bedingte Ungleichbehandlung derzeit hinzunehmen, auch weil ausländische Apotheken noch keine nennenswerte Rolle auf dem deutschen Markt spielen.

Eine Möglichkeit bleibt dem Kunden aber vielleicht doch noch, wenn sie nicht mit leeren Händen die Apotheke verlasen wollen. Wenn man zusätzlich was Rezeptfreies mitnimmt, Kopfschmerztabletten etwa, kann sich der Apotheker für diesen Kauf nach wie vor mit einer kleinen Zugabe revanchieren (Aktenzeichen I ZR 206/17 und I ZR 60/18).

Kinderfotos im Netz: Beide Eltern müssen zustimmen

Kinderfotos im Internet sind seit geraumer Zeit ein Thema. Nun stellt das Oberlandesgericht Oldenburg klar, dass bei gemeinsam Sorgeberechtigten beide Elternteile mit der Veröffentlichung einverstanden sein müssen.

Der Vater eines sechsjährigen Mädchens wehrte sich gegen Fotos auf einer Internetseite, die seine Tochter zeigen. Es handelt sich um die Homepage eines Bauernhofs, den der neue Lebenspartner der Mutter des Kindes betreibt. Die Mutter hatte nichts gegen die Fotos.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts müssen bei Fotos von Minderjährigen im Internet alle Sorgeberechtigten zustimmen. Es handele sich um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung, die ohne Einstimmigkeit eben nicht umgesetzt werden dürfe. Dabei spielt es auch keine Rolle, dass die Tochter nun ausschließlich bei der Mutter lebt.

Recht bekam der Mann allerdings aus formalen Gründen nicht. Er wollte den Bauern verklagen und hatte dafür Prozesskostenhilfe beantragt. Stattdessen hätte er, so die Richter, erst die Mutter in Anspruch nehmen müssen, indem er deren Entscheidung vom Gericht ersetzen lässt (Aktenzeichen 13 W 10/18).

„Unnötige Gasstöße“

Gestern erfuhren wir, die Stadt Hanau will Autoposer und Schnellfahrer mit künstlichen Schlaglöchern auf kommunalen Straßen ausbremsen. Die Stadt Mannheim setzt dagegen anscheinend auf die Macht der Paragrafen. Sie hat einem etwas auffälligen Jaguarfahrer kurzerhand verboten, mit seinem Auto künftig Lärm und vermeidbare Abgase zu produzieren.

Bürger hatten den Jaguar F-Type im Sommer 2016 vierzehn Mal gemeldet, weil sie sich vom Fahrverhalten des Betroffenen gestört fühlten. Auch die Polizei hatte das Fahrzeug mehrfach dem Ordnungsamt gemeldet. Die Stadt reagierte mit einer Ordnungsverfügung: der Autofahrer habe künftig unnötigen Lärm und vermeidbare Abgasbelästigungen zu unterlassen. Gelten sollte das Verbot fürs gesamte Stadtgebiet.

Der Autofahrer klagte, bekam aber in zwei Instanzen nicht recht. Das Verbot sei schon deshalb verhältnismäßig, weil es vom Kläger nur die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften (§ 30 Abs. 1 StVO) verlange. Der Mann sah in der Anordnung ein komplette Nutzungsvebot für seinen Jaguar und den mittlerweile neu angeschafften Audi A 8. Beide seien nun mal „serienmäßig laut“. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg merkt hierzu an, dem Kläger sei lediglich ein Verhalten untersagt, das über die normale Nutzung seines zugelassenen Autos hinausgehe, zum Beispiel „unnötige Gasstöße“, durch die vermeidbarer Lärm und unnötige Abgasbelästigungen entstünden (Aktenzeichen 1 S 500/19).

Ich lass den Wagen stehen …

Aus einem Strafbefehl (20 Tagessätze zu je 30,00 €):

Sie befuhren am 08.04.2019 mit einem Fahrrad gegen 01.50 Uhr in M. in alkohlbedingt fahruntüchtigem Zustand unter anderem die Theodor-Heuss-Straße.

Angetrunken (über 1,6 Promille) Fahrrad fahren ist strafbar, auch wenn es nicht zu einem Unfall kommt. Denkt dran, falls ihr überlegt, wie ihr in einer mehr oder weniger lauen Sommernacht ohne Ärger nach Hause kommt.

Befreit von der Robenpflicht

Momentan ist es ja eher heiß draußen. Und auch drinnen, zum Beispiel in jenem Gerichtsaal, in dem ich gerade öfter anwesend bin und in dem ein Tötungsdelikt verhandelt wird.

Hitzetechnisch ist auf den billigen Plätzen der Verteidigung erst mal alles halb so wild, aber ein Großteil der Verhandlung findet vorne am Richtertisch statt, weil halt unglaubliche viele Fotos und andere Dokumente angesehen und diskutiert werden müssen. Da es neben dem Staatsanwalt noch mehrere Nebenkläger, Sachverständige und eine Mitverteidigerin gibt, ballt sich dort immer eine stattliche Zahl von Personen, von der jede einen Blick auf das betreffende Stück Papier oder den Laptopmonitor erhaschen will.

Man kommt sich also – notgedrungen – sehr nahe und steht so schon mal 30 bis 45 Minuten rum. Das Ganze dann auch noch in Robe, was ich schon nach den ersten Tagen als physische Belastung empfand. Ich habe also höflich beim Vorsitzenden gefragt, ob er mich für die Zeit vorne am Richtertisch von der Robenpflicht befreit. Wie nicht anders zu erwarten, war das kein Problem.

Außer für den Staatsanwalt, der heute erstmals in der Sitzung erschienen ist, weil der eigentlich zuständige Kollege erkrankt war. Kaum waren wir vorne an den Richtertisch gebeten, ich hatte mich vorher dezent meiner Robe entledigt, giftete er, offensichtlich in Erfüllung seiner Aufgabe als „Sitzungspolizeist“, in recht scharfem Ton zu mir rüber: „Wieso ziehen Sie eigentlich Ihre Robe aus?“

Nun ja, mit einem Satz des Richters war das Thema abgehakt. Insgesamt ein etwas merkwürdiger, ich will nicht sagen peinlicher Einstand in der Runde. Oder wie ich immer sage: Man vertut sich in den allermeisten Fällen nichts, wenn man es erst mal freundlich probiert.

Auf eine Cannabiszigarette …

Wegen einer aktuellen Beratung mache ich mal einen kleinen Schlenker ins Mietrecht. Die Frage:

Kann der Vermieter dem Mieter Cannabiskonsum in seiner Wohnung verbieten, wenn der Mieter ein Cannabisrezept vom Arzt hat und ausschließlich Stoff aus der Apotheke raucht?

Der Vermieter ist gesetzlich verpflichtet, dem Mieter den „Gebrauch der Mietsache“ zu gewähren. Dazu gehört die übliche Nutzung. Auch das Zigarettenrauchen gilt (noch) als übliche Benutzung – wenn der Mieter nicht übermäßig raucht und die anderen Bewohner nicht übermäßig beeinträchtigt werden.

Auf illegalen Cannabiskonsum lassen sich diese Grundsätze nicht 1:1 übertragen. Zwar ist Drogenkonsum als solcher nicht strafbar, wohl aber der Besitz. Wenn jemand dann regelmäßig zu Hause Gras raucht, spricht natürlich vieles dafür, dass ihm der Stoff nicht einfach so zufliegt. Überdies riecht Cannabis ja doch etwas anders. Mitmieter können sich also durchaus schneller gestört fühlen, und der Vermieter muss strafbares Verhalten in seinem Haus nicht dulden – zumindest wenn es von außen wahrnehmbar ist.

Ganz anders ist es aber wiederum, wenn es um Arzneimittel geht. Ärztlich verordnetes Cannabis aus der Apotheke ist – dank einer noch gar nicht so alten Gesetzesänderung – keine illegale Substanz, sondern ein Medikament. Seine Arznei darf ein Mieter aber auf jeden Fall zu sich nehmen, das gehört sicher zum üblichen Gebrauch einer Mietsache. Die Grenze der Unzumutbarkeit für die Mietmieter ist dann auf jeden Fall sehr, sehr weit nach oben verschoben. Die Nachbarn werden es also dulden müssen, wenn es künftig ab und zu etwas süßlich riecht.

Schlecht geparkt

Der Mandant hat einen Anhörungsbogen der Polizei bekommen. Ihm wird fahrlässige Körperverletzung im Straßenverkehr zur Last gelegt. Klingt erst mal recht alltäglich, solche Verfahren gibt es jeden Tag im Hunderterpack. Interessant wird es aber beim eigentlichen Tatvorwurf:

Am 23.05.2019 gegen 11.34 h ereignete sich ein Verkehrsunfall mit Personenschaden in G. auf der H-Straße Höhe Haus-Nr. 44. Ihr Fahrzeug war dort verkehrswidrig geparkt, so dass einer der Unfallbeteiligten als Einfahrender in den fließenden Verkehr keine Einsicht hatte und es zum Unfall kam. Machen Sie Angaben zum Tatvorwurf.

Schon sportlich, diese „Anklage“. Das kann man nicht anders sagen. Ich wage mal die Prognose, dass man aus der Sache mit einigen guten Argumenten problemlos rauskommen kann, wenn die – noch ausstehende – Akteneinsicht keine allzu großen Überraschungen mit sich bringt.

Bei all der Verwunderung über den Vorwurf als solchen darf man aber nicht den Fehler machen, auf Vorwärtsverteidigung zu schalten. Der Mandant ist nämlich nur Halter des Fahrzeuges, es kann also auch ein anderer gefahren sein. Diese Verteidigungsoption sollte man sich auf keinen Fall selbst wegnehmen, indem man sich selbst als Fahrer outet.

Auch wenn ich natürlich davon lebe, ist es sicher nicht ganz dumm vom Mandanten, wenn er sich aus der Sache erst mal zurückzieht und mich die Lage sondieren lässt.

Verschubt

Ein Mandant muss sich zum Strafantritt in Nordrhein-Westfalen stellen. Nun ja, er musste sich zum Strafantritt stellen. Die Frist lief vor geraumer Zeit ab; deshalb dürfte er jetzt gesucht werden.

Da er sich seit geraumer Zeit in Norddeutschland aufhält und dort mehr oder weniger etwas Wurzeln geschlagen hat (Freundin), kam ihm der Gedanke, sich auch dort oben zu stellen, da er keinen Bock auf eine Fortsetzung seiner „Flucht“ hat. Seine Hoffnung: Wenn er im hanseatischen Raum auf eine Polizeiwache geht, darf er dann vielleicht auch gleich seine Strafe dort oben verbüßen.

Gut überlegt, wird aber so nicht klappen. Der Mandant würde zwar sofort festgenommen, wenn er sich in Norddeutschland bei der Polizei offenbart. Aber die dortige Justiz hätte sicher schon aus Kostengründen keine Lust, ihn einfach so vom Land Nordrhein-Westfalen zu „übernehmen“. Vielmehr würde der Mandant auf große Fahrt begeben, und zwar mit dem behördeneigenen Reisedienst. Für die sogenannte „Verschubung“ gibt es in Deutschland ein richtiges Liniennetz, das von Justizbussen bedient wird (siehe auch diesen Bericht in der Süddeutschen Zeitung).

Problem ist: Die Verschubung fühlt sich genau so an, wie sie klingt. Die Reise dauert schon mal 7 – 10 Tage, und jede Nacht ist Station in einer anderen Vollzugsanstalt. Die Gefangenen haben nur ihre persönliche Habe bei sich, die Unterbringung in den einzelnen Knästen für die Durchreisenden liegt durchaus unter dem ohnehin schon oftmals fragwürdigem Standard. Auch der Transport selbst ist keine Reise im herkömmlichen Sinn. Die Einzelkabinen der meisten Busse sind sehr eng, die Möglichkeit zu einem Toilettengang besteht regelmäßig nicht. Was ich von Mandanten so höre, ist das Ganze jedenfalls nichts für Weicheier.

Nicht dass ich den Mandanten als solches betrachte, aber ich habe ihm trotzdem dringend von dieser Form des Abenteuerurlaubs abgeraten. Bin gespannt, ob er auf mich hört.

Kameras am Balkon

Der Eigentümer einer Wohnung darf von seinem Balkon aus keine Überwachungskamera auf den Gemeinschaftsgarten eines Hauses richten. Dabei spielt es nach einer Entscheidung des Amtsgerichts München keine Rolle, ob es sich um eine echte Kamera handelt. Oder um eine Attrappe.

Der Bewohner einer Eigentumswohnung hatte in etwas zehn Metern Höhe eine Kamera installiert, die den Gemeinschaftsgarten zumindest teilweise filmen konnte. Das wollte ein Miteigentümer nicht hinnehmen, er wollte sich im Gemeinschaftsgarten nicht ständig beobachten lassen.

Das Amtsgericht München hält die Überwachung für rechtswidrig. Selbst wenn in dem Objekt schon mal eingebrochen worden ist und dem Sohn des Beklagten Fahrräder aus der nahegelegenen Tiefgarage geklaut wurden, sei die Videobeobachtung des Gartens nicht zulässig. Das gelte auch für eine Kameraattrappe, denn schon diese sorge für einen unzulässigen Überwachungsdruck.

In einer Wohnungseigentümergemeinschaft bedürfe es außerdem regelmäßig eines Mehrheitsbeschlusses. Hier hatte die Eigentümergemeinschaft den Antrag auf Genehmigung einer Kamera noch nicht mal auf die Tagesordnung gesetzt (Aktenzeichen 484 C 18186/18 WEG).

Geld nur gegen Karte?

Die Situation wird dem einen oder anderen bekannt vorkommen. Man hat noch Restguthaben auf einer SIM-Karte, die man nicht mehr braucht. Außer Frage steht, dass Mobilfunkanbieter dieses Guthaben spätestens mit Vertragsende erstatten müssen. Aber dürfen sie verlangen, dass der Kunde im Gegenzug die SIM-Karte zurückgibt? Diese Frage musste das Landgericht Düsseldorf beantworten.

Auslöser waren Bedingungen von Aldi Talk (E-Plus). Danach sollte der Kunde sein Guthaben nur bekommen, wenn er die SIM-Karte zurückgeschickt hat. Einen richtigen Sinn konnte der Bundesverband Verbraucherzentrale in der Klausel nicht erkennen. Er klagte gegen den Mobilfunkanbieter.

Das Landgericht Düsseldorf sieht ebenfalls keinen Grund für eine Rückgabepflicht der SIM-Karte. Vielmehr würden Kunden durch so eine Hürde eigentlich nur davon abgehalten, ihr Guthaben einzufordern. Von einer gesperrten oder deaktivierten SIM-Karte gehe auch keine konkrete Gefahr des Datenmissbrauchs aus. Aldi Talk hatte dann noch behauptet, man wolle die SIM-Karten dem Wertstoffkreislauf zuführen. Das hielt das Gericht nicht für sonderlich überzeugend. Aldi Talk habe noch nicht einmal dargelegt, dass zurückgesandte SIM-Karten tatsächlich aufbereitet werden (Aktenzeichen 12 O 264/18).

Bargeld senden – am besten als DHL-Paket

Manche Geschichten schreibt das Leben. Wie die einer Hausdurchsuchung, bei der knapp 2.500 Euro Bargeld sichergestellt wurden. Nicht irgendwelches Bargeld. Sondern Scheine, bei denen die Polizei vermutete, dass sie früher mal jemand anderes gehört haben und die, sagen wir es mal abstrakt, zu Unrecht in den Besitz meines Mandanten gelangt sind.

Das wollte man natürlich überprüfen, indem man die Fünfhunderter untersuchen lässt. Auf Fingerabdrücke, insbesondere auf solche des möglichen früheren Besitzers. Die Untersuchung hätte man am Sitz der ostdeutschen Polizeidienststelle machen können, wo die Durchsuchung stattfand. Da gibt’s tolle Abteilungen dafür. Hätte man, tat es aber nicht. Stattdessen ordnete jemand an, dass die Geldscheine in dem Polizeipräsidium untersucht werden, welches die Ermittlungen führt. Das wiederum ist in Westdeutschland.

Wie transportiert die Polizei also Bargeld? Vorschläge? Nun ja, offensichtlich sagte jemand: Schick doch ein Päckchen. So geschah es dann auch. Zwei Polizisten übergaben das Geld in einer „Versandtasche“, die angeblich keinen Rückschluss auf ihren Inhalt zuließ, an einem schönen Nachmittag an die DHL-Filiale direkt neben ihrer Wache. Und zwar, sozusagen als Upgrade zum Päckchen, als DHL-Paket (DHL ExpressEasy National, Standard-Transportversicherung bis 2.500,00 €). Ein paar Tage später, die Empfänger nölten wohl schon, bemühten die Versender die Sendungsverfolgung und stellten fest, die Sendung ist gar nicht aus der Filiale rausgekommen. Was vielleicht auch ein klein wenig daran daran lag, dass die Schalterkraft in der Filiale die Sendung in einen dieser gelben Körbe klatschte, die in den DHL-Filialen halt mehr oder weniger offen rumstehen, bis sie jemand ausleert. Dass ihr Paket insoweit keine Vorzugsbehandlung erfuhr, daran erinnern sich die Polizisten noch genau.

Das ist jetzt über zwei Monate her. Laut Sendungsverfolgung, ich kann die Nummer ja der Ermittlungsakte entnehmen, wartet DHL immer noch auf die Sendungsdaten. Wir können wohl davon ausgehen, dass die Scheine eher nicht mehr auftauchen. Gut, mein Mandant hat sich jetzt auch keine großen Sorgen gemacht, dass die Fingerabdruck-Suche irgendwas erbringt. Aber, um es wiederum abstrakt zu formulieren, noch angenehmer als auf diesem Wege kann sich eine kriminalistische Spur natürlich nicht auflösen.

Die Polizisten, denen das Geld abhanden kam, erwähnen in ihrer Schadensanzeige übrigens mehrfach, die Luftpolstertasche sei ja wenigstens versichert gewesen. Keine Ahnung, wie sie darauf kommen. Bargeld ist laut den DHL-Bedingungen ein verbotenes Gut (jedenfalls ab einem Betrag von 500 Euro). Verbotene Güter sind aber nicht versichert. Dem Mandanten kann es letztlich egal sein. Die Geldscheine waren beschlagnahmt, sogar richterlich. Wenn danach etwas verloren geht, haftet auf jeden Fall der Steuerzahler.

Zocken mit dem Grundgesetz

Grundrechte Quartett

Vor einiger Zeit habe ich es schon mal auf Twitter erwähnt: das neue Grundrechte-Quartett. Es handelt sich dabei um eine klassische Freizeitbeschäftigung aus dem analogen Zeitalter, die heute womöglich etwas unter die Räder gekommen ist.

Beim Grundrechte-Quartett stechen keine Pferdestärken, sondern die Artikel des Grundgesetzes. Eine hübsche Spielerei, gerade für unterwegs im Auto oder an verregneten Tagen, mit der man gerade Kids erst mal überhaupt nahebringen kann, was denn da so drinsteht in unserer Verfassung. Die Macher, sehr nette Juristen von der Bochumer Ruhr-Uni, haben das Quartett über eine Crowdfunding-Aktion finanziert, jetzt ist es zum Preis von 7 Euro zuzüglich Versand hier erhältlich.