Durchsuchung im Atomkraftwerk – das dürfte eine Premiere sein. AKW-Betreiber Vattenfall hat wegen der Personalien eines Mitarbeiters so lange gemauert, bis die Staatsanwaltschaft Lübeck einen Durchsuchungsbeschluss beantragt hat. Dieser Beschluss wurde heute im Atomkraftwerk Krümmel vollstreckt, berichtet Spiegel online. Die Ermittler schauten sich im Leitstand und in den Büros um.
Archiv für das Jahr: 2007
Reuiger Sünder
Ein Mandant hatte es eilig. Quer durchs Land wurde er an einem Tag dreimal geblitzt. Leider waren alle Bußgeldbehörden so schlau, das Verfahren gegen ihn einzustellen. Sie haben nämlich gemerkt, dass der Mandant keinen Führerschein hatte.
Dabei hätte sich mein Mandant so über einen Bußgeldbescheid wegen überhöhter Geschwindigkeit gefreut. Gegen den Bescheid hätte er zwar Einspruch eingelegt, dann aber vor Gericht den reuigen Sünder gegeben.
Warum das Ganze? Das Urteil in der Bußgeldsache hätte eine Verurteilung wegen der Straftat Fahren ohne Fahrerlaubnis gesperrt (§ 84 Abs. 2 S. 1 Ordnungswidrigkeitengesetz), weil über den Sachverhalt bereits rechtskräftig entschieden gewesen wäre.
Durch die Aufmerksamkeit der Bußgeldstellen bleibt es leider bei der theoretischen Möglichkeit. Anscheinend läuft in den Ordnungsämtern routinemäßig eine Abfrage, ob der Betroffene überhaupt Auto fahren darf. War mir bisher nicht bekannt.
Reinen Tisch machen
Am Rande habe ich mit einem Ermittlungsverfahren zu tun, das aufgrund der Aussage eines selbsternannten „Kronzeugen“ in Schwung kam. Angeblich wollte der Mann auspacken. Reinen Tisch machen. Sich alles von der Seele reden.
Kernstück seiner Angaben war, dass Verbrechensopfer entsorgt werden, indem man sie an eine russische Fabrik liefert, in der sie zu Wurst verarbeitet werden. Die „Verdächtigen“, bei denen daraufhin die Polizei auflief, können heute noch nicht glauben, welchen Rattenschwanz an Ermittlungen, Hausdurchsuchungen, ED-Behandlungen und Vernehmungen das mit sich brachte.
Gefunden wurde nichts. Vermisst wird auch niemand. Man muss also nach dem derzeitigen Ermittlungsstand nicht zum Vegetarier werden.
Achtmal ist genug
„In Sachen K. ./. N. wird mitgeteilt, dass es sich um den achten Fristverlängerungsantrag handelt. Es wird darauf hingewiesen, dass eine weitere Fristverlängerung nicht mehr in Betracht kommt.“
Kein Fall von mir, ich schwör’s.
Vordrucke werden auch immer teurer
Wenn das Mahngericht was zu monieren hat, kriege ich immer einen leichten Horror. Die Antwort muss auf graue Blätter eingetragen werden. Gestaltung und Inhalt überfordern mitunter. Diesmal hat sich das Gericht darüber beschwert, es seien Auslagen/Nebenforderungen eingelesen worden, „deren Höhe zweifelhaft erscheint“.
439,40 Euro für Vordruck/Porto? Okay, in diesem Fall haben wir wohl zu hoch gegriffen. Oder sind, um genau zu sein, wohl in der Zeile verrutscht.
Links einhundertsiebzehn
Formular-Muffel
Wer Prozesskostenhilfe will, muss eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ausfüllen. Das sind ganze zwei Seiten mit Ankreuzfragen; eigentlich nicht sonderlich kompliziert.
Da begeistert es mich natürlich, wenn der mögliche Antragsteller nur seinen Namen und seine Adresse einträgt. Sonst nichts. Die Unterschrift fehlt leider auch.
Ich gebe das Formular zurück. Verbunden mit dem Angebot, es gemeinsam auszufüllen. Oder einen Vorschuss zu zahlen. Wobei ich jetzt nicht sage, was mir lieber wäre.
Eine Frage, Lachmann
WELT-Autor Günther Lachmann meint, weil viele Menschen eine Payback-Karte nutzen und noch viel mehr ein Handy bei sich tragen, gebe es keine Einwände mehr gegen staatliche Überwachung:
Wir Naiven! Wir fürchten uns vor dem Orwell-Staat und haben uns doch längst einer grenzenlosen Überwachung ausgeliefert. Wir lamentieren über Wolfgang Schäubles Pläne zur Verschärfung der Sicherheitsgesetze ohne wahrhaben zu wollen, dass Schäuble eigentlich nur das konsequent zu Ende denkt, was wir seit Jahren praktizieren, nämlich die leichtfertige, bedenkenlose Preisgabe fast unseres gesamten Lebens an ein immer gieriger werdendes Spionagesystem. Warum, so denkt wohl Schäuble, sollten wir dem Staat diesen Persönlichkeits- und Charakter-Striptease verweigern, wenn wir doch vor jedem Marktschreier unaufgefordert alle Hüllen fallen lassen?
Das sind doch beachtliche Argumente. Schaffen wir die Ärzte ab, weil wir ohnehin mal sterben. Tun wir nichts mehr für die Umwelt, weil den ganzen Dreck kriegen wir sowieso nicht weg. Und binden wir Mitmenschen, die zur Zigarette greifen, künftig auf den Kamin des nächsten Kohlekraftwerks. Rauch ist Rauch, das tut sich nichts.
Gut, dass den Leuten das mal einer erklärt.
Ich hätte da nur noch eine Frage, Lachmann: Gibt’s womöglich doch einen klitzekleinen Unterschied zwischen dem Kaufhof und einem Internierungslager?
Noten für Lehrer sind erlaubt
Schüler dürfen ihre Lehrer „cool“ und „sexy“ finden. Oder auch nicht. Das Landgericht Köln hat eine einstweilige Verfügung gegen das Bewertungsportal spickmich.de aufgehoben.
Das Gericht billigt Schülern ausdrücklich zu, Werturteile über ihre Lehrer zu veröffentlichen. Dies sei von der Meinungsfreiheit gedeckt. Die Grenze bilde, wie stets, Schmähkritik. Diese konnten die Kölner Richter aber nicht erkennen. Ebenso wenig fanden sie datenschutzrechtliche Bestimmungen, die eine öffentliche Diskussion über Lehrer verbieten.
2 BvR 1372/07
Post vom Bundesverfassungsgericht.
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Streitiges Verfahren
Gerade eine Uraltakte auf dem Tisch gehabt. Ein Gastwirt hatte im Jahr 2002 gegen meine Mandantin einen Mahnbescheid beantragt. „Teilforderung aus ungerechtfertigter Bereicherung August 1999“, so die schwammige Begründung. Soweit ich mich erinnere, hatte die Mandantin bei dem Mann als Kellnerin gearbeitet. Wie weiteren Kollegen wurde ihr vorgeworfen, nicht ordnungsgemäß abgerechnet zu haben.
Viel kann an den Vorwürfen nicht dran gewesen sein. Der Wirt hat den Anspruch aus dem Mahnbescheid nämlich nie begründet. Er hat auch keine Strafanzeige erstattet. Wegen unseres Widerspruchs schlummert die Sache seitdem beim Mahngericht.
Ich denke, jetzt ist der richtige Zeitpunkt gekommen, die Durchführung des streitigen Verfahrens zu beantragen. Die Forderung ist mittlerweile verjährt. Aber immerhin muss ja noch die Kostenfrage geklärt werden. Dass der Mann noch an seiner alten Adresse wohnt und außerdem weiter das Lokal betreibt, habe ich überprüft. Wäre ja peinlich, das Gericht zu behelligen, wenn der Kläger gar nicht mehr greifbar ist.
Links einhundertsechzehn
Nicht unwahrscheinlich
Ich finde es grundsätzlich nett, wenn ein Gericht die Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage anbietet. Aber was sollen solche Anmerkungen:
Der Verschuldensumfang könnte nur im Rahmen einer Hauptverhandlung festgestellt werden. Dabei ist es nicht unwahrscheinlich, dass das Maß der Rufschädigung für die Angeschuldigten das Maß ihres Verschuldens deutlich übersteigt.
Ebenso wahrscheinlich ist nämlich, dass dem Gericht und allen Beteiligten die absehbare Endlos-Beweisaufnahme so über den Kopf wächst, dass man früher oder später ohnehin die Notbremse ziehen muss. Aber die Wahrheit klingt natürlich viel süßer, wenn sie im Gewand höchster Fürsorglichkeit daherkommt.
… Aktengurt
Lustige Gerichtspost, diesmal gerichtet an Kollegen:
„Sehr geehrte Frau Rechtsanwältin, anbei übersenden wir:
1. Akte
2. KT-Akte
3. Beiakten 1 bis 24
4. AKTENGURT
mit der Bitte um Rücksendung binnen drei Tagen.“
Die Dinger werden übrigens im Gefängnis hergestellt.
Scheint bei ihnen auch die Sonne?
Den halben Tag mit Leuten telefoniert, deren Telefone sicher abgehört werden. Dann vorhin ein Gespräch in einer ganz „normalen“ Sache. Die Mandantin wird jetzt wahrscheinlich denken, wieso kommt der nicht einfach mal auf den Punkt.