Ein gelupfter Rock erregt Polizisten

Die Schauspielerin Antje Mönning, die in der TV-Serie „Um Himmels willen“ eine Nonne spielte, soll sich auf gewisse Art und Weise versündigt haben. Mönning erhielt einen Strafbefehl wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses (§ 183a StGB), weil sie auf einem Parkplatz nicht nur sehr leicht – jedenfalls ohne Unterwäsche und mit transparentem Oberteil – bekleidet gewesen sein soll. Nein, sie soll ihr Kleidchen auch noch unter den Blicken wachsamer Verkehrspolizisten mit mehr oder wenigen lasziven Bewegungen gelupft haben.

Sonst ist wohl nicht groß was passiert, aber die Polizeibeamten, die alles mit ihrer Verkehrsüberwachungskamera auf Video gebannt haben, sahen trotzdem Grund für eine Anzeige. Dieser folgte dann ein Strafbefehl, dessen Rechtskraft Mönning nicht nur 1.200 Euro, sondern auch eine Vorstrafe einbringen würde.

Strafbarer Exhibitionismus (§ 183 StGB) liegt übrigens nicht vor. Dieses Delikt kann, so das insoweit eindeutige Gesetz, nur ein Mann begehen. Aber auch die Erregung öffentlichen Ärgernisses ist an eine nicht unwesentliche Voraussetzung geknüpft. Die Vorschrift verlangt nämlich eine öffentliche sexuelle Handlung. Unter einer sexuellen Handlung versteht man gemeinhin aber doch etwas mehr als bloße Nacktheit. Was man vielleicht schon daran sieht, dass eine Künstlerin wie Micaela Schäfer sonst gefühlt jeden zweiten Tag einen Gerichtstermin hätte.

Ein Bericht in der Legal Tribune Online beleuchtet sehr schön die juristischen Feinheiten des Falles. Zu ergänzen ist vielleicht noch, dass die vermeintliche sexuelle Handlung auch tatsächlich eine solche gewesen sein muss. Der bloße Anschein einer sexuellen Handlung genügt also nicht – woran man gerade bei einer Schauspielerin ja auch mal denken könnte.

Als vorläufiges Fazit möchte festhalten, dass der zuständige Staatsanwalt sich doch vielleicht besser der vielfältigen Möglichkeiten erinnert hätte, dass selbst ein hinreichender Tatverdacht einer Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit nicht entgegensteht. Die Erde hätte sich vermutlich auch so weiter gedreht.

Aber nun gibt es sogar noch eine Fortsetzung. Am 4. Dezember gibt es einen Gerichtstermin.

Liebe auf der Richterbank

In einem Augsburger Strafverfahren haben es die Anwälte – ohne ihre Schuld – als letzte erfahren: Der Vorsitzende Richter und eine Berufsrichterin in der Strafkammer sind ein Paar. Die Partnerschaft sei besonders eng, haben die Richter in einer Stellungnahme eingeräumt. Ja, sie lebten auch zusammen. Einzelheiten zu dem Fall schildert Spiegel Online.

Ganz so einfach ist die Rechtslage in so einem Fall sicher nicht. Der Strafprozessordnung kann man zunächst entnehmen, dass enge Beziehungen zwischen Verfahrensbeteiligten sogar ein zwingender Befangenheitsgrund sind. Das ist nach § 22 StPO der Fall, wenn ein Richter Ehegatte, Lebenspartner, Vormund oder Betreuer des Beschuldigten oder des Verletzten ist oder gewesen ist. Dabei kommt es auf das juristische Verhältnis zwischen den Beteiligten an. Somit sind Liebesbeziehungen, die nicht in eine Ehe oder Lebenspartnerschaft gegossen sind, ohnehin nicht erfasst.

Diese sehr enge Fassung der gesetzlichen Ausschlussgründe führt dann aber jedenfalls nicht dazu, dass man in dieser Kosntellation eine allgemeine Besorgnis der Befangenheit einfach vom Tisch wischen kann. § 24 StPO, das kann man nicht oft genug sagen, fordert gar keine tatsächliche Befangenheit. Es reicht, wenn der Angeklagte zu Recht annehmen darf, die Richter stünden ihm womöglich nicht unvoreingenommen gegenüber.

Tja, und da haben die Verteidiger in dem Augsburger Verfahren sicher einen Punkt. Zu Recht verweisen sie und auch zitierte Experten darauf, dass jeder Richter unabhängig sein soll – und das Gericht an sich kein Familienbetrieb ist. Letztlich kommt es auf Details hier nach meiner Einschätzung aber gar nicht an. Denn den Anwälten ist die Beziehung zwischen den Richtern nicht offenbart worden, obwohl sie laut dem Gericht schon länger bekannt ist.

Die betreffende Richterin soll sogar trotz dieser Kenntnis vom Gerichtspräsidium erst vor kurzem in die Strafkammer (zurück-)versetzt worden sein. Schon allein dies sieht ja doch eher merkwürdig und weniger nach einem schlichten Zufall aus. Dass diese Prozesse und die persönliche Beziehung der Richter an sich nicht offenbart wurden, mag formaljuristisch nicht zu beanstanden sein. Allerdings muss sich eine Besorgnis der Befangenheit nicht zwingend aus einem Gesetzesverstoß ergeben.

Schon ein schlechter Odem kann ausreichen. Am Ende wird der Bundesgerichtshof uns sagen, ob die Sache stinkt. Ich tippe auf ja.

Sagt mir nichts

Es kommt nicht oft vor, dass mir der Fall rein gar nichts sagt, wenn ich die Akte mal wieder auf den Tisch bekomme. Sofern das aber passiert, kreuze ich im Kopf auf dem virtuellen To-do-Zettel schon automatisch das Kästchen „Verjährung prüfen“ an.

So passierte es mit einer Verkehrsstrafsache, die mir erst mal gar nichts sagte. Kein Wunder. Die Tat soll sich im Jahr 2012 zugetragen haben. Nach endlosen Ermittlungen, ich unterstelle den Behörden mal hektische Aktivität, erging drei Jahre später ein Strafbefehl. Seitdem war wieder Ruhe.

Am 12. Oktober wäre ein wichtiger Tag gewesen, deshalb bekam ich die Akte auch wieder vorgelegt. An dem Tag würde der Vorwurf verjähren. Ich war guter Dinge, dass die Akte bei Gericht irgendwie „außer Kontrolle“ geraten war, wie man so schön sagt.

Doch auch wenn die zuständige Richterin mit ihren Fällen hoffnungslos „abgesoffen“ zu sein scheint, so hat sie – oder ihre Geschäftsstelle – aber zumindest ein funktionierendes Wiedervorlagesystem. Am 02.10. hat sie einen Hauptverhandlungstermin anberaumt. Auf März 2019.

Ärgerlich aus Sicht des Angeklagten ist weniger der Termin, sondern seine unmittelbare rechtliche Wirkung. Die Anberaumung eines Hauptverhandlungstermins unterbricht die Verjährung, so dass die Vejährung ab diesem Zeitpunkt wieder neu läuft.

Knapp war das auf jeden Fall. Aber man kann halt nicht immer Glück haben.

Blick in die (juristische) Zukunft

Von André Bohn, Assessor und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Ruhr-Universität Bochum

Der 78. Deutsche Juristentag (DJT) hat sich im Herbst auch mit vielen strafrechtlichen Themen beschäftigt. Die Beschlüsse haben natürlich keine Bindungswirkung, sind aber regelmäßig wichtige Empfehlungen für die Politik und zeigen oft, wo rechtspolitisch der Hase hinläuft.

Die wichtigsten Punkte des DJT im Bereich Strafrecht sollen im Folgenden kurz dargestellt werden.

Sentencing-Guidelines

Sentencing-Guidelines sind Strafzumessungsrichtlinien, mit denen Richter*innen beispielsweise an einer Tabelle die Strafe für eine bestimmte Tat ablesen können. Sie dienen dazu, eine möglichst einheitliche Bestrafung sicherzustellen.

Sentencing-Guidelines werden in der Regel von einer Expertenkommission erarbeitet.
Die Einführung sogenannter Sentencing-Guidelines lehnt der DJT ab, schlägt aber stattdessen die Einführung einer Datenbank vor, in der Entscheidungen hinterlegt werden, sodass sich die verschiedenen Gerichte über die „Tarife“ bei anderen Gerichten informieren können.

Ob Richter*innen davon wirklich Gebrauch machen würden, steht auf einem anderen Blatt. Immerhin gibt es ja bereits Datenbanken wie juris, beck-online oder auch das kostenlose Angebot dejure.org. Die Annahme, dass Gerichte vor jeder Verurteilung kurz checken, ob die ausgeurteilte Strafe mit den in vergleichbaren Fällen verhängten Strafen anderer Gerichte korrespondiert, dürfte insbesondere vor dem Hintergrund der hohen Arbeitsbelastung eher unwahrscheinlich sein.

§ 46 StGB

In § 46 Abs. 1 StGB soll anstelle der „Schuld“ des Täters das „vom Täter verschuldete Unrecht“ nunmehr Grundlage der Zumessung der Strafe sein. Um mal eine abgedroschene Phrase zu verwenden: Alter Wein in neuen Schläuchen. Ich glaube nicht, dass damit eine Änderung der Strafzumessungspraxis verbunden wäre.

Die in § 46 Abs. 2 StGB aufgeführte Gesinnung, die aus der Tat spricht, soll als zu berücksichtigender Umstand wegfallen. Da die Begriffe der Gesinnung und der Beweggründe und Ziele des Täters, wie sie ebenfalls in § 46 Abs. 2 StGB normiert sind, ineinander übergehen, dürfte auch diese Änderung nicht allzu viel Auswirkungen auf die Praxis haben.

Rückfall- und Verlaufsstatistik

Der DJT spricht sich für die Einführung einer Rückfall- und Verlaufsstatistik aus, um die Zusammenhänge zwischen Strafe und Rückfallquote zu beleuchten. Dies ist meines Erachtens uneingeschränkt zu begrüßen, zumal die gängigen Straftheorien heute nahezu vollständig widerlegt oder zumindest einiger empirischer Kritik ausgesetzt sind, Gerichte aber trotzdem noch damit argumentieren, um die verhängten Strafen zu rechtfertigen. Voraussetzung ist dann natürlich, dass die Richter*innen sich diese Statistiken auch angucken und daraus die richtigen Schlüsse ziehen. Dabei kann kriminologisches Hintergrundwissen durchaus von Vorteil sein. Die Kriminologie kommt aber im Rahmen der Ausbildung, wenn überhaupt, nur am Rande vor. Da trifft es sich gut, dass der DJT ebenfalls dafür gestimmt hat, das strafrechtliche Sanktionenrecht, insbesondere das Strafzumessungsrecht und die kriminologischen Grundlagen in das Referendariat aufzunehmen.

Absenkung Mindeststrafen

Geht es nach dem DJT sollen die Mindeststrafen für Delikte, bei denen die Gerichte im „Normalfall“ auf minder schwere Fälle zurückgreifen, herabgesenkt werden. Auch dies scheint mir eine gute Korrektur. So kann man beispielsweise den Tatbestand des (besonders) schweren Raubes bei Verwendung von gefährlichen Werkzeugen oder Waffen nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB mit einer Mindeststrafe von 5 Jahren(!) nur als verfehlt bezeichnen, wenn man sich vergegenwärtigt, dass dieses Delikt häufig zumindest mit einem gefährlichen Werkzeug ausgeführt werden und so selbst dem Ersttäter eine fünfjährige Freiheitsstrafe droht, sofern kein minder schwerer Fall angenommen wird.

Regelbeispiele statt unbenannter besonders schwerer Fälle

Unbenannte besonders schwere Fälle sollen nach dem DJT durch Regelbeispiele ersetzt werden. Dies schränkt die Gerichte dahingehend ein, dass sie keine unbenannten besonders schweren Fälle mehr annehmen können. Dies kann man vor dem Hintergrund des strafrechtlichen Bestimmtheitsgebots begrüßen, es stellt sich aber auch die Frage, ob es nicht Fälle gibt, die nicht im Gesetz stehen, aber die Annahme eines besonders schweren Falles rechtfertigen.

Genau das ist ja auch der Grundgedanke von Regelbeispielen. Interessant wäre vor diesem Hintergrund mal eine Statistik, wie oft Gerichte überhaupt unbenannte besonders schwere Fälle annehmen oder bei Vorliegen eines benannten Regelbeispiels davon abweichen. Würde dabei rauskommen, dass die Gerichte von dieser Möglichkeit ohnehin kaum oder keinen Gebrauch machen, wäre das sicherlich ein Argument für die Abschaffung dieser Flexibilität.

Abschaffung der zwingend lebenslangen Freiheitsstrafe beim Mord

Zumindest alle Praktiker dürften sich einig sein, dass die zwingend lebenslange Freiheitsstrafe beim Mord nicht sachgerecht ist. Seit Jahrzehnten wird über die Reform diskutiert. Ob wir die noch erleben, steht in den Sternen…

Abschaffung des § 354 Abs. 1a StPO

Nach dem DJT soll § 354 Abs. 1a StPO, wonach das Revisionsgericht wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen kann, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist, abgeschafft werden, weil Strafzumessung nicht nach Aktenlage erfolgen könne und § 354 Abs. 1a StPO systemfremd sei. Dies stellt nach meiner Meinung eine positive Entwicklung hin zu einem gerechteren Strafzumessungsrecht dar.

Fazit

Ob die Änderungswünsche des DJT von der Politik aufgenommen werden, ist eine andere Frage; es finden sich aber jedenfalls interessante und gute Vorschläge, die zumindest diskussionswürdig sind. Einige andere Vorschläge würden hingegen kaum Auswirkungen auf die strafrechtliche Praxis haben.

Kann jeder

Nachdem mein Mandant in einer Strafsache freigesprochen wurde, geht es vor Gericht nun um die Frage, welche Anwaltskosten angemessen sind. Hier lehnt sich die Vertreterin der Staatskasse wortgewaltig aus dem Fenster, denn sie hält meine Tätigkeit eher für Pipifax:

Um einen Einspruch mit dem Hinweis zu formulieren, dass die falsche Person „Opfer“ des Strafbefehls wurde, bedarf es zumindest nicht eines abgeschlossenen Jurastudiums.

Ich finde das schon fast ein wenig makaber. Wenn man bedenkt, dass ein Staatsanwalt offensichtlich rein gar nichts gepeilt und ein Richter das groteske Ergebnis auch noch mit seiner Unterschrift unter den Strafbefehl abgesegnet hat. Da läge doch umgekehrt die Frage viel näher, für was so ein Jurastudium denn eigentlich gut sein soll bzw. sollte.

So eine Überheblichkeit macht sich gerade im Kontext klaren Behördenversagens, das für meinen Mandanten fast in einer empfindlichen Vorstrafe gemündet wäre, gar nicht gut. Das sieht das Gericht aber immerhin ähnlich, denn meine Gebühren wurden antragsgemäß bewilligt. Dagegen schäumt die Vertreterin der Staatskasse nun mit ihrer Beschwerde an.

Krasser Eigenbedarf

Wenn man Marihuana im Kilobereich besitzt, ist der Vorwurf des Drogenhandels regelmäßig nicht fern. Solche Mengen kann man nämlich kaum selbst aufrauchen, weil das Zeug ja irgendwann auch schlecht wird. Einem Mann ist es aber ausgerechnet in Bayern gelungen, das Strafgericht davon zu überzeugen, dass er riesige Mengen Marihuana nur für sich selbst braucht.

Insgesamt ging es um knapp viereinhalb Kilo Marihuana, die bei dem Mann zu Hause gefunden wurden. Vor Gericht sagte der 59-Jährige, er habe als Schüler mit dem Kiffen angefangen, weil er es nur so im Internat ausgehalten habe. Schnell habe er 15 g pro Tag (rund 500 Gramm im Monat) konsumiert, und das sei bis heute so geblieben. Seit dem 18. Lebensjahr baue er auch selbst an. Er leide unter den Folgen eines Wirbelbruchs, habe aber eine Verschreibung von Cannabis nicht erreichen können. In Deutschland war der Mann bislang nicht aufgefallen. Allerdings hatte er in Griechenland eine zehnjährige Freiheitsstrafe wegen Drogenschmuggels bekommen; vier Jahre musste er absitzen.

Ein medizinischer Sachverständiger sagte vor dem Amtsgericht München, die Haaranalyse des Angeklagten habe die höchsten Werte ergeben, die ihm in seiner weit über 20-jährigen Tätigkeit untergekommen seien. Die Konzentration sei so hoch, dass sie gut zu den Angaben des Angeklagten passen.

Also doch kein Drogenhandel, das eröffnete dem Amtsgericht München die Möglichkeit zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren. Das Gericht hielt dem Angeklagten auch zu Gute, dass er sozial integriert ist. Er vermietet Ferienwohnungen. Aufgeflogen war der Mann übrigens, weil Gäste in seiner Wohnanlage Cannabis-Duft wahrnahmen. Den Gästen soll er gesagt haben, das sei doch gut, dann würden die Kinder besser schlafen.

Mittlerweile will der Mann den Konsum komplett eingestellt haben. Das wies er laut dem Urteil auch durch medizinische Tests nach, was ihm sicher auch wichtige Pluspunkte brachte.

Aus meiner Sicht kann man auch dem Verteidiger des Angeklagten gratulieren, dass die Geschichte offenbar so glaubwürdig rüberkam. Denn selbst wenn sie stimmen sollte, war ja deswegen noch keiner gezwungen, sie auch zu glauben. (Aktenzeichen 1118 Ls 368 Js 139119/18).

Nicht so traurig, bitte

Ich habe einen Mandanten besucht, der in Untersuchungshaft sitzt. Dem Mann wird eine sehr schwere Straftat vorgeworfen. Ihm drohen etliche Jahre Haft. Ich persönlich meine aber nicht, dass an den Vorwürfen viel dran ist. Aber die Staatsanwaltschaft sieht das ganz anders. So wird es ein hartes Stück Arbeit werden, die Anklage zu entkräften.

Der Mandant hätte also allen Grund, den Kopf hängen zu lassen. Stattdessen betrat er mit strahlender Miene den Besuchsraum, in dem ich schon wartete. Seine ersten Worte: „Ich habe Sie schon durch die Scheibe gesehen. Gucken Sie doch nicht so traurig, dafür gibt’s bei dem schönen Wetter doch überhaupt keinen Grund.“

Grundsätzlich hätte das ja eher anders rum laufen sollen. Ich werde künftig etwas besser aufpassen, dass ich mein Lächeln rechtzeitig anknipse…

2 Pizza

Für die Polizei und die Staatsanwaltschaft war der Fall klar. Mein Mandant soll ein Drogendealer sein, und zwar gar nicht von einem kleinen Kaliber. Das alles soll sich aus den WhatsApp-Chats meines Mandanten mit einem anderen Mann ergeben, der wegen Drogenhandels observiert wurde. Angeblich hatte mein Mandant bei dem Betreffenden „2 Pizza“ gekauft…

… wobei „1 Pizza“ laut den Erkenntnissen der Polizei 200 Gramm Marihuana bedeutet. Das sei der einschlägige Code, den die Beamten entschlüsselt haben wollten. Die Sache schien so klar, dass man es gar nicht für nötig hielt, den (mittlerweile inhaftierten) vermeintlichen Geschäftspartner meines Mandanten zu befragen. So ein WhatsApp-Verlauf ist ja auch ein quasi amtliches Ding, das trägt locker einen Verbrechensvorwurf mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr Gefängnis. Demzufolge erfolgte die Anklage auch nicht vor dem Strafrichter, sondern gleich beim Schöffengericht.

In der Hauptverhandlung erlaubte ich mir für meinen Mandanten den Hinweis, dass die Pizza-Connection tatsächlich auf einem wenig soliden Fundament ruht. Sowohl die Polizei als auch der Staatsanwalt hatten bei ihrer Begeisterung für den großen Fang (weit über 50 Beschuldigte) übersehen, dass mein Mandant mit dem Verkäufer zwar mal über Marihuana verhandelt hatte. Von „Pizza“, wie wohl bei anderen Beschuldigten, stand da aber nichts. Vielmehr war in den Chats stets nur von „2 Stück“ die Rede. Der Begriff Pizza taucht schlicht und einfach nirgends auf.

Tja, und so bestätigte dann der im Gericht nun erstmals zu meinem Mandanten befragte Dealer zwar, dass mein Mandant einmal was bei ihm gekauft hat. Aber halt nur zwei Joints, das Stück für zehn Euro. Das wiederum entsprach eigentlich dem Befund der Hausdurchsuchung bei meinem Mandanten. Auf dessen Handy war nämlich überhaupt nichts gefunden worden, das auf eine Verkaufstätigkeit hindeutet. In der Wohnung fanden sich auch nur ein paar Krümel Marihuana auf dem Nachttisch. Also Eigengebrauch.

Binnen zehn Minuten waren wir weg vom Verbrechensvorwurf – und bei einer Einstellung des Verfahrens. Hierfür zahlt mein Mandant gerne eine ganz, ganz kleine Geldauflage, damit der Albtraum nun wirklich ein schnelles Ende hat. Ich für meinen Teil bin noch nicht so ganz darüber hinweg, wie schlampig in diesem Verfahren ermittelt und Anklage erhoben worden ist.

Eine Nacht mehr

Untersuchungshaft ist so ziemlich das Unerfreulichste, was einem im Umgang mit der Justiz passieren kann. Sie kommt meist plötzlich, reißt dich aus deinem Leben und lähmt dich zu so gut wie 100 %.

Dementsprechend erlebe ich als Verteidiger eigentlich nur Leute, die ganz dringend raus wollen. Und zwar sofort, besser noch gestern. Aber es gibt auch halt Ausnahmen – und die ist mir neulich in Norddeutschland begegnet.

Der Verhandlungstag war eigentlich recht erfolgreich verlaufen. Für den Mandanten gab es eine moderate Bewährungsstrafe. Und das Gericht hob auch sogleich den Haftbefehl auf. Der Haftbefehl hatte dem Mandanten einen mehrmonatigen Freiheitsentzug eingebracht.

Der Mandant hatte allerdings eigene Vorstellungen. Er wollte heute noch mal definitiv zurück in die Justizvollzugsanstalt und auf jeden Fall dort schlafen. Äh, bitte? Untersuchungshaft ohne Haftbefehl? Der wie immer bestens vorbereitete Mandant hatte auch gleich den richtigen Paragrafen parat: § 10 des Bremischen Untersuchungshaftgesetzes. Dieser sieht vor, dass dem Gefangenen „aus fürsorgerischen Gründen“ zugestanden werden kann, bis zum übernächsten Tag in der Haftanstalt zu bleiben. Das dürfte juristisch so zu verstehen sein, dass dem Gefangenen dieser Wunsch nicht abgeschlagen werden kann, sofern er ihn äußert.

Was natürlich so gut wie nie vorkommt. Die Richterin musste erst mal im Gesetz blättern, der Staatsanwalt musste erst mal blättern, und die anwesenden Anwälte ehrlich gesagt natürlich auch. Der Mandant ließ sich dann später tatsächlich noch mal von den Wachtmeistern abführen und abends für eine weitere Nacht in seine Zelle sperren. All das, nachdem er einige Formulare eilig herbeigeschaffte Formulare unterschrieben hatte, wonach dies alles sein freier Wille ist. Am nächsten Vormittag ging er dann aber nach Hause, obwohl er eigentlich noch eine Nacht hätte bleiben können.

Auch wenn ich noch paar Jahre bis zur Rente habe, ist nach meinem Gefühl die Wahrscheinlichkeit noch mal mit dem Paragrafen zu tun zu bekommen, doch sehr, sehr gering.

„Antiviraler“ Hustensaft

Ein Hustensaft darf nicht als „antiviral“ beworben werden, wenn die Wirkung bislang nur im Labor nachgewiesen wurde. Vielmehr ist es erforderlich, dass die positiven Wirkungen auch am Menschen belegt wurden, so das Landgericht Frankfurt am Main in einer aktuellen Entscheidung.

Der Hersteller hatte in seiner Werbung auf die „antivirale“ Wirkung hingewiesen und auch dazu geschrieben, der Hustensaft zeige diese Eigenschaften „im Labor“. In-vitro-Untersuchungen reichen aber nach Meinung des Gerichts nicht aus. Vielmehr müsse der Hersteller die Wirksamkeit zunächst am Menschen positiv belegen, wenn er mit den positiven Eigenschaften werben will. Positive klinische Tests konnte der Hersteller aber nicht vorlegen (Aktenzeichen 3-10 O 22/18).