Kein Erfolg für Edathys Beschwerde

Der frühere Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy ist meinen seinen Verfassungsbeschwerden gescheitert. Er hatte unter anderem gerügt, dass er am Tag einer richterlich angeordneten Hausdurchsuchung noch Bundestagsabgeordneter war. Seine Immunität hätte also aufgehoben werden müssen, was die Staatsanwaltschaft aber nicht beantragt hatte. Außerdem machte Edathy geltend, der erforderliche Anfangsverdacht habe in seinem Fall gar nicht vorgelegen.

Ganz „erfolglos“ ist Edathy allerdings nicht. Das Bundesverfassungsgericht stellt nämlich fest, dass seine Rechte als Bundestagsabgeordneter verletzt wurden. Formal sei Edathy erst mit Ablauf des 10. Februar 2014 wirksam aus dem Bundestag ausgeschieden ist. An dem Tag wurde aber bereits bei ihm durchsucht.

Das Verfassungsgericht betont, es spiele keine Rolle, ob Edathy seinen Mandatsverzicht bereits früher erklärt und über soziale Medien bekanntgegeben habe. Maßgeblicher Zeitpunkt sei die Bestätigung des Mandatsverzichts durch den Bundestagspräsidenten. Dieser sei erst am 10. Februar erfolgt. Maßgeblich sei nur dieser formale Akt, schon aus Gründen der Rechtssicherheit.

Allerdings stuft das Verfassungsgericht die Beschwerde in diesem Punkt als unzulässig ein. Edathy, so heißt es, müsse die Verletzung seiner Rechte erst im gegen ihn laufenden Verfahren rügen. Erst nach Abschluss des Prozesses sei der Rechtsweg nach Karlsruhe eröffnet.

Die Gerichte hätten bei Edathy auch zu Recht einen Anfangsverdacht bejaht, heißt es in der Entscheidung. Edathy hatte gerügt, er habe ausschließlich legales Material bezogen. Daraus dürfe nicht auf strafbares Verhalten geschlossen werden.

Das Verfassungsgericht interpretiert die angegriffene Entscheidung des Landgerichts Hannover anders. Die Richter hätten das Material als strafrechtlich relevant eingestuft. Das ergebe sich inbesondere aus der Formulierung des Landgerichts, es bestehe Grund zu der Annahme, Edathy habe sich Kinderpornografie „auch“ aus anderen Quellen besorgt.

Weit über den Einzelfall hinaus wirken wird aber eine weitere Anmerkung des Verfassungsgerichts. Sie betrifft die Frage, inwieweit „kriminalistische Erfahrung“ einen Verdacht stützen kann. Wörtlich heißt es in dem Beschluss:

Ohne die Reichweite des durch Art. 13 GG gewährleisteten Schutzes zu verkennen, ist das Gericht zudem von dem kriminalistischen Erfahrungssatz ausgegangen, dass die Grenze zur strafbaren Kinderpornografie bei dem Bezug solcher als strafrechtlich relevant einschätzbarer Medien über das Internet – jedenfalls bei Anbietern, die auch eindeutig strafbares Material liefern – nicht zielsicher eingehalten werden kann und regelmäßig auch überschritten wird.

Über diesen Satz werden sich Ermittler bundesweit freuen. Denn er ist auch auf andere Rechtsgebiete übertragbar und stärkt ihnen den Rücken. Nämlich dabei, fehlende Tatsachen durch Spekulation aufzuwiegen.

Zum Wohl der Allgemeinheit

Mit Enteignungen hat die Landesregierung Nordrhein-Westfalen die Kohlenstoffmonoxid-Pipeline zwischen Dormagen und Krefeld-Uerdingen durchgesetzt. Nun steht das entsprechende Gesetz auf der Kippe. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen bezweifelt, dass die Enteignungen verfassungsgemäß sind.

Dreh- und Angelpunkt ist die Frage, ob die Pipeline dem „Wohl der Allgemeinheit“ dient. Nur unter dieser Voraussetzung lässt das Grundgesetz Enteignungen zu. Der Landtag Nordrhein-Westfalen hat dies in dem Gesetz bejaht – obwohl die Pipeline aufgrund ihres sehr speziellen Zwecks eigentlich nur vom Chemieriesen Bayer genutzt werden kann.

Zwar steht unter anderem auch in dem Gesetz, mit der Pipeline sollten die Industrie in Nordrhein-Westfalen gestärkt und Arbeitsplätze erhalten werden. In dieser Allgemeinheit könnte das aber nicht ausreichen, um die Grundrechte der Betroffenen einzuschränken, meint das Oberverwaltungsgericht. Es legt das Verfahren nun dem Bundesverfassungsgericht zur weiteren Entscheidung vor.

Die Pipeline selbst ist bereits weitgehend fertiggestellt, aber noch nicht in Betrieb (Aktenzeichen 20 A 1923/11).

Die Tricks der Mobilfunker

An sich ging es nur um einen kleinen Betrag, aber geärgert habe ich mich trotzdem. 5,95 Euro zog mir eine Mobilfunkfirma ab, als ich das Guthaben einer Prepaidkarte auflösen wollte. Dabei sind solche Klauseln eigentlich unzulässig.

Ich habe meinen Ärger kanalisiert und für meine aktuelle Kolumne auf der Webseite der ARAG mal – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – die aktuellen Vertragstricks der Telefonanbieter aufgeschrieben. Und natürlich, wie man sich gegebenenfalls wehren kann.

Zum Beitrag.

Vermieter darf Wohnung nicht fotografieren

Mieter müssen es nicht akzeptieren, dass der Vermieter ihre Wohnung für Immobilienanzeigen fotografiert. Das Amtsgericht Steinfurt wies die entsprechende Klage einer Vermieterin ab.

Die Vermieterin wollte die Wohnung online in Immobilienportalen anbieten. Hierzu, so ihre Argumentation, benötige sie aussagekräftige Fotos der Mieträume – ansonsten sei das Objekt praktisch nicht zu vermieten. Da der Mieter sich weigerte, musste das Gericht entscheiden.

Die Vermieterin hat laut dem Urteil zwar ein berechtigtes Interesse daran, Bilder von der Wohnung zu machen. Demgegenüber stünden aber die Persönlichkeitsrechte des Mieters. Dieser könne sich auf den Schutz seiner Privatsphäre berufen. Bei einer Abwägung, so das Gericht, habe die Privatsphäre Vorrang (Aktenzeichen 21 C 987/13).

Widerrufsbelehrung: Alles muss rein

Eine Widerrufsbelehrung für Verbraucher muss neben der Postadresse auch eine Telefonnummer, eine E-Mail-Adresse und eine Faxnummer enthalten. Zumindest nach Auffassung des Landgerichts Bochum, das in einem Wettbewerbsprozess Anfang August so entschieden hat.

Zwar steht im Gesetz nicht ausdrücklich, dass Telefon, E-Mail-Adresse und Faxnummer genannt werden müssen. Allerdings sieht die amtliche Musterwiderrufsbelehrung diese Angaben zumindest vor. Das Landgericht zitiert aus der Regelung, wonach folgende Angaben in den Text eingefügt werden sollen: Name, Anschrift und – „soweit verfügbar“ – Telefonnummer, Telefaxnummer und E-Mail-Adresse.

Dem entnimmt das Landgericht Bochum, dass sämtliche Angaben Pflicht sind – jedenfalls sofern die betreffende Firma einen Faxanschluss und eine E-Mail-Adresse hat. Dem Gesetzgeber sei es darum gegangen, dem Verbraucher einen Widerruf möglichst einfach zu machen. Dementsprechend sei es auch erforderlich, dass in der Widerrufsbelehrung die verschiedenen Kontaktmöglichkeiten aufgezählt werden.

Für Verbraucher kann das Urteil wichtig sein, wenn sie auch nach Ablauf des Widerrufsrechts aus ihrem Vertrag raus wollen. Fehlt auch nur eine notwendige Angabe, ist die Widerrufsbelehrung möglicherweise unwirksam. Mit der Folge, dass sich die Widerrufsfrist drastisch verlängert (Aktenzeichen I-13 O 102/14).

Erst mal kein Knast für Urmann

Der Regensburger Abmahnanwalt Thomas Urmann hat vor Gericht ein umfassendes Geständnis abgelegt. In dem Verfahren vor dem Amtsgericht Augsburg geht es um Insolvenzvergehen, die Urmann als früherer Betreiber einer Wurstfabrik begangen haben soll. Im Gegenzug kann Urmann nun darauf hoffen, dass eine Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird.

Zwischen 20 und 24 Monaten soll das ausgehandelte Strafmaß liegen, berichtet regensburg-digital. Außerdem werde die Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Für Urmanns Anwaltskarriere könnte es dennoch knapp werden. Bei so einer Strafe muss die zuständige Anwaltskammer entscheiden, ob Urmann seine Zulassung behält. Bei Anwälten gibt es zwar keine starren Grenzen, aber Richter müssen zum Beispiel schon bei einer Verurteilung ab einem Jahr den Dienst quittieren.

Urmann wird vorgeworfen, trotz Überschuldung weiter Aufträge für die Wurstfabrik erteilt zu haben. Außerdem geht es um nicht abgeführte Sozialabgaben. Den Gesamtschaden beziffert die Staatsanwaltschaft mit 390.000 Euro. Andere mögliche Straftaten Urmanns, etwa seine Rolle bei den Redtube-Abmahnungen, sind in dem Augsburger Prozess noch kein Thema.

Beifahrer dürfen arglos sein

Wer als Beifahrer in einem Auto unterwegs ist, muss nicht auf die Verkehrsschilder achten. Eine Binsenweisheit. Was ist aber, wenn der Beifahrer ans Steuer wechselt? Diese Frage musste das Oberlandesgericht Hamm nun entscheiden.

Ein Mann hatte sich auf einem Parkplatz an einer Landstraße ans Steuer gesetzt. Bis dahin war seine Frau gefahren, doch diese wollte jetzt das hinten sitzende Kind beruhigen. Nach der Weiterfahrt überholte der Mann im Überholverbot und sollte dafür 87,50 Euro Bußgeld zahlen. Doch so einfach ist das nicht.

Grundsätzlich, so das Gericht, muss ein Beifahrer Verkehrsschilder nicht zur Kenntnis nehmen. Ebenso wenig ist er verpflichtet, sich beim bisherigen Fahrer zu erkundigen, welche Verkehrsschilder dieser gesehen hat. Genau dies hatte das Amtsgericht von dem Mann aber verlangt.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts kommt es darauf an, ob der Autofahrer von dem Überholverbot wissen musste. Entweder, weil er die Strecke öfter fährt. Oder weil die Strecke tatsächlich so beschaffen ist, dass sich ein Überholverbot aufdrängte.

Die Entscheidung aus Hamm könnte größere Bedeutung erlangen, als man vielleicht zuerst vermutet. Ähnliche Fragen stellen sich ja auch beim Carsharing (Aktenzeichnen 1 RBs 89/14).

8.130 Zugriffsberechtigungen

Tausende bayerische Beamte hatten Zugriff auf die elektronische Steuerakte von Uli Hoeneß. Die weitaus meisten davon konnten dies ohne jede Kontrolle tun. Nur bei 462 Mitarbeitern beziehungsweise Dienststellen seien Zugriffe überhaupt protokolliert worden, berichtet die Süddeutsche Zeitung. Die anderen 2.487 Beschäftigten oder Dienststellen hätten ohne jede Kontrolle die Steuerunterlagen von Hoeneß ausdrucken können.

Insgesamt habe es für Hoeneß’s Steuerakte 8.130 Zugriffsberechtigungen gegeben, wovon auf etliche Mitarbeiter mehrere solche Berechtigungen entfielen. Angesichts dieser großen Zahl sah die Staatsanwaltschaft München wohl keine Möglichkeit zu ermitteln, wer genau Steuerunterlagen von Hoeneß an den stern weitergegeben haben könnte. Sie stellte das Verfahren deshalb ein.

Abzuwarten bleibt, welche Konsequenzen die bayerischen Steuerbehörden ziehen. Immerhin soll sich im Rahmen der Ermittlungen auch herausgestellt haben, dass seit März 2013 gar keine Zugriffe mehr protokolliert wurden. Schuld sei ein „Programmfehler“.

„Eindeutig verspätet“

Wir hatten Neuigkeiten für das Gericht und für den Prozessgegner. In einem anderen Verfahren, in dem es aber um die gleichen Sachverhalte und Rechtsfragen geht, hatte das Gericht unserem Mandanten recht gegeben. Wir leiteten also noch am Tag, an dem das erfreuliche Urteil bekanntgegeben wurde, diese Information an das andere Gericht weiter. Immerhin war dort ja schon in einigen Tagen Verhandlungstermin.

Sehr interessant fiel die Reaktion des gegnerischen Anwalts aus. In einem Schriftsatz ans Gericht schrie er Zeter und Mordio. Begründung: Unser Sachvortrag sei „eindeutig verspätet“. Es sei mehr als unverschämt, so kurz vor der Verhandlung noch „neue Tatsachen“ zu präsentieren. Das Gericht müsse deshalb die Information über den Parallelprozess „streng zurückweisen“.

So eine Argumentation könnte ich nachvollziehen, wenn wir wichtige Informationen ohne sachlichen Grund monatelang zurückgehalten hätten. Hier handelt es sich bei der Urteilsverkündung aber einfach um ein Ereignis, das sich nun mal erst kurz vor dem Verhandlungstermin zugetragen hat. Wieso man das nicht noch mitteilen dürfen sollte, ergibt sich jedenfalls nicht aus der Zivilprozessordnung.

So ähnlich sieht es übrigens auch der zuständige Richter. Er ließ uns einen Beschluss zukommen, wonach er die gesamte Verfahrensakte aus dem Parallelprozess angefordert hat. Also wenn das bei dem impulsiven Anwaltskollegen nicht wenigstens einen Befangenheitsantrag triggert, dann weiß ich auch nicht mehr.

Chefs müssen Anwälte ertragen

Einem Arbeitnehmer darf nicht gekündigt werden, weil er bei Problemen am Arbeitsplatz einen Rechtsanwalt beauftragt. Das gilt nach einer Entscheidung des Arbeitsgerichts Dortmund auch während der Probezeit.

Eine Servicemitarbeiterin hatte eine befristete Stelle angetreten. Bedingung war, dass sie einen seit langer Zeit gebuchten Urlaub genehmigt bekommt. Daran wollte sich der Arbeitgeber dann aber nicht halten. Die Mitarbeiterin schaltete wegen der knappen Zeit einen Anwalt ein, welcher der Firma eine Frist setzte, um den Urlaub noch zu genehmigen.

Der Arbeitgeber wollte sich nicht damit abfinden, dass die Mitarbeiterin einen Anwalt beauftragt hatte. Nach seiner Meinung hätte es die Frau erst weiter auf dem Dienstweg versuchen müssen. Das sah das Arbeitsgericht Dortmund anders. Das „Maßregelverbot“ im Arbeitsrecht untersage es, einen Arbeitnehmer dafür zu bestrafen, dass er seine Rechte wahrnimmt. Dazu gehöre im Streitfall auch die Möglichkeit, dass er sich rechtlich beraten und vertreten lässt.

Das Maßregelverbot gilt laut dem Arbeitsgericht auch während der Probezeit, obwohl der Arbeitgeber in der Probezeit an sich gar keine Kündigungsgründe braucht. Hätte die Firma zu den Kündigungsgründen geschwiegen, wäre der Prozess wahrscheinlich anders ausgegangen.

Link zum Urteil

Immer im Dienst

Staatsanwälte sind immer im Dienst. Diese schmerzliche Erfahrung machten jetzt zwei Männer, die auf Facebook Diebesgut an den Mann bringen wollten.

Es ging um Biermarken im Wert von 12.000 Euro. Die Marken waren vor der Maidult, einem Paussauer Volksfest, aus einem Tresor gestohlen worden. Pünktlich zur Herbstdult, die vom 5. bis 14. September stattfindet, suchten die Verdächtigen auf Facebook nun nach Käufern für die Biermarken.

Zugegriffen hat nach Angaben der Passauer Polizei eine Staatsanwältin, die privat auf Facebook unterwegs war. Sie schickte den Dieben aber kein Geld, sondern die Fahnder ins Haus. Bei der Hausdurchsuchung wurden die Wertmarken sichergstellt.

Bericht in der Passauer Neuen Presse

Der Rest vom Fest

Wer angetrunken Fahrrad fährt, geht ein beträchtliches Risiko ein. Dies zeigt eine aktuelle Entscheidung des Verwaltungsgerichts Neustadt a.d. Weinstraße.

Ein Mann war von einem Fest im Nachbarort nach Hause geradelt. Bei einer Alkoholkontrolle stellte die Polizei 1,73 Promille fest. Die Führerscheinbehörde verlangte von dem Betroffenen ein medizinisch-psychologisches Gutachten. Da er dieses Gutachten nicht vorlegte, entzog ihm das Amt den Autoführerschein Klasse 3.

So eine Maßnahme sei verhältnismäßig, meint das Verwaltungsgericht. Auch wenn der Betroffene „nur“ Fahrrad gefahren sei, sprächen 1,73 Promille für eine starke Alkoholgewöhnung. Es sei deshalb auch zu befürchten, dass der Mann angetrunken Auto fährt.

Doch damit nicht genug. Der Mann kann jetzt nicht mal mehr aufs Fahrrad ausweichen. Denn ihm wurde auch gleich dazu verboten, mit dem Fahrrad zu fahren. Auch dies hält das Verwaltungsgericht für zulässig. Denn auch auf einem Fahrrad gehe von dem Mann eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer aus.

Das war’s aber noch nicht. Schon vorher hatte das Amtsgericht den Radfahrer wegen Trunkenheit im Straßenverkehr zu einer Geldstrafe von 1.000 Euro verurteilt (Aktenzeichen 636/14.NW).