Doppelte Scheidung geht nicht

Kann ein Gericht im Libanon einem deutschen Familienrichter Konkurrenz machen? Daran wollte ein Herner Gerichtsvorsitzender wohl nicht so recht glauben, als er im letzten Jahr eine Ehe schied. Es ging eine libanesische Frau und ihren ebenfalls libanesischen Ehemann. Beide hatten im Libanon vor einem sunnitischen Scharia-Gericht geheiratet und waren dann nach Deutschland gezogen.

Vor ihrem Scheidungsantrag in Herne klagte die Frau auch vor dem Scharia-Gericht in der libanesischen Stadt Jiyeh. Dort verlangte sie ebenfalls die Ehescheidung. Außerdem verlangte sie eine Abendgabe, also nachehelichen Unterhalt. Bei ihrer Anhörung vor dem Familiengericht erklärte sie auch zu Protokoll, dass sie im Libanon ebenfalls geklagt hat. Der Herner Richter sprach trotzdem die Scheidung aus.

Zu Unrecht, entschied jetzt das Oberlandesgericht Hamm. Durch den zeitlich früheren Scheidungsantrag im Libanon sei die Sache dort rechtshängig geworden. Eine doppelte Rechtshängigkeit verbiete aber das deutsche Recht. Deshalb sei ein Scheidungsverfahren in Deutschland nicht möglich. Jedenfalls nicht, so lange die Scheidung im Libanon läuft (Aktenzeichen 3 UF 106/16).

Ohne Hausordnung geht es nicht

Ein Mehrparteienhaus ohne Hausordnung? Wo kommen wir denn da hin? Das dachte sich ein Wohnungseigentümer aus Berlin. Er wehrte sich vor Gericht dagegen, dass die Mehrheit der Eigentümer mit einer sehr kompakten Form der Hausordnung zufrieden war. In der gültigen Hausordnung, auf einer Versammlung beschlossen, hieß es: „In der Hausordnung steht, dass die gesetzlichen Regeln gelten.“

Der Eigentümer hätte es lieber gehabt, wenn die Gemeinschaft seinen Entwurf einer Hausordnung verabschiedete. Er wollte die üblichen Punkte geregelt sehen. Dazu gehören Vorschriften zu Tierhaltung, Ruhezeiten, Kellernutzung etc.

Vor Gericht erstritt der Mann einen Anfangserfolg. Eine Hausordnung aus einem Satz ist keine wirksame Hausordnung, entschied das Amtsgericht Berlin Charlottenburg. Vielmehr ergebe sich aus dem Wohnungseigentumsgesetz, dass eine auf die Gegebenheiten in der Wohnanlage zugeschnittene Hausordnung erforderlich ist. Eine Hausordnung müsse aufgestellt werden, sofern nur ein Eigentümer dies verlangt. Alleine der Verweis auf die gesetzlichen Regeln reiche nicht aus.

Beachten sollte man aber, dass in dem Fall auch die Teilungsanordnung ausdrücklich eine Hausordnung vorsah. Die Teilungserklärung ist sozusagen das „Grundgesetz“ einer Eigentümergemeinschaft. Somit gibt es auch eine ausdrückliche privatrechtliche Grundlage, welche die Eigentümergemeinschaft zur Aufstellung einer Hausordnung verpflichtet.

Das Gericht betont allerdings auch, dass die Wohnungseigentümer jetzt nicht unbedingt den Entwurf des Mannes umsetzen müssen. Vielmehr reiche es aus, wenn eine Hausordnung den „goldenen Regeln“ für Wohnungseigentum gerecht wird und somit die Basics für das Zusammenleben regelt (Aktenzeichen 73 C 33/16).

Fünf Richter, keiner hat was gemerkt

Zum meinem gestrigen Beitrag über einen aktuellen Beschluss des 1. Strafsenats am Bundesgerichtshof gibt es heute noch ein kleines Follow-Up.

Es zeigt, dass auch die geballte Kompetenz der höchsten Strafrichter nicht vor simplen Fehlern schützt. Ich rede von Fehlern, die sich ganz einfach dadurch vermeiden lassen, indem man den betreffenden Paragrafen bis zum Ende liest. Und sich vielleicht auch noch die umliegenden Vorschriften anschaut.

So schreibt der 1. Strafsenat in seinem Beschluss (Randziffer 9):

Eine Regelung für minder schwere Fälle sieht § 244 StGB nicht vor.

Dabei heißt es in § 244 Absatz 3 StGB:

In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

Eine mögliche Erklärung: Über viele Jahre gab es in der Tat keinen minder schweren Fall des § 244 StGB. Dieser minder schwere Fall ist erst durch eine Gesetzesnovelle (wieder) eingefügt worden (und jetzt soll er wieder abgeschafft werden). Die derzeitige Gesetzesfassung mit dem minder schweren Fall gilt allerdings auch schon einige Zeit. Seit dem 5. November 2011.

Wie auch immer, unter dem Text stehen die Unterschriften von fünf Richtern. Offenbar hat keiner was gemerkt. Wir dürfen jetzt gespannt sein, ob der Text in dieser Form Bestand hat. Der Beschluss ist nämlich zur Veröffentlichung in der gedruckten Ausgabe der BGH-Entscheidungen vorgesehen und damit sozusagen für die Ewigkeit gedacht.

Breaking News für Diebe und Studenten

Diebe und Jurastudenten sollten jetzt aufpassen. Gleichermaßen. Der Bundesgerichtshof hat nämlich eine Entscheidung getroffen, die für beide Berufsgruppen von erheblicher Relevanz ist. Es geht um die Frage, ob man aus Wohnmobilen oder Wohnwagen nur was klauen kann. Oder ob man in ein Wohnmobil auch „einbrechen“ kann, ebenso wie in ein Haus oder eine Wohnung.

Normaler Diebstahl kann noch mit Geldstrafe geahndet werden; ebenso wie die bei Autos oft damit einhergehende Sachbeschädigung. Beim Wohnungseinbruch gilt aber eine Mindeststrafe von sechs Monaten. Die Frage, wie ein Wohnmobil oder ein Wohnwagen rechtlich einzuordnen sind, hat deshalb ziemlich gravierende Auswirkungen.

In dem aktuellen Beschluss wird die Frage erstmals höchstrichterlich beantwortet:

Wohnmobile und Wohnwagen sind somit jedenfalls dann, wenn sie Menschen zumindest vorübergehend zur Unterkunft dienen, Wohnung im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB. Für die vorübergehende Nutzung als Wohnung genügt die Übernachtung auf einem Autobahnparkplatz. … Ausreichend hierfür ist, wenn die Übernachtung im Wohnmobil oder Wohnwagen im Rahmen einer Urlaubsreise stattfindet. Nicht erforderlich ist, dass die bewegliche Unterkunft dauerhaft genutzt wird.

Für die Strafbarkeit kommt es künftig also darauf an, ob das Wohnmobil oder der Wohnwagen aktuell als „Wohnung“ genutzt wird. Dazu muss man dann als Richter feststellen (oder als Anwalt widerlegen), ob die Besitzer nachts drin schlafen. Oder halt nicht. Auf einer Überführungsfahrt, bei einer Besorgungsfahrt wäre das Wohnmobil also keine Wohnung. Ebenso wenit, wenn der Besitzer damit zur Arbeit fährt. Wenn der Besitzer nachts mal lieber im Wohnmobil schläft und nicht in seiner Wohnung, obwohl das Wohnmobil zu Hause steht, dann wäre auch ein Einbruchsdiebstahl möglich. Schlummert der Besitzer aber in seinem Bett im Haus, dann nicht. Was ist dann mit einem Nickerchen?

Man sieht, spätesten jetzt kommen die Jurastudenten ins Spiel. Die Entscheidung lädt ein zu etlichen Fall-Variationen, mit denen sich locker ganze Klausuren abdecken lassen. Umgekehrt ist es geradezu spaßig (oder sehr ernst für Kriminelle), wie plötzlich die aktuelle Nutzung eines Fahrzeuges zu einer erheblichen Strafschärfung führen kann. Obwohl diese Nutzung in vielen Fällen für den Täter ja gar nicht erkennbar ist.

Interessant wird das Ganze auch noch dadurch, dass der Bundesgerichtshof ausdrücklich sagt: Schlafplätze kennzeichnen eine Wohnung, müssen aber nicht notwendig Merkmal sein. Wir dürfen also gespannt sein, wann das erste Auto als „Wohnung“ durchgeht. Der Bundesjustizminister könnte sich dann glatt seine routinemäßigen Gesetzesverschärfungen auf diesem Gebiet sparen (Aktenzeichen 1 StR 462/16).

Fromme Wünsche

Ein Mandant benutzt folgenden Footer in seinem Mails:

Lieber Bundesnachrichtendienst, liebes Bundesamt für Verfassungsschutz und amerikanische Partner NSA & CIA,
hört bitte endlich damit auf unsere E-Mails mitzulesen und sucht Euch eine vernünftige und ehrliche Arbeit :)

Menschen erster Klasse, Menschen zweiter Klasse

Es ist schon interessant. Auf der einen Seite tönt der Justizminister auf Twitter, der Paragraf über die Majestätsbeleidigung – einem größeren Publikum und den weitaus meisten Juristen erstmals bekannt dank der Causa Erdogan/Böhmermann – sei „veraltet und überflüssig“. Staatsoberhäupter, so meint Heiko Maas damit, hätten keinen Anspruch auf juristische Vorzugsbehandlung.

Seltsamerweise gilt das aber nicht für einen parallel laufenden Gesetzgebungsprozess. Dort geht es es um Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungskräfte. Dieser Personengruppe soll künftig eine Vorzugsbehandlung zu Gute kommen. Die Regierung plant unter Federführung des Justizministers nämlich diverse Änderungen. Neu eingeführt werden soll die Strafbarkeit eines „tätlichen Angriffs“ auf Vollstreckungsbeamte und gleichgestellte Personen. Und hier rappelt es im Karton: Wer nach dem geplanten Recht einen Vollstreckungsbeamten tätlich angreift, soll künftig viel, viel härter bestraft werden als derjenige, der einen „normalen“ Mitbürger attackiert.

Der Deutsche Anwalt Verein erklärt in einer lesenswerten Stellungnahme, warum für so ein Sonderrecht überhaupt keine Notwendigkeit besteht. Einfach schon deswegen, weil die existierenden Regeln über die Körperverletzung ausreichen, um Tätlichkeiten gegen Polizisten und Rettungskräfte angemessen zu ahnden.

Außerdem ist es schon heute problematisch genug, wie bereits Widerstandsdelikte oft erfolgreich dazu genutzt werden, strukturelle Gewalt durch Polizeibeamte einer wirksamen Kontrolle zu entziehen, indem auf jede Anzeige wegen Polizeigewalt eine Gegenanzeige wegen Widerstands folgt. Oder der angebliche Widerstand schon prophylaktisch angezeigt wird, um jeder Beschuldigung wegen Polizeiwillkür den Wind aus den Segeln zu nehmen. Mit einem ganz neuen Körperverletzungstatbestand, der nur für Polizisten & Co. gilt, würde es noch leichter, eigenes Fehlverhalten zu kaschieren.

Im Ergebnis ist es schon fast makaber, wie auf der einen Seite wohltönend die rechtsstaatliche Moderne gepriesen wird. Bei einem Paragrafen wie der Majestätsbeleidigung, der praktisch keine Relevanz hat. Währenddessen wird auf der anderen Seite die juristische Zwei-Klassen-Gesellschaft ohne Skrupel (wieder) eingeführt. Ich fürchte, der offene Widerspruch ihres Handelns ist den Verantwortlichen noch nicht einmal bewusst.

Ortsnähe vorgetäuscht

„Verbraucher müssen sich darauf verlassen können, dass eine Rufnummer im eigenen Vorwahlbereich zu einem am Ort ansässigen Unternehmen führt.“ Sagt Jochen Homann, Chef der Bundesnetzagentur. Und seine Behörde handelt auch. Sie schaltete jetzt einer Entrümpelungsfirma 5.100 Rufnummern ab, weil die Firma in den betreffenden Vorwahlbereichen überhaupt keine Niederlassung hat.

Die Firma hatte bundesweit mit Ortsnetzrufnummern geworben, obwohl sie am Ort gar nicht vertreten ist. Die Verwendung der Ortsnetzrufnummer wäre nach Auffassung der Bundesnetzagentur nur zulässig, wenn das Unternehmen klar darauf hinweist, dass eine Rufumleitung erfolgt. Die Bundesnetzagentur wertet den fehlenden Hinweis als Wettbewerbsverstoß.

Vor kurzem hat die Bundesnetzagentur knapp 300 Rufnummern einer Rohr- und Kanalreinigungsfirma abgeschaltet.

Finanzmakler kriegt kein Geld zurück vom Kunden

Für Finanzvermittler und Versicherungsmakler sind die Zeiten hart. Da muss man sehen, wo man bleibt. Dachte sich wohl auch ein Makler aus Dresden. Er wurde juristisch kreativ und verlangte über seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen entgangene Provisionen zurück, sofern der Kunde später seinen Versicherungs- oder Rentenvertrag nachträglich auf niedrigere Beiträge umstellt.

Ein Mann hatte eine fondsgebundene Lebensversicherung sowie einen Riester-Sparplan abgeschlossen. Der Makler erhielt hierfür natürlich Provision. Diese Provision bemisst sich regelmäßig am Ablaufwert der Versicherung. Der Kunde reduzierte aber später erlaubterweise seine Beiträge für die Anlagen. Das wiederum bekam der Makler zu spüren, dessen Provision die Versicherung nachträglich kürzte. Den Betrag von 2.300 verlangte der Makler wiederum vom Kunden. Er berief sich auf seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg klagte gegen diese Praxis. Sie bekam nun vom Landgericht Leipzig recht. Kleingedrucktes könne nicht das geltende Maklerrecht außer Kraft setzen, befinden die Richter. Nach den gesetzlichen Vorschriften sei in solchen Fällen ein Rückgriff auf den Kunden ausgeschlossen. Die Verbraucherschützer fanden in den Bedingungen der Firma noch elf weitere unwirksame Klauseln, die das Gericht bei dieser Gelegenheit gleich mit untersagte (Aktenzeichen 08 O 321/16).

Die Vollmacht, bitte

Muss ein Anwalt eine schriftliche Vollmacht vorlegen, wenn er seinen Mandanten verteidigen will? Die Antwort darauf ist einfach: nein.

An dieser Rechtslage ändert es auch nichts, wenn Staatsanwälte und Amtsgerichte auch heute noch mitunter penentrant auf die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht pochen. Bei einer Nachfrage hört man dann oft, das haben wir schon immer so gemacht, wo kommen wir denn hin.

Gut, könnte man sagen, ist für einen Anwalt doch nicht schwer, seine Vollmacht auch schriftlich nachzuweisen. Immerhin wird der Mandant ja eine unterschrieben haben. Doch so einfach ist die Sache nicht. Wenn man als Verteidiger eine schriftliche Vollmacht einreicht, sind daran auch Rechtsfolgen geknüpft. Diese sind für den Mandanten nur nachteilig.

Ist eine schriftliche Vollmacht zur Akte gereicht, darf das Gericht zum Beispiel dem Anwalt Briefe zustellen, die es sonst dem Angeklagten schicken müsste. Etwa eine Ladung. An dem Anwalt klebt dann sozusagen die Verantwortung dafür, dass der Mandant auch von dem Schreiben erfährt. Gerade bei Ladungen kann das zu sehr unerfreulichen Situationen führen.

Über eine Problematik, auf die man nicht gleich kommt, berichtet Rechtsanwalt Thomas Will in seinem Blog. Da hat ein Verteidiger die unterschriebene Vollmacht eingereicht. Seinem Mandanten, der wegen Kreditbetruges angeklagt war, hat er damit keinen Gefallen getan.

Das Gericht beauftragte einen Schriftsachverständigen. Dieser sollte prüfen, ob die Unterschrift auf dem Kreditvertrag vom Angeklagten stammt. Das konnte der Sachverständige mit einem Vergleichsschriftstück erledigen: der vom Mandanten unterschriebenen Vollmacht.

Kein Wunder, dass der Angeklagte nach dieser Erfahrung den Anwalt gewechselt hat.

Anreise mit dem Personenkraftwagen

Das Landgericht Wuppertal erklärt auf seiner Webseite, wie man zum Gericht kommt. Überschrift:

Anreise mit dem Personenkraftwagen

Zweifellos: Personenkraftwagen ist ein superkorrekter Begriff. Juristisch. Trotzdem schaltet mein Gehirn da auf Schwarz-Weiß-Bilder um, und ich sehe Konrad Adenauers Dienstpersonenkraftwagenkolonne eine Allee entlangbrausen. Leichte Sprache ist das jedenfalls nicht, zumal auf einer Serviceseite.

Segway-Fahrer müssen nüchtern sein

Als Alternative zu Fahrrad und Moped kriegt man Segways immer öfter zu Gesicht. Es gibt Erlebnistouren mit Segways, Stadtführungen, Weintouren und sogar Polo-Turniere. Für Junggesellenabschiede, sonstige feuchtfröhliche Veranstaltungen und den anschließenden Nachhauseweg eignet sich der Segway aber nur bedingt. Denn wer besoffen oder bekifft einen Segway fährt, riskiert seinen Führerschein.

Diese Erfahrung machte ein Mann in Hamburg. Er war per Segway auf dem Bürgersteig gefahren und wurde von der Polizei angehalten. Die Blutprobe ergab mindestens 1,5 Promille. Für das Oberlandesgericht Hamburg stellte sich die Frage, wie der Segway rechtlich einzuordnen ist. Als Fahrzeug? Oder als Nichtfahrzeug, wie etwa Rodelschlitten, Kinderwagen, Tretroller und Skateboards?

Die Richter kamen zu einem klaren Ergebnis: Der Segway ist ein Fahrzeug. Deshalb gilt für Segway-Lenker ein Alkohol- und Drogenverbot am Steuer (§ 316 StGB). Außerdem billigen die Richter für den Segway auch die Grenze von 1,1 Promille, ab der Fahruntüchtigkeit immer vermutet wird. Für den Betroffenen bedeutet das eine Geldstrafe und Führerscheinentzug. Und dieser Entzug ist nicht etwa auf Segways beschränkt. Der Mann darf auch nicht mehr Auto fahren (Aktenzeichen 1 Rev 76/16).

Detlef Burhoff zum gleichen Thema

Kameras in der eigenen Wohnung – nicht ohne Risiko

Wer sich in seiner eigenen Wohnung aufhält und innerhalb der Wohnung filmt, kann sich dennoch wegen „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen“ (§ 201a StGB) strafbar machen. Das hat der Bundesgerichtshof im Fall eines Vertrauenslehrers entschieden. Der Lehrer hatte einvernehmlichen Sex mit zwei 15 und 16 Jahre alten Schülerinnen. Die sexuellen Kontakte filmte er teilweise, ohne dass die Schülerinnen dies wussten.

Der Lehrer wehrte sich gegen die Verurteilung nach § 201a StGB mit der nachvollziehbaren Begründung, der sogenannte Paparazzi-Paragraf solle verhindern, dass jemand von außerhalb in Wohnungen filmt oder in fremden Wohnungen Kameras anbringt. Nicht jedoch davor, dass der Wohnungsinhaber Besucher filmt.

Der Bundesgerichtshof legt die Vorschrift weiter aus. Das Gesetz fordere nur eine Wohnung oder einen gegen Einblick besonders geschützten Raum. Auch die eigene Wohnung sei eine Wohnung. Aus dem Gesetz ergebe sich ebenfalls nicht, dass der Filmende sich außerhalb der Wohnung aufhalten müsse. Somit kann die eigene Wohnung des Täters ein „Schutzraum“ für Dritte werden, die ihn besuchen. Die Besucher bringen ihren „höchstpersönlichen Lebensbereich“ sozusagen mit in die fremde Wohnung.

Es kommt dann lediglich noch darauf an, ob die Aufnahmen „unbefugt“ entstanden sind. Das ist aber regelmäßig der Fall, wenn die Betroffenen nichts von den Aufnahmen wissen. Strenggenommen macht sich ein Wohnungsinhaber also schon strafbar, wenn er mit seinen Besuchern ganz normal auf dem Sofa sitzt, plaudert und diese nicht darüber informiert, dass er eine Überwachungskamera (weiter) laufen lässt. Das Gesetz setzt nämlich nach seinem Wortlaut nicht voraus, dass die Filmaufnahmen irgendwelche sexualbezogenen oder sonstwie pikanten Situationen zeigen.

Daran sollte man jedenfalls denken, wenn man seinen Wohnraum mit einer Videokamera oder einer Babycam überwacht. Auch Spielkonsolen oder Webcams sind möglicherweise „always on“. Wer hier auf Nummer sicher gehen will, muss die Kamera abschalten. Oder er muss sich das Einverständnis der gefilmten Personen geben lassen (Aktenzeichen 5 StR 198/16).

„… mit Todesfolge“

Eine Mandantin hat eine Vorladung der Polizei erhalten. Sie soll laut dem Schreiben zu folgendem Vorwurf vernommen werden:

Beteiligung an einer Schlägerei mit Todesfolge auf Straßen, Wegen oder Plätzen am 18.12.2016 in …

Ich habe ihr ganz schnell einen Besprechungstermin gegeben. Völlig aufgelöst saß sie dann vor mir und schilderte das, woran sie sich erinnerte. Es war nicht viel. Also nicht das, woran sie sich erinnert. Sondern, da war sie sich sehr sicher, es hatte bei einem Kneipenbummel nur eine kleine Rangelei gegeben.

Also ein Anruf bei der Polizei. „Oh“, sagte der zuständige Kommissar, „da bin ich mit der Maus wohl auf einen Textbaustein zu tief gerutscht.“

Also Körperverletzung ohne Todesfolge. Die Mandantin kann ihre Zahnbürste wieder aus der Tasche nehmen.

Opodo darf Versicherung nicht aufdrängen

Es ist schon nervig, wie Reiseportale Kunden dazu überreden wollen, neben dem gesuchten Flug oder der Pauschalreise noch eine Reiseversicherung abzuschließen. Oder am besten zwei. Der Bundesgerichtshof hat jetzt im Falle von Opodo entschieden, dass die Versicherung dem Kunden nicht durch lästige Nachfragen und unnötige Warnhinweise aufgedrängt werden darf.

Über mehrere Buchungsschritte blendete Opodo ständig Hinweise und sogar Warnungen ein, dass eine Reise ohne Versicherung teuer werden kann. Außerdem waren die Felder, die zu einer Versicherung führen, grafisch hervorgehoben. Hiergegen klagte der Verbraucherzentrale Bundesverband und bekam in vollem Umfang recht. Der offenkundige Versuch, die Kunden zum Abschluss einer Versicherung zu drängen, erfülle nicht die gesetzliche Forderung nach einer klaren, transparenten und eindeutigen Mitteilung über Zusatzkosten.

Außerdem erklärte der Bundesgerichtshof eine Zahlungsklausel von Opodo für unwirksam. Dem Kunden wurde zunächst nur der Preis gezeigt, den er bei Zahlung mit einer American-Express-Karte aufbringen muss. Für andere Zahlungsmittel fielen deutliche Aufschläge an – über diese wurde aber zunächst nicht informiert.

Das Urteil ist ein weiteres in einer ganzen Reihe von Entscheidungen, mit denen der Bundesgerichtshof in letzter Zeit Buchungsportalen rechtswidriges Vorgehen bescheinigt (Aktenzeichen I ZR 160/15); PDF des Urteils. Interessant ist, dass man immer nur von Klagen der Verbraucherzentrale liest. Das Wettbewerbsrecht, wonach Mitbewerber die Konkurrenz kontrollieren und gegebenenfalls abmahnen können, scheint in diesem Fall kaum zu funktionieren.

Womöglich weil es fast alle machen…

Kurioser Fall mit Bildungseffekt

Es ist ein etwas kurioser Einzelfall. Aber dennoch ein Lehrstück dafür, worauf zu achten ist, wenn man von jemandem Schadensersatz haben will.

Der Käufer einer Eigentumswohnung übernahm nach eigenen Angaben die Wohnung, als der Garten mit Schnee bedeckt war. Wegen des Schnees habe erst später festgestellt, dass im Garten 19 Hundehaufen lagen. Wegen der Kontaminierung des Bodens durch die Rückstände „von fleischlastigen Fressern“ hielt er es für nötig, dass der Oberboden abgetragen und alles neu bepflanzt wird. 3.500 Euro sollte das laut Kostenvoranschlag einer Gartenbaufirma kosten.

Weil der Verkäufer nicht zahlte (er bestritt, dass die Hundehaufen von seinem Hund stammten), erhob der Käufer Klage. Das Gericht musste nicht die DNA des Hundekots analysieren lassen. Es löste den Fall über die juristische Schiene. Der Käufer sei verpflichtet gewesen, dem Verkäufer eine klare, unmissverständliche Nachfrist zur Beseitigung des Hundekots zu setzen.

Nur nach erfolgloser Fristsetzung, so das Gericht, könne man später Schadensersatz verlangen. Steht auch so recht eindeutig in § 281 BGB. Aber, der Fall zeigt es, die Nachfristsetzung wird im Eifer des Gefechts dann doch oft vergessen. Die Klage wurde aus rein formalen Gründen abgewiesen (Amtsgericht München, Aktenzeichen 171 C 15877/15).