Kein Schmerzensgeld für „Schweinebacke“

„Schweinebacke“, „asozialer Abschaum“, „Lusche allerersten Grades“. So freundliche Worte kriegte ein Wohnungsmieter nach seinem Auszug zu hören. Vom Vermieter – per SMS. Der Mieter wollte hierfür ein Schmerzensgeld. Doch das hat ihm der Bundesgerichtshof nun endgültig versagt.

Das Gericht bleibt bei seiner Linie, dass bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen Schmerzensgeld nur in Ausnahmefällen fällig wird. Etwa dann, wenn Boulevardzeitungen durch empfindliche Zahlungen zur Gesetzestreue „erzogen“ werden müssen. Unter Privatleuten hält der Bundesgerichtshof ein Schmerzensgeld jedoch regelmäßig für nicht erforderlich.

So auch in diesem Fall. Die Beleidigungen seien keine ausreichend schwerwiegende Verletzung. Überdies seien sie nicht in der Öffentlichkeit gemacht worden und hätten sich nur über einen kurzen Zeitraum erstreckt. Hier genüge es, wenn der Verletzte seine Unterlassungsansprüche gerichtlich durchsetzen könne (Aktenzeichen VI ZR 496/15).

Industriehanf ist auch keine Lösung

Obwohl er nach eigener Auffassung nur zulässigen Industriehanf verkaufte, muss ein Shopbetreiber aus Nordrhein-Westfalen mit Bestrafung rechnen. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm genügt es eben nicht, wenn der Hanf nur einen geringen Wirkstoffgehalt (unter 0,2 Prozent) hat und aus zertifiziertem Anbau stammt.

Der Händler hatte sich auf eine Ausnahmevorschrift im Betäubungsmittelgesetz berufen, die wirkstoffarmen Hanf als Rohstoff nutzbar machen kann. In diese Regelung lesen die Richter aber noch zusätzliche Voraussetzungen hinein. Es müsse sichergestellt sein, dass der Verkehr mit diesen Produkten ausschließlich gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken diene, die einen Missbrauch zu Rauschzwecken ausschlössen. Das sei hier nicht der Fall gewesen. So hätten Kunden des Händlers den als Einlage für Duftkissen genutzten Hanf nachweislich geraucht.

Die Ausnahmeregelung, so das Gericht, diene nicht dazu, die Bevölkerung mit THC-schwachen Cannabisprodukten zu persönlichen Konsumzwecken zu versorgen. Das generelle Cannabisverbot dürfe so nicht aufgeweicht werden. Das Landgericht Paderborn hatte die Sache noch anders gesehen und den Händler freigesprochen. Der Fall muss jetzt neu verhandelt werden (Aktenzeichen 4 RVs 51/16).

Gezielte Tötung durch einen Roboter

Die Polizei in Dallas hat den Hauptverdächtigen für das Massaker getötet. Der Mann hatte sich verschanzt und länger mit der Polizei verhandelt. Zu Tode kam er dann auf bemerkenswerte Art und Weise, wie man in der New York Times nachlesen kann:

The police killed the suspect using an explosive delivered by a robot.

Der Verdächtige wurde also mit einem ferngesteuerten Sprengsatz in die Luft gesprengt. Das ist für mich ein polizeiliches Einsatzmittel, von dem ich bisher so nicht gehört habe. Ich weiß nur von Robotern, die die zur Aufklärung oder Bergung eingesetzt werden können. Aber nicht zur gezielten Tötung.

Insgesamt klingt das für mich so, als würde der bislang so ferne Drohnenkrieg auf die amerikanische Straße verlagert. Und vor allem klingt es nicht nach einem Werkzeug, das in der momentanen Situation zur Deeskalation in den USA beitragen könnte. Warten wir mal den Aufschrei ab, wenn der erste (schwarze) Unschuldige von so einem Roboter vaporisiert wird.

Der aktuelle Vorfall wird sicherlich dafür sorgen, dass sich auch die deutsche Polizei für solche Produkte interessiert, wenn sie es nicht schon tut. Rechtlich ist sogar schon der Rahmen teilweise gespannt. Das Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes (UZwG) untersagt den Einsatz von „Explosivstoffen“ nicht unbedingt. Es müssen nur die Vorschriften über den Schusswaffengebrauch entsprechend angewendet werden.

Eine gezielte Tötung ist danach allerdings grundsätzlich unzulässig (§ 12 UZwG):

Der Zweck des Schußwaffengebrauchs darf nur sein, angriffs- oder fluchtunfähig zu machen.

Eine gezielte Tötung ist nur zulässig, um eine konkrete Lebensgefahr für andere abzuwenden. Die gezielte Tötung eines Verdächtigen, der sich alleine verschanzt hat, ist also nicht zulässig, bloß weil man nicht abwarten will. Aber sie könnte zulässig sein, wenn man davon ausgehen muss, dass der Betreffende selbst noch Sprengsätze zünden könnte, welche die Polizisten vor Ort gefährden.

Am Ende wäre es, wie so oft bei Fragen der Verhältnismäßigkeit, eine schwierige Abwägungsfrage. Noch komplizierter wird es, wenn der Sprengroboter ganz oder teilweise von künstlicher Intelligenz gesteuert wird. Klingt zu sehr wie Zukunftsmusik? Für mich seit heute nicht mehr.

Zeitschriftenverbot im Knast?

Strafgefangenen in Nordrhein-Westfalen dürfen legale Zeitschriften nicht vorenthalten werden. Ein Gefängnis im Ruhrgebiet wollte einem Inhaftierten das „gefangenen info“ nicht aushändigen, weil die Zeitung generell zu kritisch und angeblich diffamierend über den Strafvollzug berichte.

Das Oberlandesgericht Hamm legt das Strafvollzugsgesetz anders aus. Danach dürfen Publikationen nur dann grundsätzlich zurückgehalten werden, wenn ihre Verbreitung insgesamt mit Strafe oder Gelbuße bedroht sei. Sei das Blatt nicht verboten, müsse die Anstalt im Zweifel jede Ausgabe prüfen und entscheiden, ob sie das Vollzugsziel bzw. die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet (Aktenzeichen 1 Vollz (WS) 1/16).

Gepäck fliegt nicht unbedingt gratis mit

Ein Urteil, das sowohl Viel- wie auch Gelegenheitsflieger interessieren wird: Bei einer Flugbuchung darf man nicht einfach so darauf vertrauen, dass Aufgabegepäck kostenlos transportiert wird. Ein Reisender klagte, weil er für seine Flugreise von Tel Aviv nach Berlin 80 Dollar für zwei Koffer zahlen sollte.

Nach Auffassung des Amtsgerichts München sind Billigtarife, die nur das Handgepäck beinhalten, mittlerweile üblich. Für einen verständigen Kunden sei es deshalb zumindest heute nicht mehr überraschend, dass es Ticketangebote ohne Gepäckbeförderung, Gratiszeitungen oder Bordgastronomie gibt. Solche Basisangebote hätten mittlerweile auch klassische Airlines.

Nach der Logik des Urteils muss sich ein Ticketkäufer also aktiv vergewissern, dass auch sein Koffer mitfliegen darf. Steht nichts von Gepäckbeförderung im Ticket, muss er im Zweifel extra zahlen (Aktenzeichen 159 C 12576/15).

Manchmal darf man Polizisten auch beschimpfen

Vor einiger Zeit habe ich über Polizisten berichtet, die sich ans Bein gepinkelt fühlten. Nicht ganz zu Unrecht, denn mein Mandant hat zusammen mit einigen engen Freunden via What’s App ziemlich über die Beamten vom Leder gezogen. Dazu bestand allerdings auch einiger Grund. Gegen die Mitglieder einer Motorradgruppe, zu der mein Mandant gehört, hatte die Polizei monatelang mit ziemlichem Druck ermittelt. Unter anderem gab es Hausdurchsuchungen.

Die despektierlichen Sprüche in der What’s-App-Gruppe kamen nur ans Licht, weil es noch eine weitere Hausdurchsuchung gab, bei der auch die Handys der Betroffenen mitgenommen wurden. Die ursprünglichen Vorwürfe ließen sich nicht bestätigen, was vielleicht auch etwas den Unmut der Betroffenen erklärt. Am Ende blieben nur die mutmaßlichen Beleidigungen gegen einzelne Polizisten. Diese wurden natürlich umfassend dokumentiert, in Excel-Tabellen aufbereitet und tiefschürfend bewertet. Die Staatsanwaltschaft erhob dann, wie nicht anders zu erwarten, auch eine Anklage wegen Beleidigung.

Allerdings ist auch diese Anklage jetzt baden gegangen. Ich musste die Vorwürfe gegenüber dem Gericht gar nicht abstreiten. Denn der Schlüssel zur Lösung lag bei einem rechtlichen Problem, das die zuständige Staatsanwältin nicht sah. Oder nicht sehen wollte. Es gibt nämlich sogenannte beleidigungsfreie Räume. Das heißt, was im intimen Kreis besprochen wird und auch nicht nach außen dringen soll, ist in der Regel nicht satisfaktionsfähig.

Meine kurze Verteidigungsschrift habe ich schon mal in diesem Beitrag wiedergegeben. Das Amtsgericht Münster sah die Sache nun ähnlich. Jedenfalls hat die Staatsanwaltschaft die Anklage zurückgenommen, nachdem es einen kurzen Wink vom Richter gab.

Die Kosten trägt, wie so oft, der Steuerzahler.

Horst-Schimanski-Gedächtnistage

Sind bei der Polizei Horst-Schimanski-Gedächtnistage? Ich habe den Eindruck. Siehe auch diesen Eintrag von heute morgen. Vorhin ging es dann munter weiter. Ein Mandant informierte mich darüber, dass Polizeibeamte ihn nach einer erkennungsdienstlichen Behandlung noch mal in ein Vernehmungszimmer baten. Mein Mandant sei nun nicht mehr Beschuldigter. Sondern Zeuge. Er müsse nun in einem anderen Fall aussagen. Hier und jetzt.

Nachdem er als Beschuldigter schon seine Fingerabdrücke abgeben und sich fotografieren lassen musste, war mein Mandant über dieses Ansinnen nicht besonders erfreut. Ihm war eher nach frischer Luft. Erschwerend kam hinzu, dass mein Mandant seine Rechte kennt. Es war also für den Gesprächsverlauf wenig hilfreich, dass ihm der Polizeibeamte vorgaukelte, ein Zeuge müsse bei der Polizei aussagen. Was schlicht nicht stimmt. Auch Zeugen müssen nicht mit der Polizei sprechen. Mein Mandant wusste das.

So viel Informiertheit eines Bürgers gefiel dem Polizisten überhaupt nicht. Er nahm meinen Mandanten tatsächlich vorläufig fest, als dieser darauf beharrte, nun nach Hause zu gehen. Anscheinend war es sein Ziel, meinen Mandanten so nachhaltig zu beeindrucken, dass er „freiwillig“ auf sein Recht verzichtet, bei der Polizei nichts zu sagen. Doch auch damit hatte er keinen Erfolg. Nicht mal beim Staatsanwalt. Als der Polizist nämlich wenigstens den Staatsanwalt kontaktierte, wohl um sich Rückendeckung zu holen, war der Staatsanwalt vermutlich ebenso erschrocken wie ich, als ich die Geschichte hörte. Der Staatsanwalt hob die vorläufige Festnahme sofort auf.

Die Details beruhen übrigens nicht nur auf den Angaben meines Mandanten. Inzwischen hat mir auch der Staatsanwalt bestätigt, dass tatsächlich er den Beamten angewiesen hat, meinen Mandanten jetzt aber mal zügig gehen zu lassen – auch ohne Aussage.

Um es klar und deutlich zu sagen: Dass ein Zeuge bei der Polizei nichts sagen will, kann eine Festnahme nicht rechtfertigen. Nie und nimmer. Ob mein Mandant nun an so was wie versuchte Aussageerpressung, Nötigung oder gar Freiheitsberaubung denken will, kann ich noch nicht sagen.

Ich rate ihm, erst mal eine Nacht drüber zu schlafen.

Es geht auch anders

Heute hatte ich mal wieder einen dieser Polizeibeamten am Telefon, die nicht viel von der Strafprozessordnung halten. Jedenfalls hatte er offensichtlich keine Lust, mich während der Hausdurchsuchung mit meinem Mandanten telefonieren zu lassen. Stattdessen möge ich doch bitte vorbeikommen – nach Mannheim.

Rein gefühlsmäßig entschied ich mich für eine Eskalationsstufe, die ich normalerweise erst später zünde: K!A!S!E!R!N!E!H!O!F!T!O!N!

Nach dem Anschiss reichte er das Telefon an meinen Mandanten weiter.

Muss ich mir glatt merken.

Facebook darf weiter Klarnamen verlangen

Facebook darf in Deutschland nach wie vor Nutzer verpflichten, unter ihrem Klarnamen zu posten. Das Oberlandesgericht Hamburg wies eine Beschwerde des hanseatischen Datenschutzbeauftragten zurück. Dieser will durchsetzen, dass Facebook-Nutzer auch unter Pseudonym Konten anlegen dürfen.

Der Streit schwelt schon länger. Gegen einen entsprechenden Bescheid des Datenschutzbeauftragten hat sich Facebook bislang erfolgreich vor Gericht gewehrt. Nach der neuen Entscheidung bleibt der Bescheid so lange ausgesetzt, wie der Prozess nicht entschieden ist.

Fraglich ist zunächst, ob der Datenschutzbeauftragte überhaupt die Befugnis hat, gegen Facebook Europa vorzugehen. Denn das Unternehmen hat den Firmensitz Irland. Schon wegen der fraglichen Kompetenzen bestehe kein Anlass für einen Sofortvollzug des Bescheids, so das Gericht (Aktenzeichen 5 Bs 40/16).

Anschnallpflicht gilt nicht immer

Die vielen deutschen Paragrafen sind ja nicht immer schlecht. Einige muss man auch wirklich kennen, um seine Rechte zu wahren. Eine Vorschrift zur Anschnallpflicht im Auto fristet in dieser Hinsicht ein bemerkenswertes Schattendasein. Selbst Polizeibeamten ist die Ausnahme oft nicht bekannt – auch wenn sie tagtäglich Kontrollen durchführen.

Ein Autofahrer im schönen Olfen beziehungsweise dessen Anwalt waren jedenfalls schlauer als die Polizei. Dem Mann war zur Last gelegt worden, in einem örtlichen Kreisverkehr unangeschnallt gefahren zu sein. Wobei der Polizeibeamte von sich aus in der Verhandlung sagte, der Betroffene sei möglicherweise nur Schrittgeschwindigkeit gefahren.

Bloß: Bei Schrittgeschwindigkeit gilt die Anschnallpflicht nicht. Das ist ausdrücklich in § 21a Abs. 1 Nr. 3 StVO so geregelt. Der Paragraf ist etwas missverständlich, weil er von „Rückwärtsfahren, Fahrten auf Parkplätzen“ spricht. Das ist aber nicht abschließend gemeint, sondern nur als Beispiel. Somit muss man auch ansonsten im Straßenverkehr nicht angeschnallt sein, wenn es nur mit Schrittgeschwindigkeit vorangeht.

Genau so sah es für den Fall des Kreisverkehrs auch das Amtsgericht Lüdinghausen. Es sprach den Betroffenen frei (Aktenzeichen 19 OWi-89 Js 968/16-92/16).

Zu dem Thema auch ein Beitrag im Burhoff online Blog

Gericht kippt Kopftuch-Verbot für Rechtsreferendarin

Das Land Bayern hat einer muslimischen Rechtsreferendarin zu Unrecht verboten, bei Gerichtsverhandlungen ein Kopftuch zu tragen. Das Verwaltungsgericht Augsburg erklärt eine entsprechende Anordnung des Oberlandesgerichts München für rechtswidrig.

Die Referendarin wurde, wie bei der juristischen Ausbildung üblich, als Vertreterin der Staatsanwaltschaft in Strafsachen geschickt. Außerdem nahm sie in ihrer Zivilstation an der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen teil. Hierbei durfte sie jeweils ihr Kopftuch nicht tragen, auf das sie aus religiösen Gründen Wert legt.

Das Verwaltungsgericht Augsburg vermisst bereits eine Rechtsgrundlage für die Anordnung. Im Freistaat Bayern existiere kein formelles Gesetz, welches Rechtsreferendare zu einer weltanschaulich-religiösen Neutralität verpflichte. Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts müssten grundrechtsrelevante Eingriffe gesetzlich geregelt sein. Bloße Verwaltungsvorschriften reichten nicht aus (Au 2 K 15.457).

Reisen: Namensänderung kann teuer werden

Ein Schreibfehler beim Namen oder auch ein Namenswechsel können bei Reisebuchungen teuer werden. Reiseveranstalter berechnen oft exorbitante Änderungsgebühren. Gegen besonders heftige Gebühren eines Hamburger Anbieters ging die Verbraucherzentrale Brandenburg vor. Sie mahnte die Firma erfolgreich ab.

Bis zu 100 % des Reisepreises wollte der Anbieter für eine Namensänderung in Reiseunterlagen, außerdem noch eine Bearbeitungsgebühr von 50 Euro. „Solche Entgelte sind schlicht unverschämt“, meint die Verbraucherzentrale. Nach ihrer Meinung kann nur ein angemessener Aufwand in Rechnung gestellt werden.

Das abgemahnte Unternehmen lenkte ein und unterschrieb eine Unterlassungserklärung. Die Verbraucherzentrale hält ähnliche Klauseln nicht nur wegen überzogener Gebühren für unwirksam. Oft spiele es noch nicht einmal eine Rolle, wer den Fehler gemacht habe. So eine Regelung dürfte den Kunden unangemessen benachteiligen. Mit der Folge, dass die Klausel insgesamt unwirksam ist.

Gebrauchtwagen dürfen auch mal länger stehen

Ein Gebrauchtwagen ist nicht schon deswegen mangelhaft, weil er vor seiner Erstzulassung mehr als zwölf Monate gestanden hat. Die anderslautende Rechtsprechung für Neu- oder Jahreswagen gilt bei Gebrauchten nicht. Dies stellt der Bundesgerichtshof in einem heute verkündeten Urteil klar.

Je älter das Auto sei, desto mehr verliere eine lange Standzeit vor der Erstzulassung an Bedeutung, heißt es in dem Urteil. Deshalb müsse bei älteren Gebrauchten – hier war der Wagen vor knapp zweieinhalb Jahren zugelassen worden – der Käufer einen konkreten Mangel darlegen und beweisen (Aktenzeichen VIII ZR 191/15).

Fließbandgeschäft

Die Arbeit bei vielen Staatsanwaltschaften ist ein Fließbandgeschäft. Das merkt man jedenfalls bei den „kleinen“ Fällen, die nach Schema F abgearbeitet werden können. Was da nicht der vorgegebenen Logik genügt, kann sich schnell zum juristischen Ausreißer entwickeln.

Nehmen wir den Fall eines kleinen Arbeitgebers. Der beschäftigte einen Arbeiter. Er zahlte den im Arbeitsvertrag vereinbarten Lohn. Die Abgaben für die Sozialkasse führte er ordnungsgemäß ab. Nach einigen Monaten begann ein Streit, ob dem Arbeiter nicht mehr Geld zusteht. Weil möglicherweise ein Tarifvertrag anwendbar ist.

Die Sache ging vors Arbeitsgericht und dümpelte dort lange rum. Die zuständige Richterin war in Elternzeit, mit dem Ersatz klappte es wohl nicht so recht. Jedenfalls ging so viel Zeit ins Land, dass dem verärgerten Arbeitnehmer bzw. dessen Anwalt der Kragen platzte. Sie schoben noch eine Strafanzeige hinterher, in der sie „Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt“ (§ 266a StGB) beklagten. Und zwar für den ganzen Zeitraum, in dem der Arbeiter nach wie vor nur sein vereinbartes Gehalt und nicht den Tariflohn bekommen hat.

Irgendwann war die Richterin wieder da. Ihr Urteil erklärte den Tarifvertrag für anwendbar. Sie verurteilte den Arbeitgeber zur Nachzahlung. Die dieser auch leistete. Und die Staatsanwaltschaft? Die schreibt dem Arbeitgeber, gegen ihn bestehe nun der „ausreichende“ Verdacht, Arbeitnehmeranteile an den Sozialabgaben für das vom Gericht festgestellte Arbeitsentgelt nicht rechtzeitig abgeführt zu haben, und zwar „zu den Fälligkeitsterminen im Beschäftigungszeitraum“.

Also mal ehrlich. Auch einem gestressten Staatsanwalt sollte doch auffallen, dass eine rückwirkende Verurteilung zu einer bis dahin arbeitsvertraglich streitigen Lohnzahlung nicht bedeutet, dass damit auch die Sozialabgaben rückwirkend fällig werden. Das würde ja bedeuten, dass der Arbeitgeber zwar der Meinung sein darf, er schulde den Lohn nicht, gleichwohl muss er aber schon mal vorsorglich die Arbeitnehmeranteile abführen. So streng ist das System dann aber doch nicht.

Das einzig richtige Ergebnis wäre also spätestens jetzt, das Ermittlungsverfahren mangels Tatverdachts einzustellen. Stattdessen bietet der Staatsanwalt zwar die Einstellung an, aber nur, wenn mein Mandant als Auflage einen schönen Batzen Geld für die Staatskasse locker macht.

Wir werden wohl dankend ablehnen. Vielleicht schaut der Staatsanwalt ja doch noch mal richtig in seine Akte. Bei einem Telefonat, das ich vorhin mit ihm führte, hatte ich jedenfalls nicht den Eindruck, dass er die auch nur ansatzweise kennt.