Corona-Richter erhält Haftstrafe auf Bewährung

Ein 60-jähriger Familienrichter vom Amtsgericht Weimar ist heute zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt worden. Das Landgericht Erfurt hält ihn der Rechtsbeugung für schuldig (§ 339 StGB). Der Richter hatte vor zweieinhalb Jahren die Corona-Schutzmaßnahmen für alle Schüler an zwei Schulen aufgehoben. Dass er als Familienrichter hierfür gar nicht zuständig war, brachte ihm den Strafprozess ein.

Das Landgericht bejaht, dass sich der Richter „bewusst und in schwerwiegender Weise“ von Recht und Gesetz entfernt hat. Dabei habe er willkürlich gehandelt. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft ging es dem Richter darum, die Unwirksamkeit und Schädlichkeit der Corona-Schutzmaßnahmen öffentlichkeitswirksam darzustellen. Die Strafrichter hält dem Richter zu Gute, dass er im Rahmen eines für ihn massiven Konflikts gehandelt habe, er nicht vorbestraft und das Verfahren lange gedauert hat. Die Staatsanwaltschaft hatte drei Jahre Freiheitsstrafe gefordert. Diese Strafe hätte nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden können.

Sollte das Urteil rechtskräftig werden, verliert der Richter seinen Beamtenstatus einschließlich der Altersversorgung.

Der schrecklichste Paragraf im neuen Selbstbestimmungsgesetz

Morgen soll das Selbstbestimmungsgesetz beschlossen werden. Bei der Diskussion bleibt meist eine Regelung außen vor. Gleichwohl hat gerade diese geradezu orwellsche Dimensionen. Es geht um die Frage, wer aus einem Kind künftig ein Transkind machen kann. Hier die Antwort: Es sind die Eltern, und deren Freiheit werden dabei juristisch keinerlei Grenzen gesetzt, wenn es um den sogenannten „Geschlechtseintrag“ geht. Der Geschlechtseintrag regelt, halten wir es einfach, ob jemand juristisch als Frau oder Mann gilt.

Für Kinder zwischen 0 und 14 Jahren sieht das Gesetz folgendes vor (§ 3 Abs. 2 SBGG):

Ist die minderjährige Person geschäftsunfähig oder hat sie das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet, kann nur der gesetzliche Vertreter die Erklärungen zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen (§ 2) für die Person abgeben.

Übersetzt bedeutet das, Eltern dürfen künftig ab der Geburt absolut frei entscheiden, welches „Geschlecht“ ihr Kind hat. Ein neugeborener Julius kann an seinem ersten Lebenstag zu einer Sophie werden, eine Julia umgekehrt zu einem Sebastian. Das Kind erhält den passenden Namen und Papiere, die jedenfalls nicht zu seinem biologischen Geschlecht passen. Das Mädchen wird als Junge aufwachsen müssen und der Junge als Mädchen – bloß weil die Eltern es so wollen. Dem Standesbeamten steht bei so einem Antrag kein Prüfungsspielraum zu.

Eine gerichtliche Kontrolle ist nicht vorgesehen, das Kindeswohl spielt erst mal keine Rolle. Anders übrigens bei 14- bis 18-Jährigen. Diese können auch gegen den Willen ihrer Eltern das eigene Geschlecht anpassen. Sollten die Eltern dagegen sein, muss das Familiengericht nach dem Kindeswohl entscheiden. Bei 0- bis 13-Jährigen gibt es so eine juristische Instanz aber nicht. Eltern haben also die absolute Dispositionsfreiheit über das Geschlecht ihres Kindes.

Die elterlich oktroyierte Geschlechtsanpassung hat weitreichende Folgen. Großeltern, Kita-Mitarbeiter, Lehrer und die Eltern anderer Kinder dürfen nicht einmal ansatzweise zum Ausdruck bringen, dass Sophie vielleicht eigentlich doch lieber so wäre wie ihre männlichen Altersgenossen, mit denen er das Y-Chromosom teilt. Tun sie das, droht ihnen gemäß § 14 SBGG ein Bußgeld bis zu 10.000 Euro, weil sie gegen das „Offenbarungsverbot“ verstoßen. So wird es also möglich sein, ohne jede Kontrolle Säuglinge geschlechtsumzuwandeln und darum einen Kordon des pflichtgemäßen Schweigens zu errichten. Natürlich kann man sagen, dass „normale“ Eltern einem Einjährigen kaum das andere Geschlecht aufzwängen werden. Aber umgekehrt muss man dann erklären, warum überhaupt die gesetzliche Möglichkeit für so eine frühkindliche Transformation geschaffen wird. Noch dazu ohne jede behördliche oder gerichtliche Kontrolle.

Und was ist mit Sophie selbst, die nach wie vor in ihrem männlichen Körper steckt (und deren Eltern möglicherweise dem größten Irrtum ihres Lebens aufsitzen)? Sophie wird vorgehalten bekommen, dass sie kein Julius sein kann, weil in ihrer bürokratisch korrekt angepassten Geburtsurkunde ja nun mal Sophie steht. Und wenn man Sophie heißt, ist man ein Mädchen, so ein Penis führt ja bekanntlich oftmals in die Irre. Welches Kind wird sich nicht entsprechend formen lassen bzw. letztlich kapitulieren? Ich sage es noch mal: Das Szenario ist schon ab Tag 1 nach der Geburt denkbar – und absolut legal.

Und was ist, wenn die Eltern letztlich mit ihrer Einschätzung daneben liegen? Wenn sie ihr Kind 14 Jahre in die falsche Geschlechterrolle zwängen, bis es – ggf. mit Hilfe des Gerichts – den Geschlechtseintrag selbst wieder rückgängig machen kann. Und wie geht es dann weiter? Spätestens mit 18 Jahren kann Sophie die eigenen Eltern auf Schadensersatz und Schmerzensgeld verklagen, und das wahrscheinlich mit einiger Aussicht auf Erfolg. Wenn er bis dahin psychisch nicht schon gebrochen ist.

Schöne neue Welt.

Bettler besiegt Krefeld

Die Stadt Krefeld wollte „aktives Betteln“ in der Innenstadt unterbinden, und zwar durch eine vom Rat erlassene Allgemeinverfügung. „Stilles Betteln“ wurde aber nicht untersagt. Diese Regelung hält das Verwaltungsgericht Düsseldorf im Eilverfahren für unrechtmäßig und kassiert das Verbot.

Laut dem Gericht muss bei Vorschriften stets klar sein, was erlaubt ist und was verboten. Schon diesen Anforderungen wird die Regelung aber nicht gerecht. Der Unterschied zwischen stillem und aktiven Betteln sei nicht hinreichend klar, so dass Bettler gar nicht wissen können, ob sie sich noch korrekt verhalten. Gerade wenn ersichtlich ein „rechtsunkundiger Personenkreis“ angesprochen wird, müsse die Vorschrift verständlich sein.

Die Stadt Krefeld erläutert ihre Interpretation des aktiven Bettelns auf ihrer Internetseite so:

Aktives Betteln liegt dann vor, wenn die Bettelnden auf ihre Bedürftigkeit durch Verhalten wie fortwährendes, auch nach Ablehnung weiterhin gezieltes Ansprechen aufmerksam machen. Ferner liegt aktives Betteln dann vor, wenn diese bettelnden Personen Passanten aufhalten oder neben diesen hergehen.

Vielleicht wäre es schlauer gewesen, das auch direkt so in den Ratsbeschluss zu schreiben…

Dass im übrigen nicht alle Bettler „rechtsunkundig“ sind, zeigt sich an der Klage. Ein Bettler hatte sich nämlich an das Gericht gewandt – und war nun zumindest im Eilverfahren erfolgreich (Aktenzeichen 18 L 896/23).

Besoffen auf dem E-Scooter – keine gute Idee

Wer betrunken mit einem E-Scooter fährt, riskiert nicht nur ein mehrmonatiges Fahrverbot. Nein, ihm ist die Fahrerlaubnis komplett zu entziehen, entscheidet das Oberlandesgericht Frankfurt am Main.

Es ging um einen Mann, der nach einem Barbesuch mit 1,64 Promille auf einem E-Scooter angehalten wurde. Das Amtsgericht verhängte eine Geldstrafe und ein Fahrverbot von sechs Monaten. Dagegen ging die Staatsanwaltschaft in Revision, weil ihr das Fahrverbot nicht ausreichte.

Das Oberlandesgericht sagt klipp und klar, dass auch die Fahrt auf einem E-Scooter in der Regel zum kompletten Entzug der Fahrerlaubnis führt. Eine viel geringere Gefährlichkeit als bei einer Autofahrt wollen die Richter nicht gelten lassen. Sie verweisen darauf, dass ein Fußgänger oder ein Radfahrer auch bei einem Zusammenstoß mit dem E-Scooter schwer verletzt werden oder sogar sterben könnten.

Das Amtsgericht muss den Fall nun neu entscheiden und prüfen, ob die „Regelvermutung“, die bei einer einer Alkoholfahrt zur Entziehung der Fahrerlaubnis führt, aufgrund mildernder Umstände nicht doch vorliegt. Große Hoffnungen wird sich der Fahrer aber nach dieser klaren Ansage nicht machen können (Aktenzeichen 1 Ss 276/22).

Erbsenfreies Essen ist keine Pflicht

Eltern können von einer Kindertagesstätte nicht verlangen, dass sie ihrem Kind nur erbsenfreies Essen serviert. Mit einem entsprechenden Antrag sind Eltern aus Brandenburg vor Gericht gescheitert.

Der Fall hat einen ernsten Hintergrund. Das Kind leidet an einer Erbsenunverträglichkeit, die ärztlich bestätigt ist. Allerdings sah sich die Kita nicht in der Lage, erbsenfreies Essen zur Verfügung zu stellen.

Laut dem Verwaltungsgericht müssen Kitas eine gesunde Ernährung und Versorgung gewährleisten. Dazu gehöre auch, dass auf Allergien und andere Unverträglichkeiten Rücksicht genommen wird. Aber all das nur im Rahmen des Möglichen. Es gibt nämlich keine lebensmittelrechtliche Kennzeichnungspflicht für Erbsen, so das Gericht. Deshalb könne schon der Caterer nicht garantieren, dass seine Produkte keine Erbsen oder zumindest Erbsenaroma enthalten.

Vor diesem Hintergrund kann das Gericht den Eltern nur raten, ihrem Kind geeignetes Essen mitzugeben (Aktenzeichen 9 L 51/23).

Rechtsextremer erklagt sich Referendariat in Sachsen

Dürfen Mitglieder oder Funktionäre rechtsextremer Parteien in den juristischen Vorbereitungsdienst? In der Vergangenheit sind Kandidaten mit einem zweifelhaften Verhältnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung schon mehrfach abgeblitzt. Ein Jurist klagt sich nach seinem Studium jetzt aber in Sachsen erfolgreich ins Rechtsreferendariat.

Der Jurist war schon in Bayern und Thüringen mit seiner Zulassung gescheitert. Er ist in der rechten Partei „Der III. Weg“ aktiv – die aber nicht verboten ist. Entgegen Gerichten in anderen Bundesländern hat der Verfassungsgerichtshof von Sachsen mit den politischen Aktivitäten des Mannes kein durchgreifendes Problem. Die Begründung hierfür ist jedenfalls durchdacht und klingt überzeugend.

Beim Rechtsreferendariat handelt es sich nämlich um einen Vorbereitungsdienst, und zwar nicht nur für eine Beamtenstellung. Auch künftige Rechtsanwälte müssen den Vorbereitungsdienst absolvieren. Anwälten darf die Berufszulassung aber laut Berufsordnung nur versagt werden, wenn sie die Geltung des Grundgesetzes in „strafbarer“ Weise bekämpfen (§ 7 BRAO). Solche erheblichen Straftaten können dem Bewerber aber nicht nachgewiesen werden. Wenn man ihm aber trotzdem schon den Vorbereitungsdienst verweigere, habe er faktisch keine Chance, später Rechtsanwalt zu werden. Außerdem bedeute ein erfolgreiches Referendariat ja auch nicht, dass der Mann später zum Beamten ernannt werden müsse.

Der Fall könnte nun zur Folge haben, dass das Erfordernis der strafbaren Gegnerschaft zum Grundgesetz bei der Zulassung zur Anwaltschaft gestrichen wird. In diese Richtung gehen jedenfalls aktuelle Pläne aus dem Kreis der Justizminister.

Einzelheiten zu dem Fall schildert die Legal Tribune Online.

Zwei Ärzte können ein Versorgungszentrum sein

„Zentrum für plastische und ästhetische Chirurgie“ – so nannten zwei Ärzte ihre Gemeinschaftspraxis. Ein Konkurrent klagte dagegen. Seiner Meinung nach müssen mehr als zwei Ärzte in der Praxis sein, um sich „Zentrum“ nennen zu dürfen.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat den Fall nun entschieden. Die Richter betonen zwar, dass die Bürger normalerweise bei einem „Zentrum“ eine überdurchschnittliche Firmenstruktur erwarten. Das gelte in der Wirtschaft, aber nicht im medizinischen Bereich. Denn für das immer mehr verbreitete Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) habe der Gesetzgeber keine Mindestgröße bestimmt. Auch eine fächerübergreifende Zusammenarbeit verschiedener Ärzte werde nicht mehr verlangt (Aktenzeichen 2-06 O 209/22).

Gericht klärt Umgangsrecht mit Hund

Wer Miteigentümer eines Hundes ist, hat auch ein entsprechendes Umgangsrecht mit dem Tier. Dies hat das Landgericht Frankenthal entschieden. Zwei Männer hatten nach dem Ende ihrer Partnerschaft um das Tier gestritten – das Gericht ordnete nun ein „Wechselmodell“ an.

Danach muss der Hund alle zwei Wochen zu einem seiner Herrchen ziehen. Hiergegen hatte sich der Beklagte gewandt, bei dem das Tier zunächst geblieben war. Ein Hund sei ein Rudeltier, machte er geltend. Deshalb benötige der Hund eine Hauptbezugsperson, bei der er sich durchgehend aufhalte.

Das Gericht betrachtet dies jedoch nicht als zwingend. Vielmehr wendet es die normalen Regeln über das Eigentum an, welche für Tiere entsprechend gelten. Danach könne jeder Miteigentümer eine faire Regelung verlangen, egal, ob bei Auto, Wohnung oder Haustier. Was dann auf einen zweiwöchigen Wechsel hinauslief. Eine Gefährdung des Tierwohls wollte das Gericht ausdrücklich nicht erkennen.

Das Urteil ist rechtskräftig. Wie es dem Hund aktuell geht, wird leider nicht mitgeteilt (Aktenzeichen 2 S 149/22).

„Zusammenfassung“

Hier seht ihr den wichtigsten Grund, warum man sich im Strafverfahren nicht vorschnell äußern sollte:

Weil es oft schlichtweg nicht notwendig ist. Und man sich im Zweifel nur um Kopf und Kragen reden würde.

Stinkefinger für Radarfalle

In Gera hat ein Autofahrer der Radarfalle einen Stinkefinger gezeigt – obwohl er selbst gar nicht zu schnell unterwegs war. Weil aber im gleichen Augenblick der Wagen auf der Nebenspur geblitzt wurde, hat die Polizei nun ein Beweismittel gegen den Autofahrer. Strafanzeige ist raus.

Juristisch hat der Betroffene schlechte Karten. Denn während ein Radargerät erst mal eher wenig Ehrgefühl haben dürfte, kann die abwertende Geste sich (auch) gegen Beamte vor Ort richten. So zumindest die Auffassung vieler Gerichte. In Passau kostete so ein Stinkefinger im letzten Jahr einen Autofahrer satte 5.000 Euro Geldstrafe.

Selbst wenn die Anlage autonom arbeitet, besteht ein juristisches Risiko. So hat das Bayerische Oberste Landgericht festgestellt, dass sich zeitverzögert auch Bedienstete beleidigt fühlen dürfen, welche die Fotos auswerten. Sollten Emotionen zu sehr hochkochen, ist es auf jeden Fall besser auszusteigen und die Beamten zur Rede stellen. Der Vorwurf der „Wegelagerei“ ist in diesem Kontext von der Meinungsfreiheit gedeckt, so das Oberlandesgericht Düsseldorf.

Pressemitteilung der Thüringer Polizei

„Freispruch“ künftig nur noch unter Vorbehalt?

Im deutschen Strafrecht galt bisher der Grundsatz „ne bis in idem“ (Art. 103 Abs. 2 GG). Danach darf niemand wegen derselben Tat mehrmals bestraft werden. Das hat sich im Dezember 2021 grundlegend geändert. Bei Mord und einigen anderen schweren Delikten wie Kriegsverbrechen ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens nun auch möglich, wenn nach einem rechtskräftigen Freispruch neue Beweismittel auftauchen. Theoretisch kann ein Mordprozess also immer wieder neu aufgerollt werden. Ob diese Regelung mit dem Grundgesetz vereinbar ist, beschäftigt nun das Bundesverfassungsgericht.

Anlass ist der wieder aufgenommene Prozess wegen des Mordes an einer im Jahre 1983 getöteten jungen Frau. Der Verdächtige war freigesprochen worden. Im Jahr 2012 konnten jedoch Spermaspuren im Slip des Opfers gefunden werden, die den nunmehr wieder angeklagten Mann belasten sollen. Aufgrund des neu eingeführten § 362 Nr. 5 StPO wurde der Mann erneut angeklagt und sollte in Untersuchungshaft. Das Bundesverfassungsgericht setzte den Haftbefehl jedoch außer Vollzug, um über die neue Vorschrift zu entscheiden.

Gestern fand die mündliche Verhandlung statt. Hierbei prallten verschiedene Meinungen aufeinander, wie die Legal Tribune Online berichtet. Befürworter der Regelung wiesen darauf hin, dass das Grundgesetz vom Wortlaut her nur eine mehrfache Bestrafung verbietet. Den Freispruch muss man in diese Kategorie also hineindenken – was allerdings über Jahrzehnte ernsthaft nicht angezweifelt wurde. Alles andere würde die Vorschrift ja auch in ihrem wichtigsten Anwendungsfall entwerten.

Ansonsten beriefen sich die Befürworter der Regelung darauf, dass dem Staat zumindest bei krassen Strafsachen nicht auf der Nase herumgetanzt werden darf („funktionierende Strafrechtspflege“). Von „exzeptionell schweren Taten“ war die Rede, auch plane niemand eine routinemäßige Überprüfung rechtmäßiger Freisprüche, aber es gebe einen Anspruch auf „effektive Strafverfolgung“.

Die Gegner des neuen Gesetzes verwiesen darauf, dass ein Freispruch faktisch keine Rechtskraft mehr habe. Dringende Gründe für eine Wiederaufnahme ließen sich schnell konstruieren, sagte etwa Johann Schwenn, der Anwalt des Angeklagten. Die Vorschrift verstoße auch gegen die Unschuldsvermutung, betonte ein anderer Bevollmächtigter. Er wies auch darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht schon früher klargemacht habe, dass es zum Rechtsstaat gehört, auch mutmaßliche Fehlurteile in Kauf zu nehmen.

Interessant war auch der Hinweis, dass es ähnliche Vorschriften schon in der Nazizeit gegeben hat. Damals wurde es ebenfalls ermöglicht, rechtskräftige Freispruche wegen neuer Beweise oder sogar nach einer Strafverschärfung aufzuheben. Auf der Hand liegt auch, dass die nun für Mord eingeführte Vorschrift schrittweise auch auf andere Straftaten ausgedehnt werden könnte, als nächstes wären dann wohl Sexualstrafaten dran.

Das Bundesverfassungsgericht wird wohl in einigen Monaten entscheiden.

Teure Kratzer

Stolze 13.550 Euro muss ein Wohnungsmieter zahlen, weil er beim Auszug die Innenverkleidung des Aufzugs an zwei Stellen zerkratzt hat. Der Mangel könne nur durch einen kompletten Austausch der zerkratzten Wände beseitigt werden, so das Landgericht Koblenz. Es gab der Kostenklage des Vermieters statt.

Der Aufzug hat eine Edelstahlverkleidung. Diese hatte der Mieter hatte der Mieter links und an der Rückwand mit je einem Kratzer beschädigt. Die Haftpflicht des Mieters wollte lediglich 5.000 Euro zahlen, alles andere sei unverhältnismäßig.
Ein Gutachten kam aber zu dem Schluss, dass die Verkleidung komplett ersetzt werden muss.

Obwohl der Aufzug schon acht Jahre alt ist, wollte das Gericht auch keinen Abzug „Neu für alt“ anerkennen. Aufzüge müssten regelmäßig erneuert und renoviert werden, so das Gericht. Deshalb sei eine neue Wandverkleidung weder eine Verbesserung, sie führe auch nicht zu einer Verlängerung der Lebensdauer des Aufzugs (Aktenzeichen 4 O 98/21).

Drohnenvideos und Urheberrecht

Wer gerne mit einer Drohne filmt und die Aufnahmen – zum Beispiel in sozialen Netzwerken – veröffentlicht, sollte eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm kennen. Die Richter stellen nämlich fest, dass mit Drohnen erstellte Fotos und Videos nicht von der sogenannten Panoramafreiheit gedeckt sind.

In dem entschiedenen Fall ging es um einen Bildband, der auch Drohnenfotos von früheren Kohlehalden im Ruhrgebiet zeigt. Die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst verlangte für die Fotos Lizenzgebühren, weil die Drohnen auch urheberrechtlich geschützte Kunstwerke, zum Beispiel die „Sonnenuhr mit Geokreuz“, auf den Halden festgehalten haben.

Von diesen Kunstwerken darf man zwar Panoramabilder machen und diese veröffentlichen, so das Gericht. Die Panoramafreiheit schließe aber nur Perspektiven ein, die sich von öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen aus ergeben. Luftaufnahmen seien hiervon nicht umfasst. Die Richter beziehen sich auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Dieser habe die Panoramafreiheit schon deswegen verneint, weil der Fotograf sich auf eine simple Leiter gestellt hatte. Bei Drohnenbildern könne nichts anderes gelten.

Ob die Analogie zu dem Einsatz einer Leiter auch in heutigen Zeiten noch entscheidend ist, wird voraussichtlich der Bundesgerichtshof entscheiden. Das Oberlandesgericht Hamm hat die Revision zugelassen (Aktenzeichen 4 U 247/21).

Wichtiges Urteil für Betreute und ihre Angehörigen

In Deutschland stehen mehr als eine Million Menschen unter Betreuung. Für die Betroffenen und ihre Angehörigen dürfte eine Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs wichtig sein. Das Gericht äußert sich zu der Frage, welche Voraussetzungen für eine Betreuung erfüllt sein müssen.

In dem Fall ging es um eine Frau, die an einer schweren Schizophrenie erkrankt ist. Ein Sachverständiger untersuchte sie. Er stellte Betreuungsbedarf fest, wobei er sich aber ausschließlich auf die Erkrankung als solche stützte. Das ist jedoch nicht ausreichend, heißt es vom Bundesgerichtshof. Vielmehr müsse auch festgestellt werden, ob die konkreten Lebensumstände die Betreuung auch tatsächlich erforderlich machen. Damit meint das Gericht zum Beispiel die Frage, ob ein Betreuer vielleicht schon deswegen nicht erforderlich ist, weil der Betroffene vor seiner Erkrankung jemanden bevollmächtigt hat.

Ebenso wichtig sind aber auch die konkreten Lebensumstände. Das betrifft natürlich vorwiegend Menschen, die in ihre Familie eingebunden sind. Laut dem Gericht können Betreuungsbedürftigkeit und Betreuungsbedarf auseinanderfallen. Deshalb müsse jede gerichtliche Anordnung auch den tatsächlichen Betreuungsbedarf feststellen (Aktenzeichen XII ZB 462/22).