Rückzieher im Notarzt-Fall

Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt macht einen Rückzieher. Die Behörde nahm den Strafbefehl gegen einen Notarzt zurück, der bei einem Einsatz verkehrsgefährdend gefahren sein soll, berichtet Spiegel online.

In den vergangenen Tagen gab es massiven öffentlichen Druck auf die Ankläger und das Gericht, welches den Strafbefehl abgesegnet hat. So unterschrieben 200.000 Menschen eine Online-Petition zu Gunsten des Arztes.

Ich glaube aber nicht, dass hier dem „Druck der Straße“ nachgegeben wurde. Vielmehr dürfte sich bei erneuter Prüfung der Sache durch die Vorgesetzten des verantwortlichen Staatsanwalts schlicht und einfach herausgestellt haben, dass dieser tatsächlich über das Ziel hinausgeschossen ist. Da Staatsanwälte weisungsgebunden sind, kann auch die Behördenleitung die Entscheidung revidieren.

Kein gutes Licht fiele in diesem Fall aber auf den Amtsrichter, der den Strafbefehl auf Antrag der Staatsanwaltschaft erlassen hat. Womöglich bestätigt sich auch hier die leidvolle Erfahrung jedes Strafverteidigers und einer Unzal Betroffener, dass viele Richter Strafbefehle einfach durchwinken. Etwas, das man ja auch bei Durchsuchungsbeschlüssen kennt.

Update: Die Generalstaatsanwaltschaft München hat bestätigt, dass der Strafbefehl nicht korrekt war.

Früherer Bericht im law blog

Bloß nicht nichts machen

Wem eine Verurteilung wegen einer Straftat droht, der muss sich eher früher als später mit der Frage beschäftigen: Wie komme ich an einen Anwalt? Ohne einen Verteidiger geht es bei uns nämlich nicht, zumindest wenn schwere Vorwürfe im Raum stehen – was normalerweise ab einer zu erwartenden Freiheitsstrafe von einem Jahr der Fall ist.

Oft entscheiden sich Beschuldigte – auch weil sie einen Anwalt momentan nicht selbst bezahlen können – zum Nichtstun. Sie verlassen sich darauf, dass sie vom Gericht schon einen Pflichtverteidiger zur Seite gestellt bekommen. Was auch tatsächlich der Fall ist. Schlau ist so viel Passivität aber nicht.

Der Münchner Anwalt Adam Ahmned weist im neuesten Heft der Zeitschrift Strafverteidiger auf Missstände hin, die mit der Bestellung eines Pflichtverteidigers verbunden sind. Dieser wird nämlich vom Gericht beauftragt (§ 142 Strafprozessordnung). Und zwar meist ausgerechnet von genau dem Richter, der später auch das Urteil fällt.

Die Folgen sind klar. Ahmed beschreibt das so:

Diese praktische Freiheit bei der Auswahl lädt gerade dazu ein, im Zweifel solche Verteidiger zu benennen, welche in der Vergangenheit beim jeweiligen Gericht einen „guten“, weil kontrollierbaren Eindruck hinterlassen haben, mit anderen Worten einen möglichst geschmeidigen, reibungslosen und konfliktfreien Verfahrensablauf und jegliche sachbezogene Konfrontation mit dem Gericht (ggf. sogar bewusst) gescheut haben.

„Richters Liebling“ kommt allerdings nur zum Zuge, wenn der Beschuldigte gar nichts macht. Denn im Gesetz steht ausdrücklich, dass der Beschuldigte auch bei der Auswahl des Pflichtverteidigers ein Mitspracherecht hat. Das heißt, der Richter muss ihn vorher schriftlich auffordern, einen Anwalt seiner Wahl als Pflichtverteidiger zu benennen. Meist wird hierfür eine Frist von einer Woche gesetzt. Wenn der Beschuldigte rechtzeitig antwortet und einen Anwalt benennt, kann sich der Richter über diese Wahl normalerweise nicht hinwegsetzen.

So kommt der Beschuldigte also zu einem Pflichtverteidiger, den er sich zumindest selbst ausgesucht hat. Das dürfte die Chance erhöhen, an einen richtigen Strafverteidiger zu geraten. Und nicht nur an einen „Urteilsbegleiter“. Natürlich ist es sinnvoll, vorher mit dem ins Auge gefassten Anwalt zu klären, ob er die Pflichtverteidigung übernehmen möchte. Aber streng genommen kann sich der Verteidiger gar nicht wehren, wenn er auf Wunsch des Beschuldigten vom Gericht beauftragt wird. Wie der Name „Pflichtverteidigung“ schon sagt.

Smart Repair: gut, aber keine Pflicht

Ausbeulen statt austauschen: Smart-Repair-Techniken sind weniger aufwendig als herkömmliche Autoreparaturen und damit billiger. Geschädigte bei einem Unfall sollten sich aber nicht vorschnell mit einer Ausbesserung zufrieden geben. Sonst drohen böse Überraschungen, warnt die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).

„Als Geschädigter bei einem Unfall hat man Anspruch darauf, dass der Schaden vollständig behoben und nicht nur ausgebessert wird. Das heißt, dass das Fahrzeug durch eine sach- und fachgerechte Reparatur wieder in den Zustand versetzt wird, in dem es vor dem Unfall war“, sagt Rechtsanwalt Jens Dötsch von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). War beispielsweise der Kotflügel vor dem Unfall unbeschädigt und hat nun einen Kratzer, besteht ein Anspruch auf einen neuen Kotflügel ohne Kratzer und nicht auf einen solchen mit einem ausgebesserten Kratzer.

Ob eine Smart-Repair-Methode den Zustand vor dem Unfall tatsächlich wiederherstellt, lässt sich für den Laien nur schwer prüfen. Denn das optische Ergebnis ist erst mal ähnlich. Trotzdem kann, so die Verkehrsrechtsanwälte, das vermeintlich reparierte Fahrzeug später Probleme bereiten. „Will man sein Auto verkaufen, muss eine nicht fachgerechte Reparatur offenbart werden. Das wirkt sich natürlich negativ auf den Verkaufspreis aus“, sagt Rechtsanwalt Dötsch.

Im Zweifel sollte man also nach einem Schadensfall auf das Smart-Repair-Angebot einer Versicherung nicht vorschnell einigehen.

Gerechte Bestrafung

Papst Franziskus soll in einer Audienz die Prügelstrafe für Kinder gerechtfertigt haben. Er scheint damit kein Problem zu haben, so lange es die Kinder nicht demütigt, berichtet die Süddeutsche Zeitung.

Wie man Kinder schlägt, ohne sie zu demütigen, wird der Papst vielleicht bei Gelegenheit noch erklären. Seinen Worten lässt sich allenfalls entnehmen, dass er Schläge ins Gesicht für nicht angemessen hält. Wobei allerdings dann ja noch reichlich Angriffsfläche verbleibt für das, was der Papst offenbar für eine gerechte Bestrafung hält.

Für Deutschland kann der Papst allerdings viel erzählen, wenn der Tag lang ist. Bei uns haben Kinder einen gesetzlichen Anspruch auf gewaltfreie Erziehung (Paragraf 1631 Bürgerliches Gesetzbuch). Das bedeutet: Eltern, die ihre Kinder schlagen, kommen dank Franziskus vielleicht nicht in die Hölle. Aber sie machen sich strafbar und riskieren ihr Sorgerecht.

Notarzt soll Führerschein abgeben

Für Schlagzeilen sorgt der Fall eines bayerischen Notarztes, der nach einer Blaulichtfahrt seinen Führerschein verlieren und 4.500 Euro Geldstrafe zahlen soll – obwohl niemand zu Schaden gekommen ist. Der Arzt war in seinem Einsatzwagen auf dem Weg zu einem Kind, das eine lebensbedrohliche Atemwegsverlegung hatte.

Der Notarzt mit 20 Dienstjahren soll beim Überholen eines Autos einen entgegenkommenden Wagen ins Bankett gedrängt haben. Er selbst, berichtet die Süddeutsche Zeitung, kann sich an eine solche Situation nicht erinnern. Er betont, schon rund 5.000 Einsätze unfallfrei gefahren zu sein.

Nach § 35 Straßenverkehrsordnung dürfen Fahrzeuge des Rettungsdienstes zum Beispiel schneller fahren als erlaubt, verbotswidrig überholen, die Gegenfahrbahn nutzen sowie rote Ampeln und Stoppschilder ignorieren, „wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden“. Rambomethoden sind dabei allerdings verboten. Denn die Vorschrift besagt auch, dass Sonderrechte nur „unter gebührender gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden“ dürfen.

Ohne Einzelheiten zu kennen, lässt sich der Fall nur schwer juristisch beurteilen. Allerdings mutet die Rechtsfolge schon ziemlich martialisch an. Der Notarzt hat nach eigenen Angaben nicht mal einen Punkt in Flensburg, und es soll bei dem Vorfall keine Personen- oder Sachschäden gegeben haben. Überdies stellt sich natürlich die Frage, ob der betreffende Autofahrer sich selbst korrekt verhalten hat. Auch ihn treffen nämlich Pflichten, wenn er einem Einsatzfahrzeug begegnet: Er muss dem Einsatzfahrzeug sofort freie Bahn verschaffen.

Dass es ein „echter“ Notfall war, daran besteht wohl kein Zweifel. Die Mutter des geretteten Kindes ist dem Mediziner nach Presseberichten sehr dankbar.

Kein „unbegrenztes Parken“

Autofahrer dürfen sich nicht darauf verlassen, dass sie ihr Auto unbegrenzt auf öffentlichen Parkplätzen abstellen dürfen. Auch wenn der Parkplatz an sich dauerhaft freigegeben ist, dürfen sie drei Tage nach Anordnung eines Halteverbots abgeschleppt werden. Dies hat das Verwaltungsgericht Neustadt entschieden.

Ein Autofahrer hatte seinen Wagen in Haßloch auf dem Pfalzplatz abgestellt. Dort ist das Parken laut Schild „unbegrenzt“ erlaubt. Aber nicht, wenn auf dem Pfalzplatz der jährliche Sommertagsumzug stattfindet. Die deswegen aufgestellten Halteverbotsschilder sah der Betroffene nicht, weil er in den Urlaub gefahren war.

Die Stadt hatte nach eigenen Angaben noch versucht, den Mann zu erreichen. Das gelang aber nicht, weil seine Telefonnummer nicht im Telefonbuch eingetragen ist. Aber auch ohne die versuchte Kontaktaufnahme hält es das Verwaltungsgericht für zulässig, ein Auto spätestens nach drei Tagen abzuschleppen. Es sei einem Autofahrer zumutbar, dass er sich alle paar Tage vergewissert, ob er noch parken darf (Aktenzeichen 5 K 444/14.NW).

Eckige Klammern

Die Ermittlungsrichterin am Amtsgericht hat einen Durchsuchungsbeschluss erlassen und unterschrieben. Die Begründung des Beschlusses lautet wie folgt:

Dem Beschuldigten wird Folgendes zur Last gelegt:

<> Bl. 38

Zeitpunkt des Datenzugriffs war 22:53 Uhr.

Zu diesem Zeitpunkt <> Bl. 7

< < >> Bl. 7

und zwar <> Bl. 8

Diese IP-Adresse konnte dem Beschuldigten zugeordnet werden.

Der Beschuldigte <> Bl. 11

Wie man unschwer erkennen kann, scheint es bei diesem Gericht Aufgabe der Geschäftsstellenmitarbeiterin zu sein, die von der Richterin (mit Bleistift) umklammerten Textpassagen aus der Ermittlungsakte zusammenzuschreiben. In den späteren Ausfertigungen des Beschlusses, welche die Richterin aber nicht unterschreibt, stehen diese Zitate dann drin.

Man kann sich fragen, wer bei dem betreffenden Gericht die Beschlüsse wirklich formuliert. Aber Scherz beiseite, es handelt sich hier um eine richterliche Entscheidung, die Grundrechte außer Kraft setzt. Sie steht natürlich auch nicht im luftleeren Raum, sondern sie muss auch vom Beschwerdegericht und später vom Strafrichter überprüfbar sein. Da sollte dann schon wenigstens Gewissheit darüber bestehen, was die Richterin tatsächlich angeordnet hat.

Ich habe Beschwerde eingelegt.

Bloße Behauptungen

Gerade die Abmahner von Pornofilmen machen es sich oft leicht, wenn sie in Filesharing-Prozessen belegen wollen, dass sie tatsächlich die Filmrechte haben. Das Amtsgericht Bremen hat vor kurzem in einem Urteil klargestellt, dass die bloße Behauptung, es habe schon alles seine Richtigkeit, jedenfalls nicht reicht. Ebenso wenig der Verweis auf das sogenannte GüFa-Siegel. Einzelheiten habe ich bereits hier berichtet.

Das Landgericht Bremen teilt nun ebenfalls diesen Standpunkt. Es will deshalb die Berufung zurückweisen, welche der Filmproduzent gegen das Urteil eingelegt hat. Einzelheiten berichtet die IT-Kanzlei Lutz, die auch aus dem Beschluss zitiert.

Stets bescheiden bleiben

Bei uns gilt ja der Grundsatz, dass man als Beschuldigter im Strafverfahren schweigen darf. Uns sogar lügen. Schon das Schweigerecht hilft nicht nur beim eigentlichen Vorwurf, sondern führt mitunter dazu, dass eine Geldstrafe erfreulich niedrig ausfällt.

Staatsanwalt und Richter schätzen in der Praxis nämlich das Einkommen des Betroffenen. Theoretisch können sie natürlich auch selbst ermitteln, zum Beispiel beim Finanzamt, der Hausbank oder dem Arbeitgeber nachfragen. Das passiert aber schon aus Zeitgründen und dem damit verbundenen Aufwand nur ganz, ganz selten.

Das hat vor allem positive Auswirkungen für Gutverdiener, wenn diese sich bei Angaben zu ihrem Einkommen vornehm zurückhalten. Das zeigte neulich mal wieder einer meiner Fälle. Der Mandant soll ein Verkehrsdelikt begangen haben. Das Gericht erließ einen Strafbefehl über 50 Tagessätze á 70 Euro = 3.500 Euro Geldstrafe. Die Höhe des Tagessatzes ergibt sich aus dem täglichen Nettoeinkommen. Wer also beispielsweise 1.500 Euro im Monat auf dem Gehaltszettel stehen hat, kommt als beispielsweise auf einen Tagessatz von 50 Euro.

Der Tagessatz von 70 Euro entsprach bei meinem Mandanten also einem geschätzten Einkommen von 2.100 Euro netto. Nun ja, aus anderen Zusammenhängen weiß ich sehr genau, was auf seiner Gehaltsabrechnung steht. Vor zwei Jahren waren es schon 18.000 Euro netto, und heute sitzt er im Bürotower seines Arbeitgebers schon wieder zwei Etagen höher.

Schon die erwähnten 18.000 Euro hätten den individuellen Tagessatz schmerzhaft nach oben geschraubt. Nämlich auf 600 Euro. 70 Tagessätze á 600 Euro summieren sich aber auf eine Gesamtgeldstrafe von 42.000 Euro.

Ich brauchte nur ein paar Minuten, um dem Mandanten die Chancen und Risiken einer Hauptverhandlung zu vermitteln. An der Tat selbst gab es nur wenig zu rütteln. Selbst wenn wir 10, vielleicht 15 Tagessätze runtergehandelt hätten, bestand das naheliegende Risiko, dass Staatsanwalt oder Richter mitbekommen, wie weit sie mit ihrer Einkommensschätzung daneben liegen. Den Achtungserfolg bei der Anzahl der Tagessätze hätte der Mandant dann trotzdem mit zwei bis vier wunderbaren Urlaubsreisen bezahlt.

Der Strafbefehl ist mittlerweile rechtskräftig. Ich warte schon gespannt darauf, von wo der Mandant eine Ansichtskarte schickt.

Geld hat man zu haben

„Geld hat man zu haben.“ So lautet ein wichtiger Grundsatz im Zivilrecht, den jeder Student gleich am Anfang lernt. Diesen Grundsatz wandte der Bundesgerichtshof nun sehr konsequent auf das Mietrecht an.

Die Richter erklärten die Kündigung eines Wohnungsmieters für zulässig, obwohl dieser rechtzeitig Sozialhilfe beantragt hatte. Nach etlichen Monaten und einigen Gerichtsverfahren zahlten die Sozialhilfeträger auch. Aber in der Zwischenzeit hatte der Vermieter mehrfach gekündigt. Das ist bei einem Mietrückstand ab zwei Monatsmieten zulässig.

Von einem Verzug könnte allerdings dann nicht die Rede sein, wenn der Mieter unverschuldet nicht gezahlt hat. Daran könnte man hier denken, da er ja an sich einen Anspruch gegenüber den Sozialamt hatte. Hier meinen die Richter, dass für Geldforderungen „jedermann ohne Rücksicht auf ein Verschulden für seine finanzielle Leistungsfähigkeit“ einzustehen hat. Das gelte uneingeschränkt auch im Mietrecht (Aktenzeichen VIII ZR 175/13).

Willkommen im Gesinnungsstrafrecht

Die Bundesregierung verabschiedet heute den Entwurf für ein neues Anti-Terror-Gesetz. Besonders fragwürdig sind die Paragrafen, mit denen bereits der Versuch bestraft werden soll, eine Reise in ein Land zu unternehmen, in dem es Ausbildungscamps für Terroristen gibt.

Das ist im Ergebnis nicht nur reine Sympbolpolitik, wie etwa der nun ebenfalls auf den Weg gebrachte Kondomzwang für Freier. Es ist auch die (Wieder-)Einführung eines Gesinnungsstrafrechts, wie etwa Jörg Diehl auf Spiegel Online kommentiert. Strafbar sind nämlich nach der extrem weit gefassten Vorschrift künftig sogar bloße Pläne oder gar Gedanken, ohne dass der Verdächtige bis dahin auch nur irgendwas konkret gemacht hat.

Heribert Prantl nennt das Gesetz in der Süddeutschen Zeitung rechtsstaatswidrig. Auf andere Lebenssachverhalte übertragen, könnte laut Prantl zum Beispiel schon jemand strafbar sein, wenn er sich im Baumarkt einen Hammer kauft – weil ihm irgendwer irgendwelche vagen Absichten unterstellt, vielleicht mal einen Menschen damit töten zu wollen.

Das ist in der Tat abstoßend, weil es der Willkür Tür und Tor öffnet. Menschen werden dann tatsächlich nicht mehr an ihren (geplanten) Taten gemessen, sondern an ihren – möglicherweise nur unterstellten – ferneren Absichten. Wie so oft steht auch zu befürchten, dass die angeblichen Anti-Terror-Maßnahmen nur der Türöffner sind, um so was auch in anderen Bereichen umzusetzen. Am Ende wird wohl wieder das Bundesverfassungsgericht dem Druck widerstehen müssen, rechtsstaatliche Prinzipien in den Wind zu schießen.

Weh tut nicht nur der Tod

Beim Trophäenfischen bleibt den Tieren der Tod erspart. Sie werden nämlich wieder ins Wasser zurückgeworfen. Obwohl das auf den ersten Blick tierfreundlicher scheint, ist bei uns Trophäenfischen untersagt. Jedenfalls, wenn es nach dem Verwaltungsgericht Münster geht.

Der Betreiber einer Angelanlage hatte seinen Kunden gegen Bezahlung die Möglichkeit eingeräumt, neben Forellen auch kapitale Fische wie Störe, Welse, Hechte und Karpfen zu angeln. Mit den gefangenen Tieren durften die Angler posieren und Fotos machen, am Ende wanderten die Fische zurück in den Teich.

Laut dem Gericht verstößt diese Variante des Angelsports gegen das Tierschutzgesetz. Im konkreten Fall stehe fest, dass die Fische mit lang andauerndem Drill geangelt und ohne Unterfangkescher angelandet würden. Schließlich würden sie lebend vor der Kamera als Trophäe präsentiert, ohne Betäubung abgehakt und wieder ins Gewässer zurückgesetzt. Teilweise lägen die Fische mehrere Minuten an Land.

Dies führe zu erheblichem Stress bei den Fischen, der nicht gerechtfertigt sei. Denn Tieren dürfe regelmäßig nur zum Nahrungserwerb oder zur Lebensmittelgewinnung Leid zugefügt werden, und auch das nur in unvermeidlichem Maß. Der Betreiber der Anlage kann noch Rechtsmittel einlegen (Aktenzeichen 1 L 615/14).

Gras auf dem Tresen

Es kommt, das ist kein Geheimnis, immer mal wieder vor, dass von der Polizei sichergestellte Drogen abhanden kommen. Bei der Polizei. So erzählen meine Mandanten schon mal, dass sie zum Beispiel kurz zuvor sauber abgewogene 80 Gramm Marihuana dabei hatten. Im Sicherstellungsprotokoll tauchen dann aber nur 47 Gramm auf.

Das ist natürlich nichts, worüber man sich als Beschuldigter jetzt groß beschweren würde. Ich kann meine Mandanten jedenfalls immer überzeugen, hier kein Fass aufzumachen. Am Ende kommt ihnen eine geringere Menge ja so oder so zu Gute, und die „ertappten“ Beamten leiten dann ja ohnehin nur ein Verfahren wegen falscher Verdächtigung ein. Ist doch klar, wem am Ende nicht geglaubt wird.

Wer solche Geschichten ins Reich der Legenden verweist, dem kann ich jetzt einen ganz aktuellen Fall erzählen. Einen Fall, bei dem das Verschwinden der Drogen sich jedenfalls nicht abstreiten lässt. Der Fall spielt auf einer Polizeiwache in Nordrhein-Westfalen. Die Beamten der Nachtschicht hatten bei einem Einsatz folgendes sichergestellt:

– 700 Gramm Marihuana in einer Tüte.

– 52 Gramm Marihuana in einer weiteren Tüte.

So steht es jedenfalls in dem ersten Protokoll, das angefertigt wurde. In der Nacht kamen Kriminalbeamte auf die Wache und übernahmen die Asservate von der Schutzpolizei. Dabei dürfte es wohl so gewesen sein, dass die Wachführerin eine Liste erstellt hat und die Drogen dann zur Abholung bereit legte. Und zwar auf ihren Tisch im Wachraum, den nur Polizeibeamte betreten dürfen. Die Wachleiterin beteuert, die Sachen in einen leeren Kopierpapier-Karton geapackt zu haben. Den will sie ohne (!) Deckel im Dienstzimmer abgestellt haben.

Es scheint ein wenig gedauert zu haben, bis die Leute von der Kripo eintrafen. Denn als sie dann mal da waren, fehlte die Tüte mit 52 Gramm Marihuana. Und von den ursprünglich gewogenen 700 Gramm waren nur noch 446 Gramm da. Das allerdings merkten die Kripo-Leute nicht gleich, weil sie die Asservate bei Übernahme nicht überprüften. Stattdessen nahmen sie sie mit in ihr Kommissariat. Erst dort fiel ihnen der „Schwund“ auf und sie schrieben einen wenig schmeichelhaften „Aktenvermerk Marihuana“.

Danach stand der Karton eine ganze Zeit auf dem Tresen des Wachraums. Also dort, wo sich jeder Beamte der betreffenden Schicht vorbei musste und sich nach Belieben bedienen konnte. Wie bei einer Dose Haribo.

Eine Befragung der Polizeibeamten aus der Schicht ist wohl ergebnislos verlaufen. Mehr als eine höfliche Rücksprache dürfte es ohnehin kaum gewesen sein. Jedenfalls wurde noch nicht mal eine Zeugenaussage zu Protokoll genommen. Sondern man hat es bei einem Dreizeiler belassen, wonach bei den Befragungen nichts rausgekommen ist.

Gegen meinen Mandanten wird übriges weiter ermittelt. Der Drogendiebstahl beziehungsweise die Unterschlagung in den eigenen Reihen hat aber, soweit ich das sehen kann, die Staatsanwaltschaft auch nach Monaten noch nicht veranlasst, in dieser Richtung tätig zu werden.

Nur mit Stempel

Als Anwalt bin ich verpflichtet, auf Wunsch den Empfang hier eingegangener Schriftstücke von Gerichten und Behörden zu bestätigen. Das geschieht durch ein „Empfangsbekenntnis“ (§ 174 Zivilprozessordnung).

Das Empfangsbekenntnis ist an keine besondere Form gebunden. Üblicherweise schicken Gerichte ein vorbereitetes Formular mit, das ich unterschrieben zurücksende. So weit, so einfach. Die Tage meldete sich bei mir der Mitarbeiter einer süddeutschen Staatsanwaltschaft. Er – ich kann es nicht anders sagen – pflaumte mich an, weil auf dem zurückgeschickten Empfangsbekenntnis unser Kanzleistempel fehlte.

„Da steht doch extra drunter: Stempelabdruck der Kanzlei beifügen“, belehrte er mich. Normalerweise hätte ich auch keine Probleme damit, dem Mann seinen Wunsch nach einem Stempelbildchen zu erfüllen. Wobei unsere Mitarbeiter sowieso meist einen Stempel mit unserem Namen und den Kontaktdaten unter das Unterschriftenfeld machen. Wieso er hier fehlte, keine Ahnung. Vermutlich hatte ich das Schriftstück selbst aus dem Fax geholt und gleich unterschrieben.

Aber der Ton macht ja wie so häufig die Musik. „Nö“, sagte ich mit gewisser Lust an der Rebellion. „Ich schicke Ihnen kein Empfangsbekenntnis mit Stempelabdruck meiner Kanzlei.“ Da ich vor Jahren schon mal ähnlichen Ärger hatte, brauchte ich meine Rechte und Pflichten nicht groß zu recherchieren. Das Empfangsbekenntnis erfordert auf Seiten des Empfängers nämlich nur das Datum und die Unterschrift. Also keinen Kanzlei- oder einen Datumsstempel. An dieser Pflicht ändert sich natürlich auch daran nichts, wenn eine Behörde meint, auf einen Stempel bestehen zu müssen. (Wobei ich sowieso eher den Eindruck hatte, das ist ein persönlicher Fetisch des Mannes.)

Wir sind dann so verblieben, dass er sich bei der Anwaltskammer über mich beschwert. Dafür muss er aber den Dienstweg einhalten. Ich gehe davon aus, dass ihn schon einer seiner Vorgesetzten stoppen wird.

Grundlos gebremst

Wer im Straßenverkehr grundlos bremst, haftet bei einem Unfall mit, und zwar in Höhe von 30 Prozent. Im Falle einer grundlosen Bremsung gilt nämlich die übliche Vermutung gerade nicht, nach der der Auffahrende den Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat oder unaufmerksam war. Das ergibt sich aus einem Urteil des Amtsgerichts München.

In dem entschiedenen Fall stand fest, dass die Fahrerin eines Mercedes nur deshalb plötzlich stoppte, weil sie glaubte, sie habe sich verfahren. In ihr Fahrzeug rauschte ein VW Golf, dessen Halterin ihren kompletten Schaden erstattet haben wollte.

So weit wollte das Amtsgericht München aber nicht gehen. Es hält eine Mithaftungsquote des Vorausfahrenden in Höhe von 30 % für angemessen, da dieser eine Gefährdungssituation geschaffen habe. Den Löwenanteil muss aber der Auffahrende selbst zahlen, weil er nach der Straßenverkehrsordnung sein Fahrzeug auch in unvorhergesehenen Situationen jederzeit sicher abbremsen können muss (Aktenzeichen 345 C 22960/13).