Randalierer an Bord – Airline haftet nicht

Wenn ein Flugzeug wegen eines Randalierers erheblich verspätet ist, muss die Fluggesellschaft nicht unbedingt eine Entschädigung an die Passagiere zahlen. Dies hat der Europäische Gerichtshof entschieden.

Wegen eines aggressiven Fluggastes musste ein Flugzeug in Portugal zwischenlanden. Für die stundenlange Verzögerung forderte ein Fluggast die vorgeschriebene Ausgleichszahlung (zwischen 250 und 600 Euro). Das verweigerte die Airline jedoch mit der Begründung, die Fluggastrechte-Verordnung schließe die Haftung bei „außergewöhnlichen Umständen“ aus.

Ein Randalierer an Bord, der eine Zwischenlandung erzwinge, ist nach Auffassung des Europäischen Gerichtshof so ein außergewöhnlicher Umstand. Mit einer derartigen Bedrohung der Flugsicherheit sei normalerweise nicht zu rechnen. Das gelte aber nur, wenn das Risiko durch den Fluggast nicht schon bis zum Boarding hätte auffallen müssen. Außerdem dürfe die Situation nicht vom Personal (mit-)verschuldet worden sein (Aktenzeichen C-74/19).

Polizisten sollen mit geklauten Fahrrädern gehandelt haben

In Leipzig sollen ausgerechnet Polizisten, die an sich Fahrraddiebstähle bekämpfen sollten, mit abhanden gekommenen Zweirädern einen schwunghaften Handel betrieben haben. Konkret geht es um Fahrräder, die polizeilich sichergestellt wurden, bei denen aber die Rückgabe an die Eigentümer scheiterte.

Eine Mitarbeiterin soll als Asservatenbauftragte die Fahrräder im Rahmen der offiziellen „Verwertung“ extrem günstig an einen Kleingartenverein veräußert haben, dessen Vorstand ihr Vater ist. Der Verein soll die hochwertigen Fahrräder dann an etliche Polizeibeamte verkauft haben – zu absoluten Schnäppchenpreisen. Unter den Kunden sollen aber auch Staatsanwälte und womöglich auch ein Richter sein. Insgesamt gibt es wohl Ermittlungen gegen 13 Beamte, die auf Verkäuferseite tätig waren. Außerdem wird gegen 40 Staatsdiener ermittelt, die laut sichergestellten Quittungen auf die Schnäppchenangebote ansprangen.

Das betroffene Sonderdezernat für Fahrraddiebstähle war vor einigen Jahren mit großer PR eröffnet worden, ist aber vor einiger Zeit sang- und klanglos geschlossen worden. Mittlerweile soll eine Sonderkommission beim LKA so weit ermittelt haben, dass es zu dienstrechtlichen Konsequenzen gekommen ist. Das Sächsische Justizmnisterium bestätigt die Ermittlungen, weist den Vorwurf der Vertuschung aber zurück.

Näheres kann man bei n-tv sowieso bei Tag24 nachlesen.

Zeitnahe Rückantwort

Das Amtsgericht möchte einem Mandanten einen Strafbefehl zustellen. Das klappt aber nicht, warum, geht mich erst mal nichts an. Nun erhalte ich folgendes Schreiben:

Eine förmliche Zustellung an Sie konnte nicht erfolgen, da keine Zustellungsvollmacht vorliegt. Eine entsprechende Vollmachtserteilung wäre zur Verfahrensbeschleunigung hilfreich.

Das ist sicher richtig. Aber es ist natürlich die Entscheidung des Mandanten, ob er mir eine Zustellungsvollmacht erteilt. Kann er. Muss er aber nicht. Aber das Gericht kann natürlich fragen.

Nun zum interessanteren Teil des Briefes:

Ist Ihnen eine anderweitige zustellungsfähige Anschrift Ihres Mandanten bekannt? Für eine zeitnahe Rückantwort vielen Dank im voraus.

Dazu könnte ich allenfalls etwas sagen, sofern mein Mandant mit der Weitergabe seiner aktuellen Adresse einverstanden ist. Stichwort Schweigepflicht. Zu dieser gehört eben auch, dass ich dem Gericht nicht mit Adressdaten aushelfe, jedenfalls nicht ohne Einverständnis des Auftraggebers.

Wenn ich der freundlichen Bitte also nachgebe, könnte ich mich früher oder später beim selben Richter auf der Anklagebank wiederfinden. Wegen Parteiverrats, § 356 StGB. Immerhin könnte ich dann versuchen, dass er auf meiner Seite Platz nehmen muss. Wegen Anstiftung zu eben diesem Parteiverrat.

Ich lass es lieber und spare sie mir, die „zeitnahe Rückantwort“.

Akteneinsicht geht auch ohne Anwalt

Gegen Herrn N. liefen Ermittlungen wegen eines Verkehrsdelikts. So genau konnte er sich keinen Reim darauf machen, was die Polizei von ihm wollte. Er bat schriftlich um Akteneinsicht und stellte in Aussicht, dass er sich später vielleicht zum Vorwurf äußert.

Der zuständige Polizeibeamte antwortete so:

In Ihrem Schreiben bitten Sie um Akteneinsicht. Dieses ist jedoch nur gegenüber eines eingesetzten Rechtsbeistandes (Rechtsanwalt, Notar) zulässig…

Als Anwalt freust du dich natürlich ein wenig über solche Auskünfte. Treiben sie dir doch die Kunden in die Arme. Wie Herrn N., der sich dann auch an mich wandte. Richtig ist die Auskunft dennoch nicht. Denn in § 147 StPO (Abs. 4) ist ganz klar geregelt, dass ein Beschuldigter an sich die gleichen Einsichtsrechte hat wie ein Verteidiger.

Die Einschränkungen für den Beschuldigten sind eher marginal. Anwälten wird die Akte in der Regel zugeschickt. Der Beschuldigte muss sich zur Geschäftsstelle der Staatsanwaltschaft begeben. Einen Anspruch auf Kopien hat er nach dem Gesetz nicht. Allerdings kann der Staatsanwalt ihm Kopien zur Verfügung stellen – und diese auch per Post übersenden.

Halten wir also zwei Dinge fest: Der Beschuldigte braucht keinen Anwalt, um letztlich alle Unterlagen selbst zu sehen. Und kein amtliches Briefpapier wehrt sich dagegen, dass juristischer Nonsense drauf geschrieben wird.

Kleine Künstlerin

In Hohenstein-Ernstthal in Sachsen sind in letzter Zeit 37 Autos zerkratzt worden. Schaden: rund 30.000 Euro. Die Täterin konnte jetzt von der Polizei ermittelt werden. Sie ist gerade mal sieben Jahre alt – und hatte ein eher lauteres Motiv.

Das Mädchen war auf die Idee gekommen, die Autos mit Schneeflocken zu verzieren. Anscheinend hatte sie aber nur Steine zur Hand, um ihre kleinen Kunstwerke anzubringen. Ihr sei aber nicht bewusst gewesen, dass Autos dabei Schaden nehmen, soll sie der Polizei gesagt haben. So berichtet es n-tv, dort kann man auch eine der Schneeflocken bewundern.

Strafrechtlich kann das Kind nicht belangt werden, da Kinder erst ab einem Alter von 14 Jahren strafmündig sind. Problematischer ist schon die zivilrechtliche Haftung. Ab 7 Jahren kann man schon haften, aber nur wenn die nötige Einsichtsfähigkeit gegeben ist (§ 828 BGB). Aber da gibt es ja noch das berühmte „Eltern haften für ihre Kinder“ (§ 832 BGB). Gut möglich also, dass die Erziehungsberechtigten zahlen müssen, wenn sie auf ihre Tochter nicht ausreichend aufgepasst haben.

Versäumnisse im Fall Greta

Nach dem gewaltsamen Tod der dreijährigen Greta muss die Staatsanwaltschaft Kleve Versäumnisse einräumen. Staatsanwälte hätten der Aufsichtsbehörde nichts von den früheren Auffälligkeiten der tatverdächtigen Erzieherin mitgeteilt. Möglicherweise hätte die Frau dann gar nicht in einer Kindertagesstätte arbeiten können.

Die Frau hatte womöglich eine Straftat vorgetäuscht (Einzelheiten bei Spiegel Online). Sie war daraufhin psychologisch untersucht worden. Die Sachverständige sprach davon, das Verhalten der Frau sei ein „Hilferuf“ gewesen.

Konsequenzen? Die Behördenleitung hat mit den verantwortlichen Staatsanwälten gesprochen und diese, so heißt es in dem Bericht, für ihre gesetzlichen Mitteilungspflichten „sensibilisiert“.

Mal wieder ruhig schlafen

Auf den Polizeigewahrsam hat eigentlich niemand so richtig Lust. Bis auf einen 50-jährigen Mann in Bremerhaven. Der versuchte in der Nacht auf den heutigen Mittwoch, sich ein Schlafplätzchen in einer der Gewahrsamszellen zu sichern.

Dazu kletterte der Mann über einen Metallzaun, was jedoch nicht unbemerkt blieb. Den Polizisten erklärte der Mann, er wolle einfach mal wieder ruhig schlafen. Allerdings sahen die Beamten trotz einer gewissen Alkoholisierung des Betroffenen keinen Grund, ihn da zu behalten. Rechtliche Gründe für eine Ingewahrsahmnahme hätten schlicht nicht vorgelegen, heißt es im Polizeibericht. Im Gegensatz zu früher. Der 50-Jährige kenne den Polizeiknast schon von diversen Aufenthalten, attestiert die Polizei ihrem „Stammgast“.

Kurz vor dem Wochenende

Diktatfehler sind ja oft die Schönsten. Ich möchte mich deshalb ausdrücklich bei meiner Mitarbeiterin für eine Schreibweise bedanken, die ich soeben in einem Brief gefunden habe, der in der Unterschrifentemappe liegt:

Satansanwaltschaft Gießen
Marburger Straße 2
35390 Gießen

Lassen ´mer so rausgehen, oder?

„Malle“-Partys können auferstehen

Auch wenn man derzeit nicht nach Malle reisen darf, tut sich für das Biotop – insbesondere seine Gewächse in Form von Malle-Partys – so etwas wie eine neue Freiheit auf.

Der Begriff „Malle“ ist nämlich nach einer Entscheidung des Europäischen Markenamtes künftig nicht mehr geschützt. Sicher sehr zum Leidwesen eines Hildener Musikproduzenten, der sich vor Jahren Malle in vielfältiger Kombination als Marke sicherte. Seither war er immer wieder durch Abmahnungen aufgefallen.

Einzelheiten zu der Entscheidung kann man bei der Legal Tribune Online lesen. Aber bitte möglichst bis zum Ende, denn dort steht, dass ausgerechnet in der Malle-Hochburg Deutschland noch innerdeutsche juristische Hürden bestehen. Also nicht zu früh zu Malle-Partys einladen, so sie denn coronabedingt überhaupt zulässig sind.

OLG sucht Volljuristen als Rechtspfleger

Für Volljuristen eröffnen sich neue Tätigkeitsfelder. Sie dürfen sich im Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf künftig auf Stellen bewerben, die bisher Diplom-Rechtspflegern vorbehalten waren.

Rechtspfleger bearbeiten zivil-, familien- und strafrechtliche Angelegenheiten, häufig die Kostensachen. Sie sind für Eintragungen im Grundbuch und Handelsregister verantwortlich, erteilen Erbscheine, führen Insolvenzverfahren durch und versteigern Immobilien. Auch unterstützen sie Bürger bei der Aufnahme von Anträgen.

Verbeamtung und Teilzeit sind nach Angaben des Oberlandesgerichts möglich. Das Einstiegsgehalt beträgt 3.367,04 Euro.

Augen auf, auch mit Getränkekiste vor dem Bauch

Wer eine Getränkiste vor dem Bauch mit sich trägt, muss trotzdem selbst auf den Weg achten. Jedenfalls kann er nicht erfolgreich die Stadt verklagen, wenn er auf dem Bürgersteig stolpert und sich beim Sturz verletzt. Diese Einsicht gibt das Oberlandesgericht Köln einem Fußgänger mit.

Der Mann hatte eine Getränkekiste getragen. Auf dem Fußweg war er gestolpert, weil einige höherstehende Pflastersteine eine Kante bildeten. Der Höhenunterschied betrug nach den Angaben des Mannes rund 4 Zentimeter. Aber das ist nach Auffassung des Gerichts keine „nicht mehr beherrschbare Gefahrenquelle“ für einen Fußgänger, welche die Stadt zum Einschreiten zwinge. Ein aufmerksamer und sorgfältiger Fußgänger hätte – trotz Getränkekiste – den Weg überblicken und die Unebenheit problemlos überwinden können.

Das Landgericht Köln hatte es als Vorinstanz ebenso gesehen. Der Stadt Köln muss den Kläger nicht für die Folgen der Mittelhandfraktur entschädigen, die er sich beim Sturz zuzog (Aktenzeichen 7 U 298/19).

Untergeschobene Verträge? Verbraucherzentrale klagt gegen Vodafone

Bedauerliche Einzelfälle? Oder doch System? Diese Frage stellt die Verbraucherzentrale Hamburg im Fall der Vodafone Deutschland GmbH. Kunden berichten laut Verbraucherzentrale häufig über untergeschobene Verträge. Die Verbraucherzentrale hat nach eigenen Angaben in diversen Fällen Unterlassungsurteile erwirkt.

Kunden, die eigentlich kündigen wollten oder Hilfe wegen Online-Problemen suchten, sollen Vertragsabschlüsse bestätigt worden sein. Ebenso unmittelbar nach dem Besuch vermeintlicher Techniker, die angeblich die Anschlussdosen überprüfen sollten. Auf ihrer Informationsseite listet die Verbraucherzentrale diverse konkrete Fälle auf, in denen sie erfolgreich gegen die Vodafone Deutschland GmbH vorgegangen ist. Betroffen sind die unterschiedlichsten Produkte des Unternehmen, u.a. Kabelfernsehen, Internet- und Telefonanschlüsse.

Die Verbraucherzentrale gibt Vodafone-Kunden (insbesondere solchen wider Willen) die Möglichkeit, ihre Erfahrungen mitzuteilen. Sie weist darauf hin, dass gegen Vodafone möglicherweise Ordnungsgelder verhängt werden können, wenn sich neue Verstöße belegen lassen.

Keine Maskenpflicht an hessischen Schulen

Eine Nachricht, die Eltern und Schüler interessieren wird: Hessische Schulen sind nicht verpflichtet, den Schülern das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung vorzuschreiben. Die Mutter eines (volljährigen) Schülers wollte dies für den Rheingau-Taunus-Kreis und die Stadt Wiesbaden durchsetzen, weil sie um die Gesundheit ihres Sohnes fürchtet.

Das Verwaltungsgericht Wiesbaden sieht jedoch keine Notwendigkeit für die Anordnung einer Maskenpflicht. Die Behörden hätten ein umfangreiches Konzept ausgearbeitet, welches das Infektionsrisiko in der Schule reduziere. Dazu gehörten entzerrte Unterrichtszeiten, Abstandsregeln, Desinfektionspläne und strenge Hygienevorschriften für die Sanitärbereiche.

Vor diesem Hintergrund sei es derzeit nicht erforderlich, den Schülern auch noch das Tragen einer Maske aufzuerlegen. Zwar sei eine Mund-Nasen-Bedeckung empfehlenswert, aber die derzeitige Gefährdung mache sie nicht notwendig. Das Gericht verweist auf die sehr niedrige Zahl von Neuinfektionen im Kreis (Aktenzeichen 6 L 485/20.WI).

Finanzamt darf Corona-Hilfe nicht pfänden

Das Finanzamt darf die Corona-Soforthilfe des Landes Nordrhein-Westfalen nicht pfänden. Das Finanzgericht Münster ordnete an, dass die Hilfe an einen Gewerbetreibenden ausgezahlt werden muss – obwohl dieser erhebliche Steuerrückstände (Umsatzsteuer) hat.

Laut dem Gericht besteht bei der Soforthilfe eine Zweckbindung. Diese bestehe darin, dass dem Unternehmer über eine finanzielle Notlage hinweggeholfen wird, weil er für seinen Reparaturservice keine Aufträge mehr bekam. Zweck der Hilfe sei es nicht, Gläubigeransprüche zu befriedigen. Das Finanzamt muss das Konto des Betroffenen nun in Höhe der Soforthilfe freigeben (Aktenzeichen 1 V 1286/20 AG).

Termine für 2022

Heute rief mich der Vorsitzende einer Strafkammer am Landgericht an. Er wollte Verhandlungstermine abstimmen. Am besten im Februar oder März, so sein Vorschlag. „Wobei ich sicherheitshalber darauf hinweisen möchte“, sagte er, „dass wir über Termine im Jahr 2022 reden.“

Also, da sah es bei mir echt noch gut aus…