IM FEUILLETON

Im Feuilleton der FAZ beschäftigt sich Alexandra Kemmerer heute mit juristischen Weblogs in den Vereinigten Staaten. Die sind alle toll, denn dort wird eifrig disputiert und kolportiert. Die deutsche Szene findet weniger Gnade:

Denn die deutsche Blogosphäre ist zwar nicht mehr wüst und leer, doch Pikanterien über Paragrafen und Personen wird man hier selten finden. Der Richter ist uns eben doch mehr „Subsumptionsautomat“ als „Richterkönig“ – oder gar „Rock-Star“. … In der rasant waschsenden Welt deutsch-sprachiger Blawgs bestimmen …. Praktiker das Bild. Neben Impressionen aus dem Gerichtssaal (www.lawblog.de) liest man den Polizeibericht der Kreispolizei Heinsberg (www.ra-blog.de) und Gedanken einer Leipziger Jurastudentin zu ihrem einundneunzigsten Tag mit dem Recht unter dem vorausschauenden Namen www.rechtsreferendarin.de. Die Rechtswissenschaft schweigt derweil vornehm…

ERMITTLER FÜR BAGATELLKLAUSEL

Massenanzeigen gegen sogenannte Raubkopierer stoßen mittlerweile auf Unbehagen bei der Justiz. heise online zitiert unter Druck geratene Ermittler, welche teilweise schon die Funktionsfähigkeit ihrer Behörden bedroht sehen.

So bekommt die von Justizministerin Zypries vorgeschlagene Bagatellklausel Zuspruch von unverhoffter Seite.

EC-KARTE UND AUSWEIS

Der Personalausweis und die EC-Karte müssen nicht getrennt aufbewahrt werden. Die Sparkasse Köln / Bonn muss nach einem Urteil des Landgerichts Bonn deshalb einem Ehepaar 40.000,00 € erstatten. Ein unbekannter Täter hatte am Arbeitsplatz eines Arztes dessen EC-Karte und Personalausweis gestohlen. Beides legte er in Filialen der Sparkasse vor und erhielt anstandslos Bargeld.

Die Sparkasse meinte, die Scheckkarte und der Ausweis müssten getrennt aufbewahrt werden. Eine derartige Pflicht konnte das Landgericht Bonn jedoch nicht erkennen. Im Gegenteil: Diese Dokumente „gehören zu den persönlichen Wertgegenständen, welche Beschäftigte erlaubterweise zu ihrem Arbeitsplatz mitzunehmen pflegen“.

(beck-aktuell)

INDIVIDUELL ZUGESCHNITTEN

Aus dem Schreiben eines Inkassoinstituts:

Ist Ihnen die Zahlung des Gesamtbetrages nicht möglich, sind wir mit monatlichen Ratenzahlungen einverstanden, wenn diese mindestens 3.064,74 € betragen.

Das ist ein Vorschlag mit Augenmaß. Die Mandantin hat knapp 1.100,00 € im Monat.

HANDWERKSZEUGE

Ich habe den Einspruch gegen einen Strafbefehl auf die Höhe der Tagessätze beschränkt. Und gleichzeitig mitgeteilt, dass ich mit einer Entscheidung durch Beschluss einverstanden bin.

Darauf erreicht mich der Anruf eines Strafrichters. Er sagt, dass meine Eingabe, so nennt er das Schreiben, für ihn unverständlich ist. „Über eine Beschwerde kann ich ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Aber über einen Strafbefehl, wie soll das denn bitte gehen? Was wollen Sie denn nun? Ich überlege schon, ob ich Ihre Eingabe nicht als unzulässig verwerfen muss.“

Tja, wir dummen Anwälte machen halt nur Arbeit. Und unsere Fachanwaltstitel haben wir auch im Lotto gewonnen. Ich verweise auf § 411 Absatz 1 Satz 3 Strafprozessordnung. Die Vorschrift kann der Richter nicht finden. Sein Gesetz, so stellt sich heraus, ist Stand Mitte 2004. Das erklärt einiges, denn die Neufassung des Paragrafen ist erst rund ein Jahr in Kraft.

Wenigstens haben wir jetzt einen Schuldigen gefunden: das Land, das sich mit der Lieferung neuer „Handwerkszeuge“, so der Richter, immer länger Zeit lässt. Er will mal in der Bibliothek schauen, ob er eine aktuelle Strafprozessordnung auftreiben kann. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass er nicht erfolgreich ist, biete ich an, den Text zu mailen.

„Ach was“, sagt er, „bis Ihre Post bei mir angekommen ist, habe ich das auf jeden Fall selbst gefunden.“

DOCH NICHT FREI

Das Amtsgericht Vechta lädt mich zu einem Hauptverhandlungstermin auf Dienstag, 1. November, 14 Uhr. Da ist bei uns in Nordrhein-Westfalen Feiertag.

In Niedersachsen nicht.

STRAFVERTEIDIGER-HAPPENING

Morgen geht der Prozess gegen einen Braunschweiger Fachanwalt für Strafrecht weiter. Er soll Polizeibeamte beleidigt und ihnen übel nachgeredet haben. Der Anwalt hatte in einer Verkehrsstrafsache den Vorwurf geäußert, die Beamten hätten den Akteninhalt manipuliert.

Die Braunschweiger Zeitung berichtet, dass extra ein großer Sitzungssaal reserviert worden ist. Es haben sich zahlreiche Anwälte als Zuschauer angesagt.

Dann wird ja morgen in dem Verfahren auch möglicherweise über den „Ablehnungs“antrag gegen den diensthabenden Staatsanwalt entschieden, zu dem ich den Kollegen Hoenig, einen der Verteidiger, inspiriert habe. Hoffentlich ist dem Antrag größerer Erfolg beschieden als dem Pendant im Visa-Verfahren.

Allerdings haben ja auch abgelehnte Anträge mitunter eine psychologische Wirkung; das war in meinem Verfahren zumindest der Fall.

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NUR SCHRIFTLICH

Sonderleistungen bei Heimverträgen dürfen nur berechnet werden, wenn es einen schriftlichen Vertrag gibt. Der Bundesgerichtshof sprach den Erben einer verstorbenen Heimbewohnerin jetzt 55.000 € zu, weil der Einzelzimmerzuschlag für die Frau nicht in der nötigen Form vereinbart worden war. Das Heim hatte jahrelang 29,60 € pro Tag berechnet.

(beck-aktuell)

KUNDENRECHTE

Vor einer Woche wurde hier rege diskutiert, welche Rechte Kunden im Elektromarkt haben. Das Ergebnis war eine erschütternde Unsicherheit, auch bei den anwesenden Juristen. Keine endgültigen Wahrheiten, aber eine gute Übersicht zu Kundenrechten bietet eine verständliche Übersicht (PDF) von Prof. Dr. I. Fritsche von der Fachhochschule für Rechtspflege NRW.

Vom gleichen Autor gibt es auch ein Summary zu den Widerrufs- und Rücktrittsrechten von Verbrauchern.

(Danke an die Lichtenrader Notizen für den Link)

UNFALLFLUCHT UND FÜHRERSCHEIN

Wer Unfallflucht begeht, riskiert die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis. Aber nur, wenn ein „bedeutender Schaden“ eingetreten ist. Das ist erst ab 1.300,00 € der Fall, so zum Beispiel das Oberlandesgericht Dresden (Beschluss vom 12. Mai 2005; 2 Ss 278/05).

Die Grenze lässt sich bei gutwilligen Staatsanwälten und Richtern noch etwas verschieben, wenn man auf den Nettoschaden abstellt. Die Umsatzsteuer erhielte der Geschädigte nämlich nur erstattet, wenn er den Wagen tatsächlich reparieren lässt.

SOFORTKAUF

Ich habe gerade festgestellt, dass ich mein Wertpapierdepot mit einem fünfstelligen Betrag beleihen darf. Online. Zum Sofortkauf, sozusagen.

Vielen Dank, liebe Bank, aber ist schon wieder 2000?