OHNE TERMIN

Wie ich feststelle, hat ein unweit gelegenes Anwaltsbüro heute ungebetene Gäste. Staatsanwälte und Polizisten. Das kann einem echt das Wochenende vermiesen…

Die wichtigsten Regeln für diese Art von Besuch:

– Niemand ist verpflichtet, aktiv an einer Durchsuchung mitzuwirken. Das heißt, die Beamten dürfen sich zwar an allem bedienen, können aber keine Auskunft verlangen, wo sich was befindet. Grundregel: Im Zweifel eisern schweigen und generös einpacken lassen. Fotokopien von wichtigen Unterlagen kriegt man schnell zurück. (Ich habe schon erlebt, dass Durchsuchungen abgebrochen wurden, weil die Beamten an der Masse der zu transportierenden Akten verzweifelten.)

– Niemand ist verpflichtet, Computerpasswörter, Telefonkennwörter, Kontonummern oder PINS für e-mail-Postfächer preiszugeben.

– Telefon- oder Gesprächsverbote oder „Hausarreste“ sind nicht vom Durchsuchungsbeschluss gedeckt. Das heißt, der Beschuldigte und evtl. andere Anwesende dürfen nicht daran gehindert werden, Kontakt mit Dritten aufzunehmen – insbesondere mit ihren Anwälten.

– Häufig wird die Durchsuchung genutzt, „Spontanäußerungen“ heraus zu kitzeln. Motto: Während wir uns hier umsehen, können sie ihre Sicht der Dinge schildern. Wie immer in Ermittlungsverfahren gilt hier der eiserne Grundsatz: Wer nicht von seinem Schweigerecht Gebrauch macht und ohne seinen Anwalt redet, schadet sich selbst.

– Auf Hinzuziehung von Zeugen bestehen.

– Darum bitten, dass mit der Durchsuchung erst begonnen wird, wenn der eigene Anwalt da ist. Hierauf gibt es aber keinen Anspruch.

– Darauf achten, dass Polizeibeamte Unterlagen nicht lesen. Dazu sind nur Staatsanwälte berechtigt. Versiegelung der Dokumente verlangen. Vom Recht Gebrauch machen, ein eigenes Siegel anzubringen.

– Der Durchsuchung immer widersprechen, damit später keine Rechte verloren gehen. Auf dem blauen Formular ist ein Kreuz dafür vorgesehen.

– Auf einer Kopie des Durchsuchungsbeschlusses und des Protokolls bestehen.

GUT VERHANDELT

Einer meiner Mandanten hat die fristlose Kündigung bekommen.

Als er vor einigen Jahren eingestellt wurde, wurde er offenbar dringend gebraucht. Jedenfalls setzte er folgende Vertragsklausel durch:

Beendet der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis, gleich aus welchem Grund, erhält der Arbeitnehmer eine Abfindung von 150 % seines durchschnittlichen Jahresbruttoeinkommens der letzten 3 Jahre.

Wenn die Gründe für die fristlose Kündigung nicht halten, dürfte die Klausel ohne Probleme ziehen.

Was aber, wenn die fristlose Kündigung gerechtfertigt ist? Nach dem Wortlaut der Klausel entsteht der Abfindungsanspruch bei jeder Kündigung des Arbeitgebers. In § 626 BGB steht sachlich nur drin, dass das Recht zur fristlosen Kündigung nicht ausgeschlossen werden kann. Das geschieht in dem Arbeitsvertrag ja nicht; die fristlose Kündigung kostet dem Arbeitgeber nur ordentlich Geld.

Bin ja echt mal gespannt, ob diese vorbildlich ausgehandelte Klausel hält, selbst wenn wir – wider Erwarten – die Kündigungsgründe nicht kaputt kriegen. Es geht um genau 180.000 Euro.

JEDE ZUSCHRIFT IHRE ABSCHRIFT

Post von einem Anwalt aus dem Stuttgarter Raum:

Sehr geehrter Herr Kollege Vetter,

… abschließend bitte ich Sie ebenso nachdrücklich wie dringend, von Faxzusendungen in Zukunft Abstand zu nehmen. Das Fax sollte bekanntermaßen nur in Ausnahmefällen benutzt werden, wenn ein unbestreitbares Eilbedürfnis vorliegt. Es entspricht dem standesgemäßen Umgang, für normale Korrespondenz den Postweg zu wählen. Auch wenn die von Ihnen, sehr verehrter Kollege, ebenfalls praktizierte Unsitte in letzter Zeit immer mehr um sich greift, heißt das noch nicht, dass sie zu dulden wäre.

Vorsorglich weise ich darauf hin, dass Sie bitte jeder Zuschrift eine Abschrift für meine Mandatschaft beifügen mögen.

Überflüssig zu erwähnen, dass der Kollege keine e-mail-Adresse hat. Aber wenn wir ein paar schöne Kommentare zusammen kriegen, schicke ich ihm diesen Blog-Eintrag gerne zu. Die Frage ist nur: per Post oder als Fax…

ABSAGE

Die Kindermörder von Eschweiler finden keine Verteidiger. Ein Bonner Anwalt ist sogar wieder abgesprungen.

Ein Strafverteidiger aus Eschweiler: „Hier will das Mandat niemand haben.“ Es sei eine zu „ekelhafte Geschichte, für die niemand Verständnis“ habe (aus dem Express).

Merkwürdiges Berufsverständnis. Seit wann muss ich als Strafverteidiger „Verständnis“ für Taten meiner Mandanten haben? Wenn man schon ablehnt, dann sollte man wenigstens die Wahrheit sagen: dass man sich seinen Ruf nicht ruinieren will. Und keinen Bock auf eingeworfene Scheiben und zerschlissene Autoreifen hat.

Na ja, jemanden wird es treffen. Bei Verbrechen darf das Gericht nicht ohne Verteidiger verhandeln. Wenn sich kein „Freiwilliger“ findet, wählt ihn der Vorsitzende Richter aus und bestellt ihn zum Pflichtverteidiger. Absagen kann der Anwalt dann nur mit gewichtigen Gründen. Die Gründe, die hier eine Rolle zu spielen scheinen, gehören nicht dazu.

2 GEGEN 1

2 GEGEN 1

Ein jugendlicher Mandant fühlt sich verschaukelt. Er sitzt eine Jugendstrafe im Gefängnis ab. Seine Schilderung:

„Ich bekam Besuch von einem Mann und einer Frau. Er sagte, sie seien von der Bewährungshilfe. Mein normaler Bewährungshelfer sei im Urlaub. Ich könne sehr schnell rauskommen, auf Bewährung. Aber vorher seien da noch einige Sachen zu klären. Insbesondere ein altes Ermittlungsverfahren. Da gehe es um ein paar Einbrüche, die seien nicht geklärt. Wenn ich jetzt ein Protokoll unterschreibe und die Sache auf mich nähme, gebe es in 3 Monaten Bewährung. Dann wäre ich raus und alles erledigt. Ich müsse mich aber heute entscheiden, weil sonst sei die Frist futsch und wegen mir mache er nicht nochmal die lange Fahrt.

Ich habe die Einbrüche zugegeben. Erst als ich das Protokoll unterschrieben habe, merkte ich, dass der Mann neben seinen Namen PHK gesetzt hatte. Das heißt ja wohl Polizeihauptkommissar. Ich habe ihn angesprochen und dann hat die Frau gelacht und gesagt, ich hätte wohl was missverstanden. Sie hätten gleich von Anfang gesagt, dass sie von der Polizei sind und mich vernehmen wollen. Da würde wohl meine Fantasie mit mir durchgehen. Dann hat sie sich umgeschaut und gesagt: 2 gegen 1, und deine Unterschrift haben wir ja auch.“

Ich will das gar nicht werten. Eins ist aber klar. Ich habe den Jungen schon einige Male vertreten. Und jeder Mandant bekommt von mir eingeschärft, dass er von seinem Aussageverweigerungsrecht bei der Polizei Gebrauch machen soll – zumindest, bis er mit mir gesprochen hat.

Aber wir werden wahrscheinlich nie erfahren, wie es war.

2 gegen 1, da ist was dran.

ADAM RIESE

Die Polizei in Gießen meldet einen beachtlichen Fahndungserfolg, auf den Mathias Schindler bei seinen Recherchen gestossen ist:

23 Gramm Heroin sichergestellt

Langgöns: Am Sonntag, dem 13.07.03, gegen 17.50 Uhr, nahmen Beamte

der OPE an der Bahnhaltestelle im Leihgesterner Weg einen 31-

Jährigen Russen der ohne festen Wohnsitz ist, und einen 25-Jährigen

bei der Übergabe von 10 Gramm Heroin fest. Bei der anschließenden

Durchsuchung wurden weitere 30 Gramm sichergestellt. Beide wurden

nach Vernehmung entlassen.

Fragt sich nur, wohin die 17 Gramm verschwunden sind.

WILLKOMMEN

Direkt am Haupteingang des Düsseldorfer Landgerichts liegt das Dienstzimmer H 017. Der dortige Insasse hat ein großes Schild an seine Tür gehängt:

KEINE AUSKUNFT!

SCHWERHÖRIG!

Der rechtsuchende Bürger freut sich doch immer über einen freundlichen Empfang.

BALKONIEN

Grillen auf dem Balkon – ist das erlaubt?

Unter bestimmten Bedingungen ja, sagt zumindest das AG Bonn (AZ 4 C 545/96): Mieter eines Mehrfamilienhauses dürfen von April bis September einmal im Monat brutzeln, wenn es im Mietvertrag erlaubt wird und die evt. belästigten Mieter 48 Stunden vorher informiert wurden.

Das LG Stuttgart (AZ 10 C 359/96) erlaubt nur dreimaliges Grillen pro Jahr.

Zieht der Duft in Nachbars Wohn- oder Schlafzimmer, stellt das sinnigerweise eine Belästigung durch das immissionsrechtlich verbotene Verbrennen von Gegenständen dar *g* und kann als Ordnungswidrigkeit zu einem Bussgeld führen (OLG Düsseldorf, AZ 5 Ss (Owi) 149/95).

(Juristische Recherche: Wyberlog)

WIWO (FAST) KOSTENLOS

WIWO (FAST) KOSTENLOS

Keine Angst, ich verkaufe hier keine Zeitschriften.

Ich möchte nur darauf hinweisen, dass man die Wirtschaftswoche praktisch umsonst lesen kann. In jedem Heft ist ganz vorne ein Coupon. Wer die Zeitschrift abonniert, zahlt für ein Jahr 127 Euro. Im zweiten Feld kann sich der „Werber“ eintragen. Der muss die WiWo nicht mal selbst abonniert haben.

Sobald der Abonnent bezahlt hat, erhält der Werber einen Scheck über 120 Euro. Das Jahresabo kostet also effektiv 7 schlappe Euro.

Nach dem Jahr kommt dann eine neue Rechnung. Zeit, das Abo zu kündigen. Und nach dem obigen Schema – nur mit umgekehrten Vorzeichen – neu zu abonnieren.

Funktioniert bei uns schon jahrelang.

FREUD

Kleiner Plausch in der Teeküche.

Ich: „Ist eigentlich gut, dass kein frischer Kaffee da ist. Dann kriege ich wenigstens keinen Herzinfarkt.“

Meine Sekretärin: „Oh, soll ich schnell einen machen?“

FREIBRIEF

Für die Versendung von Ermittlungsakten können Bußgeldstellen 8 Euro berechnen. Das Regierungspräsdium Kassel in einem Schreiben:

„Ich bitte Sie, diesen sofort fälligen Betrag nur unter Angabe des Verwendungszweckes AV zu überweisen.“

„AV“ steht offensichtlich für Aktenversendung. Interessant ist der nächste Satz, fett geschrieben:

„Das o.a. Aktenzeichen geben Sie bitte nicht an.“

Also, man soll nur einen allgemeinen Verwendungszweck angeben. Aber nicht das Aktenzeichen der konkreten Sache. Daraus wird man messerscharf folgern dürfen, dass im Regierungspräsidium Kassel keiner überprüft, ob die 8 Euro auch tatsächlich überwiesen werden.

Das dürfte die Zahlungsbereitschaft unheimlich fördern. Wir überweisen natürlich, wir sind ja seriös. Bitte nicht kichern, in den hinteren IP-Nummern!

SCHLUSS MIT LUSTIG

Habt Ihr wirklich geglaubt, die Geschichte mit dem gefälschten Telefonvertrag ist zu Ende? Sicher, die Telefonfirma hat nach langem Zögern bestätigt, dass der Vertrag eine Fälschung war. Sie hat sich bei meiner Mandantin für die Unannehmlichkeiten entschuldigt und mitgeteilt, dass keine Ansprüche bestehen.

Und was passiert, nicht mal 2 Wochen nach dem Brief? Die Firma schickt meiner Mandantin eine Rechnung über 99 Euro Gebühren. Und bucht den Betrag auch noch vom Konto ab.

ARCOR, bis jetzt waren wir freundlich. Aber ab jetzt wird alles abgerechnet – Zinsen, Zeitaufwand, Schadensersatz, Anwaltsgebühren.

JURISTENDEUTSCH

Ein Einzelanwalt hier aus Düsseldorf schreibt mir:

„Der diesseitige Sachbearbeiter wird sich mit Ihnen kurzfristig fernmündlich in Verbindung setzen, um die Angelegenheit mit Ihnen abzustimmen.“

Ich glaube, er meint:

„Ich rufe Sie an.“

Nachtrag: Für alle Nichtjuristen gibt es diese wunderbare Anleitung (gefunden von Joerg in seinem Kommentar auf it & w).

BERECHTIGTER OPTIMISMUS

Der vorsichtige Optimismus war berechtigt. Das Amtsgericht hat den Haftbefehl erst einmal außer Vollzug gesetzt. Gegen die üblichen Auflagen:

– einmal in der Woche bei der Polizei melden;

– jeden Wohnungswechsel unverzüglich beim Gericht anzeigen;

– jeder gerichtlichen Vorladung Folge leisten;

– weiterhin brav am Ausbildungsplatz erscheinen.

Nur eines hat meinem jugendlichen Mandanten die Entlassung etwas vermiest. Das grimmige Gesicht seines Vaters, der draußen vor dem Hausgefängnis wartete. Ob der ihn so freundlich anpackt wie der Ermittlungsrichter? Ich bezweifle es.