Keine Anwälte zu erreichen?

Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein hat einen Anwaltsnotdienst rund um den G8-Gipfel eingerichtet. Die ersten Erfahrungen des Legal Teams:

Nach Informationen des anwaltlichen Notdienstes kam es im Verlauf der gestrigen Anti-G8-Demonstration in Rostock zu rund 182 Verhaftungen. Neun Betroffene
werden dem Haftrichter vorgeführt, in den überwiegenden Fällen wegen des Vorwurfs des schweren Landfriedensburchs.

Aus Sicht des Legal Teams ist die Situation der Festgenommen immer noch dadurch bestimmt, dass die BOA Kavala den anwaltliche Beistand und Kontaktaufnahme zu MandantInnen behindert. Betroffene wurden z.B. bis zu neun Stunden in Gefangenensammelstellen (Gesa) festgehalten, ohne dass ihnen die Kontaktaufnahme zu Anwältinnnen ermöglicht wurde. Obwohl Anwälte Zutritt zu ihren MandantInnen verlangten, wurden sie entweder abgewiesen oder den
Mandanten mitgeteilt, dass keine Anwälte zu erreichen seien.

Seit gestern Abend hat die BAO Kavala „Anwaltsbetreuer“ eingesetzt. „Sie verhindern eher den Zugang zu MandantInnen als ihn zu gewähren. Grund dafür ist die personelle Unterbelegung der Polizei Vorort sowie die unnötige Komplikation des Verfahrens seitens der ‚Anwaltsbetreuer’. Dadurch wird schlichtweg der zeitnahe Zugang, auf den es einen rechtlichen Anspruch gibt, verhindert“, kritisiert Rechtsanwältin Silke Studzinsky vom anwaltlichen Notdienst des RAV.

Bezeichnend für die Situation der Inhaftierten ist darüber hinaus auch, dass Eilrichter Entscheidung über die Länge der Ingewahrsamnahmen mit dem Verweis auf nicht vorhandene Akten verwehrten. Entsprechend der geltenden Rechtsprechung ist jedoch bei Ingewahrsamnahmen ein unverzüglicher richterlicher Entscheid notwendig. Erst auf telefonische Intervention des Europaparlamentariers Tobias Pflüger wurden die benannten Rechte gewährt.

Der anwaltliche Notdienst betrachtet die mangelnde Kooperationsbereitschaft der Polizei und der BAO Kavala während und im Nachfeld der Auftaktdemonstration gegen den G8 Gipfel mit großer Sorge. In diesem Zusammenhang weist der RAV darauf hin, dass Betroffenen ab dem Zeitpunkt der Verhaftung – unabhängig von etwaigen Vorwürfen – ein Anrecht auf anwaltlichen Beistand haben. Eine Verweigerung oder Verzögerung dieses Zugangs bedeutet einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen.

(Auszug aus der Pressemitteilung)

Verfassungsbeschwerde gegen Mikado

Das Landgericht Halle hat meine Beschwerde gegen die Aktion Mikado zurückgewiesen. Ebenso wie das Amtsgericht Halle hat die Strafkammer keinerlei Probleme damit, dass die bloße Existenz einer kinderpornografischen Seite Anlass dafür ist, die Konten aller deutschen Kreditkarteninhaber zu überprüfen. Die rein statistische Wahrscheinlichkeit, so das Landgericht Halle, sei ein Unterfall der „kriminalistischen Erfahrung“.

Eine Rasterfahndung vermag das Gericht nicht zu erkennen. Es seien nämlich keine unterschiedlichen Datenbestände verglichen worden. Allerdings fällt selbst dem Landgericht Halle auf, dass in der Vorschrift für die Rasterfahndung eingangs gar nicht von unterschiedlichen Datenbeständen, sondern nur von Daten die Rede ist. Dies erklärt das Gericht aber kurzerhand zu einem „Redaktionsversehen“ des Gesetzgebers. Deshalb müsse es dabei bleiben, dass eine Rasterfahndung nur vorliege, wenn Daten aus unterschiedlichen Beständen miteinander verglichen werden.

Die Aktion sei auch verhältnismäßig gewesen. Den einzelnen treffe die Überprüfung seines Kontos eher wenig. Dass massenhafte Überprüfungen nach dem diesem Muster die Gefahr steigern, Unschuldige zu verfolgen, ist dem Gericht egal. Es liege gerade in der Natur des Ermittlungsverfahrens, dass sich der Tatverdacht auch gegen Personen richten könne, die sich später als unschuldig herausstellen.

Damit ist die Sache noch nicht zu Ende. Ich werde Verfassungsbeschwerde einlegen.

Siehe auch heise online.

Weitere Beiträge zum Thema:

Mikado: Gericht bejaht „niedrigste Verdachtsstufe“
Amtsgericht Halle entscheidet pro Mikado
Mikado: Entscheidung kann noch dauern
Generalverdacht und Verhältnismäßigkeit
Mikado-Fahndung traf auch Unschuldige
AG Halle-Saalkreis 395 Gs 34/07
Falscher Kinderporno-Verdacht gegen Kreditkartenbesitzer
“ Volksstimme“: Interview zu Mikado
20 Anträge gegen „Mikado“
Mikado: Weiterer Antrag, neue Argumente
Kartenscreening für Datenschützer kein Problem
Citibank garantiert: Mikado war rechtmäßig
Mikado: Gefahr strafrechtlicher Verfolgung;
Telepolis: Fragen zu Mikado
Mikado: Strafanzeige gegen Verantwortliche und SAT 1
Weiterer Antrag gegen Mikado
Kinderpornografie: ein Blick ins Gesetz
Mikado: Stäbchen für Stäbchen
Vorfeldermittlungen
Mikado

Bannmeile, von wegen

Niels auf zeineku.de:

Zur Zeit ärgert mich in der Berichterstattung der Medien hauptsächlich, wie häufig das anlässlich des G8-Gipfels eingerichtete Sperrgebiet “Bannmeile” genannt wird.

Eine Bannmeile, liebe Journalisten, ist der befriedete Bezirk, den man um ein Parlament zieht, um dieses durch freie, gleiche und geheime Wahlen legitimierte Gesetzgebungsorgan ungestört arbeiten zu lassen.

Weil die gewählten Abgeordneten das ganze Volk repräsentieren und unbeeinflusst von Krawall und Getöse Entscheidungen treffen sollen, haben sie Anspruch auf störungsfreie Arbeit.

Regierungen und auch Gipfelkonferenzen mit ausländischen Gästen haben diesen Anspruch nicht. Ihnen analog zu Parlamenten zuzubilligen, nicht vom Volk gestört werden zu dürfen, stellt ureigene Prinzipien unserer demokratischen Gesellschaft auf den Kopf.

Wikipedia: Bannmeile

Journalistin klagt sich zum Gipfel

Eine Journalistin hat vor dem Verwaltungsgericht Berlin die Bundesrepublik Deutschland verklagt. Ihr war vorher die Akkreditierung für den G8-Gipfel verweigert worden. Der Eilantrag der Fotografin war erfolgreich, berichtet Spiegel online.

„Auf Empfehlung des BKA“ eine Akkreditierung zu entziehen, sei nach Auffassung des Gerichts zu unkonkret und verletze die Antragstellerin gleich in mehreren ihrer Grundrechte – und zwar in ihrer Pressefreiheit und der Berufsausübungsfreiheit. Außerdem breche die Ablehnung den Gleichbehandlungsgrundsatz, nach dem grundsätzlich jeder Journalist akkreditiert werden kann, wenn dem nicht konkrete Sicherheitsbedenken entgegenstehen.

Interessant ist auch, dass der Journalistin offensichtlich nicht mitgeteilt werden sollte, warum man gegen sie Bedenken hat. Vielmehr war die Frau auf „Datenschutzbeauftragte“ verwiesen worden. Eine Antwort wurde ihr in einigen Wochen in Aussicht gestellt.

Das außenpolitische Interesse

Eigentlich ist heute ein angenehmer Tag. Eigentlich. Wären da nicht Richter am Oberverwaltungsgericht Greifswald, die das Grundrecht aller Deutschen, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, mit dem Hinweis auf das „außenpolitische Interesse“ der Bundesrepublik Deutschland faktisch außer Kraft setzen. Und dabei völlig ignorieren, dass der Protest dort berechtigt ist, wo er von den Adressaten auch wahrgenommen werden kann.

Wenn das – vermeintliche – Befinden einiger Staatsoberhäupter über die Grundrechte der Deutschen gestellt wird, ist das wirklich tragisch. Zumal insbesondere George W. Bush Proteste ja durchaus gewohnt ist. Seine Amerikaner jedenfalls dürfen ihm (bislang) problemlos ihre Meinung sagen – unweit des Weißen Hauses.

Bleibt die Hoffnung auf das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Wenn die Demonstrationen in Heiligendamm wirklich bis zu zehn Kilometer (!) vor dem Zaun stattfinden müssen, wäre das ein schwerer Schlag für die Freiheit in unserem Land. Sicher wissen die Richter in Greifswald, was sie da tun. Genau das kann einem aber durchaus mehr vermiesen als nur den Tag.

Google News

Bahn meldet Gipfelgegner

Betätigt sich die Bahn im Rahmen des G8-Gipfels als Blockwart? Zugführer sollen jedenfalls größere Reisegruppen auf dem Weg nach Mecklenburg-Vorpommern melden, berichtet die Netzeitung. Eine interne Dienstanweisung soll als Beobachtungsziel ausdrücklich die „globalisierungskritische Szene“ nennen, die als solche nicht unbedingt zu identifizieren sei.

Nach dieser Meldung haben die betroffenen Schaffner sicher eine Erschwerniszulage verdient.

(Link gefunden bei elementarteile)

System „40“

Gerichtsinterne Post kommt selten an die Öffentlichkeit. Auch wenn das nachfolgende Schreiben eines Amtsgerichtspräsidenten an einen seiner Familienrichter echt aussieht, sollten wir es bis zum Beweis des Gegenteils als Satire betrachten.

Als gelungene allerdings.

Der Präsident des Amtsgerichts
13.04.2007

Herrn Richter am Amtsgericht

hier Ihre Überlastungsanzeige vom 19.03.2007

Sehr geehrter Herr …,

unbestreitbar sind Sie ebenso wie alle anderen Kolleginnen und Kollegen überlastet, legt man die Pebb§y-Zahlen zugrunde, und bedenkt man die Belastung der Familienrichterinnen und -richter unseres Gerichts durch die längere Erkrankung einer Kollegin.

Das Präsidium unseres Gerichts hat meiner Meinung nach die Familienabteilung bei der Geschäftsverteilung fair behandelt. Nach der amtlichen Statistik für 2005 – die Zahlen für das folgende Jahr sind mir noch nicht bekannt – sind in NRW pro Familienrichter 397,73 Eingänge und 410,84 Erledigungen gezählt worden, für den OLG-Bezirk … lauten die entsprechenden Zahlen 410,95 bzw. 426,37 und für das Amtsgericht … .

Sicherlich haben einige von Ihnen in der Vergangenheit zusätzlich wahrgenommene Tätigkeiten Ihre Belastung verschärft. Dazu zähle ich etwa

– die intensive zeitliche und mentale Belastung durch die Erstellung des Fachaufsatzes in einem für Sie meiner privaten Meinung nach ersichtlich fremden Fachbereich;

– die Inanspruchnahme durch den von Ihnen verlorenen Rechtsstreit gegen den Präsidenten des Oberlandesgerichts vor dem Richterdienstgericht;

– Ihre angestrengten Gedanken zu der Ausgestaltung der Betriebsäbläufe des Eil- und Bereitschaftsdienstes bei unserem Amtsgericht und der Staatsanwaltschaft …, die Sie zu mit Schmähungen gegen die Leitende Oberstaatsanwältin und mich versehenen völlig fruchtlosen Dienstaufsichtsbeschwerden veranlassten, auf die Sie die passenden Antworten erhalten haben.

Ich komme gerne meiner Fürsorgepflicht nach und rate Ihnen zuerst, eine Erholungskur zu beantragen. Vielleicht empfiehlt sich auch die Inanspruchnahme des Rats des Sozialen Ansprechpartners. Vor allem aber schlage ich Ihnen zwei gewichtige Änderungen Ihrer Arbeitsweise vor, denn ich bin der Meinung, dass sie erst einmal selbst versuchen sollten, ihre Situation durch eigene Anstrengungen zu verbessern:

1. Meines Wissens nutzen Sie den dienstlich zugeteilten PC in keiner Weise. Benutzen Sie doch einfach einmal die zahlreichen modernen, zeitsparenden und die Arbeitseledigung erleichternden technischen Hilfsmittel der Justiz. Unser Justizmmisterium hat mit viel Aufwand ein tolles technisches Unterstützungssystem für die Rechtsanwender aufgewandt, beginnend von elektronischen Rechtsprechungs- und Literatur-Datenbanken, die den Zugang zu juristischer Fachliteratur erleichtern, bis hin zu speziellen Programmen in Ihrem Fachbereich … . Auch das System JUDICA bringt dem Richter Vorteile. Dies hat alles der Steuerzahler ermöglicht in der Erwartung, dass die Rechtsanwender im Interesse einer schnellen und sachgerechten Streitentscheidung diese technischen Möglichkeiten nutzen. Sie tun dies nicht aus mir persönlich völlig unverständlichen und von mir logisch nicht nachvollziehbaren Gründen. Dann dürfen Sie sich aber nicht über Arbeitsüberlastung beschweren und um Entlastung nachsuchen, die, wie Sie in Kenntnis der finanziellen Situation unseres Landes genau wissen, nur auf Kosten der Kolleginnen und Kollegen verwirklicht werden kann.

2. Vielleicht bringt auch eine Änderung Ihres Zeitmanagements Erleichterung. Ich empfehle Ihnen insoweit die Nutzung des Systems „40″. Es ist einfach in der Anwendung, verblüffend in der Wirkung. Es besteht darin, dass man am Montag um 7.30 Uhr das Gerichtsgebäude betritt, hier acht Stunden lang arbeitet und dies an den folgenden vier Arbeitstagen wiederholt. Ohne dass ich Sie insoweit kontrolliert habe oder durch meinen Rat in das Recht der freien Wahl der Arbeitszeit der Richter eingreifen will, ist mir doch wiederholt aufgefallen, dass Sie erst in den späten Vormittagsstunden, auf dem Rücken einen klitzekleinen Rucksack tragend, unser Gericht betreten und es doch auch oft in den frühen Nachmittagsstunden verlassen. Die Freiheit der Richter von Dienststunden ist ein hohes Gut und sollte sicherlich nicht angetastet werden. Sicherlich denken und arbeiten Sie auch viel andernorts als in unserem Gericht. Dennoch sollten Sie es einmal mit meinem Vorschlag versuchen. Das Ergebnis etwa nach einem halben Jahr – da bin ich mir sicher – wird Sie überraschen.

Sollten meine Vorschläge nicht Ihre Gnade finden, so sollten Sie als letzte Konsequenz ein Ausscheiden aus dem Dienst in Erwägung ziehen. Niemand zwingt uns, Richter zu bleiben und wer in diesem Beruf dauernd unglücklich ist, sich im Gegensatz zu vielen anderen überlastet fühlt, der sollte die notwendigen Schritte einleiten, um, vor allem im Interesse seiner Gesundheit, einen anderen Beruf zu ergreifen.

Mit freundlichem Gruß

3,2,1

Ups, ich habe Freitag kommender Woche einen Gerichtstermin in Düsseldorf. Der Donnerstag davor ist in Nordrhein-Westfalen Feiertag. In einigen anderen Bundesländern aber nicht, deshalb ist er in den Kalendern meist auch nicht fett gedruckt.

So wie ich die Arbeitsweise vieler Richter kenne, dürfte der Countdown gerade anfangen zu laufen. Für die Abladung. Wegen dienstlicher Verhinderung. Oder ganz ohne Begründung.

Verteidiger darf nicht abgehört werden

Ein Strafverteidiger hat sich vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich gegen die Überwachung seines Mobiltelefons gewehrt. Der Anwalt hatte einen mutmaßlichen Räuber verteidigt, nach dem gefahndet wurde. Mit der Abhöraktion sollte der Aufenthalt des Verdächtigen ermittelt werden.

Die Anordnung war rechtswidrig, urteilt das Bundesverfassungsgericht. Ohne konkreten Tatverdacht gegen den Anwalt habe sein Telefon keinesfalls abgehört werden dürfen. Das Mandatsverhältnis verbiete solche Eingriffe.

Dass sich später ein Tatverdacht gegen den Juristen wegen Geldwäsche ergeben haben soll, half den Ermittlungsbehörden auch nicht mehr. Das Bundesverfassungsgericht stellt klar, dass sich die Rechtmäßigkeit einer Abhöranordnung nach den Fakten beurteilt, die im Zeitpunkt der Entscheidung bekannt sind. Spätere Erkenntnisse (die womöglich sogar erst durch die Maßnahme gewonnen werden) „heilen“ einen rechtswidrigen Beschluss nicht.

Wenn ich an diesen Fall denke, kommt die Entscheidung nicht ungelegen.

Pressemittelung mit Link zur Entscheidung