Studie beleuchtet Indentitätsdiebstahl im Netz

Das Bundesinnenministerium hat eine 415 Seiten starke Studie zum Identitätsdiebstahl und Identitätsmissbrauch im Internet veröffentlicht. Die Untersuchung beleuchtet die technischen und rechtlichen Aspekte des Problems. Autoren sind Prof. Dr. Georg Borges, Prof. Dr. Jörg Schwenk, Prof. Dr. Carl-Friedrich Stuckenberg und Dr. Christoph Wegener.

Der „Diebstahl“ und der anschließende Missbrauch der „entwendeten“ Identitäten beschreibt ein relativ neues Kriminalitätsphänomen. Bis vor einigen Jahren wurde mittels des sogenannten „Phishing“ vornehmlich das Abfischen von Online-Banking-Zugangsdaten beschrieben. Mittlerweile rückt die komplette digitale Identität des Nutzers in den Fokus der Internetkriminellen, beispielsweise die bei sozialen Netzwerken, E-Mail-Dienstleistern und Handelsplattformen verwendeten Identitäten.

Wesentliche Ergebnisse der Studie:

Angriffe mit dem Ziel eines Identitätsdiebstahls werden heute weit überwiegend über Schadprogramme (sogenannte „trojanische Pferde“) durchgeführt, die in der Lage sind, auch fortgeschrittene aktualisierte technische Abwehrmaßnahmen zu umgehen.

In den Mittelpunkt des Interesses der Internetkriminellen rückt zunehmend die komplette digitale Identität der Internetnutzer. Neben Online-Banking-Zugängen können zum Beispiel auch die bei E-Mail-Dienstleistern, Packstationen, Auktions- und Handelsplattformen sowie bei Social-Network-Plattformen verwendeten Identitäten betroffen sein.

Die Vorgehensweise der Täter hat sich in den letzten Jahren geändert: Schadprogramme gelangen heute vorwiegend durch Schwachstellen im Betriebssystem bzw. in Softwarepaketen auf die Nutzer-PCs. 2009 wurden die meisten Systeme durch den bloßen Besuch von Internetseiten (sog. „drive-by-infection“) und präparierte PDF-Dokumente angegriffen.

Als Gegenmaßnahmen werden Standardsicherheitsmaßnahmen vorgeschlagen (Virenschutzprogramme, Firewall sowie regelmäßige Updates des Betriebssystems und der Anwendungen). Für die Zukunft wird prognostiziert, dass Identitätsdiebstahl und -missbrauch noch nicht absehbare Formen annehmen werden, da neue Techniken und Plattformen immer neue Angriffsszenarien ermöglichen.

Die Studie ist noch bis zum 22. Juni 2010 kostenlos als PDF erhältlich.

Das überwachte Netz

„Das überwachte Netz – Verfolgung von Straftaten im Internet“ – so lautet der Titel eines Vortrags, den ich am nächsten Mittwoch, 23. Juni 2010, im Rahmen der „Netzwoche“ an der Bielefelder Universität halten werde. Los geht es um 18 Uhr im Hörsaal H 9.

Veranstalter sind die AStA der Fachhochschule und der Universität Bielefeld.

Nähere Infos, auch zu den anderen Veranstaltungen, hier.

Quelle: wulkan (www.wulkan-comic.de)

Update: Zum Video (via)

Polizeiinterne VDS

Als es um die Vorratsdatenspeicherung ging, fühlten sich Ermittler häufig in eine Ecke gestellt. Die falsche. Sie verwahrten sich dagegen, dass jede Datenhalde auch Begehrlichkeiten weckt. Selbstverständlich, so hieß es immer wieder, halte sich die Polizei ans Gesetz. Überdies wurden die Vorschriften zum Datenschutz gern als Zumutung abgetan und der Eindruck erweckt, der sensible Umgang mit Daten gehöre quasi zum Ehrenkodex jedes Beamten.

Wie leer diese Beteuerungen sind, müssen nun ausgerechnet Polizisten in Sachsen-Anhalt erfahren. Auf der Suche nach einem Presseinformanten in den eigenen Reihen hat die damalige Dessauer Polizeipräsidentin heimlich alle Daten auf dem Polizeiserver sichern lassen, berichtet Spiegel online. Die Überwachungsaktion habe im Frühjahr 2007 begonnen und rund zweieinhalb Monate gedauert – also eine Art polizeiinterner Vorratsdatenspeicherung.

Im Visier waren auch die sogenannten Heimserver. Dabei handelt es sich um passwortgeschützte 50 MB Speicherplatz, den jeder Polizist zur Ablage privater Daten nutzen durfte. Die privaten Daten aller Mitarbeiter sollen abgegriffen worden sein, obwohl eigentlich nur drei führende Kräfte des Präsidiums im Verdacht waren. Der Polizeiführung sei bewusst gewesen, dass die Heimserver mit einer „verschlossenen Schreibtischschublade“ vergleichbar seien und es für die Beschlagnahme und gar „Durchsuchung“ der Dateien eines Gerichtsbeschlusses bedürfe.

Immerhin soll das Landeskriminalamt es aus rechtlichen Gründen abgelehnt haben, die Daten aus Dessau zu analysieren.

Interessant für die betroffenen Beamten wird sein, dass die Spiegel ihrer Heimserver aus dem Jahr 2007 bis heute nicht gelöscht sein sollen. Die Daten, heißt es im Bericht, würden nach wie vor im Dessauer Polizeipräsidium unter Verschluss gehalten.

Als Bürger darf man sich so seine Gedanken machen. Wenn nicht mal davor zurückgeschreckt wird, im Bedarfsfall die Rechte der eigenen Leute mit Füßen zu treten – wer will da auf die vielbeschworene Sensibilität gegenüber Tatverdächtigen oder solchen, die es werden sollen, rechnen?

Wenn Menschenrechte nicht gefallen

Artikel 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention klingt vielversprechend:

Die Hohen Vertragschließenden Teile sichern allen ihrer Jurisdiktion unterstehenden Personen die in Abschnitt I dieser Konvention niedergelegten Rechte und Freiheiten zu.

Allerdings kann man sich hierzulande nicht unbedingt auf diese Garantie verlassen – wenn deutschen Richtern das Ergebnis nicht gefällt. Das ist zweifellos bei der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte über die Sicherungsverwahrung der Fall. Hier haben die deutschen Gerichte eine volle Breitseite aus Straßburg erhalten.

Ein Betroffener hatte in Deutschland bis ganz nach oben geklagt. Er wendete sich gegen die – nachträglich durch Gesetz eingeführte – Verlängerung seiner Sicherungsverwahrung über die bis dahin geltende Höchstgrenze von zehn Jahren hinaus. Alle Gerichte, auch das Bundesverfassungsgericht, bügelten ihn ab. Erst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gab ihm recht. Die Sicherungsverwahrung sei nichts anderes als eine Strafe. Strafen dürften nicht nachträglich verschärft werden.

Gegen die Entscheidung legte die Bundesrepublik Rechtsmittel ein – und verlor. Als das Urteil im Mai 2010 rechtskräftig wurde, kam der Antragsteller sofort frei. Was aber ist mit den anderen Betroffenen, deren Fall genau gleich gelagert ist? Es soll sich um 100 bis 120 handeln.

An sich gibt es da nicht viel zu diskutieren. Siehe den eingangs zitierten Artikel 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Oder auch Artikel 46.

Das Oberlandesgericht Koblenz lehnt nun dennoch die schnelle Entlassung eines Sicherungsverwahrten ab, obwohl sein Fall genau so gelagert ist. Dass die Voraussetzungen des Straßburger Urteils auch hier gelten, wird in der bislang vorliegenden Pressemitteilung ausdrücklich eingeräumt.

Allerdings drücken sich die Koblenzer Richter mit folgenden Argumenten:

Urteile des EGMR hätten jedoch keine Gesetzeskraft. Sie wirkten nicht unmittelbar in die nationale Rechtsordnung hinein und könnten damit eine konventionskonforme innerstaatliche Rechtslage nicht erzeugen. Die Gerichte als Träger der rechtsprechenden Gewalt hätten die Europäische Menschenrechtskonvention in der Auslegung durch den EGMR lediglich im Wege der Gesetzesauslegung zu beachten.

Das ist nur bedingt richtig. Deutsche Gerichte müssen, so das Bundesverfassungsgericht, die Menschenrechtskonvention und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stets berücksichtigen und in ihren Entscheidungen dafür sorgen, dass die aus Straßburg kommenden Grundsätze umgesetzt werden.

Bei der Sicherungsverwahrung hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte klipp und klar die nachträgliche Verlängerung für unwirksam erklärt. Mit der an sich logischen Folge, dass die unwirksame Gesetzesänderung eben nicht mehr Entscheidungsgrundlage sein kann.

Die Richter am Koblenzer Oberlandesgericht finden aber gerade hier einen Ansatzpunkt. Im formal noch gültigen deutschen Gesetz, so argumentieren sie, stehe die Verlängerung ja noch drin. Dann heben sie unschuldig die Hände und verweisen darauf, der Wortlaut des Gesetzes hindere sie daran, die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte festgestellte Menschenrechtsverletzung abzustellen. So eine „Auslegung“ sei nämlich nicht mehr vom Wortlaut des Gesetzes umfasst. Erst müsse der Gesetzgeber tätig werden, dann könne man auch was für den Betroffenen tun.

Als Anwalt weiß ich, wie gut Richter den Wortlaut eines Gesetzes kneten und auch mal ins Gegenteil verkehren können. Ohne dabei rot zu werden. Dass ihnen diese Fähigkeit ausgerechnet abhanden kommt, wenn es darum geht, offensichtliche und andauernde Menschenrechtsverletzungen – wir reden hier über so was wie Freiheitsberaubung – zu beenden, empfinde ich offen gesagt als abstoßend.

Ausführen zu lassen

Vermieter kann der Bundesgerichtshof nicht leiden, im Gegensatz zu Banken. Seit vielen Jahren stampfen die fürs Mietrecht zuständigen Richter in Karlsruhe mit wahrer Wollust Vertragsklauseln in den Boden und hinterlassen eine Schar ratloser Juristen. Denen scheint es mittlerweile schlicht aussichtslos, Mieter etwa zu Schönheitsreparaturen zu verpflichten.

Eine aktuelle Entscheidung dürfte den Frust der Vertragsanwälte in tiefste Verzweiflung wandeln. Der Bundesgerichtshof hatte sich mit folgender, harmlos klingender Klausel zu befassen:

Der Mieter ist verpflichtet, die Schönheitsreparaturen, wie z.B. das Kalken, Anstreichen oder Tapezieren der Wände und Decken, das Streichen und die Behandlung der Fußböden, der Fenster und der Türen, in der Wohnung ausführen zu lassen, (…)

Unwirksam, lautet das Verdikt. Die Klausel könne aufgrund ihres Wortlauts („ausführen zu lassen“) jedenfalls auch dahin verstanden werden, dass der Mieter unter Ausschluss der Möglichkeit einer Selbstvornahme die Arbeiten durch einen Fachhandwerker ausführen lassen muss. Das sei jedenfalls die „kundenfeindlichste“ Auslegung; diese sei nun mal maßgeblich.

Legten andere Senate solche Maßstäbe ans Kleingedruckte der Geldinstitute an, wäre es garantiert nichts mehr mit dem Renditeziel der Deutschen Bank…

Wo das Gericht den Zwang zum Fachhandwerker hernimmt, ist mir jedenfalls rätselhaft. Die Formulierung scheint mir eher schlicht der Neigung geschuldet, jeden Satz zu substantivieren und mit einem Passiv zu garnieren. Gerade Juristen beherrschen beherrschen das ja meisterhaft. Ein sprachliches Eigentor sozusagen, aber das macht die ergebnisorientierte Rabulistik aus Karlsruhe auch nicht erträglicher.

Pressemitteilung zum Urteil

Furrykunde, Teil zwei

Vor kurzem hatte ich berichtet, wie emsig die Polizei gegen einen Liebhaber schlüpfriger Furrys ermittelte. Das Verfahren wurde nun wegen Geringfügigkeit nach § 153 Strafprozessordnung eingestellt.

Wie gehofft, konnte auch die Staatsanwaltschaft nicht erkennen, dass der Besitz von Comics mit kopulierenden Fabelwesen strafbar ist. Eine glatte Einstellung wegen fehlenden Tatverdachts konnte ich aber auch nicht durchsetzen. Es waren nämlich einige der Bilder auf einer Webseite meines Mandanten gelandet, die nicht durch ein wirksames Altersverifikationssystem geschützt war.

Im Raum stand nun auch noch die Verbreitung pornografischer Schriften. Ob die betreffenden Furrys Kunst oder Porno sind, wollte ich dann lieber doch nicht ausfechten.

Die GEZ – eine effektive Behörde

Schöne neue Rundfunkgebührenwelt: Künftig dürfen wir schon dann knapp 18 Euro für ARD und ZDF zahlen, selbst wenn wir nur in vier Wänden wohnen, über eine abschließbare Eingangstür verfügen und uns ob dieses Aufwandes weder Fernseher noch Radio leisten können – oder gar wollen. Die Rundfunkgebührenpflicht soll nämlich an den „Haushalt“ anknüpfen und nicht mehr an ein vorhandenes „Empfangsgerät“. So haben es die Ministerpräsidenten der Länder heute beschlossen.

Selbst wer bewusst auf Radio- und TV-Konsum verzichtet, muss künftig also Rundfunkgebühren entrichten. Damit werden ARD und ZDF endgültig zu einem Staatsfernsehen. Ein Staatsfernsehen, dessen Subventionierung man sich nur noch auf zwei Wegen entziehen kann. Der eine ist die selbst gewählte Obdachlosigkeit. Der andere die Auswanderung.

Für mich rechtfertigt sich so eine Zwangsbeglückung auch nicht durch die Hoffnung, es könne der GEZ und ihrem Schnüffelapparat an den Kragen gehen. Überhaupt scheinen derartige Erwartungen deutlich verfrüht. So preist die SPD ausgerechnet die GEZ als „effektive Behörde“, die auch in Zukunft gegen Schwarzseher vorgehen müsse. Andere regen an, die GEZ-Leute einfach den Finanzämtern anzugliedern, sofern diese den Gebühreneinzug übernehmen.

Kann man wirklich für etwas zur Kasse gebeten werden, was man gar nicht nutzt? Schon die frühere Logik, ein zum Empfang bereitgehaltenes Gerät verpflichte dazu, für ARD und ZDF zu zahlen, war ja seit Zulassung des Privatfunks eine Zumutung für jeden mit einem IQ über dem eines Kirschkerns. Nun aber Menschen für TV und Radio zur Kasse zu bitten, die auf TV und Radio verzichten, ist in meinen Augen eine Attacke auf die Freiheit, vom Staat in Ruhe gelassen zu werden – und ein raumgreifender Schritt in juristisches Sumpfland.

Von daher wundert es mich nicht, wenn die Verantwortlichen nun eifrigst betonen, einige Gutachter hätten bestätigt, die Haushaltsabgabe sei ganz doll verfassungsgemäß. Wer nur den von ihm selbst bezahlten Experten glaubt, wird allerdings das Risiko eines Schiffbruchs einkalkulieren müssen.

Aber kein Problem. Was soll schon passieren? Die Tanker ARD und ZDF sind längst so groß, dass ein Fangschuss nicht mehr möglich ist.

Nicht gedient

Lese gerade das Urteil aus einem vor kurzem beendeten Prozess. Die Richter haben folgendes aufgeschrieben:

Ferner hat die Kammer berücksichtigt, dass der Angeklagte nur bei einer Strafaussetzung zur Bewährung überhaupt die Chance hat, seine berufliche Tätigkeit fortführen zu können. Die Kammer ist der Auffassung, dass der Allgemeinheit mit der absehbaren Vernichtung der beruflichen Existenz des Angeklagten nicht gedient ist. Nur wenn der Angeklagte seinen Beruf ausüben kann, besteht die Chance, dass er den entstandenen Schaden in wirtschaftlicher Hinsicht wird vollständig ausgleichen können.

Dagegen ist ja wohl mal gar nichts zu sagen.

Ehrenrunde

Manche Mandanten sind mir ein Rätsel. Wie jene Dame, der wir in einer kleineren Sache geholfen haben. Erfolgreich. Der Dank war, dass sie unsere Kostenberechnung nicht zahlte. Wir klagten die Gebühren ein, erwirkten einen Vollstreckungsbescheid, schickten den Gerichtsvollzieher. Der Gerichtsvollzieher ist nun auch fast mit seinem Programm durch; die eidesstattliche Versicherung fehlt noch.

Als der Gerichtsvollzieher die Schuldnerin mal antrifft, legt sie „Widerspruch“ ein und behauptet, die eidesstattliche Versicherung nicht abgeben zu müssen. Zur Begründung notiert der Gerichtsvollzieher im Protokoll:

Die Rechtsschutzversicherung soll den Anspruch regulieren.

Interessante News. Normalerweise stellen wir uns nicht an, wenn Mandanten Rechtsschutz haben. Auch wenn wir dazu nicht verpflichtet sind, erledigen wir die Anfrage mit. Erst wenn manche Rechtsschutzversicherung dann haarsträubende Diskussionen über ihre Eintrittspflicht anfängt, hat der Mandant die Wahl, ob wir das für ihn erledigen sollen. Die Streiterei mit der Versicherung ist dann aber nicht mehr kostenlos. Alternativ kann sich der Mandant selbst drum kümmern. Übrigens: Sich als langjähriger Kunde mal vor den Sachbearbeiter setzen und Druck ablassen, bewirkt manchmal Wunder.

Die kostenlose Anfrage setzt allerdings voraus, dass wir auch über die Existenz einer Rechtsschutzversicherung informiert werden. Und auch nicht erst dann, wenn aus dem Mandanten schon ein Prozessgegner geworden ist.

Nun, das Amtsgericht wird den Widerspruch mit knappen Worten zurückweisen. Die Forderung als solche wird ja noch nicht mal bestritten. Dann geht die Sache in eine Ehrenrunde. Billiger wird es für die Schuldnerin am Ende aber nicht.

Wozu ein Navi an der Scheibe gut ist

Lutz B., Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht in Düsseldorf und bislang als eigennütziger Temposünder im Zwielicht, könnte noch knapp einer Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Düsseldorf und damit einer Verurteilung entgehen.

Der 62-jährige hatte sich mit einem spektakulären Urteil ins Gespräch gebracht, das wie zugeschnitten auf seinen eigenen Fall passte. B. hatte einem Autofahrer einen rechtskräftigen Freispruch mit der Begründung gewährt, das Überwachungssystem sei nicht vom Gesetz gedeckt gewesen (früherer Bericht).

B. selbst war, so der Vorwurf, 36 km/h zu schnell in eben eine solche Radarfalle getappt. Doch inzwischen gibt es Zweifel. Ein im Sichtbereich montiertes Navigationsgerät im Tatfahrzeug hat ein klares Beweisfoto verhindert – zu sehen sind nur Haaransatz und Kinn. Der zuständige Amtsrichter überlegt deshalb, ob er das Verfahren gegen den höher gestellten Kollegen einstellt. Er hat die Staatsanwaltschaft um eine Stellungnahme gebeten, die noch aussteht.

Stimmt die Staatsanwaltschaft nicht zu, wird doch noch verhandelt.

Inzwischen steht jedenfalls fest, dass B. am Oberlandesgericht Düsseldorf nicht mehr quasi in eigener Sache entscheiden darf. Die Zuständigkeit für Ordnungswidrigkeiten, darunter fallen auch Temposünden, ist ihm entzogen worden. (pbd)

Danke, lieber Kommissar

Ich muss mich bei einem Polizeibeamten bedanken. Dafür, dass er unfreundlich und anmaßend ist. Er hat die Mutter eines Jugendlichen, der einer – strafbaren – Jugendsünde verdächtig ist, vorhin richtig schön runtergeputzt. Eigentlich wollte die Frau nur den Vernehmungstermin verlegen, weil sie um die festgelegte Uhrzeit nicht kann. Sie wollte ihren Sohn nämlich zur Polizei begleiten und auch bei seiner Befragung anwesend sein.

Hierauf kriegte sie zu hören, Termine, welche die Polizei anberaumt, seien gefälligst einzuhalten. Sie werde ohnehin nicht benötigt, denn die Vernehmung finde grundsätzlich ohne den Erziehungsberechtigten statt. Sie habe überhaupt keine Rechte. Ihr Sohn solle sich gefälligst pünktlich einfinden, sonst werde er schon sehen, was er davon hat.

An der Stelle hat die Mutter des Jugendlichen das Gespräch beendet. Nicht nur wegen des Inhalts, sondern vor allem, wie sie mir sagte, wegen des unerträglichen Tons. Sie hat dem Beamten nur noch gesagt, dass sie lieber einen Anwalt engagiert, bevor sie ihren Sohn bei ihm antanzen lässt. Wozu der Junge ja ohnehin nicht verpflichtet ist.

Also, danke für das Mandat.

Lust an der Verfolgung?

War es Jagdeifer, Lust an Verfolgung? Etwa Missbrauch der Macht? Fest steht: Der Wuppertaler Oberstaatsanwalt Ralf M. hat in seinen Ermittlungen gegen Harald Friedrich (Grüne), den ehemaligen Abteilungsleiter des NRW-Umweltministerium, zwei Gutachten freihändig vergeben, obwohl er das nach Weisung seiner vorgesetzten Behörde nicht mehr durfte.

Damit hat M. nach dem ersten Anschein das getan, was er zuvor Friedrich strafrechtlich vorgeworfen hatte – pflichtwidrig öffentliche Gelder verschwendet. Die Wuppertaler Strafverfolger indessen nennen den Übergriff ein „Missverständnis“. Eine verharmlosende Darstellung, die die aufsichtsführende Generalstaatswaltschaft (GeStA) in Düsseldorf denn auch bestreitet. Sie nennt M.s Aufträge „abredewidrig“ und pfeift ihn flugs zurück.

Das war so ähnlich schon einmal passiert. Anfang vorigen Jahres wurde Ralf M. von der Generalstaatsanwaltschaft die Grundlage schwerster Vorwürfe gegen Friedrich entzogen. War zuvor noch von Bestechlickeit des Harald Friedrich die Rede, von banden- und gewerbsmäßigem Betrug, von Untreue, Verletzung von Dienstgeheinmissen und Unterschlagung – ab diesem 8. Januar 2009 war das nur noch Makulatur, weitere Gutachten auch dazu hielt folgerichtig die GeStA für sinnlos und überflüssig.

Ganz so, als gebe es diese Anordnung nicht, machte Oberstaatsanwalt M. munter weiter. Er ließ die Aufträge aber nicht öffentlich ausschreiben, um Leistungen objektiv vergleichen zu können – stattdessen hatte schon eine Woche später ein Beamter des Landeskriminalamtes für ihn im Internet recherchiert. Und machte die E. eGmbH in Berlin ausfindig. Dorthin ging dann auch M.s Dienstreise – um gutachterlich nachweisen zu lassen, dass Friedrich bei seiner Vergabe von Aufträgen einigen „Schaden“ angerichtet habe.

„Nach kurzer Prüfung“ kam der E.-Geschäftsführer zu der für M. günstigen Einschätzung, dass eine Kalkulation von Friedrich „zu hoch und nicht marktgerecht“ war. Nicht genug damit. Die nächste Dienstreise ließ sich der Oberstaatsanwalt nach Saarbrücken genehmigen. Die Universität dort sollte ein weiteres Gutachten erstellen. M. wollte offenbar zwischen den Sachverständigen aus Berlin und Saarbrücken den auswählen, der einen von Friedrich verursachten „möglichen Schaden“ bestätigt.

Als von diesen dubiosen Aktivitäten einen Monat später, im April 2009, die Generalstaatsanwalt Düsseldorf erfuhr, reagierte sie verhalten entsetzt. In einem Vermerk heißt es, es gebe bekanntlich „keine Anhaltspunkte“ für die Annahme, Friedrich könne ein Projekt „überhöht abgerechnet“ haben.

Gleichwohl habe die Staatsanwaltschaft Wuppertal entgegen einer gemeinsamen Vereinbarung entsprechende Gutachten vergeben. Auf „eine unverzügliche Beendigung“, so die Weisung der Vorgesetzten, sei „hinzuwirken“.

Die pflichtwidrige Beflissenheit des Oberstaatsanwalts M. bleibt bislang ohne rechtliche Folgen. Es sei denn, man lastet ihm den Schaden an, der für das Land durch die Eskapaden entstanden ist. Die Dienstreise nach Berlin wurde mit 407,70 Euro abgerechnet, die nach Saarbrücken mit 320 Euro. Die Gutachter berechneten jeweils für ihre abgebrochene Arbeit 853,86 und 560 Euro.

Zu alldem gibt es bei der Staatsanwaltschaft Wuppertal weder Schuldbewusstsein noch Reue. Im Gegenteil. Behördenleiter Helmut Schoß nimmt seinen Untergeben in Schutz: „Herr M. ist davon ausgegangen, sich ordnungsgemäß verhalten zu haben“. (pbd)

Quelle: wulkan (www.wulkan-comic.de)