800-Quadratmeter-Regel wohl rechtswidrig

Bei den Corona-Lockerungen im Einzelhandel stößt vor allem eine Regelung auf Unverständnis: Geschäfte bis 800 Quadratmetern Ladenfläche dürfen öffnen, größere dagegen nicht.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bewertet die Maßnahme in einem heute veröffentlichten Beschluss als grundgesetzwidrig. Die Richter sehen unter anderem einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Kernaussage: Die Ladenfläche ist kein entscheidendes Kriterium, sondern die möglichen und konkreten Möglichkeiten zur Begrenzung der Infektionsgefahr.

Die Richter lassen die Verordnung aber trotzdem in Kraft, weil diese ohnehin am 2. Mai ausläuft. Für eine mögliche Verlängerung der 800-Quadratmeter-Regelung wird das Eis aber sehr dünn. Ausdrücklich stellt das Gericht klar, dass auch Läden mit einer Verkaufsfläche über 800 Quadratmetern schon jetzt öffnen dürfen, wenn sie ihre Verkaufsfläche entsprechend reduzieren.

Den Beschluss kann man hier abrufen.

Maske am Steuer – kann teuer werden

Die Maskenpflicht ist da, und auf dem Weg ins Büro konnte ich heute eine interessante Beobachtung machen: In – vielleicht auch nur gefühlt – ziemlich vielen Autos sitzen Menschen am Steuer, die eine Maske tragen. Das ist nicht unbedingt eine gute Idee.

Wer am Steuer seines Fahrzeugs sein Gesicht verhüllt, begeht nämlich eine Ordnungswidrigkeit. In § 23 StVO ist folgendes festgelegt:

Wer ein Kraftfahrzeug führt, darf sein Gesicht nicht so verhüllen oder verdecken, dass er nicht mehr erkennbar ist.

Die Regelung wird durch die Corona-Verordnungen der Länder zunächst einmal nicht außer Kraft gesetzt. Diese erstrecken sich ja durchgehend auch nur auf eine Maskenpflicht im ÖPNV und in Geschäften. In Nordrhein-Westfalen gibt es auch eine Pflicht zum Maskentragen, wenn bei Handwerks- oder Dienstleistungen der Mindestabstand von 1,5 Metern nicht eingehalten werden kann. Allerdings gilt diese Vorschrift ausdrücklich nicht, wenn die Betreffenden ein Fahrzeug lenken.

Im Zweifel wird es also darauf ankommen, wie eng die Polizei das „Vermummungsverbot“ am Steuer auslegt. Der ADAC hat etwa verlauten lassen, normal angelegte, handelsübliche Masken seien „eigentlich kein Problem“, weil der Fahrer noch erkennbar im Sinne der Straßenverkehrsordnung sei. Das kann man allerdings auch anders sehen, immerhin spielt die Mund-, Kinn- und Nasenpartie in Gutachten zu Radarbildern je regelmäßig eine wichtige Rolle. Möglicherweise sind die Verkehrsüberwacher also nicht sonderlich begeistert, wenn viele Bußgelder jetzt an hoch sitzenden Masken scheitern. Zumal ja gerade Personen, die alleine im Auto unterwegs sind, nach heutigem Wissensstand ja eher keinen plausiblen Grund für eine Mundabdeckung haben.

Beifahrer können natürlich beliebig Maske tragen.

Staatsanwalt will keine Maske tragen

Am Amtsgericht Brandenburg/Havel sind am Dienstag zwei Prozesstermine geplatzt, weil ein Staatsanwalt keine Gesichtsmaske tragen wollte. Die Richterin hatte die Maskenpflicht angeordnet, aber offenbar wollte der Staatsanwalt sich dem nicht fügen.

An den Gerichten sind Masken derzeit keine Pflicht. Allerdings hat der zuständige Richter das Recht, seine Verhandlung nach eigenem Ermessen auszugestalten. Eine Anordnung, zum Gesundheitsschutz eine Maske zu tragen, ist in diesem Zusammenhang auf den ersten Blick keine unzulässige Schikane von Prozessbeteiligten oder Zuschauern.

Wieso der Staatsanwalt sich genau dem Maskengebot verweigerte, ist bislang nicht bekannt.

Bericht auf berlin.de

Quadratmeter sind ein zweifelhafter Maßstab

Das Verwaltungsgericht Hamburg hält die 800-Quadratmeter-Regelung für die Wiedereröffnung von Geschäften für unrechtmäßig. Das Gericht erlaubt mit einem Eilbeschluss einem Sportartikelhändler, seine deutlich über 800 Quadratmeter große Filiale zu öffnen. An sich sollten größere Geschäfte zunächst geschlossen bleiben.

Die Entscheidung ist deswegen brisant, weil die Argumente in allen Bundesländern gelten. Das Gericht weist darauf hin, es gebe „keine gesicherte Tatsachenbasis“ für die Annahme, dass von größeren Verkaufsflächen allein eine höhere „Anziehungskraft“ und damit ein höheres Ansteckungsrisiko ausgehe. Die Anziehungskraft, so das Gericht, ergebe sich tatsächlich „aus der Attraktivität des Warenangebots“.

Die notwendigen Infektionsschutzmaßnahmen ließen sich in größeren Geschäften „ebenso gut wie oder sogar besser als in kleineren Einrichtungen einhalten“, erklärte das Gericht. Es sei auch nicht nachvollziehbar, wieso die Öffnung größerer Verkaufsflächen von mehr als 800 Quadratmetern nennenswert mehr Menschen in die Innenstadt oder den öffentlichen Nahverkehr locken sollte.

Die Stadt Hamburg hat gegen den Beschluss sofort Rechtsmittel eingelegt (Aktenzeichen 3 E 1675/20).

Richter zweifelt an Strafvorschriften

Ein Jugendrichter aus Bernau bei Berlin bringt das Cannabisverbot erneut vor das Bundesverfassungsgericht. Er hält die Regelungen, mit denen auch der Besitz kleiner Mengen bestraft wird, für verfassungswidrig. Mit einer Richtervorlage will er nun prüfen lassen, ob das Verfassungsgericht an der grundsätzlichen Strafbarkeit festhält.

In den Fällen geht es um den Besitz geringer Mengen Cannabis (2,8 und 1,7 Gramm) für den Eigengebrauch. Auch für diese Konstellationen hatte das Verfassungsgericht 2002 die Strafbarkeit grundsätzlich bejaht, aber nur unter der Voraussetzung, dass Staatsanwaltschaften und Gerichte von ihren Möglichkeiten Gebrauch machen, das Verfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen.

Genau dies passiert aber nicht, so nicht nur die Meinung des Richters. Vielmehr handhaben die Bundesländer die Grenzen höchst unterschiedlich, um nicht zu sagen willkürlich. Letztlich ist es auch mehr oder weniger Zufall, ob man mit einer geringen Menge an einen milden oder harten Richter gerät. Die heutige Praxis ist nach Auffassung des Jugendrichters aus Bernau bei Berlin jedenfalls nicht mit den Vorgaben des Verfassungsgerichts vereinbar.

Der Richter legt seine Meinung ausführlich auf 140 Seiten dar. Der Beschluss ist auf der Seite des Amtsgerichts Bernau bei Berlin als PDF abrufbar. Ob das Verfassungsgericht die Vorlage für zulässig hält und wann eine Entscheidung ergeht, ist noch völlig offen.

Gericht legt 3.025-seitiges Urteil vor

Die Urteilsbegründung im Münchner NSU-Verfahren liegt nun vor. 3.025 Seiten haben die Richter heute auf der Geschäfsstelle abgegeben. 93 (!) Wochen hatten sie für das schriftliche Urteil Zeit – morgen wäre die Frist abgelaufen.

Einzelheiten kann man beispielsweise auf tagesschau.de nachlesen. Zu der fast zweijährigen Frist für die Urteilbegründung kam es, weil es so aberwitzig viele Verhandlungstage gab. Der zeitliche Rahmen für die schriftlichen Urteilsgründe, die sogenannte Urteilsabsetzungsfrist, verlängert sich für das Gericht nach den Vorgaben von § 275 StPO.

Interessanterweise ist es nun nicht so, dass sich die Revisionsbegründungsfrist für Angeklagte und sonstige Beteiligte (etwa Nebenkläger oder auch die Staatsanwaltschaft) verlängert. Hier kennt das Gesetz nur eine starre Frist, und zwar für jede Art des Strafprozesses. Ob Ladendiebstahl oder Mammutverfahren: Die Begründungsfrist beträgt einen Monat.

Gerade den Verteidigern dürften nun arbeitsreiche Wochen bevorstehen, wenn sie wirklich Rügen von Substanz erheben wollen. Die Deadline von einem Monat ist für die sogenannten Verfahrensrügen, etwa die die unrechtmäßige Ablehnung von Beweisanträgen, absolut verbindlich. Eine Verlängerung der Frist sieht das Gesetz schlicht nicht vor.

Gesichtsmaske im Supermarkt?

Gesichtsmasken werden im öffentlichen Raum nun „dringend“ empfohlen. Eine generelle Maskenpflicht gibt es also nicht, wobei nun wohl das Land Sachsen und diverse Städte andere Wege gehen. Aber wie sieht es aus, wenn zum Beispiel ein Supermarkt auf Gesichtsmasken besteht – und Verweigerer nicht einlässt? Diese Frage möchte ich beantworten.

In seinem Geschäft hat der Inhaber das Hausrecht. Das heißt, es steht ihm grundsätzlich auch frei, bestimmte Kunden nicht reinzulassen. Grundsätzlich deswegen, weil bei Geschäften für den Alltagsbedarf ein Hausverbot zumindest nicht willkürlich sein darf. Das heißt, der Inhaber muss zumindest einen plausiblen Grund haben, warum er einem Kunden den Zutritt verweigert.

Ein guter Grund kann zum Beispiel sein, dass der Kunde schon mal im Laden geklaut oder Kunden/Personal belästigt hat. Eine offizielle Empfehlung für Schutzmasken taugt in diesem Sinne auch als Einlasskriterium. Das heißt: Wenn der Inhaber auf Schutzmasken besteht, muss man sich als Kunde daran halten. Oder woanders einkaufen.

Lässt der Laden allerdings auch Kunden ohne Maske rein, dürfen sich diese Kunden im Geschäft auch ganz normal bewegen. Das heißt, sie müssen sich auch nicht von anderen Kunden zurechtweisen oder gar angehen lassen. Im Streitfall hat jedenfalls der Ladenbesitzer das letzte Wort. Er hat dann zum Beispiel auch die Möglichkeit, einen Kunden vor die Tür zu setzen, der andere mit dem Hinweis auf eine vermeintliche Maskenpflicht nervt.

Gericht entscheidet über Besuchsrechte von Eltern

Die Stadt Hamburg hat in ihrer Corona-Schutzverordnung sogar komplett verboten, dass Eltern ihre Kinder besuchen dürfen, die in einem Kinderschutzhaus untergebracht sind. Diese Regelung beanstandet das Verwaltungsgericht Hamburg in einem aktuellen Beschluss.

Die Hamburger Vorschriften untersagen es Eltern, ihre in einer Kinderschutzeinreichtung untergebrachten Kinder zu besuchen. Eine Ausnahme ist nicht vorgesehen. Dies ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, so das Verwaltungsgericht. Vielmehr müsse abgewogen werden, ob der Gesundheitsschutz Vorrang hat. Dabei komme es auf die Qualität der bisherigen Eltern-Kind-Beziehung an, ebenso auf die Häufigkeit der bisherigen Umgangskontakte.

Das Gericht sieht auch einen Widerspruch daran, dass Eltern ihre Kinder im Krankenhaus in Einzelfällen besuchen dürfen (Aktenzeichen 11 E 1630/20).

Kundgebung in Hildesheim darf stattfinden

Das Verwaltungsgericht Hannover hat eine Kundgebung in Hildesheim gestattet, die morgen stattfinden soll. Allerdings muss der Veranstalter strenge Auflagen einhalten.

Die Stadt Hildesheim hatte die Versammlung unter dem Motto „Wer die Freiheit aufgibt, um mehr Sicherheit zu erlangen, wird am Ende beides verlieren“ komplett verboten und sich auf die Corona-Verordnung des Landes berufen. Diese beinhaltet ein praktisch vollständiges Versammlungsverbot.

Ein ausnahmsloses Versammlungsverbot, das den Einzelfall nicht berücksichtigt, ist aber nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, so das Verwaltungsgericht. Bei kleinen Versammlungen bestehe die Möglichkeit, den Gesundheitsschutz durch Beschränkungen der Versammlung zu gewährleisten. So habe die Stadt Hildesheim die Möglichkeit, das Tragen eines Mundschutzes anzuordnen, die Teilnehmerzahl zu begrenzen, Abstandsregelungen zu treffen, dem Versammlungsleiter die Erfassung von Namen und Anschrift der Teilnehmer aufzugeben und ggf. das Versammlungsgelände zu umzäunen (Aktenzeichen 10 B 2232/20).

Karlsruhe: Demos sind nicht generell verboten

Gibt es in Corona-Zeiten ein generelles Demonstrationsverbot? Nein. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in einem Eilbeschluss klargestellt. Die Richter heben eine Verbotsverfügung der Stadt Gießen auf.

Die Stadt hatte eine Demonstration mit der Begründung untersagt, jede Zusammenkunft von mehr als zwei Personen, die nicht dem gleichen Hausstand angehören, sei nach den hessischen Corona-Vorschriften grundsätzlich unzulässig. Damit hat die Behörde aber die geltenden Vorschriften falsch verstanden, so das Verfassungsgericht.

Die hessischen Regeln böten einen Ermessenspielraum, um dem wichtigen Grundrecht auf Versammlungsfreiheit Rechnung zu tragen. Dieses Ermessen habe die Stadt Gießen aber überhaupt nicht ausgeübt. Die hessischen Verwaltungsgerichte hatten die Sache noch anders beurteilt und das Demo-Verbot bestätigt.

Aufgrund der einstweiligen Anordnung muss die Stadt Gießen nun erneut entscheiden und auch prüfen, ob sich Gesundheitsgefahren durch Auflagen abfedern lassen. Die Demonstration sollte unter dem Motto „Gesundheit stärken statt Grundrechte schwächen – Schutz vor Viren, nicht vor Menschen“ stehen (Aktenzeichen 1 BvR 828/20).

Sportstudios bleiben zu

Auch wenn ab Montag Geschäfte teilweise wieder öffnen dürfen – für alle Betriebe gilt dies nicht. Neben Restaurants müssen auch Fitnessstudios weiter zu bleiben. Diese Anordnung hält das Oberverwaltungsgericht Münster für korrekt, wie es jetzt in einem Eilverfahren entschieden hat.

Ein Bielefelder Sportstudio hatte sich gegen die Schließungsverfügung gewehrt, unter anderem mit der Begründung, dass bei individuellem Training das Abstandsgebot eingehalten werden kann, insbesondere auch durch eine Beschränkung der Personen, die gleichzeitig ins Studio dürfen. Dennoch sehen die Richter ein erhöhtes Infektionsrisiko, etwa bei unvermeidlichen Begegnungen im Trainingsbereich, in Umkleiden und Duschen.

Beim Sport werde auch intensiver geatmet, so dass mehr virushaltige Tröpfchen in die Luft gelangen könnten. Außerdem würden die Sportgeräte hintereinander berührt, Schmierinfektionen seien nicht ausgeschlossen (Aktenzeichen 13 B 440/20.NE).

Corona verlängert Haft

Die deutschen Gerichte verzichten wegen der Corona-Pandemie derzeit weitgehend auf Verhandlungen. In Strafsachen führt dies natürlich zu erheblichen Verzögerungen, die gerade im Fall der Untersuchungshaft problematisch sind. Hofnung auf – vorübergehende – Entlassung dürfen sich Betroffene aber kaum machen, wie jetzt ein Beschluss des Oberlandesgerichts Jena zeigt.

Zwei Thüringer Polizisten sitzen seit Ende September 2019 in Untersuchungshaft. Sie sollen bei Ermittlungen gemeinsam eine Beschuldigte in deren Wohnung vergewaltigt haben. Das Landgericht Erfurt wollte die Sache im März und April verhandeln, musste die Termine dann aber aufheben. Nun ist der Prozessbeginn zunächst auf den 5. Mai verschoben.

Die Corona-Pandemie rechtfertigt es nach Auffassung des Oberlandesgerichts Jena, die Untersuchungshaft über die Grenze von sechs Monaten zu verlängern. Normalerweise muss der Prozess spätestens nach dieser Frist beginnen. Die Maßnahmen zum Schutz der Gesamtbevölkerung sind nach Auffassung des Oberlandesgerichts ein wichtiger Grund im Sinne des § 121 StPO, der eine Haftverlängerung rechtfertigt (Aktenzeichen 1 WS 110/20).

Exoskelett: Krankenkasse muss dafür zahlen

Mit der Hilfe eines sogenannten Exoskeletts, das rund 100.000 Euro kostet, kann ein Querschnittsgelähmter möglicherweise wieder Stehen und Gehen. Die Krankenkasse muss dieses Hilfsmittel bezahlen, entschied jetzt das Landessozialgericht Essen.

Nach einem Verkehrsunfall war der Kläger querschnittsgelähmt. Im Jahr 2016 beantragte er ein Exoskelett. Seine Krankenkasse verwies ihn jedoch auf einen Aktivrollstuhl und einen Stehrollstuhl. Diese sind zwar billiger, ermöglichen aber weniger Bewegungen als ein Exoskelett, das wie eine „zweite Hose“ angelegt und über ein Display gesteuert wird.

Nach Auffassung des Gerichts ist die wesentliche Frage, ob ein technisches Hilfsmittel die verlorengegangene Körperfunktion wieder herstellt. Es komme nicht so sehr darauf an, ob es sich um ein „Körperersatzstück“ handelt, etwas eine Prothese. Der Fall sei vergleichbar mit einem Hörgerät, meinen die Richter. Auch dieses müsse die Krankenkasse zahlen. Die Vorinstanz hatte noch anders geurteilt; das Landessozialgericht Essen ließ die Revision zu (Aktenzeichen L 5 KR 675/19).

Bordverweis vom Kreuzfahrt-Kapitän

Nicht nur das Corono-Virus, sondern auch eine angeschlagene Gesundheit können eine Kreuzfahrt verderben. Oder sogar unmöglich machen, wie im Fall einer 83-Jährigen. Der Kapitän verbannte die Frau bei einem Zwischenstopp von Bord, weil sie unter Darmbeschwerden litt.

Die Reisende hatte sich unwohl gefühlt und die Bordärztin aufgesucht. Diese hielt es für möglich, dass sich der Zustand der Frau – sie litt seit 20 Jahren unter Darmproblemen – so verschlechtert, dass sie auf die Intensivstation muss oder gar verstirbt.

Das Landgericht Rostock hält den Bordverweis für begründet. Der Reiseveranstalter dürfe nach den Geschäftsbedingungen die Weiterfahrt des Gastes verbieten, wenn dessen körperlicher Zustand entsprechend schlecht ist. Auch wenn das Risiko eines Notfalls eher gering gewesen war, durfte der Kapitän auf den Rat der Ärztin hören. Der Kapitän habe einen Bewertungsspielraum.

Die Reisende musste nicht nur das Schiff verlassen. Sie kriegt auch kein Geld zurück (Aktenzeichen 1 O 27/18).

Reisestorno: So entgeht man vielleicht dem Zwangskredit

Ich habe gestern in diesem Beitrag über mein Unbehagen berichtet, wie momentan Kunden von Reiseunternehmen durch den Staat als Zwangskreditgeber verpflichtet werden sollen. Heute hat die sogenannte Gutscheinlösung das Bundeskabinett passiert, dennoch wird es bis zu einem eventuellen Gesetz noch etwas dauern – die EU-Kommission muss zustimmen.

Ich habe etliche Nachfragen erhalten, wie man den Anspruch vor Gericht begründen kann, wenn die Veranstalter – wie etwa in meinem Fall – nun gegen einen Mahnbescheid Widerspruch einlegen. Ich habe meine Anspruchsbegründung deshalb in ein kleines Muster umgewandelt, das jedenfalls für Pauschalreisen passen sollte.

Ihr könnt das Muster bei Interesse hier herunterladen.

Für die Einleitung des Mahnverfahrens benötigt ihr keinen Anwalt oder spezielle Software. Das Antragsformular lässt sich hier online ausfüllen. Man muss es dann ausdrucken und per Post ans Mahngericht schicken. Das Verfahren wird zum Beispiel auf der Seite der Justiz NRW gut erklärt.

Ein großes Kostenrisiko dürfte mit Mahnverfahren/Klage nicht verbunden sein. Wenn sich herausstellt, dass sich die Gutscheinlösung nicht auf rechtzeitig eingeklagte Ansprüche erstreckt, werden die Gerichte entsprechende Zahlungsurteile fällen. Dann gucken nur die in die Röhre, die nichts gemacht haben. Wenn sich die Gutscheinlösung auch auf laufende Verfahren erstreckt, wird man halt einen Gutschein zugesprochen bekommen. Das Gericht wäre zu einem entsprechenden Hinweis verpflichtet. Das wird aber wohl nichts daran ändern, dass der Veranstalter die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Denn momentan sind die Klagen nach Anbieterstornos zulässig und begründet – daran ändert auch eine im Raum stehende Gesetzesänderung nichts.

Wer seine Nerven schonen möchte, sollte aber auf jeden Fall einen Anwalt für Zivil- oder Reiserecht beauftragen. Der Anwalt kann den Einzelfall beurteilen und individuelle Risiken abwägen.

Kleiner Hinweis: Mein Anwaltsbüro macht nur Strafrecht.