Googles Sorgen mit einem gekränkten Autor

Bastian Sicks Erfolgsstory in Sachen deutscher Sprache ist lang. Erst die Zwiebelfisch-Kolumnen, dann die „Dativ“-Bücher, schließlich sogar Deutschstunden in Hallen, die sonst nur Popstars füllen. Alles im grünen Bereich, sozusagen.

Irgendwann jedoch hat Bastian Sick seinen Namen gegoogelt. Dabei entdeckte er auf seiner virtuellen Vita bei Google einen schwarzen Fleck, der ihn zum Anwalt und später vor Gericht ziehen ließ. Der Rechtsstreit Sick gegen Google beschäftigt seit geraumer Zeit die Instanzen und könnte Google in Deutschland noch richtig Probleme machen. Es geht, mal wieder, ums Prinzip. Die Frage ist letztlich, welchen Einfluss Betroffene auf Googles Suchergebnisse nehmen können.

Rechtsstreite, bei denen es ans Eingemachte geht, sind nicht neu für Google. Erst letztes Jahr beschäftigte sich der Bundesgerichtshof mit dem Problem, ob die in der Bildersuche angezeigten Thumbnails das Urheberrecht verletzen. Die Richter entschieden letztlich zu Gunsten von Google, indem sie für eine Opt-out-Lösung votierten. Wer im Gegensatz zu fast allen Internetnutzern nicht bei Google auftauchen wolle, müsse sich halt abmelden. Das ist leicht möglich, indem man dem Google-Bot mittels einer Codezeile den Zutritt verwehrt.

Nicht wenige Juristen kritisierten das als „Lex Google“. Sie wollen damit sagen, es hätte auch gut anders enden können – mit unschönen Folgen für Googles Bildersuchservice oder zumindest dessen Verfügbarkeit in Deutschland.

Nun also ein Prozess mit ähnlicher Fernwirkung. Wenig überraschend geht es im Verfahren des Buchautors Sick gegen Google um dessen Kernkompetenz: das geschriebene Wort. Genau gesagt um ein einziges Wort – „Satire“. Dieses Wort vermisste Sick, als er seinen Namen googelte. Auf der ersten Seite der Google-Suchergebnisse zu „Bastian Sick“ tauchte folgender Treffer auf:

Showbusiness: Eklat – Bastian Sick tritt unter Buhrufen ab…

Der Link führt zu einem Artikel in der Welt vom 6. März 2008, der über einen vermeintlichen Auftritt Sicks im Rahmen seiner Happy-Aua-Tour berichtet. Dass es sich um eine Satire handelt, erkennt der aufmerksame Leser im ersten Absatz, der flüchtige Konsument im zweiten, als berichtet wird, Sick habe nicht nur den Ort seines Auftritts verwechselt, sondern auf der Bühne seinen Irrtum auch noch verteidigt. Angebliches Zitat Sick:

Das ist doch gehopfen wie gespringt.

Später ging es laut „Bericht“ bei Sicks Gastspiel um so wichtige Zuschauerfragen, warum nicht dem angeblich urdeutschen Begriff Votze nicht der Vorzug vor dem lateinischen Vagina gebührt. Für alle Leser, die bis dahin immer noch nichts gemerkt haben, hat die Welt den Artikel unter ein riesiges Banner mit der Aufschrift „Satire“ gestellt. Auch in der URL zum Artikel ist der Begriff Satire enthalten – gleich hinter dem Slash nach welt.de.

Dumm nur, dass Google in den einfachen Suchtreffern zu Bastian Sick das Satire-Banner nicht anzeigt. Auch die ziemlich lange URL ist Google-typisch so abgekürzt, dass neben anderen Zeichen ausgerechnet auch der Begriff Satire nicht erscheint.

Der von Google angerissene Text („Eigentlich hätte auch diese Show seiner Happy-Aua-Tour ein Erfolg werden müssen. Aber ein sichtlich verwirrter…“) klingt zudem nach Sicks Auffassung so, als handele es sich um die ernstgemeinte Rezension eines seiner Auftritte.

Mit eben dieser Begründung zog der Autor dann auch vor Gericht. Das Suchergebnis sei verkürzt und enthalte Auslassungen. Insbesondere der fehlende Hinweis auf den Satirecharakter führe zu einer „unwahren Tatsachenbehauptung“. Durch diese fühlt sich Sick in seiner persönlichen Ehre verletzt und verlangt Unterlassung.

Juristisch sieht es derzeit gar nicht so schlecht aus für den gekränkten Autor. Das Kammergericht Berlin (Aktenzeichen 9 W 196/09) zeigt nämlich Verständnis für die „verkürzte Inhaltswiedergabe“. Das Snippet auf der Trefferseite verkürze die Aussage auf der verlinkten Seite in ihr Gegenteil. Das Gericht:

Sie wird von einer satirischen Darstellung, die durch ihr Erscheinen in der Rubrik der Seite als solche erkennbar sein soll, zu einer eindeutig unwahren Tatsachenbehauptung.

Google sei juristisch gesehen „Störer“ – jedenfalls in diesem Fall. Immerhin stellt das Kammergericht zunächst klar, dass Google beim besten Willen nicht alle Suchergebnisse überprüfen und klären kann, ob sie den Inhalt der verlinkten Seite korrekt wiedergeben. Zitat aus dem Beschluss:

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die … Betreiberin der weltweit größten Internetsuchmaschine ihren Nutzern aus einer gigantischen Informationsmenge in Kürze in einem automatisierten Verfahren brauchbare Informationen vermittelt. Angesichts dessen ist es einem Unternehmen … nicht möglich und zuzumuten, jedes Rechercheergebnis vor der Anzeige … zu überprüfen. Eine solche Obliegenheit würde ihr gesamtes Geschäftsmodell in Frage stellen.

Spätestens mit der Abmahnung durch Sicks Anwalt habe Google das automatische Suchergebnis aber manuell nachbessern müssen.

Bei Google selbst löst diese Ansicht Befremden und auch einige Befürchtungen aus. „Die Texte, die Google als Suchergebnisse präsentiert, werden automatisch über einen vorher festgelegten Algorithmus generiert“, sagt Firmensprecher Stefan Keuchel.“Mit dem Suchergebnis verbinden wir keinerlei inhaltliche Aussage.“

Google erhebe auch nicht den Anspruch, den Inhalt jeder indizierten Seite korrekt zusammenzufassen. Keuchel: „Die Suchergebnisse sind keine Abstracts, sondern lediglich Wegweiser, wo es im Netz Inhalte zu den betreffenden Suchanfragen gibt.“
Jedem Nutzer sei klar, dass sich hinter einem Google-Treffer nicht unbedingt genau das verbirgt, was sich der Suchende erhofft.

Eben darauf hebt das Kammergericht Berlin aber in seiner Entscheidung ab. Die Richter fordern Googles Einschreiten jedenfalls dann, sobald sich die Anzeige auf der Trefferseite nicht mehr „im Rahmen der Kernaussage der Ursprungsseite hält“.

Das Kammergericht sieht in Google also nicht nur den Mittler zu Inhalten, sondern erhöht die US-Firma zu einer Art vorgeschalteten Inhalteanbieter, von dessen Seite Besucher tatsächlich einen Eindruck über die Suchtreffer mitnehmen, die sie gelesen haben. Denn, wohlgemerkt, um jene Google-Nutzer, die auf das Snippet klicken und die Verulkung auf Welt online goutieren, geht es nicht. Denn sie erkennen nach Auffassung des Gerichts ja, dass es sich um eine Satire handelt.

Sick hat die Welt wohl abgemahnt, die Zeitung sah jedoch keinen Grund, den Artikel zu ändern. Es handele sich um eine zulässige Satire. Von gerichtlichen Schritten Sicks ist nichts bekannt. Nun könnte man sich fragen, ob es Sick wirklich um die paar Leute geht, die nur das Snippet lesen und darauf hin womöglich im Hinterkopf speichern, dass seine Happy-Aua-Tour nicht ganz komplikationslos verlief. (Wie auch immer das gehen soll, bei den doch so zahlreichen anderen, durchaus positiven Fundstellen im Suchergebnis zu Sicks Namen.)

Ein ganz klein wenig drängt sich da doch der Verdacht auf, dass die Empörung über fehlgeleitete Google-only-Leser vielleicht doch nur ein Vorwand ist, um den Verweis auf den Artikel ganz zu erden. Wodurch die eigentliche Satire bei der Welt natürlich viel eher ihren Weg in die absolute Vergessenheit finden würde. Selbst wenn Sicks Motive völlig lauter sind; ein ganz unerwünschter Nebeneffekt wäre das virtuelle Verschwinden des Welt-Artikels für ihn wohl kaum.

Genau hier fangen die Probleme an, welche für Google Folgen weit über das Sick-Snippet haben können. Die Behauptung, ein Suchergebnis treffe nicht die „Kernaussage“ der verlinkten Seite, lässt sich nämlich schnell aufstellen und hervorragend instrumentalisieren. Entweder der Link fliegt raus oder wird „inhaltlich“ den Wünschen des Anspruchsstellers angepasst. Sonst werden die Anwälte in Stellung gebracht.

Das klingt erst einmal nach viel Feind, viel Ehr für Google. Die schon angekündigte Personalaufstockung könnte jedenfalls nicht die letzte gewesen sein. Mehr als juristische Scharmützel muss Google aber womöglich fürchten, dass eine aufgezwungene Bearbeitung der Snippets von der Öffentlichkeit nicht als juristische Notwendigkeit angesehen wird, sondern als Zensur. Fast unabsehbar, was so ein Image für die Klickzahlen bedeuten könnte.

Die schon erwähnte „Lex Google“ könnte das Unternehmen allerdings vor dem Schlimmsten bewahren. Sie lässt nämlich zumindest Beschwerden von Anbietern ins Leere laufen, die ihre eigenen Seiten schlecht von Google getroffen sehen. Unzufriedene Seitenbetreiber können aber wie Bildanbieter den Google-Bot einfach aussperren. Etwas, das Bastian Sick mit dem redaktionellen Onlineangebot der Welt verwehrt ist.

Bei Google nimmt man den Rechtsstreit jedenfalls sehr ernst. Unternehmenssprecher Stefan Keuchel: „Wir werden alle Rechtsmittel ausschöpfen.“

Nur geringe Geldstrafe bei niedrigem Einkommen

Wie hoch darf die Geldstrafe für einen Hartz-IV-Empfänger ausfallen? Das Landgericht Köln hat den sogenannten Tagessatz nun mit fünf Euro festgesetzt. Das ist deutlich weniger, als sich rein rechnerisch ergeben müsste.

Dem Angeklagten standen monatlich 323 Euro Grundbedarf und 141,55 Euro für Wohn- und Heizkosten zur Verfügung. Um den Tagessatz zu ermitteln wird das Nettoeinkommen normalerweise durch 30 geteilt. Bei Einnahmen von insgesamt 464,55 Euro hätte der Tagessatz des Angeklagten an sich 15,48 Euro betragen.

Das Landgericht Köln sieht jedoch, dass niedrige Einkommen das Existenzminimum garantieren, das an sich zu wahren ist. Konsequenz:

Bei Sozialhilfeempfängern oder Personen, die gleich niedrige Einkommen haben, z.B. Kleinrentnern oder Unterhaltsempfängern, wird in der Regel die schematische Anwendung des Nettoeinkommensprinzip zu einer unvertretbar starken Belastung des Täters führen, so dass ein Tagessatz festzusetzen ist, der unter dem Dreißigstel des monatlichen Nettoeinkommens liegt.

Auf das Mindestmaß von einem Euro wollte das Gericht den Tagessatz aber auch nicht herabsetzen. Zum einen lägen die Einnahmen noch über über dem absolut notwendigen Minimum. Zum anderen müsse die Strafe in jedem Fall noch ein „ernsthaft fühlbares Übel“ sein.

Nach meiner Erfahrung errechnen die meisten Richter bei Hartz IV die Geldstrafe schematisch. Sie kommen demgemäß zu deutlich höheren Tagessätzen als fünf Euro. Die Entscheidung des Landgerichts Köln kann nur hilfreich sein, wenn man Überzeugungsarbeit in die andere Richtung leisten muss.

LG Köln, Urteil vom 07.10.2010 – 156 Ns 49/10

Ich möchte noch sagen…

Aus der Zeugenaussage eines Nachbarn in einem Räumungsprozess:

Ich möchte noch sagen, dass sowohl meine Frau und ich als auch die anderen Mieter von Herrn und Frau N. zur Begrüßung jeweils bespuckt wurden.

Solche Sprüche fördern nicht unbedingt die Glaubwürdigkeit.

Millionen für nicht gelieferte Schutzwesten

Viel zu viel Geld und das auch noch zu früh sollen drei Angehörige der landeseigenen Zentralen Polizeitechnischen Dienste (ZPD) in Duisburg einer Firma für nicht gelieferte Schutzwesten gezahlt haben. Demnächst müssen sich zwei ehemalige Bereichsleiter und ein Polizeibeamter wohl dafür vor dem Landgericht Duisburg verantworten.

Die Staatsanwaltschaft hat das Trio wegen Untreue in einem besonders schweren Fall angeklagt. Der Schaden für das Land soll bei wenigstens 3,25 Millionen Euro liegen, bestätigte gestern Behördensprecher Stefan Ulrich.

Der Ursprung der Tat liegt zehn Jahre zurück. Ein Bankräuber hatte in Selm (Westfalen) drei Polizeibeamte erschossen. Daraufhin wollte das Innenministerium eilends neue schusssichere Unterziehwesten anschaffen. Eine Firma in den USA kam mit der Lieferung der bestellten 34.000 Exemplare nicht nach, ging später in Konkurs. Dennoch bekam sie zwischen Oktober 2001 und Dezember 2003 die Millionenbeträge.

Erst im Sommer 2007 wurden in der ZDP bei internen Untersuchungen Spuren der fragwürdigen Transaktionen entdeckt, das Landeskriminalamt übernahm die Ermittlungen. Aus der inzwischen zum Landesamt umorganisierten Duisburger Behörde heißt es, die drei Beamten seien versetzt und Disziplinarverfahren eingeleitet worden.

Die 4. Große Strafkammer des Landgerichts Duisburg muss nun über die Zulassung der Anklage entscheiden. (pbd)

Schlüsselgewalt

Liebe kennt bekanntlich keine Grenzen. Selbst Gitter und verschlossene Türen vermögen sie nicht zu hindern. Das gilt auch im Gefängnis. Wobei es natürlich nicht hinderlich ist, wenn einer der Glücklichen „Schlüsselgewalt“ hat und seinen Partner in der Zelle besuchen kann.

Laut einem Zeitungsbericht war genau das auf dem Saarbrücker „Lerchesflur“ der Fall. Im Hochsicherheitsgefängnis sollen sich ein verurteilter Schwerverbrecher und eine Mitarbeiterin aus der Anstaltsleitung so nahe gekommen sein, dass sie nun sogar den Bund fürs Leben planen.

Im Dezember 2010 habe der zu neun Jahren Haft und anschließender Sicherungsverwahrung Verurteilte offiziell angezeigt, er sei nun mit einer ehemaligen Mitarbeiterin der Haftanstalt verlobt. Die Frau könnte den seit 2003 inhaftierten 54-Jährigen erst im Gefängnis kennengelernt haben. Dort war sie für den Gefangenenbereich zuständig.

Nach Informationen der Saarbrücker Zeitung soll in der Haftanstalt bereits Ende 2008 eine „auffällige Nähe“ zwischen der leitenden Mitarbeiterin und dem Inhaftierten aufgefallen sein. Sie soll sich „erstaunlich lange und immer wieder“ allein mit ihm in seiner Zelle aufgehalten haben.

Möglicherweise war das der Grund, warum die Justizmitarbeiterin im März 2009 zur Staatsanwaltschaft wechselte. Heute soll sie im Innenministerium beschäftigt sein. Der Kontakt zu dem Gefangenen scheint jedenfalls nicht abgerissen. Der Mann wurde inzwischen auf eigenen Wunsch nach Aachen verlegt. Die Verlegung soll so schnell erfolgt sein, dass eine schon in Saarbrücken geplante standesamtliche Hochzeit nicht mehr möglich war.

Ob nun in Aachen geheiratet wird, darüber gibt es bislang keine offizielle Auskunft.

Anpassungs- und Überwachungsdruck

Das Hessische Landesarbeitsgericht hat einen Arbeitgeber zur Zahlung einer Entschädigung von 7.000 Euro verurteilt, weil er eine Mitarbeiterin gegen ihren Willen mindestens seit Juni 2008 an ihrem Arbeitsplatz permanent mit einer Videokamera überwachte.

Die 24-jährige kaufmännische Angestellte arbeitete in der Niederlassung einer bundeweit aktiven Firma. Gegenüber der Eingangstür des Büros hatte der Arbeitgeber eine Videokamera angebracht, die nicht nur auf den Eingangsbereich, sondern im Vordergrund auch auf den Arbeitsplatz der Klägerin gerichtet war.

Die Frau hielt diese Überwachung für unzulässig. Sie klagte auf eine Entschädigung.

Der Arbeitgeber verteidigte sich im Prozess damit, die Kamera sei nicht permanent angeschaltet gewesen. Sie habe nur die Sicherheit der Mitarbeiter verbessern sollen. In der Vergangenheit sei es zu Übergriffen auf Angestellte gekommen.

Trotzdem, so argumentiert das Hessische Landesarbeitsgericht, sei der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiterin unverhältnismäßig. Eine Ausrichtung der Kamera nur auf den Eingangsbereich des Büros wäre möglich gewesen. Es sei auch unerheblich, dass die Kamera nicht ständig in Funktion war.

Allein die Unsicherheit darüber, ob die Kamera tatsächlich aufzeichne oder nicht, habe die Mitarbeiterin einem ständigen Anpassungs- und Überwachungsdruck ausgesetzt. Das habe sie nicht hinnehmen müsssen, zumal sie früh gegen die Kamera protestiert habe.

Es handele sich somit um eine schwerwiegende und hartnäckige Verletzung des informationellen Selbstbestimmungsrechts. Hierfür hält das Landesarbeitsgericht 7.000 Euro Entschädigung für angemessen. Das Arbeitsgericht hatte der Frau noch 15.000 Euro zugesprochen.

Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 25. Oktober 2010, Aktenzeichen 7 Sa 1586/09

Lehrer kommt mit Gehaltskürzung davon

Ein beamteter Lehrer, auf dessen Computer Kinderpornos gefunden wurden, darf im Staatsdienst bleiben. Das Oberverwaltungsgericht kürzte nun lediglich für drei Jahre seine Bezüge um 20 Prozent. Ursprünglich sollte der Pädagoge entlassen werden. Hiergegen hatte er erfolgreich vor dem Bundesverwaltungsgericht geklagt.

Das Amtsgericht hatte den Lehrer 2004 zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt. Grund waren kinderpornografische Aufnahmen, die bereits im Jahre 2004 auf dem Privatcomputer des Mannes entdeckt wurden. Im Jahr 2007 ordnete das Verwaltungsgericht die Entlassung des Lehrers an. Gut drei Jahre stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass diese Entscheidung überzogen war.

Zur Begründung hieß es, zur damaligen Zeit sei der Besitz von Kinderpornografie nur mit Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr bedroht gewesen. (Heute sind es zwei Jahre.) Bei Delikten in diesem Bereich sei eine Entlassung regelmäßig nicht verhältnismäßig; es komme nur eine Rückstufung des Beamten in Betracht. Über die genaue Sanktion sollte das Oberverwaltungsgericht entscheiden.

Aus beamtenrechtlichen Gründen konnten die Richter in Hamburg bei ihrer erneuten Entscheidung aber keine Rückstufung aussprechen. Deshalb griffen sie nun zur nächst milderen Sanktion, nämlich der Gehaltskürzung. Diese wurde auf 20 Prozent für drei Jahre festgesetzt.

In seinem Urteil kritisiert das Oberverwaltungsgericht, der Beamte habe bis heute sein Verhalten nicht bedauert. Gleichzeitig stellt es fest, der Lehrer könne nicht mehr im direkten Unterricht bei Schülern eingesetzt werden.

Oberverwaltungsgericht Hamburg, Urteil vom 14. Januar 2011, Aktenzeichen 12 Bf 263/10.F

Unser Mann in Kairo

Kairo statt New York: Der freie Journalist und Blogger Richard Gutjahr hat sich spontan entschlossen, die Situation in Ägypten zu beobachten und – für uns – zu berichten. Mit dem letzten Flug aus Israel kam er gestern in Kairo an. Die ersten Eindrücke und Fotos hat er schon online gestellt. Gutjahr wird auch twittern.

In Sachen Ägypten haben n-tv und N24 komplett versagt. Man kann sie ab sofort wohl getrost als Nachrichtensender abschreiben. Zur Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen kann ich nur sagen, dass ich mich über Al Jazeera English jedenfalls weit besser informiert gefühlt habe, zumal das mehrstündige Warten auf irgendwelche Brennpunkte und sonstige Sondersendungen wohl kaum dem Takt der Ereignisse in Ägypten gerecht wird.

Wie auch immer, Richard Gutjahrs Berichte werden eine Bereicherung sein und hoffentlich dazu beitragen, dass die Abschottungsstrategie der ägyptischen Machthaber nicht doch noch aufgeht. Gutjahr muss für seinen Einsatz aber nicht nur die Reisekosten (zu den explodierten Hotelpreisen siehe seinen Berricht) stemmen, sondern auch per Roaming ins Netz. Es dürften deshalb exorbitante Kosten auf ihn zukommen.

Ich habe Richard gerade über Flattr vorab das eine oder andere MB finanziert. So eine Zuwendung außer der Reihe geht ganz einfach, indem man sich über den Flattr-Button weiter ins Nutzerprofil klickt und dort den Donate-Button nutzt. Die Höhe des Betrages lässt sich dort frei wählen. Die Summe wird nicht auf das Flattr-Monatsbudget angerechnet, sondern direkt vom Guthaben abgezogen.

Bitte macht es mir nach.

Nachtrag 1: Al Jazeera meldet, fünf (später: sechs) seiner Journalisten seien in Ägypten verhaftet worden. (Mittlerweile sollen sie wieder frei sein.)

Nachtrag 2: Nico Lumma macht Richard Gutjahr als eitlen Selbstdarsteller runter.

LKA Bayern steuert Computer fern

Das Bayerische Landeskriminalamt greift zu fragwürdigen Überwachungsmethoden. An sich war der Behörde gerichtlich nur gestattet, die Telekommunikation eines Beschuldigten zu überwachen. Einen auf den Computer des Betroffenen geschleusten Trojaner nutzten die Beamten aber auch dazu, alle 30 Sekunden einen Screenshot des Browserinhalts abzugreifen. Dies hat das Landgericht Landshut nun für unzulässig erklärt.

Gegen den Beschuldigten war wegen Betäubungsmitteldelikten ermittelt worden. Er nutzte für Telefonate unter anderem Skype. Um diese verschlüsselte Kommunikation überwachen zu können, beantragte das Landeskriminalamt eine „Fernsteuerung“ (Formulierung des Landgerichts Landshut) für den Computer des Betroffenen.

Im Rahmen dieser Maßnahme fertigten die Beamten aber auch alle 30 Sekunden einen Screenshot des Firefox-Browsers. Angeblich wollten sie so vorrangig die E-Mails dokumentieren, die der Beschuldigte schrieb.

Gegen das Einschleusen eines Trojaners zum Knacken von Skype hatte das Landgericht nichts einzuwenden. Das ist jedoch höchst umstritten. Überwiegend wird die Auffassung vertreten, eine derartige „Quellen-TKÜ“ sei mangels gesetzlicher Grundlage für Landesbehörden wie das LKA Bayern nicht zulässig. Das Landgericht Landshut schließt sich jedoch der Meinung an, die praktisch argumentiert: Bei verschlüsselten Verbindungen gehe die – an sich ja zulässige – Überwachung des Telefonverkehrs eben nur über einen direkten Zugriff auf die Hardware.

Deutlich zu weit geht dem Landgericht Landshut aber, dass mit dem Trojaner alle 30 Sekunden Screenshots des Browsers erstellt wurden. Zwar stelle sich im Grunde dasselbe technische Problem, aber die im Browser entworfenen Mails seien eben gerade noch keine Telekommunikation. Sie könnten immerhin jederzeit geändert – oder gar nicht abgesendet werden. Das Gesetz regele aber nur die Überwachung der Telekommunikation selbst. Für eine Sicherung von Daten, die vor dem eigentlichen Kommunikationsvorgang erstellt werden, gebe es keine rechtliche Grundlage.

Den Zugriff auf die Festplatte des Beschuldigten, also eine Online-Durchsuchung im eigentlichen Sinn, hatte übrigens schon das Amtsgericht ausdrücklich untersagt.

Beschluss des Landgerichts Landshut

Weitere Anmerkungen zum Thema

Nicht-Inkrafttreten

Manchmal macht ein Blick ins Gesetzblatt den Tag:

Bekanntmachung über das Nicht-Inkrafttreten des Vierzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrages

Nach § 2 des Gesetzes zum Vierzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 15. Dezember 2010 (GVBI. S. 551) wird bekannt gegeben, dass der Staatsvertrag nach seinem Artikel 4 Absatz 2 Satz 2 nicht am 31. Dezember 2010 in Kraft getreten ist.

Berlin, den 25. Januar 2011
Der Regierende Bürgermeister von Berlin Klaus Wowereit

Veröffentlicht im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin Nr. 2 vom 29.01.2011, Seite 18

Quelle

Keine Heiratspflicht für Transsexuelle

Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechte Transsexueller gestärkt. Auch ihnen darf es nicht verwehrt werden, eine eingetragene Lebenspartnerschaft mit ihrem Lebenspartner einzugehen. Sie müssen sich nicht auf eine Eheschließung verweisen lassen.

Vor das Gericht gezogen war eine 62-Jährige, die als Mann geboren wurde, sich aber als Frau fühlt. Sie hat sich für die „kleine Lösung“ nach dem Transsexuellengesetz entschieden, d.h. sie änderte ihren Namen und ihr Aussehen. Vornehmlich wegen ihres Alters sah sie aber von einer operativen Geschlechtsumwandlung ab.

Die Betroffene wollte nun eine eingetragene Lebenspartnerschaft mit einer Frau eingehen. Dies hat das Standesamt ihr aber verweigert, weil sie rechtlich noch als Mann gelte. Erst nach einer operativen Geschlechtsumwandlung habe sie formal den Personenstand einer Frau. Die eingetragene Lebenspartnerschaft sei aber gleichgeschlechtlichen Paaren vorbehalten.

Die Beschwerdeführerin hätte also heiraten müssen. Das lehnte sie aber ab. Sie störte unter anderem, dass jeder, der von der Heirat wisse, sich ausmalen könne, dass einer der Partner transsexuell ist. Hierdurch fühlte sie sich diskriminiert.

Das Bundesverfassungsgericht gab der Frau recht. Das Geschlecht definiert sich nach Auffassung der Richter gar nicht an der Frage, ob die äußeren Geschlechtsmerkmale operativ angepasst wurden. Vielmehr komme es darauf an, wie konsequent der Betroffene sein empfundenes Geschlecht lebe.

Zwar gebe es einige juristische Gründe, die für klare Regelungens sprächen. Zum Beispiel, „dass rechtlich dem männlichen Geschlecht zugehörige Personen Kinder gebären oder rechtlich dem weiblichen Geschlecht zugehörige Personen Kinder zeugen, weil dies dem Geschlechtsverständnis widerspräche und weitreichende Folgen für die Rechtsordnung hätte“.

Jedoch müsse dieses Interesse stets mit dem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung des Einzelnen abgewogen werden. Diesem Selbstbestimmungsrecht gibt das Bundesverfassungsgericht Vorrang, schon weil die möglichen Problemfälle praktisch extrem selten seien.

Das Gericht hat die betreffenden Normen für verfassungswidrig erklärt und angeordnet, dass sie nicht mehr angewendet werden dürfen. Somit kann nun nicht nur die Beschwerdeführerin eine Lebenspartnerschaft eingehen, sondern auch alle anderen, die vor derselben Situation stehen.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 11. Januar 2011, 1 BvR 3295/07

Spruch mit Barth

Oliver Kalkofe nimmt es mit Humor:

Wir haben noch kistenweise alte Witze, die wir bedürftigen Komikern gern für ihre Vermarktung zur Verfügung stellen.

Das richtet sich an seinen „Kollegen“ Mario Barth, der sich anscheinend nicht zu schade ist, den Humor anderer zu vereinnahmen und dann noch Kapital daraus zu schlagen – juristische Abmahnungen eingeschlossen. Worum geht es? Kalkofe, Oliver Welke und andere hatten 1992 für das Frühstyxradio des Senders ffn eine sehr erfolgreiche Comedy produziert. Titel:

Nichts reimt sich auf Uschi

Das Ding ging sogar auf Tour. In den Gastspielhäusern verkaufte ffn auch T-Shirts mit dem Spruch, wie ein aktuelles Foto der damaligen Protagonisten mit dem Originalshirt beweist.

„Nichts reimt sich auf Uschi“ hat also einen ziemlichen Barth. Höhö. Jedenfalls soll der dazugehörige Mario bei Auftritten im Herbst letzten Jahres „Nichts-reimt-sich-auf-Uschi“-Shirts getragen haben und vertreibt diese nun auch in seinem T-Shirt-Shop.

Überdies hat sich Barth den Spruch, auf den er jedenfalls nicht als erster gekommen ist, als Marke schützen lassen. Er kann jetzt also komfortabel abmahnen – und tut es auch. Einen T-Shirt-Händler hat es bereits getroffen. Der Mann hatte „Nichts-reimt-sich-auf-Uschi“-Shirts im Angebot. Deshalb soll er eine Unterlassungserklärung abgeben und 1.780 Euro Anwaltskosten zahlen.

Kalkofes damaliger Mitstreiter Dietmar Wischmeyer:

Es stört zwar nicht die Eiche, wenn die Sau sich daran reibt. Läßt sich das Schwein allerdings die Rinde urheberrechtlich schützen, geht das doch zu weit.

Bericht in der Nürnberger Zeitung

Nachtrag 1: Rechtliche Bewertung bei Internet-law

Nachtrag 2: Der Anwalt des T-Shirt-Händlers äußert sich zum Thema

Verwandtschaft macht verdächtig

Der genetische Fingerabdruck ist keineswegs so „einzigartig“, wie er mitunter dargestellt wird. Die DNA von Verwandten ähnelt sich nämlich, bei eineiigen Zwillingen ist sie normalerweise sogar gleich. Dieser Umstand hat jetzt zu einem Fahndungserfolg für die Polizei geführt. Obwohl er gar nicht an einem durchgeführten Massengentest teilgenommen hatte, konnte ein 17-Jähriger als Tatverdächtiger einer Vergewaltigung ermittelt werden.

Rund 2.400 Männer zwischen 18 und 40 Jahren hat die Polizei in Dörpen (Landkreis Emsland) testen lassen. Sie wollte damit dem Täter einer Vergewaltigung auf die Spur kommen, berichtet die Welt. Das Opfer hatte das Alter des Täters mit ca. 25 Jahren angegeben. Unter anderem deshalb seien Personen unter 18 Jahren nicht zum Massengentest aufgefordert worden.

Unter jenen, die eine Speichelprobe abgaben, waren offenbar auch zwei erwachsene männliche Verwandte des nun Verdächtigen. Einer Wissenschaftlerin beim Landeskriminalamt, welche die Proben analysierte, sei aufgefallen, dass die DNA dieser beiden Personen auffällig jener ähnelte, die vom mutmaßlichen Täter sichergestellt worden war. Die Polizei recherchierte nach Verwandten dieser beiden Männer. Sie stieß auf den 17-Jährigen, der dann auf richterliche Anordnung eine Speichelprobe abgab. Diese soll dann zu dem Treffer geführt haben.

Der Fall wirft ein Schlaglicht auf einen weitgehend unbeachteten Aspekt von Massengentests und stetig wachsenden DNA-Datenbanken. Die DNA-Probe einer Person hat nicht nur Relevanz für diesen konkreten Menschen, sondern auch für seine Verwandten. Je nach technischem Aufwand lassen sich so wieder neue Ermittlungsansätze und zusätzliche „Raster“ aufmachen. Wenn schon bloße Aufmerksamkeit einer Expertin zu solchen Rückschlüssen führt, lässt sich ausmalen, was für Ergebnisse spezielle Computerprogramme erzielen können.

Der „Anfangsverdacht“ ergibt sich dann aus der bloßen Blutsverwandtschaft mit Menschen, deren Unschuld durch den Test gerade erst erwiesen wurde. Das löst in mir ein, zugegeben diffuses, ungutes Gefühl aus.

Aber auch juristisch dürften die Erkenntnisse auf wackeligen Beinen stehen. Für DNA-Massentests legt die Strafprozessordnung nämlich ausdrücklich fest, dass die Erbgutmuster nur mit den DNA-Mustern des Spurenmaterials abgeglichen werden dürfen, und zwar auch nur zu der Fragestellung, ob das Spurenmaterial von der betreffenden Person stammt. Von einem Vergleich der Testergebnisse untereinander ist im Gesetz (§ 81h Abs. 1 StPO) nicht die Rede. Also ist er auch nicht erlaubt.

Aber auch wer das alles prima findet, sollte vor der freiwilligen Teilnahme an so einem Test zumindest daran denken, dass seine Speichelprobe Folgen für seine ganze Verwandtschaft haben kann.

Und sonst so?

Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller möchte Bundesverfassungsrichter werden. Offenbar stehen seine Chancen gut, im ziemlich undurchsichtigen, längst dem parteipolitischen Proporzdenken anheimgefallenen Auswahlverfahren zum Zuge zu kommen. Immerhin hat Müller schon seinen Rückzug aus der Politik angekündigt. Er dementiert auch nicht, die Stelle ins Auge gefasst zu haben.

Der Job am Bundesverfassungsgericht ist sicher so was wie ein juristischer Olymp. Schon von der Natur der Sache her sollten, ja müssen dort erstklassige Juristen sitzen. Gehört Peter Müller dazu? Die Zeit hat nach die Spuren von Müllers juristischer Karriere gesucht und ist auf nichts gestoßen, was man spektakulär nennen könnte.

Fest steht, Müller war vier Jahre Richter. Erst am Amtsgericht Ottweiler, dann in einer Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken. Vorher war Müller wissenschaftlicher Assistent an der Universität des Saarlandes.

Die Zeit-Recherche nach akademischen Schriften des späteren Ministerpräsidenten brachte nichts zu Tage. Eine Doktorarbeit gibt es von Müller nicht; er hat während seiner Zeit an der Uni nicht promoviert. Auch das eigene Büro des Politikers soll letztlich nur einen 20-seitigen Aufsatz in einer Festschrift aus dem Jahre 1984 präsentiert haben, den Müller geschrieben haben will. Ob das der Fall ist, wird sich nur schwer überprüfen lassen – als Autor ist im Werk selbst laut Zeit nur der Professor genannt, bei dem Müller tätig war.

Und sonst so? Dazu die Zeit:

Durch Zeugen belegt ist schließlich, dass Müller … im Jahr 2006 ein Grußwort zum 25-jährigen Bestehen des Saarbrücker Rechtsforums gehalten hat, in freier Rede, wie sich einer der Anwesenden zu erinnern glaubt, weshalb in der Schriftform nichts Näheres zu diesem Ereignis überliefert ist.

Laut Wikipedia errang Müller im Jahr 1990 ein Landtagsmandat und ist seitdem vom Justizdienst beurlaubt. Für die letzten 20 Jahre finden sich in der Wikipedia auch keine Hinweise auf eine Tätigkeit mit juristischem Bezug. Stattdessen war Müller offenbar in den letzten 20 Jahren Berufspolitiker und CDU-Parteisoldat.

Aber vielleicht ist es ja gerade das, was ihn in den Augen der Entscheidungsträger für das Richteramt qualifiziert.