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WLAN-Haftung: Zwingt das Europarecht deutsche Gerichte zur Umkehr?

Die unzitierte Ehefrau

Abmahnbetrüger klauen Identität eines Anwalts

„Für die im vorliegenden Verfahren anzustellende Prognose, ob der Kläger künftig straffällig werden könnte, kommt es nicht auf die Verwertung abgeurteilter Straftaten an. Maßgeblich ist vielmehr der Umstand, dass in der Vergangenheit gegen den Kläger viele Ermittlungsverfahren geführt worden sind. Ob diese Verfahren zu einer Verurteilung geführt haben, ist bei der vorzunehmenden Einschätzung nicht zu berücksichtigen, denn bereits die bloße Durchführung von Ermittlungsverfahren indiziert die Notwendigkeit der Beschaffung sächlicher Hilfsmittel, die aus der erkennungsdienstlichen Behandlung gewonnen werden.“

GEZ-Kontrolleurin zeigt den Hitlergruß

Medikamentenkoffer

Hinter der Freiwilligkeit wartet der Zwang

Wenn ich einen Passat Kombi hätte und die Polizei von mir eine Speichelprobe erbäte, würde sich die Zahl der unkooperativen Bürger auf zwei erhöhen. Bislang hat lediglich ein Autobesitzer, der im Rahmen der Fahndung nach dem verschwundenen Mirco aufgesucht wurde, die Abgabe einer Speichelprobe für eine DNA-Untersuchung verweigert. Mehrere hundert angesprochene Halter von Passats sollen die Wünsche der Polizei dagegen erfüllt haben, heißt es in Zeitungsberichten. Die Polizei spricht von einer „sensationellen“ Resonanz.

Welcher Druck auf zögernde Passatbesitzer ausgeübt wurde, weiß ich nicht. Nach außen betont die Polizei, jede Speichelprobe sei freiwillig. Wer sie verweigere, mache sich deswegen noch nicht verdächtig. Die Wirklichkeit dürfte anders aussehen. Die Boulevardpresse zeigt schon mal den Weg und fragt, ob der Verweigerer nur ein Querulant ist. Oder ob er was zu verbergen hat…

Das ist die Dynamik hinter solchen Massentests. Die Unschuldsvermutung wird umgedreht – wenn auch zunächst nur ein wenig. Das Instrument zur faktischen Umkehr der Beweislast sind alle, die auf die Freiwiligkeit pfeifen. Natürlich ist der Entschluss jedes einzelnen zu respektieren, auf seine Bürgerrechte zu verzichten. „Ich habe ja nichts zu verbergen“ – dieser banale Spruch wird hier ausgelebt. Vermutlich noch mit dem guten Gefühl, auf der richtigen Seite zu stehen. Andererseits würde die Beweislastumkehr nicht klappen, wenn sich mehr Menschen verweigerten.

Wer es dagegen ernst nimmt mit der Freiwilligkeit und – mit mindestens ebensolchem Recht – keinen Grund sieht, in Verkehrung rechtsstaatlicher Grundsätze seine Unschuld zu beweisen, wird durch die Bereitwilligen isoliert – und damit selbstverständlich verdächtig. Der Verweigerer kann jedenfalls sicher sein, dass er nun fieberhaft durchleuchtet wird und unter Erklärungsdruck gerät. Sollte auch nur ein Fitzelchen Unklarheit bleiben, wird sich auch ein Richter finden, der die DNA-Probe anordnet und eine Durchsuchung gleich dazu.

Über den kreuzbraven Spruch von der Freiwilligkeit wird man dann nur noch lachen können. Er ist ein Lippenbekenntnis, mehr nicht. In Wirklichkeit heiligt der Zweck die Mittel. Völlig unabhängig davon, welches Ergebnis am Ende der Untersuchung steht, sollte das ein gewisses Unbehagen hinterlassen. Und Mut machen, auch mal nein zu sagen.

Von vornherein lustlos

Ich frage mich, wofür manche Kommissare bezahlt werden. In einem Betrugsfall reichte die vage Aussage einer Zeugin, um gleich anzunehmen, dass mein Mandant der Täter ist. Dabei sagte die Zeugin, zusammengefasst, nur:

Wenn Sie mich so fragen, kann das eigentlich nur der Soundso gewesen sein. Das ist der einzige Straftäter bei uns im Dorf.

Das ist natürlich ein Hammerbeweis. Ich habe in einer Verteidigungsschrift zusammengestellt, was man sonst so hätte machen können. Statt sich willkürlich auf eine Person einzuschießen. Das Ganze natürlich im Vertrauen auf die Angabe meines Mandanten, er habe mit der Sache nichts zu tun.

Nachfolgend nur die wichtigsten Punkte:

Es stellt sich die Frage, wieso die Polizei nicht weitere Ermittlungsansätze verfolgt hat. Diese Ermittlungsansätze liegen auf der Hand.

Insbesondere könnte man prüfen, ob und wer unter der fraglichen Handynumer erreichbar ist. Wieso man da nicht einfach mal anruft, kann ich nicht nachvollziehen.

Außerdem ist es nicht zutreffend, dass der E-Mail-Provider keine Auskünfte erteilt. Der auf Blatt 49 angeführte Grund, es handele sich um ein amerikanisches Unternehmen, deshalb sei eine Anfrage von vornherein aussichtslos, scheint doch sehr weit hergeholt. Auch amerikanische Unternehmen geben deutschen Ermittlungsbehörden nach meiner Kenntnis Auskunft. Sie tun dies natürlich nicht, sofern man es nicht versucht.

Im Übrigen ist nicht nachvollziehbar, wieso bei PayPal nicht der weitere Zahlungsweg eruiert wird. Die Gelder sollen laut PayPal für Dienstleistungen in Anspruch genommen worden sein. PayPal könnte mitteilen, an welche Dienstleister das Guthaben weitergeleitet worden ist. Über deren Transaktionsnummer ließe sich dann feststellen, wer gegebenenfalls dort etwas bestellt oder eine Dienstleistung in Anspruch genommen hat. Wieso man hier nicht nachfragt, bleibt das Geheimnis der Polizei.

Überdies ist es nach meiner Kenntnis so, dass PayPal bei einer Kontoeröffnung die Kundenadresse wenigstens auf Plausibilität prüft. Hierzu werden Auskunfteien abgefragt. Sofern es sich um rein fiktive Adressen handelt, wird die Kontoeröffnung abgelehnt. Die Annahme der Polizei, es handele sich ohnehin um eine Scheinadresse, ist deshalb aus der Luft gegriffen. Man hätte zumindest mal gucken können, ob sich der angebliche Verkäufer vielleicht doch an der Adresse aufhält.

Aber ich wette drauf, stattdessen wird schon über eine Hausdurchsuchung bei meinem Mandanten nachgedacht.

Ohne weitere Ankündigung

Die Düsseldorfer ARGE sitzt auf einem hohen Ross.

Mit einem Schreiben wird jetzt ein Widerspruch als „unzulässig“ zurückgewiesen, den ich vorsorglich für eine Mandantin eingelegt hatte. Geradezu genüsslich erklärt mir die Widerspruchsstelle: Das Schreiben, mit dem die ARGE über 1.000 Euro zurückgefordert habe, sei gar kein Verwaltungsakt gewesen. Denn es habe sich um eine versehentliche Überzahlung gehandelt. Eine Überzahlung sei aber ein „zivilrechtlicher Rückzahlungsanspruch“, der nicht nicht per Verwaltungsakt geltend gemacht werden könne. Nur Verwaltungsakte seien mit dem Widerspruch anfechtbar, weshalb ich den falschen Rechtsbehelf eingelegt hätte.

Juristisch ist das korrekt. Bis auf den Umstand, dass es sich keineswegs um eine versehentliche Überzahlung handelte. Ich frage mich nur, wieso die schlaue ARGE dann nach ihrem angeblich rein zivilrechtlichen Schreiben nicht zum Amtsgericht gegangen ist und dort geklagt hat. Vielmehr hat sie das Hauptzolllamt als „Vollstreckungsstelle“ beauftragt. Als Grundlage für seine Tätigkeit nannte das Hauptzollamt seltsamerweise einen „Bescheid vom 14. Januar 2010“. Das ist komischerweise genau der Tag, auf den auch das angeblich rein zivilrechtliche Aufforderungsschreiben datiert.

Natürlich zeigte das Hauptzollamt als Vollstreckungsstelle gleich mal die Waffen. Meiner Mandantin wurde angedroht, eventuelles Gehalt zu pfänden, das Konto einzufrieren und „bewegliche Sachen (z.B. Ihr Kraftfahrzeug)“ wegzunehmen. Und zwar „ohne weitere Ankündigung“.

Das mit der rein zivilrechtlichen Forderung scheint in den unteren Etagen der ARGE nicht bekannt zu sein. Ansonsten müsste man ja fast annehmen, dass hier wider besseres Wissen eine von vorne bis hinten rechtswidrige Drohkulisse aufgebaut wird in der Hoffnung, dass der eingeschüchterte Kunde kuscht und zahlt.

Ich hoffe deshalb, so was ist ein Einzelfall. Immerhin hatte mein unzulässiger „Widerspruch“ einen greifbaren Erfolg. Die darin enthaltene Drohung mit einer einstweiligen Verfügung hatte nämlich den Effekt, dass mir immerhin zugesagt wurde, die Vollstreckung auszusetzen. Aber nicht bis die ARGE sich ein Urteil beim Amtsgericht besorgt hat, sondern „bis zur endgültigen Entscheidung über Ihren Widerspruch“.

Da würde es mich jetzt nicht wundern, wenn sich in den nächsten Tagen das Hauptzollamt wieder meldet…

„EU-Recht, Sie verstehen“

Heute hatte ich mal wieder einen Abmahnanwalt am Telefon. Der wollte mir erzählen, es spiele überhaupt keine Rolle, ob meine Mandantin selbst das Liedgut der von seiner Kanzlei vertretenen Plattenfirma in eine Tauschbörse gestellt hat. „Als Anschlussinhaberin haftet sie so oder so“, sagte der Kollege.

Ich fragte ihn, welchen Teil meiner ausführlichen Stellungnahme er nicht verstanden hat. Wie sich herausstellte, hatte er sie gar nicht gelesen. Er war nur beauftragt, telefonisch nachzuhaken, ob wir nicht doch ein paar Euro zahlen wollen. Man könne sich ja verständigen. Irgendwo. Irgendwie. Irgendwann. Seine Worthülsen klangen so überzeugend wie die einer x-beliebigen Hotline, die Kunden in Serie erklärt, Elektrogeräte seien von der Gewährleistung ausgeschlossen. „EU-Recht, Sie verstehen.“

Wir trennten uns im Unfrieden. Vor allem weil der Anrufer es so gar nicht verstehen wollte, wieso ich meiner Mandantin nicht dazu raten möchte, „wenigstens irgendwas“ zu zahlen. Wobei ihm die fünf Euro, die ich spontan aus eigener Tasche anbot, nur um endlich wieder arbeiten zu können, dann überraschenderweise doch zu wenig waren.

Jedenfalls wird die Arbeit des Kollegen nicht einfacher werden, wenn sich ein Urteil des Amtsgerichts Frankfurt/Main rumspricht. Danach haftet der Anschlussinhaber nämlich auf gar nix, sofern er Mitsurfern gesagt hat, dass sie keine Urheberrechtsverletzungen begehen sollen.

Im entschiedenen Fall stand fest, dass ein Freund des Anschlussinhabers eine Tauschbörse genutzt hatte. Dabei hatte ihm der Anschlussinhaber vorher ausdrücklich erklärt, dass er so was nicht duldet.

Diese Belehrung reichte nach Auffassung des Gerichts aus. Nur wenn der Anschlussinhaber konkrete Anhaltspunkte für einen Missbrauch seines Internetanschlusses habe, müsse er den Nutzer noch stärker bremsen.

Die Entscheidung setzt sich von der Auffassung anderer Gerichte ab, die den Anschlussinhaber immer gleich als „Täter“ oder „Störer“ ansehen und ihm Aufsichts- und Kontrollpflichten für alle Personen aufbürden, die er bei sich online gehen lässt. Allerdings wird auch in diesen Urteilen meist kaum was dazu gesagt, wie so eine Kontrolle möglich sein soll, ohne zu Hause gleich den Überwachungsstaat auszurufen.

Ein nettes Urteil, das sofort den Weg in meine Musterantwort gefunden hat. So wird es dann auch der Abmahnkollege bald lesen können. Vorausgesetzt, er wird den Telefonjob los und darf eines Tages auch mal Akten bearbeiten.

AG Frankfurt a.M., Urt. vom 25.03.2010 – 30 C 2598/08-25

Schwarzfahrer, die keine sind

Schwarzfahrer, die in Wirklichkeit keine sind, scheint es öfter zu geben. Ich habe ja schon mehrfach davon berichtet, dass etwa die Rheinbahn in Düsseldorf Besitzer von nicht übertragbaren, aber vergessenen Zeitfahrausweisen wegen Schwarzfahrens anzeigt, obwohl ein ein Blick in die Kundenkartei den Vorwurf entkräften würde.

Mit einem ähnlichen Fall hatte jetzt das Amtsgericht Nürtingen zu tun. Ein Fahrgast hatte zwar den bezahlten Fahrausweis bei sich. Aber die „Bonuscard“, mit der er die Fahrkarte zu einem günstigen Tarif verwerben konnte, konnte er bei der Kontrolle nicht vorzeigen. Diese Bonuscard hätte er aber ebenfalls präsentieren müssen – so jedenfalls die Geschäftsbedingungen des Verkehrsbetriebs.

Das Amtsgericht stufte den Mann nicht als Schwarzfahrer ein:

Der Umstand, dass der Angeklagte unter Verstoß gegen die AGB der S AG und damit vertragswidrig den Berechtigungsnachweis (Bonuscard) nicht mit sich führte, ändert nichts an dem Umstand, dass der Angeklagte die Fahrt tatsächlich bezahlt hatte.

Das ist korrekt. Es spielt für den Straftatbestand nun mal keine Rolle, ob der Fahrgast einen Fahrausweis bei sich hat oder nicht. So lange er nämlich die Fahrt bezahlt hat, kann er gar keinen Vorsatz haben, „das Entgelt nicht zu entrichten“. Denn er hat ja bereits bezahlt.

Wer eine nicht übertragbare Fahrkarte hat, darf diese also auch mal vergessen. Er wird auch nicht dadurch zum Schwarzfahrer, weil er die Karte nicht nachträglich vorzeigt und eine Bearbeitungsgebühr entrichtet. Hierzu ist er gegenüber dem Verkehrsunternehmen vielleicht vertraglich verpflichtet. Aber die Beförderungsbedingungen können das Strafgesetz eben nicht zu Lasten des Beschuldigten zurechtbiegen.

So sieht es im Ergebnis auch das Amtsgericht Nürtingen. Zu den Vertragsklauseln und den Strafanzeigen des Verkehrsbetriebs heißt es im Urteil:

Sollte die Anzeige der S AG nur als Sanktion gegen den Angeklagten wegen der Nichtzahlung der Bearbeitungsgebühr – eines ausschließlich zivilrechtlichen Vorgangs – erstattet worden sein, kann das jedenfalls nicht akzeptiert werden.

AG Nürtingen, Urteil vom 25.10.2010, 13 Ds 86 Js 67074/10

Flattr im Oktober

Der Flattr-Button im law blog wird nach wie vor anstellig genutzt. Im Oktober kamen über den Mikro-Bezahldienst Flattr 321,21 Euro zusammen.

Leider hatte ich letzten Monat vergessen, das Ergebnis für September zu erwähnen. Das hole ich bei dieser Gelegenheit nach. Im September kamen 275,38 Euro über Flattr rein.

Nach einigen Monaten ist mir klar, welche Beiträge am meisten geflattrt werden. Einen kleinen Aufschluss geben auch die Flattr-Charts für Oktober bei Carta.

Ich mache mir allerdings hierzu keine weiteren Gedanken. Denn ich will auch künftig nicht auf irgendeinen Quote schielen. Sondern (möglichst) weiter über das schreiben, was mich am Tagesgeschehen beschäftigt oder mir bei der Arbeit über den Weg kommt. Unabhängig von der Frage, ob der Eintrag möglichst viele Flattr erwarten lässt. Was allerdings auch nicht heißt, dass mich das hohe Ranking des law blog in den Flattr-Übersichten nicht freut.

Deshalb vielen Dank an alle, die bei Flattr mitmachen und dabei auch an dieses Blog denken.

Alle bisherigen Monatsergebnisse:

Oktober 2010 321,21
September 2010 275,38 Euro
August 2010 346,66 Euro
Juli 2010 265,78 Euro
Juni 2010 247,68 Euro
Mai 2010 33,03 Euro

Nach dem Klick die Flattr-Ergebnisse für alle Beiträge im September und Oktober 2010. Weiterlesen

Fax ist Fax – selbst bei der Justiz

Zentralfax, Sachgebietsfax, Geschäftsstellenfax, Verwaltungsabteilungsfax, Arbeitsplatzfax: So manche Justizbehörde sendet zwar von den unterschiedlichsten Faxanschlüssen, will die Antworten aber gerne kanalisieren. So heißt es dann auf den Briefbögen und Internetseiten, fristwahrende Sendungen seien nur an bestimmte Faxnummern zulässig.

Dieser Praxis erteilt das Oberlandesgericht Düsseldorf eine Absage. Weil das Zentralfax des Gerichts nicht funktionierte, hatte ein Anwalt, der eine Frist wahren musste, seinen Schriftsatz nachts auf das Fax der Pressestelle geschickt. Auch wenn es sich um einen Anschluss der „Verwaltung“ handelte, sehen die Richter keinen Grund für Sonderregeln und stellten fest, das Fax war pünktlich. Aus der Begründung:

Die Verwaltung des Oberlandesgerichts unterhält mehrere Empfangsgeräte für Fernkopien in ihrer Verantwortung. Die Geräte sind regelmäßig nicht einzelnen Spruchkörpern zugeordnet, naturgemäß gerade auch das zentrale Empfangsgerät nicht. Was dort auf einem der Geräte eingeht, ist in die Verantwortung der Verwaltung des Oberlandesgerichts gelangt.

Die Eingänge auf den Geräten werden, wenn sie die Rechtsprechung betreffen, nicht anders als Eingänge auf sonstigem Wege, erst von der Verwaltung an die den Spruchkörpern zugeordneten Geschäftsstellen geleitet. Auf diese Verteilung kommt es für die Wahrung einer Frist niemals an.

Bei dieser Sachlage wäre es nicht sachgerecht, aus der Zuordnung eines bestimmten Geräts zu einer bestimmten Verwaltungsaufgabe, hier der des Pressesprechers, die Konsequenz zu ziehen, Eingänge dort als von der allgemeinen Verteilung innerhalb des Gerichts ausgeschlossen zu betrachten und Eingänge, die die Rechtsprechungstätigkeit der Spruchkörper betreffen, wie „Irrläufer“ zwischen verschiedenen Behörden zu behandeln.

Das entspricht einem guten alten Grundsatz über den Zugang von Erklärungen, so wie er Jurastudenten in jeder Anfängervorlesung Bürgerliches Recht beigebracht wird. Danach muss die interne Organisation des Empfängers nicht Sorge des Absenders sein. Kommt die Nachricht rechtzeitig auf einem nach außen kommunizierten Empfangskanal an, ist damit die Frist gewahrt. Es ist Sache des Empfängers, die Nachricht an den richtigen internen Adressaten weiter zu leiten.

Warum sich ausgerechnet die Justiz nicht daran halten sollte, wäre wohl auch eher schwer zu vermitteln.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Juli 2010 I-20 U 206/09

Alles strafschärfend

Ich habe mal einen Mann verteidigt, der wegen Raubes angeklagt war. Er hatte sich auf eine private Verkaufsanzeige gemeldet und so getan, als würde er sich für die angebotene Rolex interessieren. Das tat er auf gewissen Weise auch, nur kaufen wollte er die Uhr halt nicht.

Der Raub, bei dem er auch Pfefferspray einsetzte, brachte ihm fünf Jahre Gefängnis. Zu dem eher harten Urteil kam das Landgericht unter anderem mit der Begründung, der Angeklagte habe sogar an einer Tankstelle gehalten, um sich einen Stadtplan zu kaufen. Er kannte sich nämlich am Wohnort des Opfers nicht aus. Den Kauf des Stadtplans wertete das Gericht strafschärfend.

An diesen Fall musste ich denken, als ich heute eine neue Entscheidung des Bundesgerichtshofs las. Ein junger Mann hatte einen Taxifahrer überfallen. Das Landgericht sah es als besonders verwerflich an, dass seine eigene Mutter auch Taxifahrerin ist.

Hierzu merkt der Bundesgerichtshof an:

Die Jugendkammer hat bei der Bemessung der verhängten Freiheitsstrafe … zum Nachteil des Angeklagten gewertet, dass „seine eigene Mutter Taxifahrerin ist und die Tat insoweit als besonders verwerflich erscheint“. Diese Erwägung ist rechtsfehlerhaft, weil sich aus dem Umstand, dass die Mutter des Angeklagten den gleichen Beruf ausübt wie das Tatopfer, keine gesteigerten Pflichten des Angeklagten für das verletzte Rechtsgut ergeben. Die berufliche Stellung der Mutter wirkt sich daher auf das Maß der der Tat des Angeklagten innewohnenden Pflichtwidrigkeit nicht aus.

So ähnlich lautete auch die Argumentation in meinem Fall. Die Richter konnten nicht erkennen, wieso jemand härter bestraft werden muss, bloß weil er den Weg zum Tatort nicht kennt und deswegen einen Stadtplan kauft.

Am Ende kamen für meinen Mandanten bei einem anderen Gericht anderthalb Jahre weniger raus. Was die Sache allerdings für mich interessant macht, ist die offenbar gering ausgeprägte Lernfähigkeit mancher Richter. Beide Urteile hat nämlich dieselbe Strafkammer gesprochen.

(BGH, Beschluss des 4. Strafsenats vom 28.9.2010 – 4 StR 371/10)

Die Hanftruppe

Das Hanfblatt, vornehmlich in sattem Grün gepinselt, ist ein weltweites Erkennungszeichen für Freunde speziellen Rauchgenusses. „Gebt das Hanf frei“ – Aufkleber werden im Stadtbild mit Priorität entfernt. Und wer ein Jutetäschchen oder einem Button mit dem Pflanzenlogo trägt, dürfte sich zumindest im öffentlichen Personenverkehr bevorzugter Kontrollen sicher sein.

Nun taucht der Hanf an ungewohnter Stelle auf: Niedersächsische Polizisten trugen bei einer großangelegten Verkehrskontrolle Anfang der Woche an ihren Uniformen Abzeichen, auf denen sich ein großes, sehr gesund aussehendes Hanfblatt ans deutlich kleiner geratene Landeswappen schmiegt.

Doch Niedersachsen gibt den Stoff nicht frei. Die Polizisten seien keine Fans, sondern Fahnder, berichtet der NDR. Das neue Abzeichen hebe nur hervor, dass sein Träger in Drogendingen besonders geschult ist – auf streng kriminalistischer Basis sicherlich.

Das Innenmnisterium weiß laut NDR allerdings von nichts. Dort kenne man nur die Bekleidungsordnung. Diese nenne als Abzeichen erst mal nur das Landeswappen. Bei der Stelle, die sich das Hanfblatt als sinnstiftend für Polizeibeamte ausgedacht hat, verweist man dagegen auf andere Grüppchen innerhalb der Behörde. Auch Taucher, Hundeführer und Sprengstoffexperten hätten ihre Abzeichen. Warum also nicht auch die „Spezialbeamten“ von der „Drogenerkennung“?

Bleibt abzuwarten, ob auch die rustikaleren Demo- und Fußball-Trupps bei der Polizei darauf drängen, dass ihre besonderen Fähigkeiten angemessen nach außen kommuniziert werden. Wasserwerfer-Silhouette, Schlagstock, Totenkopf oder vielleicht sogar ein heraushängender Augapfel wären dort sicher erste Wahl.

Reiseveranstalter haften für Rail & Fly

Wer bei einer Pauschalreise Rail & Fly bucht, kann den Reiseveranstalter für Zugverspätungen haftbar machen. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden. Nach Auffassung der Richter haftet der Veranstalter sogar dann, wenn der Kunde sich den Zug selbst aussuchen kann.

Die Klägerin hatte eine All-Inclusive-Flugpauschalreise von Düsseldorf nach Samaná in der Dominikanischen Republik gebucht. Der Hinflug sollte am 19.06.2007 um 11.15 Uhr starten. Für die Anreise zum Flughafen nahm die Klägerin das „MEIER`S WELTREISEN Rail & Fly Ticket“ in Anspruch. Zu diesem Ticket hieß es in den Reiseinformationen:

Kein Stress und kein Stau mit dem ‚MEIER“S WELTREISEN Rail & Fly Ticket“. Bei jeder Flugbuchung aus diesem Katalog ist das ‚MEIER“S WELTREISEN Rail & Fly Ticket“ 2. Klasse der Deutschen Bahn AG zum Flughafen bereits im Preis enthalten! … Bitte wählen Sie Ihre Verbindung möglichst so, dass Sie den Abflughafen spätestens zwei Stunden vor Abflug erreichen…

Die Klägerin nahm einen Zug, der planmäßig um 9:08 Uhr am Flughafen Düsseldorf ankommen sollte. Tatsächlich erreichte sie den Flughafen wegen Zugverspätung erst um 11.45 Uhr und verpasste den Hinflug. Sie konnte erst am nächsten Tag fliegen, und auch nur von München aus.

Nach Auffassung der Karlsruher Richter erweckt das Rail & Fly – Angebot den Eindruck, der Bahntransfer sei eine eigene Leistung des Veranstalters. Die Bezeichnung des Tickets, die Bewerbung als „bequemen Anreiseservice von MEIER`S WELTREISEN“ und den Umstand, dass der Transfer im Reisepreis enthalten ist, seien Indizien für eine Eigenleistung gewertet.

Dass die Auswahl der Bahnverbindung zum Flughafen dem Reisenden überlassen ist, führe jedenfalls dann nicht zu einer anderen Beurteilung, wenn der Reiseveranstalter – wie hier – den Transfer ausdrücklich als eigene Leistung bewirbt, die Vorzüge gegenüber anderen Anreisemöglichkeiten hervorhebt und detaillierte Hinweise zur Auswahl der Bahnverbindung gibt.

Die Klägerin habe ihre Anreise mit dem Zug gemäß den Vorgaben der Beklagten auch hinreichend sorgfältig geplant. Deshalb könne sie Ersatz ihrer Mehrkosten verlangen.

(Bundesgerichtshof, Urteil vom 28. Oktober 2010 – Xa ZR 46/10)

Richter punktemäßig auf der Zielgeraden

Es wird die ganz normale Furcht jedes Autofahrers sein, die Fahrerlaubnis zu verlieren. Deswegen geht Lutz B. immer wieder gegen Knöllchen und Bußgeldbescheide vor. Immer, wenn er mal wieder als Verkehrssünder ertappt worden sein soll, wehrt sich der 62-Jährige vor den Gerichten. Und er ist bereits des öfteren aufgefallen. Mit zu schnellen Fahrten, aber auch mit zu geringem Sicherheitsabstand.

Lutz B. weiß aber, wie man sich juristische durchkämpfen kann. Denn er ist Präsident eines Strafsenats beim Oberlandesgericht Düsseldorf. Und hat sich in dieser Eigenschaft schon einen unrühmlichen Namen gemacht. Er hatte, wie berichtet, einen Autofahrer vom Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung per Beschluss rechtskräftig
befreit – und darin eine Begründung eingebaut, die ihm selbst helfen kann.

Jetzt werden neue Vorwürfe gegen den Vorsitzenden Richter bekannt. Jüngst kam er noch beim Amtsgericht Düsseldorf davon. Weil der zügige Fahrer am Steuer seines Autos auf dem Beweisfoto nicht klar erkennbar war, wurde das Verfahren eingestellt. Das an die Scheibe geklebte Navigationsgerät soll die Sicht auf den Fahrer versperrt haben.

Ob Lutz B. am Amtsgericht Erkelenz demnächst wieder so erfolgreich ist, wird sich zeigen. Der Richter soll auf der Landstraße bei Wegberg mit 87 km/h geblitzt worden sein; erlaubt waren 70 km/h. Dafür soll der Jurist an sich nur eine Verwarnung von 30 Euro zahlen, will das aber nicht. Sein Argument: Das Schild war angeblich verdreht, deshalb gebe es Zweifel an der „rechtswirksam angeordneten Geschwindigkeitsbegrenzung“.

Am selben Tatort wurde das Auto an einem anderen Tag mit einer Geschwindigkeit von 112 km/h gemessen, 42 km/h zu schnell. Für diesen Verstoß soll Lutz B. 208 Euro zahlen und mit einem Fahrverbot von einem Monat belegt werden. Auch dagegen hat er Einspruch erhoben. Bislang ohne Begründung.

Eine Grund für die konsequente Gegenwehr könnte der Kontostand des Richters in Flensburg sein. 14 Punkte sollen sich dort bereits angesammelt haben. Die letzten zwei hatte sich B. vor einiger Zeit in Kempen eingehandelt, weil er zu dicht aufgefahren war.

Bei 18 Punkten wird die Fahrerlaubnis entzogen. Seine Zuständigkeit für Bußgeldsachen im Straßenverkehr, die beim Oberlandesgericht Düsseldorf in letzter Instanz entschieden werden, hat Lutz B. bereits verloren. So hatte es das Präsidium entschieden. Nicht weil B. in eigener Sache vor Gerichten streitet, sondern weil der Senatsvorsitzende in den Geruch gekommen war, eigene Interessen in seine Entscheidungen einfließen zu lassen.

So hatte B. einen Bürger wegen eines Tempoverstoßes freigesprochen und quasi nebenbei so argumentiert, dass es ihm auch in seinen eigenen Verfahren nützen könnte. Der Richter erklärte nämlich die Blitzerfotos für unrechtmäßig, weil für ihre Anfertigung keine Rechtsgrundlage bestehe. Hätte dieses Urteil Bestand gehabt, wäre es für die Amtsgerichte im Bezirk des Oberlandesgerichts Düsseldorf eine Leitentscheidung gewesen. Zum Zeitpunkt des Beschlusses gab es gegen Lutz B. selbst Verfahren, in denen diese Rechtsfrage eine Rolle spielten. Inzwischen hat ein anderer Senat des Oberlandesgerichts Düsseldorf entschieden, dass Radarfotos sehr wohl verwendet werden dürfen.

Für Lutz B. bleibt es also spannend, wenn er sich demnächst wieder vor Gericht verantworten muss.