Am Mann ermittelt

In einer Bußgeldsache habe ich geschrieben:

Nach Akteneinsicht werde ich entscheiden, ob ich für meinen Mandanten zum Vorwurf Stellung nehme. Bis dahin macht Herr J. von seinem Recht Gebrauch, sich nicht zur Sache zu äußern.

Was macht der Polizeibeamte? Ruft nach Erhalt meines Schreibens Herrn J. an und möchte sich mit ihm über die Sache „unterhalten“. Herr J. hat ihn gleich an mich verwiesen. Mit mir wollte er sich aber nicht „unterhalten“. Jedenfalls bislang nicht.

Mastercard zu Mikado: Lesen Sie Zeitung

Reiner K. hat seine Kreditkarte gekündigt. Grund war die Durchsuchung seines Kontos im Rahmen der Operation Mikado. Mit der Kündigung bat er die Firma Mastercard um eine Stellungnahme.

Die Antwort:

Sehr geehrter Herr K.,

im konkreten Fall „Mikado“ ist das Unternehmen MasterCard nicht in die Maßnahmen zur Strafverfolgung involviert gewesen. Hier arbeitete das Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt und die Staatsanwaltschaft Halle mit den kartenausgebenden Banken und deren für die Abwicklung dieser Transaktionen zuständigen Dienstleistern zusammen.

Daher bitten wir Sie, sich direkt mit Ihrer kartenausgebenden Bank in Verbindung zu setzen.

MasterCard Europe vergibt Lizenzen an die Kreditinstitute zur Ausgabe von MasterCard Karten. Der Karteninhaberservice, also die Antragserfassung, Datenpflege, Transaktionsverbuchung, Abrechnungserstellung und Versand, Reklamationsbearbeitung, etc. erfolgt nicht über MasterCard, sondern direkt über die kartenausgebenden Institute oder deren Dienstleister, sogenannte Prozessoren. Wir haben keinen Zugriff auf Karteninhaberdaten und können somit keine Kartenkündigung durchführen. Diesbezüglich bitten wir Sie ebenfalls, sich mit Ihrer kartenausgebenden Bank, bzw. Ihrem Karteninhaberservice (die Rufnummer ist meist auf der Abrechnung vermerkt) in Verbindung zu setzen.

Bezüglich Ihrer Bedenken in Hinblick auf Datenschutz möchten wir Sie dennoch darüber informieren, dass diverse Tageszeitungen dieses Thema aufgegriffen haben.

So ist beispielsweise einem Beitrag, der am 10.01.2007 in der Frankfurter Rundschau veröffentlicht wurde folgendes zu entnehmen:

„Bei strafrechtlichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft endet dagegen die Verschwiegenheitspflicht. Mehr noch: Es gibt kein Recht auf Aussageverweigerung. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kreditinstitute heißt es dazu in Paragraf 2, dass Informationen nur weitergegeben werden dürfen, wenn „allgemeine gesetzliche Bestimmungen“ dazu verpflichten.

Solche finden sich in der Strafprozessordnung. Dort heißt es in Paragraf 161 a, dass Zeugen und Sachverständige dazu verpflichtet sind, vor der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und zur Sache auszusagen. Die Aussage muss der Wahrheit entsprechen. Nur wer ein Zeugnisverweigerungsrecht hat (wie Ärzte, Geistliche oder nahe Verwandte) darf schweigen. Bankangestellte zählen nicht dazu.”

Den vollständigen Beitrag übersenden wir Ihnen zu Ihrer Information anbei als Anhang.

Bei weiteren Fragen zu dem vorliegenden Fall wenden Sie sich bitte an Ihr kartenausgebendes Kreditinstitut.

Mit freundlichen Grüßen
MasterCard Worldwide
– Name der Mitarbeiterin –
Representative Office Germany


Beigefügter Artikel

Bankmitarbeiter können natürlich Zeugen sein. Zeugen berichten über eigene Kenntnisse oder Wahrnehmungen, die sie bereits haben oder einfach erlangen können. Die Verpflichtung nach § 161 StPO geht aber nicht so weit, auf – wie auch immer formulierte – „Bitte“ der Ermittlungsbehörden den jeweiligen gesamten Kreditkartenbestand zu screenen und anschließend hierüber Auskunft zu geben.

Zum Bundesdatenschutzgesetz kein Wort.

Vielleicht hätte man doch mal die Rechtsabteilung fragen sollen, statt nur Zeitung zu lesen.

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Mikado: Gefahr strafrechtlicher Verfolgung;

Telepolis: Fragen zu Mikado

Mikado: Strafanzeige gegen Verantwortliche und SAT 1

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Kinderpornografie: ein Blick ins Gesetz

Mikado: Stäbchen für Stäbchen

Vorfeldermittlungen

Mikado

Ohne Konto

Im Posteingang drei Reaktionen auf Pfändungen. Alle von Banken. Keine steht mit den Schuldnern (mehr) in Geschäftsverbindung.

Das ist eine eher schlechte Trefferquote. Wenn sogar schon die Bank die Geschäftsverbindung gekündigt hat, sieht es für den Gläubiger überdies mau aus.

Telepolis: Fragen zu Mikado

Telepolis hat mich näher zur Operation Mikado befragt. Das Interview.

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VW-Affäre: Vorwürfe gegen Staatsanwälte

Der frühere VW-Betriebsratsvorsitzende Klaus Volkert erhebt Vorwürfe gegen die Braunschweiger Staatsanwaltschaft. Diese soll den Angeklagten Peter Hartz unter Druck setzen, damit dieser ein umfassendes Geständnis ablegt und so einen langen Prozess vermeidet. Mittelbar soll es darum gehen, Peter Hartz nicht von Volkerts Verteidiger befragen lassen zu müssen. Dies könnte, so wird gemutmaßt, manche Bombe platzen lassen.

Volkerts Anwalt schießt jetzt massiv gegen die zuständigen Staatsanwälte. Eine Strafverfolgerin soll sich in der Zeit ungeschickt geäußert haben. Hierauf gestützt, verlangt der Anwalt die Ablösung der Ermittler.

Die – zugegeben – etwas verwirrende Geschichte erzählt im Detail die Süddeutsche Zeitung.

Mikado: Strafanzeige gegen Verantwortliche und SAT 1

Mit einem Nebenaspekt der Operation Mikado befasst sich eine Strafanzeige gegen den zuständigen Oberstaatsanwalt, Polizeibeamte sowie gegen Mitarbeiter des Fernsehsenders SAT 1.

Lutz und Sylvia Baier werfen Mitarbeitern des Fernsehsenders vor, von der fraglichen Seite illegales Material heruntergeladen, gespeichert, ausgedruckt und somit besessen zu haben. Dies sei nicht zulässig. Die Mitarbeiter des Fernsehsenders hätten die Ermittlungsbehörden lediglich auf die Existenz der Seite hinweisen dürfen.

Einem Kriminalbeamten werfen die Anzeigenerstatter vor, er habe dem Fernsehteam von SAT 1 bei Durchsuchungen erlaubt, gefundenes kinderpornografisches Material zu filmen. Dieses Material sei in der Fernsehsendung über den Fall zwar verpixelt gewesen. Das ändere aber nichts daran, dass die Mitarbeiter des Senders nach wie vor Besitz an dem Material hätten, ihn aber jedenfalls für einen gewissen Zeitraum hatten.

Dem zuständigen Oberstaatsanwalt werfen die Anzeigenerstatter vor, er habe über einen längeren Zeitraum gewusst, dass SAT 1 im Besitz dieses Materials ist und dass dieses – auch zur Vorbereitung der Sendung – dort „verbreitet“ würde.

Von so einer Anzeige kann man natürlich halten, was man will. Richtig ist der Ausgangspunkt, dass der Besitz kinderpornografischer Schriften nicht durch edle Motive – so vorhanden – gerechtfertigt wird.

Sollte das Verhalten des Kriminalbeamten korrekt geschildert sein, erscheint mir das wirklich problematisch. Häufig ist es so, dass zum Beispiel nicht einmal Verteidiger in solchen Fällen Kopien der Bilder oder Filme anfertigen dürfen. Sie müssen sich die Beweismittel bei der Polizei ansehen.

Ansonsten möchte ich es mit der Dokumentation dieser Anzeige sein Bewenden haben lassen. Mir geht es um die Klärung der in diesem Antrag aufgeworfenen Fragen.

Die Strafanzeige im Wortlaut.

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Mikado

Empfehlung

Wieder so ein Fall, in dem die Unschuld meines Mandanten beweisbar sein dürfte. Uuups, ich meine natürlich: … in dem die Tat nicht nachzuweisen sein wird. Die Staatsanwaltschaft bietet an, das Verfahren einzustellen. Mein Auftraggeber soll 300 Euro an eine Blindenhörbücherei zahlen.

Schon der erste Prozesstag wäre teurer. Und ein Prozessrisiko besteht ja immer. Meine Empfehlung ist vor diesem Hintergrund klar.

Mehr Sozialismus wagen

Friedrich Merz findet in der Wirtschaftswoche passende Worte zur angeblichen Gesundheitsreform. Der Gesundheitsfonds sei nichts anderes als die Verstaatlichung der Krankenkassen:

Wenn die große Koalition ihre geplante Gesundheitsreform durchsetzt, ist die staatliche Einheitskasse für alle nicht mehr weit. Und einen Weg zurück wird es nicht mehr geben, denn ein solches bürokratisches Monstrum wird sich auf Dauer selbst am Leben erhalten.

Diese Entwicklung passt in das Grundschema der deutschen Sozialpolitik der vergangenen 50 Jahre. Anders als die Festreden auf den deutschen Sozialstaat darzustellen versuchen, sind die sozialpolitischen Grundentscheidungen seit der Rentenreform des Jahres 1956 allesamt zulasten der nachfolgenden Generationen konzipiert worden; und mit jeder weiteren Reform ist die Umverteilung innerhalb der Systeme noch einmal systemübergreifend ein Stück weiter ausgebaut worden.

Urteilskollektion à la Schmidtlein

Auf der Homepage des Inkassoanwalts Olaf Tank finden sich jetzt einige Urteile sowie Einstellungsbescheide der Staatsanwaltschaft. Es geht um Forderungen seiner Mandanten, der Internet-Aboverkäufer Schmidtlein.

Hierzu einige Anmerkungen:

1. Amtsgericht Celle, Az.: 11 C 2212/06 (18b)

Die Beklagte hat hier offensichtlich einen Ratenzahlungsvergleich mit der Schmidtlein GbR abgeschlossen. Das heißt, sie hat sich von den außergerichtlichen Mahnungen beeindrucken lassen. Wahrscheinlich hat sie mitgeteilt, dass sie nicht alles auf einmal zahlen kann. Dann dürfte sie den Ratenzahlungsvergleich unterschrieben haben.

Diese Vergleiche enthalten in der Regel die Klausel, dass der Schuldner mit seiner Unterschrift die Forderung anerkennt. Und wenn nicht, kann schon die Bereitschaft zu Teilzahlungen als Anerkenntnis ausgelegt werden.

Das Anerkenntnis nagelt die Beklagte fest. Das Gericht musste sich deshalb nicht eingehend mit der Frage beschäftigen, ob tatsächlich ein Vertrag zustande gekommen ist, ob dieser möglicherweise anfgefochten wurde etc.

Das ergibt sich schon aus der Formulierung “unstreitig”. Die Beklagte hat offensichtlich überhaupt nicht die sachlichen Argumente vorgebracht, die gegen einen Vertragsschluss sprechen.

2. Amtsgericht Lünen, Az.: 7 C 725/06

Es handelt sich um ein Anerkenntnisurteil. Der Beklagte hat die Forderung akzeptiert. Im Falle eines Anerkenntnisses prüft das Gericht nicht, ob die geltend gemachte Forderung gerechtfertigt ist.

3. Amtsgericht Oldenburg Az.: E8 C 8499/06 (XIII)

Ebenfalls ein Anerkenntnisurteil. Das Gericht prüft in diesem Fall nicht, ob die Forderung berechtigt ist.

4. Vollstreckungsbescheide

Vollstreckungsbescheide ergehen gegen Antragsgegner, die sich nicht gegen die Forderung wehren. Das Mahngericht prüft nicht, ob die Forderung begründet ist.

Interessanterweise ist als Forderungsgrund stets „Schuldanerkenntnis“ abgegeben. Es dürfte sich also um Fälle handeln, in denen Betroffene während der außergerichtlichen Korrespondenz die Forderung schriftlich akzeptiert haben, zum Beispiel im Rahmen einer Ratenzahlungsvereinbarung. Es handelte sich also stets um Angelegenheiten, in denen sich die Schmidtlein GbR nicht nur auf den angeblichen Vertragsschluss im Internet berufen konnte. Sondern auch auf ein Anerkenntnis ihrer „Kunden“.

5. Briefe der Staatsanwaltschaften

Aus dem Schreiben der Staatsanwaltschaft Ellwangen ist nicht ersichtlich, worum es geht.

Die Staatsanwaltschaft Osnabrück beschäftigte sich wohl mit der Frage, wann eine Anmeldung erfolgte. Also ein Einzelfall, der mit den maßgeblichen Fragen nichts zu tun hat.

Im Fall Passau hatte sich die Anzeigenerstatterin offensichtlich darüber beschwert, sie habe keine Rechnung erhalten, sondern direkt eine Mahnung des Rechtsanwaltes. Das erfüllt auch nicht den Betrugstatbestand.

Die Kriminalpolizei soll im Übrigen festgestellt haben, dass die Seite gedichte-heute.com zivilrechtlich in Ordnung ist. Die rechtliche Bewertung ist an sich immer Sache des Staatsanwaltes. Dieser Staatsanwalt verlässt sich auf die Wertung eines Kriminalpolizisten, der aller Wahrscheinlichkeit noch nicht mal Jurist ist. Der Polizist wiederum orientiert sich an nicht näher dargelegten Maßstäben einer Verbraucherzentrale.

6. Bewertung

Weder die veröffentlichten Urteile noch die Vollstreckungsbescheide lassen einen Rückschluss darauf zu, dass Gerichte die Forderungen der Schmidtlein GbR akzeptieren.

Sollten die Vollstreckungsbescheide stellvertretend für die erfolgreichen Mahnverfahren der Schmidtlein GbR stehen oder mit diesen sogar identisch sein, lässt sich folgender Schluss für Internetabos ziehen: Ein Mahnverfahren wird nur dann angestrengt, wenn die Schmidtlein GbR ihre Forderung auf ein gesondertes Anerkenntnis stützen kann.

Die Einstellungsmitteilungen bringen keine abschließende Klarheit. Lediglich die Staatsanwaltschaft Passau beschäftigt sich ansatzweise mit dem Thema. Die Arbeit der Behörde in diesem Fall ist jedoch oberflächlich.

Ist dies alles, was die Schmidtlein GbR an juristischen Ergebnissen aufzuweisen hat? Falls ja, dürfen sich eher Kritiker dieser Geschäftsmethode bestätigt sehen. Fest stünde dann jedenfalls, dass nach wie vor kein Gericht den Herren nach nach streitigem Vortrag in der Sache und entsprechener Verhandlung Recht gegeben hat.

Früherer Bericht zum Thema

Weiterer Antrag gegen Mikado

Der Hamburger Rechtsanwalt Markus Böhmer hat für einen Mandanten ebenfalls Rechtsmittel gegen die Aktion Mikado eingelegt.

Seine Antragsschrift ist hier nachzulesen.

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Kinderpornografie: ein Blick ins Gesetz

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Mikado

Kinderpornografie – ein Blick ins Gesetz

Der für die Aktion Mikado verantwortliche Staatsanwalt hat gestern im Fernsehen etwas Kluges gesagt. Auf die Frage, was die jetzt ermittelten möglichen Straftäter zu erwarten haben, erklärte er zusammengefasst: Wer die Inhalte nur konsumiere und sie nicht weiter verbreite, müsse mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren rechnen. Das sei das Gleiche wie bei Sachbeschädigung.

Dabei ist zu bemerken, dass die Höchststrafe für den Besitz von Kinderpornografie kürzlich verdoppelt wurde, von einem auf zwei Jahre. Trotzdem liegt sie vom Unwertgehalt nach dem Willen des Gesetzgebers im Bereich, den der Staatsanwalt dankenswerterweise offen angesprochen hat. Es ist also keineswegs so, dass unser geltendes Recht die Konsumenten von Kinderpornografie auf die Stufe von Schwerverbrechern stellt.

Das sollte man, bei aller Abscheu über das Phänomen, jedenfalls zur Kenntnis nehmen. Möglicherweise klafft hier eine Lücke zwischen dem Strafbedürfnis der interessierten Öffentlichkeit und der Rechtslage. Aber zunächst zählt die Rechtslage. Ob sie einem gefällt oder nicht.

Die bloße Tatsache, (zahlender) Kunde eines Kinderpornoanbieters zu sein, führt übrigens noch nicht notwendig zur Strafbarkeit. Das liegt am Gesetz selbst. § 184 b Abs. 4 Strafgesetzbuch stellt nicht jeden Kontakt mit Kinderpornografie unter Strafe. Dort heißt es:

Wer es unternimmt, sich den Besitz von kinderpornographischen Schriften zu verschaffen, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Ebenso wird bestraft, wer die in Satz 1 bezeichneten Schriften besitzt.

Strafbar macht sich demnach nur, wer sich Besitz verschafft oder sich zumindest verschaffen will. Besitz ist aber nicht das bloße Aufrufen bzw. Betrachten einer derartigen Seite im Internet. Das erläutert der juristische Standardkommentar Schönke/Schröder so:

Das bloße Betrachten einer Schrift ist damit nicht tatbestandsmäßig. Bei Computerdateien ist dieses auf eine gewisse Dauer gerichtete Herrschaftsverhältnis nicht schon mit der Darstellung auf dem Bildschirm und dem Gelangen der Dateien in den Arbeitsspeicher des Rechners begründet, sondern erst mit dem dauerhaften Abspeichern auf einem Datenträger wie zB Festplatte, Memory-Stick, CD-R, DVD, Diskette.

Die zeitweise Speicherung der Daten im Arbeitsspeicher des Rechners ist nicht ausreichend, da diese beim Ausschalten des Geräts endgültig verloren gehen, falls sie nicht zuvor auf der Festplatte gespeichert werden. Bei einer Übertragung aus dem Internet erfolgt eine Abspeicherung allerdings regelmäßig automatisch durch die Software im sog. Cache, weshalb die Daten auch nach Abschalten des Geräts erhalten bleiben. Diesbezüglich wird jedoch häufig der Vorsatz zu verneinen sein, weil sich der Nutzer dieser Speicherung oftmals nicht bewusst ist.

Die Frage, ob eine hinreichende dauerhafte Speicherung in solchen Fällen vorliegt, lässt sich letztlich kaum allgemeingültig beantworten, weil dies letztlich auch von den jeweiligen Konfigurationen abhängt.

Wer sich derartiges Material also lediglich ansieht und es nicht abspeichert, macht sich nicht strafbar. Dazu bedarf es keiner juristischen Winkelzüge; es ist die Rechtslage. Ebenso wenig macht sich zum Beispiel jemand strafbar, der Kinderpornografie auf dem Computer, Handy oder DVD-Player eines Dritten betrachtet. So traurig man es finden mag, bedeutet dies zum Beispiel, dass sich bei einem „Videoabend“ mit derartigem Material lediglich der Gastgeber strafbar macht.

Letztlich führt dies zur Erkenntnis, dass die anhand von Zahlungsdaten ermittelten Kunden einer kinderpornografischen Bezahlseite zwar einer Straftat verdächtig sind. Denn realistischerweise werden derartige Dateien meistens abgespeichert. Es muss aber nicht so sein. Der Schluss, wer sich bei einer derartigen Seite angemeldet und sich die Inhalte angesehen hat, sei notwendig auch ein Stratäter, ist unzutreffend. Gleiches gilt auch für die Ansicht, schon allein die Anmeldung sei strafbar.

Einmaliger Disclaimer: Ich bin Fachanwalt für Strafrecht. Es ist meine Aufgabe, Menschen zu helfen, denen Straftaten vorgeworfen werden. Man kommt der Aufgabe eines Verteidigers vielleicht näher, wenn man sich klarmacht, dass es in unserem Rechtsstaat ab einer Straferwartung von einem Jahr Gefängnis kein Strafverfahren ohne Verteidiger geben darf. Wenn ein Angeklagter keinen Verteidiger sucht und vielleicht sogar keinen will, wird dieser ihm sogar aufgezwungen.

Ich helfe Beschuldigten im Rahmen des Zulässigen. Das ist unabhängig davon, ob der Tatvorwurf zutrifft oder nicht. Und dabei spielt es überhaupt keine Rolle, welche persönliche Meinung ich zu dem möglichen Fehlverhalten oder der Person des Betroffenen habe.

Aus den vorstehenden Gründen werde ich mich an einer Moraldiskussion nicht beteiligen, auf welcher Ebene auch immer sie geführt wird. Das heißt aber nicht, dass ich die Argumente nicht zur Kenntnis nehme.

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Achillesferse garantiert

Der Bundestrojaner ist das Tool zur derzeit gerichtlich untersagten Onlinedurchsuchung. Nach den Vorstellungen der Bundesregierung soll seine Entwicklung maximal (!) 200.000 Euro kosten. So berichtet es heise online.

Wenn man so viel investiert, werden wirksame Gegenmittel nicht den Umweg über den Handel machen müssen. Sondern gleich auf einer Heft-CD erscheinen.