88 Knöllchen lösen sich in Luft auf

Von Eberhard Ph. Liliensiek

Zwei Polizeibeamte in Aachen sahen sich von Vorgesetzten kürzlich unter Druck gesetzt. So sehr, dass sie ihn bei arglosen Autofahrer abließen. Sie sollten umsetzen, was Innenminister Ingo Wolf (FDP) von allen Polizeibehörden verlangt: auch geringe Verstöße streng zu strafen, um schwere Verkehrsunfälle zu vermeiden.

Aber statt auf Raser oder alkoholisierte Fahrer zu achten, demonstrierten die beiden, wohl ein wenig trotzig, ihre Fähigkeiten: Am Lousberg hefteten sie in nur einer Nacht auf lediglich zwei Straßen 88 Knöllchen an Autos, die entgegen der Parkrichtung geparkt waren. Diese Aktion wiederum setzte den Polizeipräsidenten Klaus Oelze unter Druck. „Der ruhende Straßenverkehr“, das räumte gestern Behördensprecher Michael Houba ein, „interessiert uns zweitrangig“.

Das ahnten wohl auch die angezeigten Autobesitzer. Sie informierten einen Pressevertreter, dessen Anfrage beim Präsidenten eilige Gnade auslöste: Oelze will alle 88 Knöllchen widerrufen, wer bezahlt hat, soll die 15 Euro erstatteten bekommen. Seine rechtlich umstrittene Konstruktion heißt, die Autobesitzer mussten nicht mit urplötzlichen Kontrollen rechnen, sie hatten demnach „Bestandsschutz“.

Diese Wertung lässt die Gewerkschaft der Polizei (GdP) schnaufen: „Den beiden Polizisten einen Vorwurf zu machen, die ihrem Herzen Luft gemacht haben, geht in die falsche Richtung“, schimpft GdP-Landvizeschef Herbert Uebler. Besser sollten Politiker, allen voran Innenminister Wolf und verantwortliche Führungskräfte der Polizei die Schuld bei sich suchen. Denn die seien es, die immer häufiger kontrollierend auf die „Knöllchen-Bundesliga-Tabellen“ gucken. Und Behörden vergleichen, die Wachen und Dienstgruppen – selbst zwischen den einzelnen Beschäftigten. Uebler sarkastisch: „Es fehlt nur noch, dass man Monatsbeste kürt“. (pbd)

Mikado: Gefahr strafrechtlicher Verfolgung

Im Rahmen der Aktion Mikado hat die Staatsanwaltschaft Halle 22 Millionen deutsche Kreditkartenkonten überprüfen lassen. Mir liegt nun eines der Auskunftsersuchen vor.

Das Schreiben bezieht sich auf ein Ermittlungsverfahren gegen bislang unbekannte Nutzer eines konkret genannten kinderpornografischen Portals.

Die Staatsanwaltschaft Halle bittet in dem Schreiben um Beantwortung bestimmter Fragen, und zwar zur Vermeidung einer zeugenschaftlichen Vernehmung des zuständigen Mitarbeiters gemäß § 161a Strafprozessordnung.

Bei der Schilderung des Sachverhaltes wird mehrmals betont, dass bislang unbekannte Nutzer ermittelt werden sollen.

Genannt sind der Zahlungszeitraum, der Name einer Empfängerfirma (ohne Angaben über den juristischen Status), eine sogenannte Händlerbank, eine Merchant ID und der überwiesene Geldbetrag.

Anhand dieser Kriterien soll die Frage beantwortet werden, welche Kreditkartenkonten eine entsprechende Zahlung aufweisen. Die Frage erstreckt sich sowohl auf Visacard als auch auf Mastercard.

Die Empfängerin wird darum gebeten, das Ersuchen vertraulich zu behandeln und die Inhaber der Kreditkarten nicht zu informieren, damit der Ermittlungserfolg nicht gefährdet wird. Vorsorglich weist die Staatsanwaltschaft darauf hin, dass sich der Empfänger der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung aussetzt, falls er die Bitte nicht beachtet.

Unklar bleibt, worauf sich der Hinweis auf die Strafbarkeit bezieht. Es gibt in dem Schreiben neben der Bitte um Vertraulichkeit eine weiter ausdrücklich geäußerte und als solche bezeichnete Bitte: jene auf das Kartenscreening.

Zur Quelle des Schreibens: Ein Leser des law blog hat sich bei seiner Bank beschwert. Mit ihrer Stellungnahme übersandte ihm die Bank eine Kopie des Schreibens der Staatsanwaltschaft.

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Gott wird Sie strafen

Richtig gefährlich wurde für einen Mann ein Kirchenbesuch in Wiesbaden. Er hat bei der Kommunion die Hostie nur angeknabbert, den Rest eingesteckt. Darauf stellten ihn zwei Frauen, ein Dekan eilte zur Hilfe:

Mehrere Gläubige hätten ihn gepackt, ihm die Arme weit vom Körper weg gezogen. Thomas R., der nicht versteht, warum alle derart aufgebracht sind, wehrt sich. Der robustere Stadtdekan spielt seinen körperlichen Vorteil aus, als sein Kontrahent, der sich nicht mehr anders zu helfen gewusst haben will, nach ihm tritt – zu Eltz nimmt den Mann nach eigener Schilderung nahe der Sakristei in einen „Polizeigriff“. Er sei nach unten gedrückt worden, Richtung Boden, schildert Thomas R. das Erlebte. Der Stadtdekan hat das anders in Erinnerung. Der Mann sei auch „nicht systematisch durchsucht“ worden, sagt zu Eltz, was der Betroffene sehr wohl erlebt haben will. Eine der Frauen soll auf der Suche nach der Hostie seine Jackentaschen leergeräumt haben.

Die Staatsanwaltschaft muss sich jetzt über verschiedene Straftatbestände Gedanken machen: Körperverletzung, Diebstahl, Störung der Religionsausübung, Nötigung etc. pp.

Mehr im Wiesbadener Kurier.

(Danke an Mathias Schindler für den Link)

Polizei stellt Protokolle ins Netz

Die Polizei in Südhessen hat etliche Einsatzprotokolle ins Netz gestellt, berichtet Spiegel online. Aus Versehen, natürlich. Die betreffende PDF-Datei ist bereits nicht mehr aufrufbar. Größere Probleme gibt es alledings mit der HTML-Version, die Google gespeichert hat. Auch darin sind alle Daten enthalten, einschließlich der Klarnamen der Beschuldigten.

Ich konnte die Datei gerade noch abrufen, ansehen (und schnell wieder schließen). Die Suchbegriffe, die dorthin führen, nenne ich lieber nicht.

Weiterer Bericht in der Welt.

Ein Tritt für Diekmann

Habe ich das Bildblog mal kritisiert, weil sie Bild-Chefredakteur Kai Diekmann zum Abschuss freigaben?

Nach dem heutigen Bild-Bericht über Horst Seehofers Privatleben bleibt mir nur die Feststellung, dass Herr Diekmann weit Schlimmeres verdient hat als nur ein paar Paparazzi an den Hacken. In erster Linie einen Fußtritt von seinem Verlag.

Bisher habe ich Interviewünsche von Bild (und zuletzt Bild am Sonntag) genauso behandelt wie andere Presseanfragen.

Das wird nicht wieder vorkommen.

Merkwürdiger Informantenschutz

Die Bildzeitung berichtet über ein angebliches außereheliches Verhältnis von Horst Seehofer. Natürlich wird gleich spekuliert, wer die Information gestreut hat. Der Bayerische Rundfunk nannte die Münchner Staatskanzlei. Was wiederum die Bild-Chefredaktion zu einem sofortigen Dementi bewegte. In einem Fax an den Sender stellt die Zeitung laut Spiegel online klar:

Die Behauptung, Gerüchte um Minister Seehofer wären gezielt aus dem Umfeld der Staatskanzlei an ‚Bild‘ gestreut worden, ist blanker Unsinn!

Wäre natürlich interessant zu wissen, ob Bild auch so vehement abstreitet, wenn andere verdächtige Kreise genannt werden. Dann dürfte ja bald Klarheit herrschen. Spätestens, wenn Bild schweigt.

Da mit so einem Eifer natürlich nicht zu rechnen ist, spricht das Dementi in meinen Ohren eigentlich Bände.

Ignorelist, update

Ich habe vorhin einem Kommentator gemailt, dass ich eine wüste Beschimpfung gegen mich gelöscht habe. Die hatte mit der Sache rein gar nichts zu tun. Schon in den vergangenen Tagen hatte dieser Kommentator einige spitze Dinge gesagt, vorwiegend zur Mikado-Problematik. Sämtliche seiner Kommentare blieben, obwohl teilweise grenzwertig, unverändert. Jetzt ging es um diesen Beitrag.

Meine Mail:

Ich möchte Ihnen nur mitteilen, dass ich Ihren letzten Kommentar gelöscht habe. Das wird auch künftig geschehen, wenn Sie nicht wenigstens wieder ansatzweise sachlich argumentieren.

Die Reaktion in seinem Blog:

Was natürlich nicht abzuwarten ist, ist die Mitteilung darüber, daß weitere Kommentare von mir im lawblog.de gleich nach Veröffentlichung gelöscht werden. Sachliche und themenbezogene Beiträge wohlgemerkt.

Mit mir kann man ja vieles machen. Aber so was nicht. Damit hätten wir eine Person mehr, die in diesem Blog ausdrücklich unerwünscht ist. Zwei sind es damit insgesamt.

Am Mann ermittelt

In einer Bußgeldsache habe ich geschrieben:

Nach Akteneinsicht werde ich entscheiden, ob ich für meinen Mandanten zum Vorwurf Stellung nehme. Bis dahin macht Herr J. von seinem Recht Gebrauch, sich nicht zur Sache zu äußern.

Was macht der Polizeibeamte? Ruft nach Erhalt meines Schreibens Herrn J. an und möchte sich mit ihm über die Sache „unterhalten“. Herr J. hat ihn gleich an mich verwiesen. Mit mir wollte er sich aber nicht „unterhalten“. Jedenfalls bislang nicht.

Mastercard zu Mikado: Lesen Sie Zeitung

Reiner K. hat seine Kreditkarte gekündigt. Grund war die Durchsuchung seines Kontos im Rahmen der Operation Mikado. Mit der Kündigung bat er die Firma Mastercard um eine Stellungnahme.

Die Antwort:

Sehr geehrter Herr K.,

im konkreten Fall „Mikado“ ist das Unternehmen MasterCard nicht in die Maßnahmen zur Strafverfolgung involviert gewesen. Hier arbeitete das Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt und die Staatsanwaltschaft Halle mit den kartenausgebenden Banken und deren für die Abwicklung dieser Transaktionen zuständigen Dienstleistern zusammen.

Daher bitten wir Sie, sich direkt mit Ihrer kartenausgebenden Bank in Verbindung zu setzen.

MasterCard Europe vergibt Lizenzen an die Kreditinstitute zur Ausgabe von MasterCard Karten. Der Karteninhaberservice, also die Antragserfassung, Datenpflege, Transaktionsverbuchung, Abrechnungserstellung und Versand, Reklamationsbearbeitung, etc. erfolgt nicht über MasterCard, sondern direkt über die kartenausgebenden Institute oder deren Dienstleister, sogenannte Prozessoren. Wir haben keinen Zugriff auf Karteninhaberdaten und können somit keine Kartenkündigung durchführen. Diesbezüglich bitten wir Sie ebenfalls, sich mit Ihrer kartenausgebenden Bank, bzw. Ihrem Karteninhaberservice (die Rufnummer ist meist auf der Abrechnung vermerkt) in Verbindung zu setzen.

Bezüglich Ihrer Bedenken in Hinblick auf Datenschutz möchten wir Sie dennoch darüber informieren, dass diverse Tageszeitungen dieses Thema aufgegriffen haben.

So ist beispielsweise einem Beitrag, der am 10.01.2007 in der Frankfurter Rundschau veröffentlicht wurde folgendes zu entnehmen:

„Bei strafrechtlichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft endet dagegen die Verschwiegenheitspflicht. Mehr noch: Es gibt kein Recht auf Aussageverweigerung. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kreditinstitute heißt es dazu in Paragraf 2, dass Informationen nur weitergegeben werden dürfen, wenn „allgemeine gesetzliche Bestimmungen“ dazu verpflichten.

Solche finden sich in der Strafprozessordnung. Dort heißt es in Paragraf 161 a, dass Zeugen und Sachverständige dazu verpflichtet sind, vor der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und zur Sache auszusagen. Die Aussage muss der Wahrheit entsprechen. Nur wer ein Zeugnisverweigerungsrecht hat (wie Ärzte, Geistliche oder nahe Verwandte) darf schweigen. Bankangestellte zählen nicht dazu.”

Den vollständigen Beitrag übersenden wir Ihnen zu Ihrer Information anbei als Anhang.

Bei weiteren Fragen zu dem vorliegenden Fall wenden Sie sich bitte an Ihr kartenausgebendes Kreditinstitut.

Mit freundlichen Grüßen
MasterCard Worldwide
– Name der Mitarbeiterin –
Representative Office Germany


Beigefügter Artikel

Bankmitarbeiter können natürlich Zeugen sein. Zeugen berichten über eigene Kenntnisse oder Wahrnehmungen, die sie bereits haben oder einfach erlangen können. Die Verpflichtung nach § 161 StPO geht aber nicht so weit, auf – wie auch immer formulierte – „Bitte“ der Ermittlungsbehörden den jeweiligen gesamten Kreditkartenbestand zu screenen und anschließend hierüber Auskunft zu geben.

Zum Bundesdatenschutzgesetz kein Wort.

Vielleicht hätte man doch mal die Rechtsabteilung fragen sollen, statt nur Zeitung zu lesen.

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Mikado

Ohne Konto

Im Posteingang drei Reaktionen auf Pfändungen. Alle von Banken. Keine steht mit den Schuldnern (mehr) in Geschäftsverbindung.

Das ist eine eher schlechte Trefferquote. Wenn sogar schon die Bank die Geschäftsverbindung gekündigt hat, sieht es für den Gläubiger überdies mau aus.

Telepolis: Fragen zu Mikado

Telepolis hat mich näher zur Operation Mikado befragt. Das Interview.

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VW-Affäre: Vorwürfe gegen Staatsanwälte

Der frühere VW-Betriebsratsvorsitzende Klaus Volkert erhebt Vorwürfe gegen die Braunschweiger Staatsanwaltschaft. Diese soll den Angeklagten Peter Hartz unter Druck setzen, damit dieser ein umfassendes Geständnis ablegt und so einen langen Prozess vermeidet. Mittelbar soll es darum gehen, Peter Hartz nicht von Volkerts Verteidiger befragen lassen zu müssen. Dies könnte, so wird gemutmaßt, manche Bombe platzen lassen.

Volkerts Anwalt schießt jetzt massiv gegen die zuständigen Staatsanwälte. Eine Strafverfolgerin soll sich in der Zeit ungeschickt geäußert haben. Hierauf gestützt, verlangt der Anwalt die Ablösung der Ermittler.

Die – zugegeben – etwas verwirrende Geschichte erzählt im Detail die Süddeutsche Zeitung.