In Berlin ist ein Ermittlungsrichter erfolgreich als befangen abgelehnt worden, weil er Haftbefehle unterschreibt, bevor er die Beschuldigten anhört. Näheres in dieser Pressemitteilung von Berliner Rechtsanwälten.
LANG
In einem Betrugsprozess in München hat der Angeklagte ein sechsstündiges Schlusswort gehalten. Laut beck-aktuell wurde er trotzdem zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt.
Oder deswegen.
AUFREGUNG
Aufregung um einen Satz der Bundesjustizministerin. Frau Zypries hatte sich in einem Interview zur Strafbarkeit von Kinderpornografie geäußert. Sie sagte laut Spiegel online, dass „das, was man zum Eigengebrauch hat, nicht so strafwürdig ist, wenn es überhaupt strafwürdig ist, wie das, was man dealt“. Das sei auch vom Rauschgift her bekannt.
Die Reaktion der – teilweise selbsternannten – Opferschützer belegt, dass man mittlerweile von einer echten Hysterie sprechen kann, allerdings nicht auf Seiten der Ministerin. Der Strafrahmen für den Besitz von Kinderpornografie hat sich neulich verdoppelt: auf 2 (!) Jahre. Wenn man in der Praxis erlebt, wie lasch mitunter Leute bestraft werden, die Kinder real betatscht oder noch schlimmer missbraucht haben, ist diese Strafdrohung eine brutale Keule. Die auch geschwungen wird. Da der Besitz meist relativ problemlos nachweisbar ist, wird auch entsprechend hart geurteilt – und so manche Existenz gnadenlos vernichtet.
Im Strafrecht gilt aber nun mal der Grundsatz, dass jeder nach dem Grad seiner Schuld zu bestrafen ist (§ 46 Abs. Strafgesetzbuch). Wer Kinderpornos herstellt, lädt größere Schuld auf sich als derjenige, der sie verkauft. Hersteller und Verkäufer können nach dem neuen Recht bis zu fünf Jahren ins Gefängnis geschickt werden.
Hersteller und Vekäufer tragen wiederum größere Schuld als der, der diese Bilder besitzt. Ich betone, es geht hier nicht um Moral, sondern darum, nicht einfach jedes Augenmaß bei der Schuldfrage zu verlieren. Das ist einer der wesentlichen Punkte, die ein deutsches Strafgericht von einem Hexenprozess unterscheiden.
Ein gewichtiges Argument für die hohe Strafdrohjung ist immer, dass der Besitzer von Kinderpornografie den Markt am Leben hält und deshalb abgeschreckt werden muss. In den nicht gerade wenigen Verfahren, die ich in den letzten Jahren als Verteidiger erlebt habe, ist mir allerdings eines aufgefallen: Bei der harten Pornografie finden sich fast immer die gleichen Bilder oder Filme auf den Festplatten der Verdächtigen. Die meisten Medien sind nachweislich 15, 20 oder sogar schon 30 Jahre alt.
Nur ganz selten spielen Bilder oder Filme eine Rolle, die jüngeren Datums sein könnten. Ich habe natürlich keinen repräsentativen Überblick, aber nach meiner Einschätzung entspringt der florierende Kinderpornomarkt eher dem (Wunsch-)Denken mancher der erwähnten Hysteriker. Kann gut sein, dass sie damit nur ihren eigenen Umsatz in Form von gutgemeinten Spenden erhöhen wollen.
Wer in diesem Bereich etwas Gutes tun will, sollte Organisationen unterstützen, die etwas Vernünftiges gegen realen Missbrauch tun.
ABGELAUFEN
In England ist bei einem Richter kompromittierendes Material auf seinem Computer gefunden worden. Zu einem Verfahren wird es aber nicht kommen. Die Beweise sind nämlich unverwertbar, weil der Durchsuchungsbeschluss einen Tag abgelaufen war, so dieser Bericht.
In Deutschland hätte sich hierfür niemand interessiert. Bei uns sind, wir hatten das Thema vor einiger Zeit schon einmal, Beweismittel regelmäßig auch dann verwertbar, wenn sie illegal erlangt wurden.
Ich habe neulich einen Polizeibeamten darauf hingewiesen, dass eine Durchsuchung in einer Privatwohnung mangels „Gefahr im Verzuge“ rechtswidrig ist. Seine Antwort: „Sehen Sie, wie ich vor Ihnen zittere? Und jetzt stören Sie bitte nicht weiter.“
(danke an Margaret Marks für den link)
ERFOLGLOS
Die deutschen Verwaltungsrichter bezweifeln die Rechtmäßigkeit der Antiterror-Gesetze. Die Menge der gesammelten Daten stehe in in keinem Verhältnis zu den bisherigen Erfolgen – von denen es bisher kaum welche geben soll. Die Verwaltungsrichter fordern außerdem eine zeitliche Befristung des Gesetzes, so beck-aktuell.
PROBE
Quelle: wulkan (www.wulkan-comic.de)
DUBIOS
Um Betrüger ausfindig zu machen, setzen Versicherungen Detektive auf ihre Kunden an. Doch die durchleuchten Privates auch mit dubiosen Methoden, insbesondere unter Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz, berichtet Spiegel online.
Einer meiner Mandanten wurde von seinem früheren Arbeitgeber bespitzelt. Es ging darum, Flugdaten zu ermitteln. Von einer Detektei ließ sich die Firma den Inhalt des gesamten Vielfliegerkontos meines Auftraggebers besorgen. Dass dies eigentlich nur durch Schmieren eines Mitarbeiters der Fluggesellschaft oder das Knacken eines (nach Auskunft der Fluggesellschaft) bombig gesicherten Computersystems möglich gewesen sein dürfte, liegt eigentlich auf der Hand.
Die zuständige Staatsanwaltschaft Essen stellte das Verfahren jedoch mit der Begründung ein, es könne dem Detektiv ja auch mit einigem Geschick und unauffälligem Nachfragen gelungen sein, an einem Flugschalter freiwillig von einem Mitarbeiter die Informationen zu erhalten.
Eine wahrhaft resolute Anwendung des Grundsatzes „Im Zweifel für den Angeklagten“.
AND THE WINNERS ARE
Die Gewinner des T-Shirt-Contest stehen fest. Die Glücksfee hat sich leider vorhin schon zum Hortwochenende in die Jugendherberge verabschiedet. Deshalb musste ich die Auslosung selbst vornehmen. Getroffen hat es:
Ihre Hoheit
Bastel
Lyssa
Artur
Wiebke
Die Gewinner kriegen von mir eine mail, wo sie dann ihre genauen Wünsche angeben können.
Ihnen und allen anderen law blog – Lesern wünsche ich ein schönes Wochenende. Hier geht es am Montag weiter.
HAUSINTERN
Auch als normaler Anwalt hat man mitunter das Vergnügen, für eine Versicherung zu arbeiten. Bei einer abgebrannten Lagerhalle mit einem riesigen Warenlager war der Prozess auch gebührentechnisch nicht von Pappe. Nach dem ersten Gutachten waren plötzlich noch zwei weitere notwendig. Projektierte Verfahrensdauer: mindestens ein weiteres Jahr.
Vor diesem Hintergrund erlaubte ich mir, die bislang entstandenen Gebühren bei meiner Auftraggeberin abzurechnen. Den Vorschuss für die Sachverständigen wies die Versicherung an; meine Rechnung blieb unbeachtet. Ein Erinnerungsschreiben ebenfalls. Der Anruf bei dem Sachbearbeiter verlief wenig erfreulich: „In unserem Haus“, näselte er, „reichen die Anwälte ihre Rechnung ein, wenn das Verfahren abgeschlossen ist.“
„Kein Problem“, sagte ich, „wenn Sie mir dann bitte die banküblichen Zinsen erstatten.“ Der Mann kroch mir fast durchs Telefon. „Warum sollten wir das, Ihrer Meinung nach?“ „Weil die Gebühren fällig sind. Steht so in der Anwaltsgebührenordnung.“ Ja, ja, bügelte mich der Sachbearbeiter ab. Er werde das mal „hausintern“ besprechen.
Die in Aussicht gestellte Antwort blieb leider aus. Mir blieb also nichts anderes übrig, als meine Gebühren beim Gericht anzumelden. Das ist auch gegenüber dem eigenen Auftraggeber möglich. Als schließlich der Kostentitel vorlag, zahlte die Versicherung immer noch nicht.
Na ja, ich habe dann das Beitragskonto mit einer Pfändung geschlossen. Was dann allerdings zu einigen aufgeregten Anrufen führte. Und einer Blitzüberweisung.
Seit diesem Tag war auch ein anderer Sachbearbeiter für mich zuständig.
WAS ANWÄLTE VERDIENEN
WAS ANWÄLTE VERDIENEN
Spiegel online widmet sich den Gehältern der Anwälte:
„Das durchschnittliche Jahreseinkommen eines Einzelanwalts liegt bei 37.000 Euro. Wer sich also als Feld-Wald-und-Wiesen-Anwalt niederlässt, braucht neben einer ordentlichen Portion Unternehmergeist auch noch ein dickes finanzielles Polster. In kleineren Kanzleien (bis 20 Anwälte) beläuft sich das Jahresgehalt im Durchschnitt auf exakt 36.852 Euro. Mit der Größe der Kanzlei steigt dann auch das Einkommen der Anwälte: 47.000 Euro in Kanzleien mit 21 bis 50 Mitarbeitern, 53.000 Euro in Kanzleien mit 51 bis 100 Mitarbeitern und 71.000 Euro in Kanzleien mit 101 bis 500 Mitarbeiter.“
ERFINDUNG?
Fünf Bedienstete der Justizvollzugsanstalt Brandenburg/Havel sind vom Dienst suspendiert worden. Sie sollen jahrelang Häftlinge misshandelt haben. Laut einem Bericht des RBB-Magazins „Klartext“ drangen die mit Sturmmasken vermummten Beamten in die Zellen ein und schlugen mit Schlagstöcken und Fäusten die Gefangenen. Einem Gefangenen, der einen Herzinfarkt erlitt, soll medizinische Hilfe verweigert worden sein. Mehr bei Spiegel online.
Strafverteidiger hören immer mal wieder ähnliche Geschichten. Es fällt zunehmend schwer, so was in jedem Fall als Erfindung abzutun.
GÜNSTIG
GÜNSTIG
Freispruch im Tatkomplex, in dem der Mandant keinen Rechtsschutz hat. Die Kosten trägt die Staatskasse. Verurteilung in dem Teil, für den die Versicherung zahlt. Es gibt – rein gebührentechnisch – ungünstigere Varianten…
MÖGLICHKEITEN
MÖGLICHKEITEN
Aus einem psychologischen Gutachten für eine vorzeitige Hafentlassung auf Bewährung:
„Bei bestreitenden Tätern gibt es grundsätzlich ja nur zwei Möglichkeiten (psychische Gesundheit vorausgesetzt): entweder der bestreitende Täter spricht die Wahrheit oder er kann die Tat vor sich selbst (oder vor seiner Familie etc.) nicht eingestehen.“
Mir fällt spontan noch eine dritte Möglichkeit ein: Der Täter lügt ganz einfach – zum Beispiel aus taktischen Gründen. Aber ich will das nicht überbewerten. Das Gutachten fiel für meinen Mandanten positiv aus.
TEMPO
In einem Kostenfestsetzungsverfahren – die Gegenseite will Geld – hat sich das Amtsgericht Essen mal wieder gerührt. Mit Schreiben vom 13. Juni 2002. Eingang bei uns: 14. April 2004.
BILDLICH
Margaret Marks hat einen amüsanten Artikel über die Grafiken im dtv-Atlas „Recht“ geschrieben. Dort haben die Menschen nur Beine, wenn sie sie wirklich brauchen. Wie in diesem Bild: