OPFERSCHUTZ

Das Opferrechtsreformgesetz wird bald in Kraft treten. Es soll die Position des Verletzten im Strafverfahren deutlich verbessern. Schwerpunkte des Gesetzes sind die Verhinderung mehrfacher Opfer-Vernehmungen, die Erleichterung von Audio/Video-Verhören sowie die Möglichkeit zur kostenfreien Beiordnung von Rechtsanwälten bei Opfern, die als Nebenkläger im Verfahren auftreten. Das Bundesjustizministerium veröffentlicht eine Zusammenfassung.

(link gefunden bei Vertretbar.de)

GELDSEGEN

In Amerika könnte das höchste Anwaltshonorar anfallen, das je in einem wettbewerbsrechtlichen Prozess geltend gemacht wurde. Die Anwälte, welche eine Verbraucherklage gegen Microsoft gewonnen haben, wollen 258 Millionen Dollar. Sie berechnen Stundensätze bis zu 3.000 Dollar, so dieser Bericht. Die siegreichen Kunden bekommen Einkaufsgutscheine von 5 bis 29 Dollar.

Die Taktik ist doch klar: Hoch rangehen, vielleicht ein Drittel kriegen…

Allerdings möchte ich mich nicht der üblichen Häme anschließen. Auch die Anwälte, welche bei uns die NS-Zwangsarbeiter vertreten haben, wurden erst ausgelacht. Sie haben viel Arbeit und auch Geld investiert, um die angeblich aussichtslosen Verfahren durchzuziehen. Neidgefühle kamen erst auf, als die Kollegen dann – wider Erwarten – eine hohe Summe locker machten und noch die Unverschämtheit hatten, ein angemessenes Honorar zu fordern.

(danke an Mathias Schindler, Torsten Kleinz und Matthias Böse für den link)

VORLIEBEN

Vor einigen Minuten am Amtsgericht Düsseldorf. Richterin B. führt ebenso resolut wie kompetent durch die mündliche Verhandlung. Zum Beispiel mit folgender Anmerkung:

Ach, wenn Sie das per Fax geschickt haben, habe es wahrscheinlich nicht gelesen. Das liegt daran, dass ich diese Faxe nicht so mag.

HILFERUF

Am Landgericht Frankfurt am Main geht es anscheinend dauerhaft drunter und drüber. Auch uns erreichte jetzt der „Hilferuf“ eines Richters, in Form eines Beschlusses vom 3. Mai 2004:

In dem Rechtsstreit C. gegen M. wird der Termin zu Verkündung einer Entscheidung bestimmt auf Donnerstag, 27. Mai 2004, 16 Uhr. Aufgrund chaotischer Zustände auf der Geschäftsstelle der 25. Zivilkammer – seit etwa Anfang März 2004 sind keinerlei Schriftsätze mehr zu den Akten gereicht worden und solche nur, soweit auffindbar, vom Einzelrichter selbst gezogen worden – war eine Verkündung zum bestimmten Termin nicht möglich. Die Akte befand sich unter mehreren auf dem Boden der Geschäftsstelle lagernden Aktenbergen und konnte daher nicht rechtzeitig zum Termin vorgelegt werden.

FRISTLOS

Das Anklicken von Pornoseiten am Arbeitsplatz rechtfertigt nicht unbedingt eine fristlose Kündigung. Das Landesarbeitsgericht Mainz hat entschieden, dass eine Abmahnung erforderlich ist, weil der Betroffene den Verstoß sofort eingeräumt habe, berichtet beck-aktuell. Es sei deshalb möglich gewesen, das Vertrauensverhältnis wiederherzustellen.

NOSTALGISCH

Manche Kollegen sind gut für nostalgische Gefühle. Nehmen wir den jungen Anwalt, der mir neulich im Gericht gegenübersaß. Als ich reinkam, hatte er nichts für mich übrig. Außer einer roten Birne und einem angestrengten Blick auf die Akte vor sich. Kaum war die erste Zeugin aufgelaufen, plusterte er gleich die Backen, um die Frau zu demontieren.

Seine Fragen stießen allerdings auf wenig Gegenliebe. Zu suggestiv, zu konstruiert. Nachdem ich zweimal darum gebeten hatte, bei der Sache zu bleiben und die Zeugin nicht zu verunsichern, wurde es auch der Richterin zu bunt. Der junge Kollege reagierte quengelig und emotional. Statt dann aber einen richtigen Streit vom Zaun zu brechen und seine Ansicht durchzufechten, gab er nach kurzer Diskussion auf und erklärte leicht beleidigt: „Keine Fragen mehr.“

Bingo. Von da an war er schlicht nicht mehr zu gebrauchen. Wo er sich anfangs unheimlich reingehängt hatte, ließ er die Sache plötzlich schleifen. Sein Blick sagte nur: „Blödes Gericht. Alles ungerecht. Die Welt ist schlecht. Was mache ich hier eigentlich?“

Es ist ein typischer Anfängerfehler, die Sache des Mandanten zur eigenen zu machen. Das hat nichts damit zu tun, dass man sich für die Interessen des Auftraggebers einsetzen soll. Sondern einfach damit, dass man glaubwürdiger, überzeugender und auch kompetenter wirkt, wenn man als Anwalt auftritt und nicht als Klon der eigenen Partei.

Allerdings müsste ich lügen, wenn mich der misslungene Auftritt nicht ein bisschen an meine eigenen Anfangstage erinnert hätte.

GRUNDBEDÜRFNIS

GRUNDBEDÜRFNIS

In höchster Sorge um sein mediales Wohlergehen ist ein Mann aus Berlin. Er wollte dem ZDF verbieten lassen, am 14. Mai die Hochzeit des dänischen Kronprinzen live zu übertragen. Denn dann, so fürchtete der Mann laut beck-aktuell, fallen mal wieder die Informationssendungen „mittagsmagazin“ und „heute“ aus. Das Verwaltungsgericht Mainz erteilte dem eine Absage: Das ZDF sei in seiner Programmgestaltung frei. Und soweit Grenzen bestünden, seien diese nicht verletzt.

Falls ein privater TV-Anbieter unauffällig hinter diesem Eilantrag stehen sollte, ist das gar kein schlechter Schachzug. Jedenfalls bringt das Verfahren die überfällige Frage ins Rampenlicht, wieso die öffentlich-rechtlichen Anstalten immer mehr Boulevard ausstrahlen, gleichwohl aber immer noch uneingeschränkten Anspruch auf die Rundfunkgebühren haben sollen. Denn die muss der Bürger ja nur zahlen, weil der öffentliche Rundfunk (angeblich) die „Grundinformation“ der Bevölkerung gewährleistet.

LOSBUDE

Berufungsrichter müsste man sein. Über der Instanz wölbt sich der blaue Himme. Höchstens getrübt vom vagen Risiko, dass sich eine düpierte Prozesspartei nach Karlsruhe begibt. Zum Bundesverfassungsgericht. Ein Gericht übrigens, das Grundrechtsverstöße mitunter nicht ahndet mit der Begründung, der Senat habe sich zu dieser Rechtsfrage bereits geäußert. Wenn sich die unteren Instanzen nicht dran halten, hat der Bürger halt Pech gehabt.

Ach ja, man könnte noch an die europäischen Gerichtshöfe appellieren. Aber das ist nichts, was den wackeren Vorsitzenden eines Berufungsgerichts wirklich davon abhalten sollte, sich zurückzulehnen, die Fingerspitzen aufeinander zu drücken und sinngemäß Folgendes zu erklären: Nach den Buchstaben des Gesetzes müssen wir der Klägerin Recht geben. Aber die Buchstaben des Gesetzes sind flüchtig wie der Wind. Ein Federstrich des Gesetzgebers, schon sieht die Welt ganz anders aus. Überhaupt, der Gesetzgeber. Schauen Sie sich doch mal an, was die in Berlin und unserer Landeshauptstadt für einen Murks machen.

Was also zählt? Natürlich nur eins, die materielle Gerechtigkeit. Und wenn es um diese Frage geht, sieht es für die Beklagte bestens aus. Da uns keiner kontrolliert, ist es uns eigentlich herzlich egal, ob wir das Gesetz etwas verbiegen oder nicht. Natürlich nur in diesem einen, er lächelt sanft, „etwas skurrilen Fällchen“.

Wenn ich auf Klägerseite gestanden hätte, hätte ich um eine fünfminütige Unterbrechung gebeten. Um einen unaufschiebbaren Antrag zu stellen. Auf Ablehnung des Gerichts. Wegen Besorgnis der Befangenheit. Das hätte zwar auch nichts gebracht, aber immerhin kann man Zivilrichter damit ab ein klein wenig ärgern.

Aber ich stand ja auf Seiten der Beklagten. Und so habe ich emsig genickt und das Gericht für seine Weisheit gepriesen. Während der gegnerische Anwalt nur schluckte und nicht aufbegehrte. Nicht mal ein bisschen.

Es lebe also die Gerechtigkeit. Zumindest bis zur nächsten Ziehung in der Losbude namens Landgericht.

BEMÜHT

BEMÜHT

Die Tage mal eine Richterin korrekt abgepasst. Obwohl die Sache hakelig war, rang sie sich zu einem Freispruch durch. Keine Ahnung, ob es am flammenden Plädoyer lag. Oder an der vorhergehenden Demontage der Zeugen. Jedenfalls war die Staatsanwältin, die wie für diese Berufsgruppe üblich an einer anderen Veranstaltung teilgenommen hatte, hellauf entsetzt und erklärte schmallippig: „Mit einem Rechtsmittelverzicht können Sie aber nicht rechnen.“

Obwohl ich nach Schluss der Verhandlung normalerweise nicht fraternisiere (Stammleser dürfen jetzt schmunzeln), kratzte ich etwas Jovialität vom Boden meines Aktenkoffers und rang mir eine unter Juristen durchaus als launig anzusehene Bemerkung ab: „Wollen Sie sich wirklich mit einer Berufung noch mehr Arbeit machen? Ich meine, wenn ich bei Ihnen in den Büros die Aktenberge sehe…“

Sie wiederum schenkte mir ein Lächeln, welches mir erstmals die wahre Tiefe der Vokabel „bemüht“ offenbarte. Mit einem spröden tschüss gingen wir dann unserer Wege. Die allerdings kreuzten sich dann 15 Minuten später bei Subways erneut und wir winkten uns höflich über die Tische zu.

Aber im Übrigen habe ich keine Ahnung, warum die Berufung dann doch ausgeblieben ist.

WILLKÜR

WILLKÜR

Das Bundesverfassungsgericht hebt einen Beschluss des Oberlandesgerichts München auf. Die Kritik der Karlsruher Richter: Den Münchner Kollegen war „entgangen“, dass eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft unverhältnismäßig und willkürlich war. Die Staatsanwaltschaft hatte die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe erst zurückgestellt, dann den Betroffenen aber ohne jede Vorwarnung und konkreten Anlass festnehmen und einsperren lassen.

(danke an Mathias Schindler für den link)