Taxifahrer brauchen keine Ortskenntnis mehr

Uber & Co. kommen aus der rechtlichen Grauzone heraus. Der Bundesrat billigte die Reform des Personenbeförderungsgesetzes. Wichtigste Änderung ist die ausdrückliche Legalisierung von privaten Fahrdiensten. Diese dürfen künftig ebenso wie Taxis offiziell Fahrgäste befördern.

Der Unterschied zwischen Taxi und Fahrdienst beschränkt sich künftig auf einen Unterschied: Taxis dürfen nach wie vor überall Kunden einsteigen lassen. Fahrdienstleister müssen dagegen telefonisch oder per App vorab gebucht werden. Außerdem sind die Mietwagen im Gegensatz zu Taxis verpflichtet, an ihre Betriebsstätte zurückzukehren, so lange sie keinen neuen Auftrag haben.

Eine weitere Änderung gibt es noch, die Taxifahren mutmaßlich nicht attraktiver macht. Taxifahrer müssen künftig keine Ortskundeprüfung mehr bestehen. Stattdessen sind die Taxifirmen verpflichtet, ihre Autos mit einem aktuellen Navigationssystem auszurüsten.

Rechte Chats: Polizistin darf wieder arbeiten

Eine Düsseldorfer Polizistin darf wieder den Dienst antreten. Die Frau hatte sich selbst bei ihren Vorgesetzten gemeldet, weil sie nach Sensibilisierungsgesprächen in Chatverläufen von WhatsApp-Gruppen rechtsextreme Inhalte entdeckt hatte. Das Oberverwaltungsgericht Münster hält die Suspendierung der Kommissaranwärterin für rechtswidrig. In der Tat sind die Umstände des Quasi-Rauswurfs dubios.

Die Polizistin hatte geltend gemacht, sie habe von den fragwürdigen Chatinhalten nichts mitbekommen. In den WhatsApp-Gruppen, an denen eine Vielzahl Kommissaranwärter teilnahmen, waren viele Nachrichten ausgetauscht worden. Laut Gericht konnten 357.525 Nachrichten und 172.214 Bilder festgestellt werden. Ganze sechs dieser Postings sollten den Rausschmiss begründen. Allerdings machte die Polizistin geltend, sie habe die betreffenden Nachrichten erst später gesehen und dann auch gemeldet.

Das Gericht zeigt sich lebensnah und hält es für glaubwürdig, dass die Betroffene die fraglichen Inhalte nicht wahrgenommen hat. Ein Indiz hierfür ist insbesondere auch, dass die Frau die Nachrichten weder selbst geteilt noch kommentiert hat. Aus der bloßen Teilnahme an einer WhatsApp-Gruppe könne auf eine Ungeeignetheit nicht geschlossen werden.

Scharfe Kritik übt das Gericht an den Vorgesetzten der Beamtin. Interessanterweise wurde die Polizistin nämlich als einzige suspendiert, obwohl sie die Inhalte freiwillig gemeldet hatte. Ihre Kollegen, die ebenfalls an den Gruppen teilnahmen, blieben zunächst unbehelligt, erst auf Rückfrage des Gerichts sollen Disziplinarverfahren eingeleitet worden sein. Überdies stoßen sich die Richter ausdrücklich daran, dass der Beamtin nicht zu Gute gehalten wurde, dass sie die Inhalte selbst gemeldet hat (Aktenzeichen 6 B 2055/20).

Torschuss mit Folgen

Das Kindertraining in der Sporthalle war vorbei, die Altherrenmannschaft wärmte sich gerade auf. Da ging der Torschuss eines Trainingsteilnehmers nicht nur daneben, sondern mächtig ins Auge. Der Ball traf eine Frau am Kopf, die im Bereich des Tores auf ihre Tochter wartete. Die Frau wurde erheblich verletzt, vor Gericht ging es darum, ob und in welcher Höhe der Fußballer haftet.

Das Oberlandesgericht spricht der Frau 70 % ihres geltend gemachten Schadens zu. In dieser Höhe hafte der Sportler. Denn zwischen den eigentlichen Trainingsphasen, also beim bloßen Aufwärmen, müsse Rücksicht auf andere anwesende Personen genommen werden. Da sei ein mit erheblicher Kraft ausgeführter Torschuss fahrlässig. Andererseits habe die Frau auch keinen Grund gehabt, ausgerechnet in der Nähe des Tores auf ihre Tochter zu warten. Sie muss sich deshalb ein Mitverschulden von 30 % anrechnen lassen (Oberlandesgericht Oldenburg 1 U 66/29).

Brühen oder backen

Strafbar ist in der Regel nur vorsätzliches Handeln. So steht es ausdrücklich § 15 StGB geschrieben. Eine Strafbarkeit wegen fahrlässigem Handeln muss ausdrücklich im Gesetz erwähnt werden. Wegen mangelnden Feststellungen im Urteil genau zu diesem Punkt hob der Bundesgerichtshof nun eine Verurteilung wegen Drogenhandels auf.

Die beiden Angeklagten verkauften losen Tee aus EU-zertifiziertem Nutzhanf. Sie beriefen sich vor dem Landgericht Braunschweig auf das liberalisierte Cannabis-Recht. So sagt Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 BtMG , das der Handel mit Hanf nicht verboten ist, wenn der Stoff aus dem Anbau in Ländern der Europäischen Union mit zertifiziertem Saatgut … stammt oder der Gehalt an Tetrahydrocannabinol (Wirkstoff) 0,2 Prozent nicht übersteigt. Außerdem muss bei gewerblichen Zwecken (Weiterverkauf an Endabnehmer) ausgeschlossen sein, dass es zu einem Missbrauch zu Rauschzwecken kommt.

Ein Sachverständiger hatte in der Hauptverhandlung kundgetan, man könne sich mit dem Tee aus den Substanzen berauschen, zwar nicht, wenn man ihn aufkocht – aber wenn man ihn als Zutat zum Backen verwendet.

Davon ausgehend müssen die Angeklagten aber natürlich vorsätzlich genau in diese Richtung gehandelt haben. Das heißt, sie müssten diese doch etwas anders gelagerte Verwendung des Tees zumindest ins Auge gefasst haben. Denn dass sie fahrlässig womöglich nicht erkannten, dass ihr Tee in einem Kuchen berauschend wirkt, reicht eben nicht. Mit dieser Problematik hat sich das Landgericht jedoch gar nicht beschäftigt. Deshalb wurde das Urteil (mehrmonatige Freiheitsstrafen) aufgehoben (Aktenzeichen 6 StR 240/20).

RA Dr. André Bohn

PayPal und Sofortüberweisung dürfen extra kosten

Für die Zahlungsfunktion „PayPal“ und „Sofortüberweisung“ dürfen Händler vom Kunden zusätzliche Gebühren verlangen, entscheidet der Bundesgerichtshof in einem heute bekanntgegebenen Urteil. Im Gegensatz zu einer Kreditkartenzahlung oder einer normalen Überweisung würden zusätzliche Dienste erbracht, welche die Extragebühr zulässig machen.

Die Wettbewerbszentrale hatte geklagt, weil Flixbus für Paypal und Sofortüberweisung extra Gebühren nahm. Das sei unzulässig, weil die Nutzung von Zahlungskarten gemäß § 270a BGB für den Kunden kostenlos sein muss. Grundsätzlich sei das richtig, so der Bundesgerichtshof. Allerdings zahlten die Kunden bei Sofortüberweisung dafür, dass dort ihre Bonität geprüft und die Zahlung eben sofort rechtswirksam ausgelöst wird, so dass der Händler die Ware/Dienstleistung sofort freigeben kann.

PayPal könne zum einen über Guthaben genutzt werden. Ansonsten übernehme es PayPal, das Guthaben über eine Zahlungskarte sofort aufzuladen. Auch hier dürfte der vom Gericht gesehene Zusatznutzen wohl darin liegen, dass das Geld dem Anbieter von PayPal sofort gutgeschrieben wird.

Das heißt natürlich nicht, dass Händler für die Zahlungsmethoden extra Gebühren nehmen müssen. Ebenso steht es Kunden auch frei, weiter mit Kreditkarte, Überweisung oder Lastschrift zu zahlen. Gesetzlich ist jeder Anbieter verpflichtet, „übliche“ Zahlungswege zu öffnen, für die der Kunde keine Extragebühren zahlen muss (Aktenzeichen I ZR 203/19).

Die Kameras des Nachbarn

Die Videoüberwachung von Grundstücken wird zwar immer normaler, aber nicht unbedingt rechtmäßiger. Jedenfalls müssen es Bewohner nicht hinnehmen, wenn ihr Nachbar mit Videokameras einen „Überwachungsdruck“ erzeugt. Dies macht das Landgericht Frankenthal in einem aktuellen Urteil klar.

Ein Hauseigentümer hatte zwei Kameras installiert. Angeblich, um sein eigenes Grundstück zu überwachen. Die Nachbarn meinten jedoch, damit könne er auch ihr Anwesen erfassen, gerade wenn die Kameras beweglich seien.

Eine tatsächliche Beobachtung ist nach Auffassung der Richter nicht nötig. Vielmehr genüge die Sorge, beobachtet zu werden. Die Betroffenen müssten allerdings glaubwürdig darlegen, dass diese Gefahr besteht. Das war den Beklagten aber problemlos möglich. Sie führen seit Jahren „erbitterte Rechtsstreite“ mit ihren Nachbarn. Von daher, so das Gericht, liege es nahe, dass die Kameras nicht nur dem Schutz des eigenen Grundstücks dienen.

Urteil des Landgerichts Frankenthal vom 16.12.2020

Unantastbare Rechte

Der um sich greifenden Blockwartmentalität bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie verpasst das Oberlandesgericht Koblenz einen Dämpfer. Nicht jedes Zusammentreffen von Personen ist laut dem Gericht eine „Ansammlung“, die ein Bußgeld nach sich zieht.

Der Betroffene war in Begleitung eines Freundes am Geldautomaten. Dort traf er wiederum zufällig einen Bekannten, der seinerseits in Begleitung eines Freundes war. Polizeibeamte beobachteten das ungefähr ein bis zwei Minuten währende Gespräch, bei dem die Personenpaare einen Abstand von 1,5 bis 2 Metern einhielten. Zu dem Gespräch kam es deswegen, weil sich die Beteiligten begrüßen wollten. Außerdem hat der Betroffene seinem Bekannten zum Tod von dessen Großmutter kondoliert.

100 Euro Bußgeld sollte der Betroffene zahlen, wogegen er vor Gericht zog. Während ihn das Amtsgericht noch verurteilte, sehen die Richter am Oberlandesgericht die Sache differenzierter. Sie stellen insbesondere klar, dass bei jedem coronoabedingten Verbot immer die Frage gestellt werden muss, ob es zur Verhinderung von Neuinfektionen erforderlich ist. Alles andere sei ein unverhältnismäßiger Eingriff in „unantastbare Rechte“ der Bürger.

Eine verbotene Ansammlung liege nicht vor, wenn das Zusammentreffen zufällig, also ohne konkrete Planung erfolgt und auf kaum ehr als einen „flüchtigen Moment“ ausgelegt ist. Ansonsten käme es ja auch schon beim Einkaufen oder Spazierengehen zu unzulässigen Ansammlungen. Überdies sei in Rechnung zu stellen, dass die Beteiligten die Mindestabstände einhielten.

Freispruch.

Aktenzeichen 3 OWi 6 SsRs 395/20

Ein gültiges Visum ist ein gültiges Visum

Das Ausländerrecht ist in seinen Feinheiten oft nicht mal für Experten durchschaubar. Damit haben auch viele Privatleute negative Erfahrungen gemacht, etwa jene, die mit Bürgschaften Flüchtlingen bei der Einreise helfen bzw. deren Aufenthalt sichern wollten. Nun stellt der Bundesgerichtshof in einer ähnlichen Frage klar: Das „Einschleusen“ von Ausländern ist nicht strafbar, wenn die Einreise mit einem gültigen Visum erfolgt.

Die Staatsanwaltschaft München I ging gegen mutmaßliche Schleuser vor, die Menschen aus Nepal angeblich einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland verschaffen wollten. Etwa durch spätere Scheinehen, die in Dänemark geschlossen wurden und als Grundlage für Aufenthaltserlaubnisse in Deutschland dienen sollten. Allerdings erfolgte die Einreise nach Deutschland legal, denn die deutsche Botschaft hatte ein Visum ausgestellt.

Die Strafverfolger waren jedoch der Meinung, darauf komme es nicht an. Es habe von vornherein der Plan bestanden, die Visa zu missbrauchen. So eine Sicht ist mit den geltenden Regeln nicht vereinbaren, befindet der Bundesgerichtshof. Es komme lediglich auf die formale Rechtmäßigkeit des Dokuments (Visum) an, nicht jedoch auf die Pläne des Reisenden. Wenn nachträglich irgendwelche „Absichten“ ausgelegt würden, könne niemand mehr wissen, ob er sich strafbar macht oder nicht.

Der Bundesgerichtshof bestätigt insoweit die Freisprüche durch das Landgericht München I (Aktenzeichen 1 StR 289/20).

Der Wortlaut als Grenze

Ein Gynäkologe wurde vom Landgericht Dortmund wegen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses nach § 174c Abs. 1 StGB zu einem Jahr und zehn Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Er hatte nach den Feststellungen des Gerichts Patientinnen bei Vorsorgeuntersuchungen im Intimbereich gefilmt.

Diese Verurteilung wurde nun vom Bundesgerichtshof bestätigt. Problematisch war eine Auslgeungsfrage, nämlich ob sich die Frauen dem Arzt wegen einer Krankheit anvertraut hatten, wie es § 174c Abs. 1 StGB fordert. Man könnte nämlich auch argumentieren, dass bei einer Vorsorgeuntersuchung gerade (noch) keine Krankheit vorliegt, sodass § 174c StGB nicht einschlägig wäre.

Das Landgericht hatte mit dem Sinn und Zweck des § 174c StGB argumentiert, da auch bei Vorsorgeuntersuchungen ein geschütztes Vertrauensverhältnis bestehe. Eine reine Auslegung nach dem Sinn und Zweck einer Vorschrift verbietet sich aber insbesondere im Strafrecht, weil das über Art. 103 Abs. 2 GG mit Verfassungsrang ausgestattete Analogieverbot gilt. Das heißt, die Grenze des Wortlauts des jeweiligen Straftatbestands darf nicht zuungunsten des Angeklagten überschritten werden, auch nicht wenn der Sinn und Zweck eines Straftatbestands eine solche Auslegung nahelegt.

Der Bundesgerichtshof stellte daher zusätzlich darauf ab, das Wort „wegen“ in § 174c Abs. 1 StGB könne auch so interpretiert werden, dass man im Hinblick auf eine etwaige, also mögliche Erkrankung, die nicht zwangsläufig vorliegen muss, einen Arzt aufsucht. Mit dieser zusätzlichen Argumentation ist die Auslegung dann nicht zu beanstanden.

Bericht in der Legal Tribune Online

RA Dr. André Bohn

Paketbote darf nicht scannen (am Steuer)

Paketboten dürfen während der Fahrt den Paketscanner nicht benutzen. Das Oberlandesgericht Hamm bestätigte ein entsprechendes Bußgeld gegen einen Auslieferungsfahrer in Höhe von 120,00 €.

Das Handyverbot am Steuer ist schon seit geraumer Zeit viel umfassender gefasst als früher. Praktisch ist jedes elektronische Gerät umfasst (§ 23 StVO). Da ist es natürlich konsequent, wenn die Gerichte auch Paketscanner als solche Geräte einstufen.

An sich ist es auch klar, dass das Hantieren mit dem Scanner während der Fahrt die Sicherheit gefährdet. Problematisch könnte es für Boten aber werden, weil sich das Fahrzeug nicht unbedingt bewegen muss. Vielmehr gilt das Paketscannerverbot auch bei stehenden Fahrzeugen, so lange der Motor nicht (vollständig) ausgeschaltet ist. Das könnte die Arbeitssituation von Paketboten dann doch stark betreffen – sofern sich Polizisten finden, die einen noch laufenden Motor zum Thema machen (Aktenzeichen 4 RBs 345/20).

Entschädigung auch bei Streik

Airlines müssen an Passagiere die gesetzlich vorgeschriebene Entschädigung auch zahlen, wenn ein Flug wegen eines Streiks ausfällt. Ein Arbeitskampf sei Teil der normalen Tätigkeit eines Unternehmens und somit keine höhere Gewalt, urteilt der Europäische Gerichtshof.

Hintergrund des Rechtsstreits ist ein Fall aus Skandinavien. Ein Fluggast verlangte einen Ausgleich von 250 Euro, weil ein für April 2019 geplanter Flug von Malmö nach Stockholm ausfiel. An diesem Tag streikten Piloten in Norwegen, Schweden und Dänemark.

Die Fluggesellschaft argumentierte, wegen der mehrtägigen Arbeitsniederlegung seien mehr als 4.000 Flüge gestrichen worden, 400.000 Reisende seien betroffen gewesen. Wenn jeder Fluggast die EU-Standardentschädigung erhalte, wären laut Fluggesellschaft Kosten in Höhe von etwa 120 Millionen Euro entstanden. Alleine die Summe ändert nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs aber nichts am Grundsatz, dass eine Flugentschädigung auch bei einem im EU-Mitgliedsland arbeitsrechtlich zulässigen Streik des Personals zu zahlen ist (Aktenzeichen C-28/20)

Komplettes Desinteresse

Derzeit laufen etliche Verfahren, in denen Kommunikation mutmaßlich Krinmineller über den Anbieter EncroChat als Beweismittel eine große Rolle spielt.

Enchrochat war ein Unternehmen, das Crypto-Handys und ein in sich geschlossenes Kommunikationsnetzwerk bereitstellte. Ausführlichere Informationen bei Wikipedia.

Französische Behörden hackten sich in das Netzwerk mit der Folge, dass die gesamte Kommunikation auf einmal für die Behörden sichtbar wurde. Es gab nun schon einige Urteile zu der Verwertbarkeit der durch den behördlichen Hackerangriff erlangten Beweise. Die Chats werden von den zuständigen, möglicherweise auch den unzuständigen Behörden munter weltweit verbreitet.

Nun hat das Oberlandesgericht Hamburg zu der Verwertbarkeit Stellung bezogen. In dem Beschluss heißt es wörtlich:

(ddd) Hiervon unabhängig würden die Voraussetzungen für ein Verwertungsverbot auch dann nicht vorliegen, wenn das Vorgehen der französischen Behörden teilweise als nicht mehr hinnehmbar rechtsstaatwidrig begriffen werden würde…

Unabhängig davon, dass es als Strafverteidiger mein Job ist, Probleme mit der Verwertbarkeit von Beweismitteln anzusprechen und im Zweifel die Unverwertbarkeit durchzusetzen, finde ich es schon ein starkes Stück, dass das Oberlandesgericht einfach frank und drei behauptet, dass auch die nicht mehr hinnehmbar rechtsstaatswidrige Erlangung von Beweismitteln auf keinen Fall zur Unverwertbarkeit führt.

Wenn man das weiterdenkt, kann man auch generell den Grundsatz aufstellen, dass es gar keine Beweisverwertungsverbote (mehr) in Deutschland gibt. Die Grenzen sind ohnehin schon sehr aufgeweicht, weil die Rechtsprechung im Zweifel die Schwere der vorgeworfenen Taten in die Abwägung hinsichtlich der Verwertbarkeit von Beweismitteln einbezieht. Außerdem gilt in Deutschland, dass die sogenannten Früchte vom verbotenen Baum, also Beweismittel, die nur aufgrund eines nicht verwertbaren Beweismittels gefunden wurden, trotzdem verwertbar sind.

Sprich: Wird ein mutmaßlicher Mörder unter Folter dazu gezwungen zu verraten, wo die Leiche ist, ist zwar die Aussage unverwertbar, alles was man dann am Fundort der Leiche findet, kann aber verwertet werden.

Das komplette Desinteresse des Oberlandesgericht Hamburg an der Frage von Beweisverwertungsverboten geht aber sogar noch darüber hinaus. Zu dem Thema äußert sich auch Rechtsanwalt Detlef Burhoff in seinem Blog. Dort findet sich auch der Link zu dem Beschluss.

RA Dr. André Bohn

Online-Casino: Geld zurück für Kreditkartenzahler

Wer im Online-Glücksspiel gewonnen hat, braucht nicht weiter zu lesen. Ich vermute aber, die Zahl unter den Lesern wird sich in Grenzen halten. Wer dagegen tatsächlich schon mal online Geld verzockt hat, für den könnte ein Urteil des Amtsgerichts Leverkusen interessant sein.

Ein Spieler hatte seine Einsätze mit der Mastercard bezahlt. Insgesamt gab er 800,00 € aus, für die er seine Kreditlinie in Anspruch nahm. Allerdings weigerte er sich dann, an Mastercard zu zahlen, worauf das Unternehmen klagte.

Das Amtsgericht Leverkusen weist auf einen unbestreitbaren Fakt hin: Die weitaus meisten Online-Casinos agieren illegal, wenn sie Kunden aus Deutschland spielen lassen. Damit habe es sich bei dem Glücksspiel um eine „gesetzlich verbotene Veranstaltung“ gehandelt. Mastercard dürfe hieran als Zahlungsdienstleister nicht mitwirken. Den Einwand von Mastercard, es laufe alles automatisiert ab, hält das Gericht für unbeachtlich (Aktenzeichen 26 C 346/18). Es gibt auch noch andere Entscheidungen in diese Richtung, zum Beispiel Landgericht Gießen Aktenzeichen 4 O 84/20.

„Sicher im Rechtssinne“

Das beA (besonderes elektronisches Anwaltspostfach) hat eine Schwachstelle. Die Nachrichten sind zwar verschlüsselt, werden auf dem Transportweg aber im Rechenzentrum „umgeschlüsselt“. Das heißt, es erfolgt keine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, wie sie jedenfalls technisch möglich ist. Daran wird sich auch nichts ändern – einem aktuellen Beschluss des Bundesgerichtshofs sei Dank.

Anwälte, die Gebühren für das beA zahlen und es auch nutzen müssen, hatten auf eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung geklagt. Diese sei zum einen an sich Standard, zum anderen auch problemlos umsetzbar. Die Umschlüsselung halten sie für ein Sicherheitsrisiko, gerade mit Blick auf den möglichen Zugriff staatlicher Stellen.

Der Bundesgerichtshof sieht dagegen einen Spielraum für die Rechtsanwaltskammer, wie diese das beA in die Praxis umsetzt. Es komme nicht darauf an, ob eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung erfolge. Sondern darauf, und jetzt bitte festhalten, ob die IT-Architektur des beA „sicher im Rechtssinne“ ist. Was sie – trotz der Umschlüsselung – ist, so der Bundesgerichtshof.

Sicher ist also etwas, wenn es für sicher erklärt wird. Könnte mir gut vorstellen, dass der Beschluss nicht nur in IT-Kreisen für Erheiterung sorgt (Aktenzeichen AnwZ (Brfg) 2/20).

Software-Update direkt vom BKA

Netzpolitik.org berichtet heute über eine fragwürdige Aktion des Bundeskriminalamts. Danach hat die Behörde ungefragt und ohne Information der Betroffenen Software auf viele tausend Rechner aufgespielt, nicht nur in Deutschland. Dabei handelt es sich um eine Art Update der bei einer länderübergreifenden Razzia hochgegangenen Erpresser-Software „Emotet“.

Dies soll zum einen geschehen sein, um das Ausmaß der Emotet-Verbreitung feststellen zu können, was natürlich für die Verfolgung der mumtmaßlichen Täter wichtig ist. Zum anderen gibt das Bundeskriminalamt sich als Samariter: Die modifizierte Software bereinige die Systeme – und deinstalliere sich Ende April auch noch selbst.

Im Beitrag von netzolitik.org wird zutreffend darauf hingewiesen, dass es ein Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität von IT-Systemen gibt. Dies bedeutet, dass der Staat nicht ohne ausreichende Rechtsgrundlage auf Datenträgern schnüffeln und die Systeme auch nicht manipulieren darf. Zitierte Experten kommen einmütig zum Ergebnis, dass die Aktion des BKA nicht von der geltenden Rechtslage gedeckt ist. Sogar der Behördenchef selbst soll im Bundestag zugegeben haben, dass die Grenzen des rechtlich Möglichen überschritten worden sein könnten. Auch die Zuständigkeit des BKA an sich ist höchst fragwürdig – Gefahrenabwehr ist Ländersache. Und die Begeisterung in anderen Ländern, dass deutsche Behörden auf die Rechner dortiger Bürger zugreifen, dürfte sich auch in Grenzen halten.

Zum Artikel auf netzpolitik.org