Neuer Streitwert soll Amtsgerichte retten

Momentan werden vor den Amtsgerichten Zivilverfahren verhandelt, deren Streitwert 5.000 Euro nicht übersteigt. Das soll sich ändern. Künftig soll der Streitwert auf 8.000 Euro steigen. Damit will das Bundesjustizministerium nach eigenen Angaben dafür sorgen, dass mehr Prozesse beim Amtsgericht (vor Ort) verhandelt werden. So lasse sich die Schließung kleiner Amtsgerichte verhindern.

Der jetzt vorgestellte Gesetzentwurf will auch die Spezialisierung der Gerichte stärken. So sollen nachbarrechtliche Streitigkeiten stets an den Amtsgerichten verhandelt werden. Prozesse zu den Themen Heilbehandlung, Vergaberecht und Presserecht sind für die Landgerichte vorgesehen. Das Gesetzgebungsverfahren beginnt erst, so dass die Reform sicher noch einige Zeit auf sich warten lässt.

Die Masche mit dem Online-Sex

Zu einem Milliardengeschäft entwickelt sich derzeit die „Sextortion“. Es beginnt mit einem Flirt auf Datingplattformen, später werden die Opfer zu freizügigen Videochats verführt. An deren Ende steht dann die erpresserische Forderung nach Geld. Ansonsten wird damit gedroht, die Videos dem Freundeskreis des Opfers oder seiner Familie zuzuspielen. Bis zu 20 Fälle wöchentlich werden alleine bei der Kriminalpolizei in Braunschweig angezeigt.

Der NDR hat in regelrechten Betrugsfabriken recherchiert, etwa in Myanmar oder Kambodscha. Aber auch in Afrika werde die Masche stramm organisiert durchgezogen. Opfer seien meist junge Männer, es wird aber auch von „Romance Scams“ gegenüber Frauen berichtet. Die Polizei fühlt sich schon durch die bloßen Zahlen überfordert. Außerdem seien Ermittlungen im Ausland oft schwierig, und durch den verstärkten Einsatz Künstlicher Intelligenz werde das Ganze auch nicht leichter.

Die Dunkelziffer ist kaum abzuschätzen, denn viele Geschädigte werden lieber zahlen, als die Polizei einzuschalten. Minimieren lässt sich das Risiko in der Tat nur, wenn man bei Onlinebekanntschaften und vermeintlich intimen Chats besonders vorsichtig ist.

Ex-Wirecard-Chef verliert seine Anwälte

Der Hauptangeklagte im Wirecard-Prozess verliert seine Wahlverteidiger aus der Kanzlei Dierlamm. Die bisher für Ex-CEO Markus Braun tätigen Anwälte legen ihr Mandat nieder. Den Grund teilen sie in einem Brief an das Landgerich München mit. Danach gibt es keinen inhaltlichen oder persönlichen Streit mit Braun. Vielmehr sei kein Geld mehr da. Nun müssen die Pflichtverteidiger die Verteidigung organisieren. Zwei der drei Pflichtverteidiger wurden bereits zu Beginn des Verfahrens vom Gericht zur Verfahrenssicherung beigeordnet, wie das in Großverfahren üblich ist. Einen der bisherigen Wahlverteidiger ordnete das Gericht Braun nun bei.

Braun hat eine sehr umfangreiche Manager-Versicherung. Diese verweigerte anfangs die Übernahme der Kosten, verlor aber vor Gericht. Nun ist mutmaßlich die Deckungsgrenze erreicht, so dass Brauns Anwaltsteam ohne Honorarzahlungen auskommen müsste – es sei denn ihr Mandant kann oder will eine andere Geldquelle organisieren. Die Mandatsniederlegung sieht natürlich ein wenig so aus, als würden die Anwälte ihren Mandanten auf der Zielgeraden im Stich lassen. Allerdings dürften die Verteidiger gegenüber Braun nicht verheimlicht haben, dass sie nur für Geld arbeiten. Bei dem Verfahren, das als einer der größten Wirtschaftsprozesse der bundesdeutschen Geschichte gilt, wäre schon wegen des Arbeitsaufwandes alles andere eine Überraschung.

Näheres beim Handelsblatt

Wagenknecht-Partei klagt sich in die „Wahlarena“

Der WDR hat dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) zu Unrecht einen Platz in der „Wahlarena“ verweigert. In dem ARD-Format diskutieren morgen die Spitzenkandidaten der Parteien für die anstehende Europawahl. Die Richter am Oberverwaltungsgericht Münster verweisen auf die „abgestufte Chancengleichheit“ der politischen Parteien. Danach habe der BSW-Spitzenkandidat Fabio De Masi durchaus einen Anspruch auf Teilnahme an der Sendung.

Als eher windig schätzen die Richter offenbar die Argumentation des WDR ein, in der Sendung solle es vor allem um die zurückliegende Wahlperiode gehen. Da das BSW bislang keinen Europaabgeordneten stellt, kann es laut WDR nicht zum Rückblick beitragen. Das gewählte Format eines „Townhall Meetings“ lasse aber eher zukunftsgerichtete Fragen erwarten, merkt das OVG durchaus süffisant an.

Sehr direkt wird das Gericht auch bei einer Einschätzung der Wahlchancen des BSW. Dieses bewege sich in einem „Umfragekorridor“ von 4 bis 7 Prozent, aktuelle Umfragen sprächen von 6 bis 7 Prozent. Damit seien die Wahlchancen des BSW höher als die aktuellen Prognosen für FDP und Die Linke, welche direkt in die Wahlarena eingeladen wurden. Der Beschluss ist unanfechtbar, so dass dem WDR höchstens noch die Absage der Veranstaltung bleibt (Aktenzeichen 13 B 494/24).

Elektronische Kommunikation: Finanzämter koppeln sich ab

Die Finanzämter möchten nicht, dass ihnen Anwälte über das beA (besonderes elektronisches Anwaltspostfach) schreiben. Im geplanten Jahressteuergesetz wird dieser Kommunikationsweg ausdrücklich untersagt. Und das, obwohl das beA Teil des mit Riesenaufwand installierten Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs (EGVP) ist, mit dem an sich eine einheitliche Erreichbarkeit von Behörden und Gerichten angestrebt wird.

Stattdessen möchte das Bundesfinanzministerium Rechtsanwälte und auf die Systeme ELSTER bzw. eine Schnittstelle namens EriC verweisen. Zur Begründung verweist das Ministerium alleine auf die Kostenseite, spricht von „überdurchschnittlichen Belastungen“, wie man in einem ausführlichen Bericht auf beck-aktuell nachlesen kann. Während Anwälte mit Gerichten gar nicht mehr anders korrespondieren dürfen als über das beA, soll genau das gegenüber dem Finanzamt verboten werden. Der Aufwand für die Installation von System, die den Finanzbehörden genehm sind, läge dann wiederum bei den Anwälten und Steuerberatern, die ebenfalls das beA nutzen können.

Die Rechtsanwaltskammer weist darauf hin, dass der dem beA und dem EGVP zugrunde liegende Standard als Maßstab für das komplette E-Government gilt. Die Pläne des Finanzministeriums widersprächen „der Idee eines einheitlichen elektronischen Rechtsverkehrs“.

Kein Netz – Anbieter müssen ab dem dritten Tag zahlen

Nach einer Großstörung vor einigen Tagen hat hat der Mobilfunkbetreiber 1 & 1 seinen Kunden Erstattungen in Aussicht gestellt. Auf die Kulanz der Anbieter ist man allerdings seit Ende 2021 nicht mehr angewiesen. Es gibt auch gesetzliche Entschädigungsregeln, und die gelten in jedem Einzelfall.

Wenn das Netz vollständig ausfällt, muss der Anbieter ab dem dritten Tag der Störung Geld zahlen. Die Entschädigung beläuft sich für den dritten und vierten Tag der Störung auf 5 Euro oder 10 % der Grundgebühr, je nachdem was höher ist. Ab dem fünften Tag werden 10 Euro fällig oder 20 % der Grundgebühr. Die Fristen laufen ab dem Tag, an dem der Kunde die Störung gemeldet hat. Kann der Anbieter die Störung nicht innerhalb eines Tages beseitigen, muss er den Kunden spätestens am nächsten Tag informieren, was zur Störungsbeseitigung geplant ist und wie lange die Probleme voraussichtlich weiter bestehen.

Das sind, wie gesagt, die gesetzlichen Mindestrechte. Die gesetzlichen Entschädigungen werden übrigens angerechnet, falls der Kunde durch den Netzausfall höhere Schäden erlitten hat und diese geltend macht.

Neue Betrugsmasche mit Gutscheinkarten

Die Polizei in Erfurt warnt vor einer Betrugsmasche mit Gutscheinkarten. Dabei tauschen Kriminelle die Barcodes auf den Karten aus, ohne dass dies dem Personal oder dem Käufer auffallen muss. Bei der Aktivierung an der Kasse wird der Gutscheinwert auf den anderen Gutschein gebucht; eventuelle Sicherheitscodes finden die Täter dann auf dem Gutschein. Der Gutschein des Kunden ist wertlos, die Einlösung scheitert.

Näheres kann man in einem Bericht des MDR nachlesen. Danach soll es rechtlich zweifelhaft sein, ob man als Kunde Ersatz verlangen kann. Das sehe ich nicht so. Ein Gutschein ist ein sogenanntes Inhaberpapier (§ 807 BGB). Man kann den Gutschein also weitergeben, und der jeweilige Inhaber kann die Einlösung verlangen. Hier ist aber entscheidend, dass der Händler gar kein betreffendes Guthaben auf den konkreten Gutschein übertragen hat. Sondern eben unabsichtlich auf die Karte, die zu dem missbrauchten Bar- oder Gutscheincode gehört. Von daher hat der Verkäufer seine Leistungspflicht gegenüber dem – hoffentlich – ahnungslosen Kunden nicht erfüllt. Er muss also einen neuen Gutschein ausstellen oder Ersatz leisten. Deshalb wird auch berichtet, dass Händler geschädigte Kunden eher nicht im Regen stehen lassen.

Auf jeden Fall sollte man die Kaufquittung nicht achtlos wegwerfen. Mit dem Beleg dürfte es einfach sein, die Manipulation zu belegen.

„Für einen guten Zweck“

Heute habe ich erfahren, dass einer meiner Mandanten gestorben ist. Seit Oktober 2023 hatte er ein Ermittlungsverfahren am Hals – und zwar einen Verbrechensvorwurf. Bei so einem schweren Vorwurf hat man Anspruch auf einen Pflichtverteidiger. Deshalb habe ich auch gleich meine Beiordnung als Pflichtverteidiger beantragt. Auf eine Antwort auf den Antrag warte ich noch heute…

An sich ist die Rechtslage bei schweren Straftaten klar. Wenn der Beschuldigte einen Verteidiger verlangt, muss ihm ein Anwalt beigeordnet werden. In der Praxis werden diese Anträge aber gern verschleppt. In meinem Fall war es aus taktischen Gründen auch nicht sinnvoll, ständig nachzufragen. Deshalb ließ ich die Sache erst mal laufen, dementsprechend bin ich bis heute nicht als Pflichtverteidiger beigeordnet.

Mir ist schon klar, was jetzt passiert. Auf meine Nachfrage wird die Staatsanwaltschaft schreiben, mein Mandant sei ja tot, das Verfahren eingestellt. Für die Beiordnung eines Pflichtverteidigers gebe es keinen Grund. Was aber nicht ganz stimmt. Es gibt nun schon einige Urteile, die ganz klar sagen: Es kommt auf den Zeitpunkt an, in dem die Beiordnung beantragt wird. Verzögerungen bei der Entscheidung über den Antrag gehen nicht zu Lasten des Beschuldigten, auch nicht zu Lasten des Anwalts. Auch wenn ich sonst genug zu tun habe, werde ich die Sache im Zweifel durchkämpfen, um die bislang angefallenen Pflichtverteidigergebühren zu bekommen.

Die werde ich dann an die Krebshilfe spenden. Dem Mandanten hätte es gefallen.

Suizidrisiko verhindert Abschiebung

Mit einem heute veröffentlichten Beschluss verhindert das Bundesverfassungsgericht die Abschiebung eines türkischen Straftäters in seine Heimat. Das Oberlandesgericht Braunscheig hatte die Auslieferung mehrfach gebilligt – trotz möglicher Suizidabsichten des Betroffenen. Zur Begründung wiesen die Braunschweiger Richter darauf, dass im zuständigen türkischen Gefängnis ein Psychologe bereit stehe. Außerdem gebe es dort ein Programm zur Suizid- und Selbstverletzungsprävention. Doch das reicht den Verfassungsrichtern nicht, sie verlangen zumindest ein Sachverständigengutachten.

Der Fall ist auch deshalb interessant, weil der Mann sowohl in der Türkei als auch in Deutschland mit der Strafjustiz in Konflikt geraten ist. In Deutschland saß er im Maßregelvollzug, in der Türkei wurde er wegen Diebstahls und „Qualifizierten Diebstahls“ zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Nachdem er in Deutschland entlassen wurde, verlangten die türkischen Behörden seine Auslieferung, damit er die dortige Strafe antritt. Noch während seines Aufenthalts im deutschen Vollzug unternahm der Mann einen Selbstmordversuch. In der später angeordneten Abschiebehaft bescheinigten ihm mehrere Ärzte und auch das Abschiebegefängnis, dass er nicht in die Türkei abgeschoben werden sollte.

Zur Begründung hieß es etwa, der Betroffene bedürfe täglicher medizinischer Behandlung. Diese Behandlung sei in der Türkei nicht durchführbar. Ein anderer Arzt bezweifelte die Reisetauglichkeit des Mannes. Dem widersprach das Oberlandesgericht Braunschweig aber ausdrücklich mit dem Hinweis auf die psychologische Betreuung im türkischen Gefängnis und ordnete die Abschiebung an. Damit stoßen die Richter beim Verfassungsgericht auf Widerstand. Für die Karlsruher Richter ist es schon zweifelhaft, „ob ein einziger Psychologe, der für sämtliche Häftlinge in der Anstalt verantwortlich ist, allein die zeitlichen Kapazitäten“ für die Betreuung des Betroffenen hat. Außerdem werde nicht berücksichtig, dass auch auf dem Transport was passieren könne. Auch hier müssen, so das Verfassungsgericht, Selbstmordversuche wirksam verhindert werden.

Im Ergebnis sollen also jetzt Sachverständige klären, ob ein türkischer Staatsbürger, der in der Türkei Straftaten begangen hat, in der Türkei seine Haftstrafe zumindet bis zu seiner Genesung nicht absitzen muss, weil er sich, wie es in einer der Stellungnahmen heißt, bislang „nicht ausreichend von seiner Suizidalität distanziert“ hat. Wir werden sicher bald wieder von dem Fall hören (Aktenzeichen 2 BvR 1694/23).

Anwaltshonorar aus Moskau?

Der Verteidiger des Berliner Tiergarten-Mörders soll hunderttausende Euro von einer kremlnahen Stiftung erhalten haben. Der Angeklagte hatte 2019 im Auftrag Moskaus den tschetschenischen Exil-Georgier Zelimkhan Khangoshvili erschossen. Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt.

Laut Berichten hat der Strafverteidiger alleine für die letzten zehn Hauptverhandlungstage 60.000 Euro abgerechnet. Der Tagessatz ist sicherlich ordentlich. Aber besteht ansonsten Grund, das Honorar aus Moskau als anrüchig zu betrachten? Dass Strafverteidiger von Dritten bezahlt werden, ist erst mal nicht verboten. Oft sind es ja gerade Angehörige oder Freunde, die für Beschuldigte einspringen. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass Firmen oder Organisationen Beschuldigten mit Geld helfen. Gerade Aktivisten aus den unterschiedlichsten Lagern haben oft so eine Art „Rechtsschutz“.

Wenn der betreffende Anwalt seine Honorare ordnungsgemäß abgerechnet hat, dürfte es kein Problem geben. Verboten sind Dritthonorare nur in zwei Konstellationen. Erstens: Der Anwalt weiß positiv, dass sein Honorar aus Straftaten stammt (Geldwäsche). Zweitens: Der Auftraggeber möchte mit der Zahlung den Anwalt dazu bringen, seinem Mandanten zu schaden (Parteiverrat). Wenn das nicht vorliegt, dürfte der Kollege sich kaum angreifbar gemacht haben. Wenn die angeblichen Zahlungen aber schon während des Prozesses rausgekommen wären, hätte es die Verteidigung aber sicher auch nicht erleichtert.

Ohne Kaufvertrag keine Vorkasse

Viele Online-Händler verschieben das Zustandekommen des Kaufvertrags zeitlich nach hinten. Der Discounter Netto regelte für seinen Online-Shop sogar, dass der Kaufvertrag erst mit der Lieferung der Ware zustande kommt. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Kunden längst gezahlt, etwa bei der Option „Vorauskasse“. Diese Praxis erklärt das Oberlandesgericht Nürnberg für unzulässig.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband hatte vor Gericht moniert, dass Vorkasse-Kunden nach der Zahlung in einer Art rechtlosen Raum schweben. Zwar hatten sie gezahlt, der Vertrag sei aber noch gar nicht wirksam. Bei Speditionslieferung nennte Netto eine Lieferzeit von ca. 10 Werktagen – in der Zeit kann viel passieren. Scheitere die Lieferung, hätten die Kunden nur einen Rückzahlungsanspruch, könnten mangels Vertrag aber keine Lieferung verlangen oder Schadensersatzansprüche geltend machen. Dies widerspricht laut Gericht dem Grundsatz, dass im Verbraucherrecht eine Leistung (Zahlung) immer auch einen verbindlichen Anspruch, etwa auf Lieferung, auslösen muss.

Überdies könnten Kunden nicht erkennen, wie lange sie an ihre Bestellung gebunden seien, gerade bei circa-Fristen. Das Urteil gegen Netto ist rechtskräftig (Aktenzeichen 3 U 1594/23).

Schwenkbare Videokameras können unzulässig sein

Das Aufstellen einer schwenkbaren Überwachungskamera ist schon dann unzulässig, wenn die Kamera auf das Grundstück des Nachbarn gerichtet werden kann. Dies hat das Amtsgericht Gelnhausen entschieden.

Nachbarn hatten sich von einer Kamera gestört gefühlt. Hiergegen wandte der Grundstückseigentümer ein, die Kamera sei nur auf sein Grundstück gerichtet. Allerdings war unstreitig, dass die Kamera schwenkbar ist und auf Knopfdruck ferngesteuert werden kann. Schon die bloße Möglichkeit des Kameraschwenks erzeugt laut dem Gericht einen Überwachungsdruck. Dadurch werde das allgemein Persönlichkeitsrecht der Nachbarn verletzt. Bei fest installierten Kameras entfalle dieser Überwachungsdruck nur, wenn das Kameraobjektiv nur „mit erheblichem und sichtbaren manuellen Aufwand“ auf das Grundstück gerichtet werden kann (Aktenzeichen 52 C 70/24).

Aluhut-Träger muss aufs Auto verzichten

Den berühmten Aluhut-Träger gibt es wirklich. In Hessen. Dort versuchte sich ein Mann gegen „EMW-Terroristen“ zu wehren, indem er im Auto eine mit Alufolie umwickelte Bleischale und eine Bleiweste mit sich führte. Das fanden Polizisten bei einer Kontrolle merkwürdig, die spätere Korrespondenz des Mannes mit der Führerscheinstelle sorgte für den juristischen Rest.

Gegenüber dem Amt gab der Mann auf Rückfrage an, sein Schicksal könne nur erahnen, wer eine EMW-Attacke persönlich erlebt und überlebt habe. Der Sachbearbeiter beim Straßenverkehrsamt gehöre offensichtlich nicht dazu. Dies alles quittierte die Behörde mit einer MPU-Anordnung, weil der Mann möglicherweise psychisch krank sei.

Vor dem Verwaltungsgericht Gießen konnte der Aluhut-Träger sogar einen Erfolg verbuchen. Das Gericht meinte, „abwegige“ Äußerungen und verschrobenes Verhalten seien allein kein Grund, an der Fahreignung zu zweifeln. Auch angebliche Fahrfehler des Mannes, dem die Polizei nach der Kontrolle ein Stück hinterher fuhr, könnten auf seine Nervosität zurückzuführen sein.

Die nächste Instanz bewertet den Fall aber etwas anders. Die Richter am Verwaltungsgerichtshof Hessen setzten die vorläufige Führerscheinentziehung wieder in Kraft. Dabei hielten sie dem Mann vor, er habe bei der Polizeikontrolle angeblich seinen Wohnort mit dem „Tatort“ verwechselt. Eine abschließende Entscheidung ist noch nicht bekannt (Aktenzeichen 6 K 2554/22 GI).

#DubisteinMann ist zulässige Meinungsäußerung

Wegen des ihr gegenüber verwendeten Hashtags „DubistEinMann“ hat eine Transfrau bis vor das Oberlandesgericht Frankfurt am Main eskaliert. Allerdings erfolglos. Das Recht auf freie Meinungsäußerung geht in diesem Fall vor, so das Gericht.

Die Journalistin und Transfrau hatte auf X dazu aufgerufen, den Deutschen Frauenrat gegen negative Kommentare zu unterstützen. Dort tummelten sich ihrer Meinung nach zu viele #TERFs. Ihre Kontrahentin reagierte mit lachenden Smileys und dem Hinweis „times changed! #DubistEinMann“.

Das Gericht sieht in der Verwendung eines Hashtags schon keine „direkte persönliche Ansprache“, sondern eine verallgemeinernde, an jede Transfrau gerichtete Aussage. Schon deswegen sei nicht erkennbar, dass die Journalistin „losgelöst vom Inhalt ihres Posts abseits der Sachdebatte“ herabgewürdigt und diffamiert werden sollte.

Dabei berücksichtigt das Gericht auch, dass sich die Journalistin selbst als „Aktivistin“ immer wieder in die Öffentlichkeit begeben hat, indem sie ihr eigenes Geschlecht und die Selbstbestimmungsdebatte zum Thema machte. Die Journalistin zog ihren Antrag letztlich zurück (Aktenzeichen 16 U 95/23).

Ein Freispruch ist ein Freispruch

Die Gefahr erneuter Strafverfolgung nach einem Freispruch ist vom Tisch – auch wenn es um Mord geht. Das Bundesverfassungsgericht entschied in einer heute bekanntgegebenen Entscheidung, dass auch bei schwersten Straftaten ein neuer Prozess unzulässig ist. Grundlage ist eine Gesetzesänderung der Großen Koalition aus dem Jahr 2021 , welche so was bei Mordfällen und Kriegsverbrechen vorsah.

Der mutmaßliche Mörder der 17-jährigen Friederike M. war 1983 rechtskräftig freigesprochen worden. 2012 tauchten erneute Spuren auf, jedoch konnte er wegen des Verbots der Doppelverfolgung nicht erneut angeklagt werden. Das änderte sich mit der Gesetzesreform. Schon der Bundespräsident unterschrieb das Gesetz nur mit Bedenken. Das Bundesverfassungsgericht setzte den mittlerweile ergangenen Haftbefehl gegen den Verdächtigen Ende 2022 außer Vollzug.

Nun stellt Karlsruhe klar, ein Freispruch ist ein Freispruch. Rechtssicherheit sei wichtiger als das Prinzip der materiellen Gerechtigkeit, heißt es in dem Beschluss. Das Verbot der Doppelverfolgung nach Art. 103 Grundgesetz sei „abwägungsfest“ (Aktenzeichen 2 BvR 900/22).