Die Sache mit den Zitronen

In einem Strafprozess vertreten wir die Nebenklägerin. Es geht um eine Vergewaltigung. In der ersten Verhandlung vor dem Schöffengericht handelte sich der Angeklagte zwei Jahre Gefängnis ein. Aber auf Bewährung, und das ist natürlich sehr wichtig.

Der Angeklagte konnte mit dem Ergebnis eigentlich zufrieden sein. Immerhin hatte das Gericht – wegen seines Geständnisses und der Bereitschaft, Schmerzensgeld an die Betroffene zu zahlen – unter spürbaren Bauchschmerzen nur die absolut denkbare Mindeststrafe verhängt, so dass haarscharf noch eine Bewährung möglich war.

Der Angeklagte legte trotzdem Berufung gegen das Urteil ein. Gemusst hätte er das nicht. In der Berufungsverhandlung fiel der Richterin auf, dass kein Eröffnungsbeschluss in der Akte war. Auch sonst ließ sich nicht feststellen, dass das Gericht über die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheiden wollte. Das kommt schon mal vor, hat aber fatale Auswirkungen. Ohne Eröffnungsbeschluss ist das Urteil faktisch gegenstandslos, sofern Rechtsmittel eingelegt werden. Das war ja der Fall.

Im Ergebnis, verfahrenstechnische Einzelheiten lasse ich mal weg, musste die Verhandlung neu beginnen, und zwar in der 1. Instanz. So kam es. In der Berufungsverhandlung hätte eigentlich das sogenannte Verschlechterungsverbot gegolten, weil nur der Angeklagte in Berufung gegangen war: Eine höhere Strafe als in der ersten Instanz hätte nicht verhängt werden dürfen.

Nun war die Sache aber zurück am Schöffengericht, und das Verschlechterungsverbot galt wegen der Problematik mit dem Eröffnungsbeschluss nicht mehr. Ich weiß nicht, ob der Anwalt des Angeklagten das Problem erkannt hat. Und gar sein Mandant. Jedenfalls ließen die beiden die Verhandlung nun munter laufen. Ergebnis: zwei Jahre und drei Monate Freiheitsstrafe.

Bewährung? Ist bei mehr als zwei Jahren unmöglich. Nun ja, damit nicht genug. Während der Beweisaufnahme ergab sich sogar noch der Verdacht einer weiteren Sexualstraftat zu Lasten einer anderen Frau. Da wird nun wohl auch ermittelt werden.

Immerhin kann der Angeklagte jetzt wieder in Berufung gehen. Momentan sieht es allerdings sehr danach aus, als habe er mit Zitronen gehandelt.

Autor: RA Dr. André Bohn

(Teil-)Erfolg

In den letzten Monaten haben wir einige Breitseiten gegen eine Anklage abgeschossen. Nunmehr scheinen unsere Argumente gefruchtet zu haben. Das Gericht informiert uns darüber, die Staatsanwaltschaft habe die Anklage zurückgenommen.

Leider ist das möglicherweise nur ein Teilerfolg. Denn die Rücknahme einer Anklage bedeutet noch nicht, dass die Staatsanwaltschaft auf die weitere Strafverfolgung verzichtet. Vielmehr kann sie die Anklage auch einfach neu formulieren, also Mängel ausbügeln, und die Anklage wieder bei Gericht einreichen.

In den weitaus meisten Fällen folgt auf die Rücknahme der Anklage aber die Einstellung des Ermittlungsverfahrens. Dann ist die Sache erst mal zu Ende. Zu reden ist dann nur noch über die Kosten. Aber glücklicherweise ist das Gesetz hier eindeutig: Bei Anklagerücknahme muss die Staatskasse alle Kosten übernehmen, auch die dies Verteidigers.

Nichts mehr zu erzwingen

Mitunter kommt es vor, dass die Staatsanwaltschaft nicht ermitteln möchte – aus welchen Gründen auch immer. Jedenfalls keine sachlichen. Diesen Eindruck hatte ich auch im Fall einer Mandantin, die Opfer einer Sexualstraftat geworden ist.

Das Verfahren gegen den Beschuldigten wurde von der Staatsanwaltschaft kurzerhand eingestellt. Mangels Tatverdachts, wie es hieß. Die Begründung hierfür war nicht nur reichlich gestelzt. Sie ignorierte auch völlig den Umstand, dass der Beschuldigte über seinen Anwalt den Sexualkontakt selbst sogar eingeräumt hatte. Der Einstellungsbescheid las sich trotzdem so, als stehe schon gar nicht fest, ob überhaupt was passiert ist.

Die zuständige Generalstaatsanwaltschaft, die über die Beschwerde gegen die Einstellung entscheiden musste, fand das ganz in Ordnung. Unserer Mandantin blieb also nur ein Klageerzwingungsverfahren. Hier sind die Erfolgsaussichten leider extrem gering, schon weil die Begründung hohen formalen Anforderungen genügen muss. Ähnlich wie bei einer Revision. Wenn man da als Richter ein Haar in der Suppe finden will, ist das nicht sonderlich schwer.

Die Erwartungen waren also gedämpft, die weitere Entwicklung umso erfreulicher. Wir kriegten nämlich die Nachricht, die Staatsanwaltschaft habe dem Oberlandesgericht mitgeteilt, dass die Ermittlungen wieder aufgenommen werden. Allerdings ist eher zu vermuten, dass der zuständige Richter einen Anruf gemacht und höflich angefragt hat, ob die Anklagebehörde eine negative Gerichtsentscheidung vermeiden möchte. Mit der Wiederaufnahme der Ermittlungen hat sich der Klageerzwingungsantrag erledigt, weil es ja nichts mehr zu erzwingen gibt.

Was will man mehr.

Gleichheit, umgekehrt

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte am Donnerstag Mitgliedern von Fitnessstudios Hoffnung gemacht – jedenfalls für Bayern. Die Schließung der Studios zur Eindämmung der Corona-Pandeme verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, entschieden die Richter. Andere Indoor-Sportarten waren von der Regelung nämlich nicht erfasst. Einen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung konnte das Gericht nicht erkennen.

Die Freude bei den Freizeitsportlern dürfte sich aber in Grenzen halten. Denn die bayerische Staatsregierung zieht die drastische Konsequenz, indem sie den Gleichheitsgrundsatz nunmehr umgekehrt anwendet. Kurzerhand werden nun alle Indoor-Sportanlagen so behandelt wie Fitnessstudios und müssen schließen. Ausnahmen gibt es nur für den Schul- und den Profisport.

Die bayerische Regierung lässt verlauten, sie hätte am Montag sowieso vorgeschlagen, alle Sportstätten wegen steigender Infektionszahlen zu schließen.

Bericht des Bayerischen Rundfunks

Alle Jahre wieder: Anwaltskalender zu gewinnen

Die Tage werden kürzer, Weihnachten rückt näher. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass es im law blog mal wieder was zu gewinnen gibt. Wir bleiben der Tradition treu: Auch dieses Jahr verlose ich unter allen Leseren den Anwaltskalender des Düsseldorfer Karikaturisten wulkan.

Praktischerweie handelt es sich um den Kalender für das Jahr 2021. Die Teilnahme erweist sich somit als zukunftssicher. Der Anwaltskalender enthält wie immer zwölf Motive aus dem Juristenalltag. Insgesamt gibt es 20 Kalender zu gewinnen. Zehn bezahlt das law blog, die anderen wirft der Karikaturist in den Ring. Letztes Jahr nahmen an der Verlosung knapp 1.200 Leser teil; die Gewinnchance steht demnach nicht allzu schlecht.

Es ist denkbar einfach, einen Kalender zu gewinnen. Bitte schickt eine Mail mit euren Kontaktdaten (Postanschrift für den Versand) an folgende Adresse:

anwaltskalender@web.de

Ihr könnt statt der Mail auch gerne mit einem Kommentar unter diesem Beitrag teilnehmen. Dann müsst ihr aber eure E-Mail-Adresse auf jeden Fall im Textfeld angeben, so dass diese von jedermann gelesen werden kann. Die Angabe im Absenderfeld des Kommentarformulars reicht leider nicht, weil das Kommentarsystem die Absender aus Datenschutzgründen auch für mich nicht vollständig auswirft.

Die Gewinner werden ausschließlich über die angegebene E-Mail-Adresse informiert. Sie erhalten den Kalender rechtzeitig vor Weihnachten ins Haus. Möglich ist auch der Versand an eine andere Adresse, zum Beispiel als Geschenk.

Wichtig: Wer sich nicht auf sein Glück verlassen oder gar mehrere Kalender haben möchte, kann diese auch kaufen. Es gibt den Kalender nur im Direktvertrieb bei wulkan. E-Mail: wulkan@arcor.de. Telefon: 0172 200 35 70. Der Kalender kostet 20,95 Euro zuzüglich 5,80 Euro Versandpauschale. Der Kalender ist auf hochwertigem Papier gedruckt und mit einer Spiralbindung versehen.

Oder um es kurz zu sagen: Der Anwaltskalender 2021 ist das ideale Weihnachtsgeschenk für jeden, der mit Paragrafen zu tun hat.

Hier noch mal die Adressse für die Teilnahme: anwaltskalender@web.de Die Verlosung geht bis zum 24. November. Allen Teilnehmern viel Glück.

(Hinweis: Alle Daten werden nur für die Verlosung genutzt. Sie gehen nicht an Dritte und werden nach Versand der Kalender gelöscht.)

Tragisches Ende einer Ehe

Wenn in den letzten Jahren Menschen in sehr fortgeschrittenem Alter öffentlichkeitswirksam angeklagt wurden, ging es meist darum, dass ihnen Taten im Rahmen des Holocaust vorgeworfen wurden. Momentan steht aber ein 92-Jähriger vor Gericht, weil er seine demente Ehefrau umgebracht haben soll.

Laut Spiegel hat der Angeklagte die Tötung zugegeben. Als Grund gab er über seinen Verteidiger an, er habe seine Ehefrau jahrelang gepflegt, es aber nicht mehr geschafft. Eine Heimunterbringung habe im Raum gestanden.

Der Angeklagte sagte, die Eheleute hätten beide in der Vergangenheit vereinbart, dass sie gemeinsam sterben wollten. Sie seien 70 Jahre glücklich verheiratet gewesen. Nach der Tat wollte der Angeklagte auch sich selbst töten; dies scheiterte jedoch.

Die Staatsanwaltschaft geht von einer verminderten Schuldfähigkeit wegen einer Depression aus. Verantworten muss sich der Angeklagte deshalb (nur) wegen Totschlags. Hintergrund dürfte sein, dass eine heimtückische Tötung nach ständiger Rechtsprechung auch in feindlicher Willensrichtung geschehen muss. Dieses Merkmal kann bei sogenannten Mitnahme-Suiziden der Tötungen aus Mitleid auch verneint werden, je nach konkreter Situation.

Eine Tötung auf Verlangen nach § 216 StGB kommt wahrscheinlich nicht in Betracht, weil die Ehefrau sich nicht dahingehend geäußert hat und dies vermutlich auch nicht mehr konnte.

Autor: RA Dr. André Bohn

Drei Scheiben, mehr als zwei Jahre Haft

Als Reaktion auf die Krawallen in Stuttgart vor einigen Monaten ist ein 18-Jähriger wegen besonders schweren Landfriedensbruchs zu einer Jugendstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt worden. Ab zwei Jahren Freiheitsstrafe ist eine Bewährung nicht möglich.

Der Angeklagte gestand, die Heckscheibe und zwei Seitenscheiben eines Polizeiautos zerstört zu haben. Mir drängt sich – ausgehend von den Presseberichten – der Eindruck auf, dass insbesondere aus generalpräventiven Gründen, also um potenzielle andere Täter abzuschrecken und das Vertrauen der Gesellschaft in die Geltung von Verboten zu stärken, eine so hohe Strafe verhängt wurde.

Dies ist rechtlich zulässig, aber nur innerhalb gewisser Grenzen. Wird der Spielraum schuldangemessenen Strafens verlassen, so ist dies nicht zulässig. Im Mittelpunkt muss jedenfalls immer die konkrete Tat stehen. In der juristischen Literatur wird die Berücksichtigung der Generalprävention im Rahmen des Strafens unter anderem deshalb kritisiert, weil die Verurteilten zu einem reinen Objekt staatliches Handelns gemacht würden und dies gegen die Menschenwürde verstoße.

Autor: RA Dr. André Bohn

Wenn die Polizei mal deeskaliert …

Nach der aus dem Ruder gelaufenen Demonstration der Querdenker am Wochenende in Leipzig hagelt es Kritik an dem Gericht, das die Veranstaltung in der Innenstadt erlaubt hat. Aber es hagelt auch harte Worte gegen Innenminister Roland Wöller (CDU) und an der Polizei. Siehe zum Beispiel hier.

Gegen sachliche Bedenken ist nichts einzuwenden, aber gerade die Kritik an der
Polizei schießt doch etwas über das Ziel hinaus. Sobald die Polizei körperlichen Zwang bei Demonstrationen anwendet, kann sie sich der Kritik normalerweise sicher sein. Stichworte: übertriebene Härte, Polizeigewalt. Versucht die Polizei aber mal zu deeskalieren, ist genau das plötzlich ein unverzeihlicher Fehler.

In der Sache selbst kann doch nicht ernsthaft erwartet werden,
dass die Polizei mit körperlichen Zwang 16.000 Menschen daran hindert, sich in einem genehmigten Demonstrationszug fortzubewegen. Die Polizei muss oft innerhalb von Minuten über die richtigen Maßnahmen entscheiden. Auch das sollte berücksichtigt werden.

Autor: RA Dr. André Bohn

Fahrlässigkeit – oder versuchter Mord?

Durchaus spektakulär ist die Wende in einem Fall, in dem ein Autofahrer wegen einer Trunkenheitsfahrt zu 13 Jahren Haft verurteilt wurde. Der Angeklagte hatte eine Mutter und ihr Kind schwer verletzt. Nun beschäftigte der Fall erneut das Berliner Landgericht – der Bundesgerichtshof hatte das erste Urteil kassiert.

Am Ende bleibt vom Vorwurf des versuchten Mordes nichts übrig. Stattdessen muss sich der Angeklagte „nur“ wegen fahrlässiger Körperverletzung, tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte, Trunkenheit im Verkehr und Unfallflucht verantworten. Im Ergebnis ergab das eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten, außerdem Führerscheinverlust und eine Entziehungskur.

Wie es zu der Wende kam, kann man bei Spiegel Online nachlesen. Dieses Urteil zeigt, dass die – keineswegs eindeutige – Abgrenzung zwischen
Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit einen fast unglaublichen Unterschied beim Strafmaß mit sich bringen kann.

Autor: RA Dr. André Bohn

Deutschland Taserland

Personen in Berlin, Frankfurt a. M. und Kaiserlautern aufgepasst: Seit Montag setzt die Bundespolizei probeweise in diesen Städten Taser ein. Begründung: Man wolle Angreifer und sonstige Adressaten nicht dem tödlichen Risiko des Schusswaffeneinsatzes aussetzen.

Allerdings tut ein Angriff mit dem Taser nicht nur weh, sondern kann leider auch tödlich enden. Zum Beispiel hat Amnesty International entsprechende Todesfälle in den USA dokumentiert. Es wird interessant sein zu sehen, ob die Hemmschwelle für den Gewalteinsatz durch Taser sinkt.

Autor: RA Dr. André Bohn

Das (übertragbare) Ticket liegt zu Hause…

Heute morgen war ich auf dem Weg zu einem auswärtigen Prozess. Just in dem Moment, in dem ich in den Zug stieg, merkte ich, dass ich mein Portemonnaie, in dem unter anderem mein übertragbares Ticket 2000 war, vergessen hatte.

Aussteigen, nach Hause das Portemonnaie holen und zum Prozess fahren, wäre knapp geworden, zumal der Zug bereits langsam anfuhr. Ein paar Sekunden später kam bereits der Kontrolleur, dem ich meine Situation erklärte. Er beharrte darauf, mir das erhöhte Beförderungsentgelt in Rechnung zu stellen. Ich könne ja versuchen, das Ticket nachzureichen. Dies würde aber in der Regel nur bei nicht übertragbaren Tickets akzeptiert.

Ausweisen konnte ich mich natürlich auch nicht, weil ich ja kein Portemonnaie dabei hatte. Meinen Namen und meine Adresse wollte der Kontrolleur trotzdem wissen. Man ist zwar nicht verpflichtet, ihm die Daten zu geben; dann hätte er aber wahrscheinlich die Polizei hinzugezogen. Ich spielte mit dem Gedanken, ihm einfach falsche Informationen zu geben, hatte aber juristentypische Bedenken, ob das strafbar wäre. In Betracht käme auf jeden Fall ein Betrug. Problematisch erscheint mir, ob damit, dass er auf die Richtigkeit meiner Angaben vertraut, eine Vermögensverfügung oder zumindest -gefährdung verbunden ist, die ja auch für einen Betrug ausreichen kann. Das kann man – wie fast immer – so und auch anders sehen.

Ich habe richtige Angaben gemacht und darf mich dafür nun mit dem Reisecenter der Bahn auseinander setzen. Damit dürfte der nächste Blogeintrag garantiert sein.

Autor: RA Dr. André Bohn

Maskenpflicht in Düsseldorf rechtswidrig

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat entschieden, dass die Allgemeinverfügung der Stadt Düsseldorf vom 3. November, mit der eine gesamtstädtische Pflicht zum Tragen von Alltagsmasken angeordnet wurde, rechtswidrig ist.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Allgemeinverfügung unbestimmt. Unter Punkt 1 heiße es: „Auf öffentlichen Straßen und Wegen innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile von Düsseldorf ist eine Alltagsmaske zu tragen, sofern und solange nicht aufgrund von Tageszeit, räumlicher Situation und Passantenfrequenz objektiv ausgeschlossen ist, dass es zu Begegnungen mit anderen Personen kommen kann, bei denen ein Abstand von 5 m unterschritten wird.“ Für den Bürger sei nicht eindeutig erkennbar, wo und wann er der Maskenpflicht unterliege. Vielmehr müsse er anhand der unbestimmten Begriffe „Tageszeit, räumliche Situation und Passantenfrequenz“ selbst über das Vorliegen einer Situation entscheiden, in der ein Begegnungsverkehr „objektiv ausgeschlossen“ sei. Dem Bestimmtheitsgebot sei nicht genügt, wenn der Bürger – wie hier – nicht ohne weiteres in der Lage sei zu erkennen, welches Verhalten von ihm gefordert werde, zumal dann, wenn ein Verstoß bußgeldbewehrt sei.

Das VG Düsseldorf hat außerdem Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Festlegung einer Abstandsregelung von 5 m geäußert. Diese gehe deutlich über die Vorgaben in § 2 der aktuellen Coronaschutzverordnung hinaus (Mindestabstand von 1,5 m). Auf welchen Erkenntnissen die weitergehende Regelung beruhe, sei nicht ersichtlich (Aktenzeichen 26 L 2226/20).

Fitnessstudios bleiben in NRW bis mindestens 30. November geschlossen. Das Oberverwaltungsgericht Münster sieht in einem Eilbeschluss die Lockdown-Regelungen als voraussichtlich rechtmäßig an. Das gesellschaftliche Konzept, etwa Schulen und Firmen weitgehend offen zu lassen und vor allem den Freizeitbereich einzuschränken, sei sachlich jedenfalls nachvollziehbar (13 B 1657/20.NE).

Nachtrag: Die Stadt hat die Maskenpflicht ausgesetzt. Am Dienstag soll allerdings schon eine neue Allgemeinverfügung erlassen werden, berichtet tagesschau.de.

Niedersachsen: Lokale und Sportstudios bleiben zu

In Niedersachsen bleiben Gaststätten und Fitnessstudios geschlossen. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg lehnt es mit heute veröffentlichten Entscheidungen ab, die ab dem 2. November geltenden Corona-Regeln außer Kraft zu setzen. Im Rahmen einer Folgenabwägung geben die Richter dem Gesundheitsschutz Vorrang.

Die klagenden Unternehmen hatten unter anderem darauf hingewiesen, dass trotz Kontaktverfolgung keinerlei Infektionen in ihren Betrieben festgestellt wurden. Dieses Argument reicht den Richtern jedoch nicht. Sie verweisen darauf, mittlerweile könne die Ursache vieler Infektionen gar nicht mehr zurückverfolgt werden. Das Ziel der Regierung, soziale Kontakte weitgehend einzuschränken, sei grundsätzlich nachvollziehbar.

Genau dieser Aspekt führt aber zu einem Punkt, mit dem die Betriebe irgendwann doch noch einmal Recht bekommen können. Die große Frage ist nämlich, ob dem Gleichbehandlungsgrundsatz Rechnung getragen wird. So dürfen andere Unternehmen, und der Handel geöffnet bleiben, ebenso Kitas und Schulen. Hier müsse geprüft werden, ob die Regelungen tatsächlich eine „auf hinreichenden Sachgründen beruhende und angemessene Differenzierung“ darstellen. Das seien komplizierte Rechtsfragen, so das Gericht. Diese Fragen müssten im Hauptsache- und nicht im Eilverfahren geklärt werden (Aktenzeichen 13 MN 411/20, 13 MN 433/20).

„Kennzeichen“

Bei der Verfolgung von Corona-Sündern sind die Bußgeldstellen allerorten ja recht eifrig. Die Software für die Textbausteine hinkt mitunter allerdings hinterher:

IfSG steht für Infektionsschutzgesetz.

Fingerabdrücke im Perso

Der Bundestag hat für den Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Stärkung der Sicherheit im Pass-, Ausweis- und ausländerrechtlichen Dokumentenwesen gestimmt. FDP, die LINKE und die Grünen stimmten gegen den Entwurf. Der Gesetzesentwurf sieht unter anderem die Speicherung von zwei Fingerabdrücken auf dem Speichermedium des Personalausweises als verpflichtend vor. Hier kann man Näheres nachlesen.

Wer sich jetzt noch sehr schnell einen neuen Personalausweis holt, muss noch keine Fingerabdrücke abgeben. Der Ausweis in alter Form bleibt dann auch zehn Jahre gültig.

Nachtrag: Die Fingerabdruckpflicht tritt nach derzeitiger Planung am 2. August 2021 in Kraft. Bis dahin besteht also die Möglichkeit, den Personalausweis ohne Abgabe von Fingerabdrücken zu erhalten.

Autor: RA Dr. André Bohn