VERLOREN

Der Schläger hat seinen Prozess (law blog vom 16. April 2003) gegen die Ex-Freundin doch noch verloren. Dafür musste die arme Frau sogar selbst in den Zeugenstand und sich als Partei befragen lassen. Nicht gerade ein würdiges Gerichtsspektakel. Aber vom Ergebnis her gesehen hat sich die psychische Tortur gelohnt.

POLIZEI-FRUST

Unser tollen Polizeibeamten. Ackern bis zum Umfallen. Und dann lässt die böse Justiz die Täter wieder laufen. So lautet die immer lautere Klage, über die der Düsseldorfer Express berichtet.

Vielleicht sollte man mal einen Staatsanwalt oder Ermittlungsrichter fragen, was ihm tagein tagaus so als Ermittlungsergebnis präsentiert wird. Schlampige Vernehmungen, unterlassene Recherchen, einseitige Spekulationen statt nachprüfbarer Fakten. Um nur einige Beispiele zu nennen.

Wie oft klappen Richter frustriert die Akte zu, weil die ermittelten Tatsachen nicht zu einer Verurteilung reichen? Wie oft werden Verfahren aufgebläht, weil voreingenommene Polizeibeamte es nicht für nötig halten, auch mal die Entlastungszeugen zu befragen? Und dann ist das Geschrei groß, wenn sich herausstellt, es wird wieder mal nur über heiße Luft verhandelt.

Zunehmend, so meine Erfahrung, wird auch grob fahrlässig gegen strafprozessuale Grundsätze verstoßen, nicht nur bei Vernehmungen, sondern zum Beispiel auch bei Lichtbildvorlagen und Durchsuchungen. Wenn sich Beamte dann aufregen, dass ihre vermeintlichen Beweismittel nicht verwertet werden, ist das lächerlich. Die Unverwertbarkeit beruht fast immer auf handwerklichen Fehlern der Polizei.

Wie armselig deren Kenntnis von der Strafprozessordnung teilweise ist, zeigt sich sogar im Bericht des Express. Die Tat selbst als Verdunkelungshandlung? Wer so was denkt, sollte sich nicht wundern, wenn der Richter lachend unter seinen Schreibtisch fällt – oder ihn mit zornigen Worten zum Nachsitzen schickt.

Klar, wenn eine Sache Monate oder Jahre später vor Gericht ist, sind die Beweismittel futsch. Und jeder Beschuldigte tut gut daran, angesichts der Überlastung, Unlust oder Inkompetenz unserer Polizei (kann sich jeder seine Variante raussuchen) eisenhart zu schweigen. Ich wiederhole es an dieser Stelle gern: Wer – in welcher Situation auch immer – bei einer Vernehmung ohne sachkundige Hilfe etwas zur Sache erklärt, schadet sich selbst.

Dass die Polizei Staatsanwälten und Richtern die Schuld am Desaster gibt, ist eine groteske Verdrehung von Ursache und Wirkung. Wenn sie wenigstens über uns Anwälte schimpfen würden. Das könnte man ja noch verstehen.

WEICHEIER

Anwälte = Weicheier. Die passenden Vorschläge finden sich auf mandantenversteher.de.

Meine Favoriten:

An-die-Unschuld-des-Mandanten-Glauber
Briefmarken-selbst-Lecker
call-by-call-vorwahlvergessende-Fachkraft-deshalb-Abmahner
Doktortitel-in-der-URL-Führer
Eigene-Strafzettel-vom-Kanzleikollegen-bearbeiten-und-der-Rechtsschutzversicherung-bezahlen-Lasser
Freispruch-Bettler
Gegner-am-Leben-Lasser
Hans-Soldan-Katalog-Besteller
Insolvenzberatung-ohne-Vorkasse-Durchführer
Jederzeit-und-gerne-zur-Verfügung-Steher
Kammerverfahren-Fürchter
Loseblattsammlungen-Nachsortierer
Mit-der-Robe-über-dem-Arm-durch-die-Stadt-Geher
Nach-verlorenem-Prozeß-vor-dem-Gerichtssaal-zu-den-Mandanten-„Ich muß weg“-Sager
Online-Beratung-Anbieter
Pflichtverteidiger-Liste-Einschreiber
Quittungs-Schreiber
Robenzuknöpfer
Sich-als-Gütestelle-anerkennen-Lasser
Trotz-Homepage-keine-E-Mails-Leser
Unverbindliche-Auskünfte-Erteiler
Visitenkarten-wahllos-Verteiler
Who-is-Who-Eintrag-im-Lebenslauf-Erwähner
Xantippe-Telephondienst-machen-Lasser
Yello-Strom-für-die-Kanzlei-Bezieher
Zeitungsanzeigen-Schalter

Die Seite hat noch mindestens 974 weitere Wortschöpfungen zu bieten.

(link gefunden im LAWgical)

KOSTENPFLICHTIG

Die Meldung war überall zu lesen: Das Amtsgericht Düsseldorf soll entschieden haben, dass Opfer von Abmahnungen ggf. ihre Anwaltskosten vom Abmahner verlangen können. Laut JurText Online war das in der Pressemeldung angegebene Aktenzeichen des Gerichts aber falsch . Absichtlich. Aus dem Umkreis des Journalisten sei – so JurText Online – nämlich folgendes zu erfahren:

„Es wurde in der Pressemitteilung vorsätzlich ein falsches Aktenzeichen angegeben. Dies hat den Sinn, dass nicht irgendwelche Netzindianer bei Gerichten mit dieser grenzdebilen Entscheidung rumtrollen. Die Entscheidung ist aber authentisch. Anonymisierte Abschriften mit echtem Aktenzeichen können bei mir für € 50,00 zzgl. Mehrwertsteuer erworben werden ….“

Eine absichtliche Falschinformation? In den USA führen kleinere Anlässe dazu, dass Chefredakeure ihren Stuhl räumen.

Update: Jemand hat die Entscheidung in die Kommentare kopiert.

NOTFALL

Nächtliche Anrufe gehören zu meinen Favoriten. Wenn eine raue Stimme fragt: „Können Sie helfen?“ „Jetzt, sofort?“ „Gibt es da ein Problem?“ „Es ist 2.37 Uhr. Ehrlich gesagt, ich müsste aus dem Bett krabbeln.“ „Es ist aber eilig.“ „Ja, dann, was soll ich für Sie tun?“ „Bitte kommen Sie in die X-Straße. Alles weitere dort.“

Ich mache in solchen Situationen gewöhnlich deutlich, dass ich bei meiner Ankunft ungern Sätze höre wie: „Ich bin über das Sozialamt rechtsschutzversichert.“ Diese Stimme klang aber so, dass mir allein der Hinweis deplatziert erschien.

Ich kam an die X-Straße, drückte auf einen goldenen Klingelknopf und traf auf eine illustre Runde gesetzter Herren, die Zigarren im Mund hatten, Karten in der Hand und Gläser auf dem Tisch. Ich benutze ungern Klischees, aber in der Ecke des großen Raumes stand ein Billardtisch. Habe ich erwähnt, dass offensichtlich niemand in diesem Raum mit Nachnamen Müller hieß?

„Unser Anwalt ist im Urlaub“, eröffnete mein Empfangskomitee. „Deshalb haben wir uns an Sie gewandt.“ Er nickte in Richtung eines unscheinbaren älteren Herrn der angestrengt auf sein Blatt starrte. Ich mahnte mich innerlich zur Vorsicht. Im Strafrecht ist der Grat zwischen Beratung und Beihilfe mitunter nur Bewertungssache.

Ich würde mich drücken bei Fragen wie: Welches südamerikanische Land liefert nicht nach Deutschland aus? Haben Sie die Möglichkeit, einen größeren Lotteriegewinn für uns zu verwalten?

„Unser Papa“, erklärte das Empfangskomitee weiter, „hat heute eine Ladung zum Gericht erhalten.“ Mir war klar, dass dies in gewissen Kreisen für eine mittlere Panik taugt. „Sie müssen das abwenden.“ Hörte ich da sogar eine größere Panik? Lag die Betonung auf müssen und was bedeutete dies im Falle eines Misserfolgs?

Ich sah mir die Ladung an und versprach, alles zu unternehmen, damit mein neuer Mandant nicht vor Gericht erscheinen muss. Die Runde war sichtlich beeindruckt, als ich erklärte, der Fall sei lösbar, ohne dass Papa unfreiwillig einen Fuß vor die Tür, geschweige denn vor einen Richter setzen muss.

Ich tat also mein Bestes, um den Ermittlungsrichter davon zu überzeugen, dass er meinen Mandanten nicht dazu vernehmen muss, wer rund sechs Wochen zuvor mit einem auf ihn zugelassenen Alfa Romeo außerorts die höchstzulässige Geschwindigkeit um 23 Stundenkilometer überschritten hat.

Schon am späten Vormittag konnte ich dem Kunden Vollzug melden: Sache erledigt, Verfahren eingestellt. Neben dem ansehnlichen Pauschalhonorar beflügelt mich die leise Hoffnung, dass in einer stattlichen Zahl Samsung-Handies jetzt meine Mobilfunknummer gespeichert sein könnte. Falls einer aus der Familie mal falsch parkt.

FRUST

Kleines Erfolgserlebnis, wenn der Mandant schon im Gerichtstermin seinen Führerschein wieder bekommt. Gewisser Frustrationseffekt, wenn er einem nach dem freudigen Händedruck zum Abschied ein Schreiben der Polizei in die Hand drückt. Die Mitteilung über ein neues Ermittlungsverfahren. Wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis – eine knappe Woche vor der Verhandlung.

HANDICAP

Eine Krankenkasse kann einen Analphabeten nicht wegen Beitragsrückständen ausschließen, wenn sie ihn nicht mündlich über seine Rechte belehrt hat. Das Sozialgericht Düsseldorf erklärte laut beck-aktuell den Zahlungsrückstand eines Analphabeten für wirkungslos, weil ihm die Krankenkasse nur schriftliche Mahnungen geschickt hat – obwohl sie von seinem Handicap wusste.

Eigentlich schade, dass die Krankenkasse überhaupt eine andere Auffassung vertreten hat.

MORGEN

Gestern Nachmittag, als ich ins Büro zurückkam, telefonierte meine Sekretärin gerade:

Morgen? Das geht leider nicht. – Morgen sind schon alle Termine vergeben. – Ich kann Ihnen morgen keinen Termin geben, weil morgen keine Termine mehr frei sind. – Wenn noch ein Termin frei wäre, würde ich Ihnen einen geben. – Wie wäre es mit Freitag? – Freitag ist gut? 15 Uhr? – Ja, 15 Uhr, Freitag. – Hallo, nicht morgen. Morgen geht es nicht um 15 Uhr. Der Termin ist Freitag, 15 Uhr. – Morgen geht es auch nicht um 16 Uhr, weil morgen gar nichts mehr frei ist. – Ich wiederhole es noch mal gerne: Freitag, 15 Uhr. – Ja, das ist jetzt Ihr Termin.

Heute Nachmittag um 15.37 Uhr stand der Mandant in der Tür und wollte mit mir sprechen. Er schwor Stein und Bein, dass er für heute 16 Uhr einen Termin vereinbart hat.

Ich habe ihn klaglos dazwischengenommnen und hoffe, dass mir meine Mitarbeiterin dafür ewig dankbar ist. Bis zum nächsten Telefonat mit dem Mandanten wäre auch schon nicht schlecht.

STRAFSCHÄRFEND

STRAFSCHÄRFEND

Aus einem Urteil des Amtsgerichts Neuss:

Strafschärfend hat das Gericht ihre unhaltbare Theorie von der Unterschlagung des Geldes durch einen Postmitarbeiter berücksichtigt. Damit ist sie über zulässiges Leugnen in unrechter Weise hinausgegangen.

Klingt simpel, ist aber stupid. Es ist das gute Recht jedes Angeklagten, die Tat zu leugnen. Im Gegensatz zu Zeugen ist er gerade nicht verpflichtet, die Wahrheit zu sagen. Ein Geständnis kann nach dem Gesetz strafmildernd honoriert werden; das Leugnen der Tat darf aber nicht strafschärfend gewertet werden.

Der Richter – übrigens der, der sich weigert, mit Anwälten zu telefonieren – versucht diese Klippe zu umschiffen, indem er der Angeklagten unterstellt, sie habe einen „Postmitarbeiter“ beschuldigt. Die Schuld einem Dritten zuzuschieben, kann unter Umständen strafschärfend gewertet werden. Allerdings nur dann, wenn die Angeklagte einen konkreten Dritten bezichtigt und dieser in die Gefahr gerät, zu Unrecht verfolgt zu werden.

An all dem fehlt es aber, weil die Angeklagte nur dargelegt hat, dass Geld in einer (offenen) Postsendung von einem Postmitarbeiter entwendet werden kann. Auf dem Weg von Neuss nach Heidelberg und zurück gibt es dazu reichlich Gelegenheit, was man wohl nicht ernsthaft abstreiten kann.

Das Aufzeigen eines möglichen anderen Geschehensablaufes ist keine verwerfliche Schuldzuweisung an Dritte, sondern eine zulässige Verteidigungshandlung. Das resultiert aus dem Grundsatz, dass die Angeklagte nicht beweisen muss, dass sie die Tat nicht begangen hat. Vielmehr muss das Gericht ihr beweisen, dass sie es war. Das kann und darf man dadurch erschweren, indem man schildert, wie es auch gewesen sein kann.

In der Konsequenz bedeutet der Satz: Die Angeklagte ist nicht nur zu bestrafen. Sie hat sogar eine höhere Strafe verdient, weil sich so dreist war, sich gegen den Tatvorwurf zu wehren.

Man könnte sich glatt über so eine Einstellung aufregen, wenn sie nicht gleichzeitig ein herrlicher Angriffspunkt für das Rechtsmittel wäre.

LETZTE RUHE

Das Sozialamt muss einer mittellosen Witwe die Beerdigungskosten für ihren Mann vorstrecken. Es kann der Frau nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Freiburg nicht zugemutet werden, ihren Mann erst zu beerdigen, wenn feststeht, ob andere für die Bestattung aufkommen müssen (z. B. leibliche Kinder). Die Frau griff zu dem Rechtsmittel, weil ihr Mann seit Mitte Februar im Kühlhaus liegt.

BEDINGUNGEN

Ein Anwalt aus Meerbusch verkauft Rechtsberatung über ebay. Für 24,95 Euro. Allerdings gibt es erst mal eine Hürde für die Kunden zu überwinden:

Ihr Sachverhalt und Ihre Frage müssen kurz und präzise zu formuliert sein, darf keine Anlagen enthalten und darf maximal 80 Wörter betragen.

Die Gegenleistung:

Die Antwort umfasst in der Regel nicht mehr als eine DIN A4 Seite, sie gibt Ihnen in jedem Fall eine erste verbindlichen Auskunft über die Rechtslage in Ihrem konkreten Fall; ferner erfahren Sie welche Schritte Sie gegebenenfalls einleiten müssen oder einleiten sollten. Im Rahmen dieses Angebotes erfolgen keine umfangreichen Rückfragen zur Erforschung aller Details, es werden auch keine umfangreichen juristische Gutachten erstellt. Es wird nur der von Ihnen vorgetragene Sachverhalt und die konkrete Frage beantwortet. Es werden auch keine ausformulierten Schriftsätze an die Gegenseite oder vollständige Vertragsentwürfe angefertigt.

Ich weiß nicht, den Beginn eines entspannten Geschäftsverhältnisses stelle ich mir anders vor.

(link gefunden im HandakteWebLAWg)

PLAUDERN, BITTE BITTE

PLAUDERN, BITTE BITTE

Es müsste jemand mal eine Vorschrift erlassen, die es Richtern untersagt, ohne Grund eine mündliche Verhandlung anzusetzen. Es kann doch nicht der Sinn der Sache sein, dass Richter, die ja die Briefköpfe kennen, Anwälte 450 Kilometer aus unterschiedlichen Himmelsrichtungen anreisen lassen, um dann zu erklären, dass man in der Sache keinen Gesprächsbedarf hat und demnächst ein Urteil verkünden wird.

Meine mitgenommenen Akten habe ich schon auf dem Hinweg bearbeitet. Auf dem Handy ruft mich niemand an. Und zum Spiegel lesen habe ich keine Lust. Die einzige Perspektive ist momentan, dass mich die Bankerin/Unternehmensberaterin/Juristin auf dem Nebensitz ruhig mal fragen könnte, wieso mein Textprogramm w.bloggar heißt.

Falls das nicht passiert, kann es gut sein, dass ich noch bis 16.24 Uhr mit unsinnigen Blogeinträgen nerve. Seid gewarnt.

ZWISCHEN MÜNSTER UND HANNOVER

ZWISCHEN MÜNSTER UND HANNOVER

Seit wann patroullieren denn schwerbewaffnete Polizeibeamte durch Fernreisezüge? Das Pärchen kommt jetzt zum zweiten Mal hier vorbei und guckt allen Fahrgästen ziemlich streng in die Augen.

Wenn es Routine wäre, würde ich mich sicherer fühlen. Wenn.

FREMDE FRAUEN

Die Vermieterin einer 50-Quadratmeter-Wohnung beruft sich gegenüber meinem Mandanten auf folgende Vertragsklausel:

Keine anderen Personen erlaubt.

Damit will sie verhindern, dass die neue Freundin meines Mandanten, die nachweislich eigene Wohnung hat, zu Besuch kommt. Womöglich sogar über Nacht.

Ob sie einen Anwalt findet, der ihre Position vertritt?