Die Meister-Maurer

In Hamburg haben Unbekannte die Eingangstür eines S-Bahn-Waggons zugemauert. Und zwar so kunstvoll, dass der Fahrer erst nach anderthalb Stunden auf die „Verschönerung“ aufmerksam wurde. Die Urheber der Aktion sind bislang unbekannt.

Wenn ich Examenskandidat wäre oder demnächst eine Uniklausur im Strafrecht schreiben müsste, würde ich mir zu diesem Fall schon mal verschärfte Gedanken machen. Denn die Geschichte bietet alles für eine Unzahl von Fragen, wie sich die möglichen Täter strafbar gemacht haben.

Attacken auf Bahnen sind juristisch insofern immer schon eine schlechte Idee, weil Züge als als wichtige Arbeitsmittel im Sinne des § 305a StGB gelten. Das erhöht die mögliche Freiheitsstrafe schon mal auf fünf Jahre; für normale Sachbeschädigung gibt es höchstens zwei Jahre.

Allerdings wird man die Frage aufwerfen müssen, ob das Mäuerchen das Fahrzeug „ganz oder teilweise“ zerstört hat. Laut den Berichten wurde die Mauer fachkundig eingepasst, aber nicht fest mit dem Rahmen verbunden. Eine Zerstörung im Sinne des Gesetzes dürfte das kaum sein.

Vielmehr ist dann wohl schon fraglich, ob es überhaupt noch zu einer normalen Sachbeschädigung reicht. Für solche Konstellationen gibt es selbstredend reichlich rechtswissenschaftliche Theorien, die alle möglichen Ergebnisse rechtfertigen.

Dann müsste man wahrscheinlich noch überlegen, ob auch eine gemeinschädliche Sachbeschädigung (§ 304 StGB) in Frage kommt. Oder vielleicht ein gefährlicher Eingriff in den Bahnverkehr (§ 315 StGB). Oder eine Gefährdung des Bahnverkehrs (§ 315a StGB). Auch wenn das im Ergebnis nicht der Fall sein dürfte.

Und auf keinen Fall darf man am Ende vergessen, dass es sich möglicherweise um ein Kunstwerk handelt, so dass die „Täter“ sich auf das Grundrecht aus Art. 5 GG berufen können, wenn auch letztlich mit einiger Sicherheit erfolglos.

Na ja, womöglich brauchen die Meister-Maurer irgendwann mal einen Verteidiger. An dem Fall dürfte in Anwaltskreisen einiges Interesse bestehen…

Keine Muskelshirts

+++ Der frühere Arcandor-Chef Thomas Middelhoff hat seine Kaution von 895.000 Euro auf ein Konto der Gerichtskasse Essen eingezahlt. Er wurde deshalb nach knapp fünf Monaten aus der Untersuchungshaft entlassen, teilte das Landgericht Essen mit. +++

+++ Ein wichtiges Urteil für Gebrauchtwagenkäufer: Der Bundesgerichtshof erklärte die auf ein Jahr verkürzte Verjährungsfrist in Musterverträgen des Zentralverbands des Kfz-Gewerbes für unwirksam. Der Mustervertrag wird sehr häufig verwendet. Käufer können Mängel jetzt ein Jahr länger geltend machen (Aktenzeichen VIII ZR 104/14). +++

+++ Auch gemeinnützige Unternehmen müssen Auszubildenden einen angemessenen Lohn zahlen. Geklagt hatte ein Azubi, der nur 55 % des Tariflohns erhielt. Der Lohn darf nur in Ausnahmefällen unter den üblichen Sätzen liegen, urteilt das Bundesarbeitsgericht. Ab einer Grenze von 20 % werde widerlegbar vermutet, dass der Lohn zu niedrig ist (Aktenzeichen 9 AZR 108/14.) +++

+++ Ein Sportverein kann seinen männlichen Mitgliedern verbieten, beim Training Muskelshirts oder ärmellose Oberteile zu tragen. Ein Vereinsmitglied hatte 10.000 Euro Schmerzensgeld verlangt, weil er das Verbot nicht akzeptieren wollte. Er scheiterte vor dem Landgericht Duisburg (Aktenzeichen 8 O 211/14). +++

Keine Kündigung wegen Mindestlohns

Ein Arbeitgeber darf einem Angestellten nicht kündigen, weil dieser den Mindestlohn verlangt. Das Arbeitsgericht Berlin erklärte eine entsprechende Kündigung für rechtswidrig.

Der Arbeitnehmer wurde als Hausmeister mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 14 Stunden bei einer Vergütung von monatlich 315,00 EUR beschäftigt. Das entspricht einem Stundenlohn von 5,19 Euro.

Er forderte von dem Arbeitgeber den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro. Darauf bot der Arbeitgeber an, die Arbeitszeit auf monatlich 32 Stunden an, wobei er dann einen Stundenlohn von 10,15 Euro zahlen wollte. Das lehnte der Arbeitnehmer ab, worauf er die Kündigung erhielt.

Das Arbeitsgericht betrachtet die Kündigung als eine nach § 612 a BGB verbotene Maßregelung. Der Arbeitgeber habe das Arbeitsverhältnis gekündigt, weil der Kläger in zulässiger Weise den gesetzlichen Mindestlohn gefordert habe; das sei verboten (Aktenzeichen 28 Ca 2405/15).

Kinderlärm ist kein Lärm

+++ Kinderlärm von einem Bolzplatz ist kein Grund für eine Mietminderung. Der Bundesgerichtshof entschied, dass der Grundsatz „Kinderlärm ist kein Lärm“ auch zwischen Mietern und ihren Vermietern gilt. In dem entschiedenen Fall muss aber neu geprüft werden, ob die angeblichen Ruhestörungen tatsächlich von Kindern ausgingen. Und nicht von Jugendlichen, die sich unberechtigt auf dem Bolzplatz aufhielten. +++

+++ Homosexuelle Männer dürfen wegen erhöhten Aids-Risikos grundsätzlich von der Blutspende ausgeschlossen werden, hat der Europäische Gerichtshof entschieden. +++

+++ Ein Soldat darf bei seiner Einstellung nicht verschweigen, dass er früher NPD-Mitglied gewesen ist. Ein Bewerber hatte in einem Fragebogen seine Mitgliedschaft verschwiegen. Deshalb durfte er nun entlassen werden, entschied das Verwaltungsgericht Ansbach (Aktenzeichen AN 11 K 14.00127). +++

Warum ausgerechnet dieses Papier?

Im NSU-Verfahren ist ein Gutachten an die Öffentlichkeit durchgesickert, das sich mit dem Gesundheitszustand der Angeklagten Beate Zschäpe beschäftigt. Diversen Medien, zum Beispiel der FAZ, liegt das Gutachten im Original vor – obwohl es laut den Berichten selbst die Prozessbeteiligten bislang nur auf der Geschäftsstelle des Gerichts einsehen konnten.

Besondere Brisanz gewinnt das offenkundige Datenleck aus dem Umstand, dass das Gutachten bestens geeignet ist, einen weiteren Keil zwischen die Angeklagte und ihre Anwälte zu treiben. Denn der Sachverständige führt die Gesundheitsbeschwerden Zschäpes vor allem auf die konsequente Strategie zurück, im Prozess zu schweigen.

Zum Schweigen haben Zschäpe vor allem ihre Anwälte geraten. Unter dem enormen Druck, den das in einem schon 202 Tage dauernden Prozes erzeugt, scheint Zschäpe zu leiden. Und zwar so stark, dass der Gutachter sogar ganz unverblümt die Frage stellt, ob eine andere Verteidigungsstrategie nicht vielleicht schlauer wäre.

Gut möglich, dass nach diesen starken Worten die Tage des Gutachters in dem Prozess bereits gezählt sind. Denn sich so offen in die Verteidigungsstrategie einzumischen und dieser die Hauptschuld zuzuschreiben, deutet nicht gerade auf Unvoreingenommenheit hin. Entsprechende Befangenheitsanträge dürften nicht lange auf sich warten lassen.

Bleibt die Frage, wieso nun ausgerechnet dieses Papier aus dem Prozess an die Öffentlichkeit gelangt. Man wird es, wie so oft, wahrscheinlich nicht erfahren. Aber ein faires Verfahren, auf das auch Beate Zschäpe unbedingten Anspruch hat, wird dadurch ganz bestimmt nicht leichter.

Filesharing: Deutliche Worte aus Bielefeld

Nachdem das Amtsgericht Bielefeld in Filesharing-Fällen nutzerfreundlich geurteilt hat, schwenkt auch die zweite Instanz auf diese Linie ein.

Das Landgericht Bielefeld beabsichtigt, die Berufung gegen eine Entscheidung zurückzuweisen. In der Begründung finden sich folgende Punkte:

-> Die Verjährung für Ansprüche in Filesharing-Vefahren beträgt drei und nicht, wie von den Rechteinhabern gern behauptet, zehn Jahre.

-> Ein Mahnbescheid unterbricht die Verjährung nur, wenn die Forderung hinreichend klar beschrieben ist. Formelhafte Angaben wie „Schadensersatz auf Vorfall/Unfall“ reichen regelmäßig nicht, wenn es um Filesharing-Vorwürfe geht;

-> Anwaltskosten können nur geltend gemacht werden, wenn der Kläger auch seinen Unterlassungsanspruch konsequent verfolgt.

Der Beschluss ist ein weiteres Signal dafür, dass sich die Rechtsprechung in Filesharing-Fällen in vielen Bereichen stark zum Vorteil der Nutzer entwickelt. Zu den zahlreichen Fragen der Störerhaftung musste das Gericht gar nicht Stellung nehmen, da schon formale Mängel ausreichten, um den Anspruch zu Fall zu bringen (Aktenzeichen 20 S 65/14).

Mit Aufmerksamkeit überschüttet

Der Staatsanwalt hat meinen Mandanten mit Aufmerksamkeit überschüttet. Hausdurchsuchung. Vernehmung von Ehefrau, Kindern und der im Haus lebenden Oma, wobei es wegen der in unserem Land geltenden Zeugnisverweigerungsrechte beim Versuch verblieb.

Auch der Hardware meines Mandanten widmete der Strafverfolger größte Aufmerksamkeit. Gleich zwei Sachverständige durften sich darum bemühen, die von meinem Mandanten genutzte Verschlüsselung mit Truecrypt zu knacken. Und weil das nichts half, auch noch ein Landeskriminalamt.

Trotz enormer Kosten, die jedem Steuerzahler die Tränen in die Augen treiben dürften, blieb der Computer meines Mandanten unzugänglich. Ansonsten fand sich nirgends was, das auf eine Straftat hindeutete. Nicht mal in den Tiefen des Betriebssystems. Der Staatsanwalt musste das Verfahren mangels Tatverdachts einstellen. Genau genommen hätte er es nie beginnen dürfen, weil gar kein Anfangsverdacht vorlag. Aber das ist ja ein Thema für sich, das ich schon an anderer Stelle behandelt habe.

Mit der Reinwaschung durch eine schriftliche Verfügung nach § 170 Abs. 2 StPO war die Sache zwar zu Ende, aber noch nicht vorbei.

Der Staatsanwalt rückte den Rechner meines Mandanten nicht raus. Er schickte ihn vielmehr an die Polizei. Mit der Anregung, den recht flotten Rechner zu kassieren, ihn versteigern oder sinnvoll auf einer Polizeiwache nutzen zu lassen.

Das Ganze war nach Auffassung des Staatsanwalts nach § 34 PolG möglich. Die Vorschrift gestattet in der Tat die endgültige Einziehung einer Sache, wenn sie bei Rückgabe an den Betroffenen sofort wieder beschlagnahmt werden müsste. Das kennt man zum Beispiel bei Fällen, in denen um das Schicksal von Kampfhunden gestritten wird.

In meinem Fall bedeutete das: Es gab zwar keinerlei Belege oder sonstige Anzeichen dafür, dass sich auf den Datenträgern meines Mandanten irgendwas Verbotenes befindet. Aber irgendwie könne man „nach Polizeirecht“ dennoch davon ausgehe. Immerhin: „Die endgültige Prüfung und Entscheidung bleibt der zuständigen Polizeibehörde vorbehalten“.

Ich habe gleich die zuständige Polizeibeamtin angerufen. Die brütete da gerade über dem Schreiben. Wir waren schnell einig, dass es auch im relativ großzügigen Polizeirecht gewisser Fakten bedarf, um so eine Einziehung zu begründen. Und eben nicht nur eines Ressentiments. „Ich mache das mit Sicherheit nicht“, entschied sie.

Mein Mandant konnte seinen Rechner sofort bei der Polizei abholen. Ich habe das Gefühl, der Staatsanwalt gibt nicht auf. Mal sehen, ob er einen Richter findet, der ihm einen „Überraschungsbesuch“ – am besten mit dem SEK – bei meinem Mandanten gestattet.

Der Unwert des Kollektivs

„FCK CPS“ stand auf einem T-Shirt, das ich neulich in der Straßenbahn gsehen habe. Jetzt weiß ich Ahnungsloser auch, was der Träger damit ausdrücken wollte. Möglicherweise. Das Bundesverfassungsgericht hat sich jetzt nämlich damit beschäftigt, ob die Lesart, es handele sich um eine Beleidigung der Polizei, zu einer Strafbarkeit führt.

Das Amtsgericht Bückeburg hatte eine Frau wegen Beleidigung verurteilt, die einen „FCK CPS“-Anstecker trug. Das Verfassungsgericht lässt die Frage ausdrücklich offen, ob „FCK CPS“ wirklich „Fuck Cops“ bedeutet

Denn es fehlt laut dem Gericht bereits an Polizeibeamten, die sich – ganz konkret – beleidigt fühlen durften und das auch taten. Das Gericht wiederholt hier im Grunde nur seine Rechtsprechung zu dem Slogan „Alle Soldaten sind Mörder“ (Aktenzeichen 1 BvR 1036/14):

Je größer das Kollektiv ist, auf das sich die herabsetzende Äußerung bezieht, desto schwächer kann auch die persönliche Betroffenheit des einzelnen Mitglieds werden, weil es bei den Vorwürfen an große Kollektive meist nicht um das individuelle Fehlverhalten oder individuelle Merkmale der Mitglieder, sondern um den aus der Sicht des Sprechers bestehenden Unwert des Kollektivs und seiner sozialen Funktion sowie der damit verbundenen Verhaltensanforderungen an die Mitglieder geht.

Diese erforderliche „persönliche Betroffenheit“ ist übrigens auch der Grund, warum das Düsseldorfer Ordnungsamt in dieser reichlich absurden Verwarnung wegen eines „FCK CPS“-Shirts besonders darauf hinweist, der vermeintliche Übeltäter habe Blickkontakt mit den Polizeibeamten gesucht habe.

„Kleinste Textausschnitte“

Die VG Media soll das Leistungsschutzrecht für deutsche Verlage realisieren. Größter „Gegner“ ist seit jeher Google, und diese Firma soll nun kräftig zur Kasse gebeten werden, wie es in diesem Bericht heißt.

Ohne rot zu werden, fordert die VG Media sechs Prozent des deutschen Google-Umsatzes, der zwischen 3 und 5,8 Milliarden Euro liegen soll. Dabei legt die Verwertungsgesellschaft allerdings eine juristische Sichtweise zu Grunde, die sich aus dem geltenden Leistungsschutzrecht gerade nicht ergibt.

Denn die von Google in seinen Suchergebnissen wiedergegebenen Passagen sind nur „kleinste Textausschnitte“. Genau diese sollten aber gerade nicht vom Leistungsschutzrecht erfasst werden, um die Arbeit von Suchmaschinen nicht völlig unmöglich zu machen. Einzelheiten erklärt Rechtsanwalt Thomas Stadler in seinem Blog.

Zu hinterfragen wäre auch mal die Selbstverständlichkeit, mit der die VG Media offenbar über die Tatsache hinwegsieht, dass ein Großteil der Suchergebnisse gar keinen Bezug zu Verlagserzeugnissen haben dürfte. Die Diskussion wird sicher noch interessant werden.

Beamte mit Online-Talenten

Auf einen lukrativen Nebenverdienst müssen künftig zwei Wachtmeister eines NRW-Gefängnisses verzichten. Das Ehepaar, beide als Beamte im Staatsdienst tätig, betrieb neben der Arbeit einen Erotik-Chat.

Die Leiterin der Justizvollzugsanstalt hatte den beiden im September 2011 erlaubt, nebenher ein Internet-Portal zu betreiben. Dass es sich um einen Erotik-Chat handelte, war damals nicht bekannt.

Moralische Bedenken führten jetzt aber nicht dazu, dass die beiden mit dem Chat aufhören müssen. Oder ihrem Justizjob. Vielmehr war es der Jahresgewinn von 80.000 Euro, den der Chat einbringt. Dieser Gewinn liegt über dem Einkommen der beiden Beamten.

Ab einem Nebenverdienst von mehr als 40 % des Einkommens spreche eine Vermutung dafür, dass dienstliche Belange beeinträchtigt sind, urteilte jetzt das Verwaltungsgericht Aachen. Unabhängig von der Moral könnten sich die Betroffenen auch „angreifbar“ machen, wenn ihre Tätigkeit in der Haftanstalt bekannt werde (Aktenzeichen 1 K 908/14 und 1 K 909/14).

Legal brutal

Für Wirbel sorgt die „Festnahme“ eines Diebstahlsverdächtigen in der Kreuzberger Markthalle Neun. Das Video einer Zeugin zeigt eine reichlich rüde Behandlung des Mannes durch das Personal. Diskutiert wird nun, ob das noch vom Festnahmerecht (§ 127 StPO) gedeckt ist.

Das Video ist in diesem Bericht der Berliner Zeitung verlinkt, der auch ausführlich die Positionen der Beteiligten wiedergibt.

Grundsätzlich kann man das Festnahmerecht so zusammenfassen, wobei ich der Einfachheit halber aus dem Beck’schen Online Kommentar zur Strafprozessordnung zitiere:

Das Festnahmerecht enthält die Befugnis, den Täter festzuhalten, ihm Sachen wegzunehmen, um die Fortbewegung zu verhindern, ihn vorübergehend in der Privatwohnung zu verwahren und ihn zur nächsten Polizeiwache zu bringen.

Der Festnehmende darf im Rahmen des Erforderlichen und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes physische Gewalt anwenden. Die ernsthafte Beschädigung der Gesundheit des Straftäters oder die unmittelbare Gefährdung seines Lebens, etwa ein lebensgefährdendes Würgen, ist nicht erlaubt.

Grundsätzlich geht es deshalb in Ordnung, wenn Geschäftsinhaber mutmaßliche Diebe mit körperlicher Gewalt festhalten. Das gilt aber nur für den Fall, dass der mutmaßliche Täter auch tatsächlich ein Dieb ist. Stellt sich seine Unschuld heraus, kann es für den Festnehmenden schnell eng werden. Ein möglicher Irrtum ist regelmäßig sein juristisches Risiko.

Oft wird auch übersehen, dass der Täter „auf frischer Tat“ ertappt worden sein muss. Ich hatte es neulich zum Beispiel mit dem Fall zu tun, dass Mitarbeiter eines Elektromarktes meinten, mein Mandant habe vor einiger Zeit in dem Laden geklaut. Das war keine „frische Tat“, weswegen jetzt gegen die ebenfalls burschikosen Mitarbeiter des Marktes wegen Nötigung und Körperverletzung ermittelt wird.

Zu dem Berliner Video lässt sich derzeit nur sagen, dass die Situation schon grenzwertig erscheint. Jedenfalls, was ein mögliches Würgen des Betroffenen angeht. Am Ende ist es wie so oft Wertungssache für die beteiligten Juristen. Klar dürfte aber sein, dass die Ermittlungsbehörden kaum was gegen das Marktpersonal unternehmen werden, sofern der mutmaßliche Dieb keinen Strafantrag stellt.

Weiterer Bericht in der Welt

Portugal plant Zensur

+++ Portugals Politiker wollen die Medien disziplinieren. Parteiübergreifend planen sie eine Vorabzensur der Wahlberichterstattung. Unter anderem sollen Medien Bußgelder zahlen, wenn ihre Journalisten angeblich immer nur dieselben Politiker kritisieren. Betroffen wären auch die privaten Medien. +++

+++ Wer als Fahrzeughalter bei einem Verkehrsverstoss einen im Ausland lebenden Fahrer angibt, riskiert nach einem aktuellen Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf eine Fahrtenbuchauflage. Eine Frau hatte gesagt, ein Rumäne, dessen Adresse sie auch mitteilte, sei gefahren. Allerdings konnte gegen den Mann letztlich kein Bußgeldbescheid erlassen werden (Aktenzeichen 6 K 7123/13). +++

+++ Dreieinhalb Jahre lebten Tagesmütter mit dem Vorwurf, ihre Schützlinge missbraucht zu haben. Auslöser für die Ermittlungen waren wohl weder konkrete Vorwürfe, sondern eher „Stille Post“ – ausgelöst von einer Praktikantin. Jetzt wurden die Frauen freigesprochen. +++

+++ Die Todesstrafe ist und bleibt ein barbarischer Akt, wie dieser Bericht aus Indonesien zeigt. +++

Der Totschläger gehört meiner Frau

Was zum Schmunzeln hatten die Richter am Bundesgerichtshof ganz sicher, als sie die Revision mit dem Aktenzeichen 2 StR 414/14 prüften.

Beim Angeklagten war ein Totschläger gefunden worden. Hierzu heißt es im Urteil:

Das Landgericht hat zwar die dazu abgegebene Einlassung des Angeklagten, es habe sich um ein von ihm und seiner Ehefrau genutztes Sexspielzeug gehandelt, rechtsfehlerfrei für widerlegt erachtet.

Beim Angeklagten waren auch halbautomatische Waffen, Munition und Sprengstoffe gefunden worden. Das wird seine Glaubwürdigkeit bezüglich des Totschlägers nicht erhöht haben.

Zur freien Nutzung

Es gibt durchaus großzügige Menschen. Wie etwa einen vermögenden Mann aus Nordrhein-Westfalen, der seiner Haushaltshilfe eine Visakarte „zur freien Nutzung“ für eigene Zwecke zur Verfügung stellte. Monatlicher Verfügungsrahmen: 5.000 Euro.

Die Haushaltshilfe nutzte diese Kreditkarte auch nach dem Tod des Mannes und hob noch knapp 5.000 Euro ab. Die Erben des Mannes waren weniger großzügig und überdies höchst erzürnt. Sie zeigten die Frau wegen Untreue an.

Während die Frau vom Amts- und Landgericht verurteilte wurde, konnte das Oberlandesgericht Hamm als letzte Instanz keine Strafbarkeit erkennen. Eine Untreue (§ 266 StGB) setze eine „Vermögensbetreuungspflicht“ voraus. Hier habe sich die Frau aber gerade nicht um die Vermögensinteressen ihres früheren Arbeitgebers kümmern müssen, heißt es recht trocken in dem Urteil:

Inhalt der Vereinbarung mit dem Verstorbenen war gerade nicht eine Fürsorge für dessen Vermögensinteressen, sondern gerade dessen Vermögensminderung bis zur Höhe des Kreditkartenlimits von 5.000 Euro je Monat.

Der Fall läge natürlich komplett anders, wenn die Haushaltshilfe mit der Kreditkarte für den Haushalt des Mannes hätte einkaufen müssen. So aber hätten die Erben nach dem Tod die Nutzung der Kreditkarte erst mal untersagen müssen. Das haben sie aber zunächst nicht gemacht (Aktenzeichen 1 RVs 15/15).

Besoffen Radfahren gefährdet den Führerschein

Wenn man ordentlich was getrunken hat, ist das Taxi eine Alternative zum Auto. Das eigene Fahrrad nicht. Das Gesetz gilt für alle „Fahrzeuge“, und das Fahrrad ist nun mal ein solches.

Wer also mit 1,6 Promille oder mehr radelt, riskiert deshalb akut seinen Führerschein. Auch wenn er sich auf dem Rad gar nicht verkehrswidrig verhalten oder gar einen Unfall gebaut hat.

Gerichte kennen bei stark angetrunkenen Radlern kein Pardon und sorgen konsequent dafür, dass künftig auch das Auto stehenbleibt. Das zeigt zum Beispiel dieses Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Bayern.